Protocol of the Session on November 22, 2002

Meine Damen und Herren von der CDU, erkennen Sie doch auch im Hinblick auf Ihre Ziele zur Familienpolitik, dass Sie doch ein arg eingeengtes Bild von Familie vor sich haben, und erkennen Sie an, dass Familie in Thüringen gerade bei jungen Menschen mehr ist als Eheschließung. Sie müssen jetzt nicht gleich wieder in Panik verfallen. Die SPD ist nicht gegen die Ehe.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Es ist gar keiner in Panik verfallen.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Es ist gar keiner in Panik verfallen.)

Allerdings sollten Sie die Vielfalt erkennen. Respektieren Sie doch, dass die Mehrheit derjenigen, die Kinder erziehen, sich bessere strukturelle Unterstützung wünschen auch das hat der Ministerpräsident angeführt - sowohl in der Phase vor der Schule

(Beifall bei der PDS)

als auch während der Schulzeit. Nur eine Minderheit will unmittelbare finanzielle Unterstützung. Ich finde es im positiven Sinne bemerkenswert, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung erstmals - wenn auch vorsichtig - andere Töne angeschlagen haben und diesen Umstand anerkennen. Bevor Sie uns ganz schnell wieder eine Verlagerung von Erziehungsverantwortung von der Familie zu außerfamiliären Einrichtungen unterstellen wollen - auch dieses Ablenkungsmanöver können Sie lassen -, nein, wir sagen das in aller Deutlichkeit: Wir wollen Familien, Frauen und Männer nicht in traditionelle Rollen zwängen, sondern wir wollen sie bei der Vereinbarkeit von Familie, Kindererziehung und Beruf unterstützen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Eine Bemerkung noch zu Ihren Ausführungen, Herr Ministerpräsident, was die bedarfsgerechte Vorhaltung von Kinderkrippenplätzen angeht. Das ist mittlerweile nicht mehr der Fall. Der Bedarf ist sehr viel größer als die Kommunen Plätze zur Verfügung stellen können.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Alle notwendigen Angebote sollen, so weit wie nur irgend möglich, von Eltern mitgestaltet und auch von Eltern mitverantwortet werden. Deshalb unsere, aufgrund Ihrer Gegenwehr leider erfolglosen Bemühungen zur Stärkung der Elternrechte in den Schulen. Das sind nämlich alles Dinge, meine Damen und Herren, die wir in eigener Zuständigkeit zu regeln haben, es regeln können und bei denen es eben nicht hilft auf Berlin und auf die schlechte Stimmung zu verweisen.

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich von der Landesregierung konkret wissen, welche Konsequenzen sie denn aus dem 3. Thüringen-Monitor zieht, und zwar in ihrer eigenen Zuständigkeit. Was soll denn erstens geschehen, um Familien besser zu unterstützen, um die Betreuung der Kinder zu verbessern und die Vereinbarkeit von Familien und Beruf tatsächlich zu gewährleisten?

Zweitens: Wie soll die Verstärkung der Familienberatung und Familienbildung denn erfolgen? Auch dies ist eine unterstützende Struktur und ich erinnere in diesem Zusammenhang an den kürzlich von Ihnen abgelehnten Antrag zur Erweiterung des Thüringer Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetzes.

(Beifall Abg. Bechthum, SPD)

Bei dem ging es eben nicht um mehr Geld, sondern lediglich um eine gesetzliche Verankerung einer derartigen Aufgabe, also einer gesetzlichen Verankerung von Familienberatung und von Familienbildung. Auch dieses haben Sie abgelehnt.

Drittens: Was soll denn konkret zur Förderung im Bereich politischer Jugendbildung und erlebter Demokratie unternommen werden? Allein Veranstaltungen, an denen der Ministerpräsident teilnimmt, können es doch nicht sein.

Viertens: Was wollen wir unternehmen, damit demokratische Jugendbildung in und außerhalb der Schule zu einem selbstverständlichen Bestandteil wird, der von und mit pädagogischen Vorbildern erlebbar wird und einen Stellenwert hat wie naturwissenschaftliche Fächer und Sprachkompetenz? Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit: Die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland ist unumstößlich mit der Sicherung dieses Demokratiestandorts verbunden.

Fünftens: Wie sehen die Maßnahmen aus, mit denen jungen Menschen gerade im Bereich der beruflichen Integration signalisiert werden kann, dass wir sie hier in unserem Lande brauchen und dass wir Ihnen in Thüringen die entsprechenden Chancen geben? Die derzeitige auch im Thüringen-Monitor beschriebene Entwicklung in Sachen Abwanderung junger Menschen lässt im Moment tatsächlich Erinnerung an Fluchtbewegung aufkommen. Entsprechende Anträge, die wir Ihnen hier vorgelegt haben mit einigen Maßnahmen, die aufgelistet worden sind, um der Abwanderung entgegenzutreten, wurden auch von Ihnen abgelehnt mit der Begründung, es sei kein so großes Problem.

Sechstens: Was muss am Arbeitsmarkt gemeinsam mit der Bundesregierung und nicht gegen die Bundesregierung veranlasst werden, um neue Akzente zu setzen? Auch für die Landesregierung gilt, meine Damen und Herren, Unternehmer ist das Gegenteil von Unterlasser - will ich so deutlich sagen.

Siebentens: Wie gedenken wir die politische Kultur - und das sage ich noch einmal ganz deutlich, weil wir da auch sehr verantwortlich sind - in diesem Hause so zu verändern, dass die Öffentlichkeit uns tatsächlich als Vorbild wahrnimmt?

(Beifall bei der SPD)

Darauf, Herr Ministerpräsident, hätte ich gern, wenn schon keine Antworten, aber zumindest einige Tendenzen oder Absichten, Überlegungen vernommen. Dieses habe ich in Ihrer Regierungserklärung vermisst. Aber wir haben ja noch eine weitere Chance. Lassen Sie uns diese Fragen mal als Messlatte nehmen, wenn es denn um die Diskussion des Haushalts in der nächsten Plenarsitzung geht. Dann werden wir Punkt für Punkt in Anerkenntnis einer schwierigen Haushaltslage - wohl wahr - beweisen können, ob Ihre Regierungserklärung und die Ergebnisse von drei Thüringen-Monitoren irgendwelche Konsequenzen in der wirklichen Landespolitik haben.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Noch gibt es eine Chance zu handeln und in entscheidenden Politikfeldern umzusteuern und mit der Enquetekommission "Erziehung und Bildung" haben wir sogar mehrere Chancen. Die SPD-Fraktion ist deshalb gespannt, welche Auswirkungen dies auf die Politikbereiche Familienförderung, Bildung - und hier meinen wir Jugend- und Erwachsenenbildung -, Arbeitsmarkt und natürlich die Jugend selbst hat, und Sie haben es in der Hand, diese Signale zu setzen. Wir sind bereit, darüber konstruktiv zu debattieren.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Die sind doch längst gesetzt.)

Ja, ja, aber in die falsche Richtung, darüber reden wir ja. Wir sind bereit, darüber konstruktiv zu debattieren. Das aber setzt voraus, dass in diesem Haus endlich das Grundprinzip der Ablehnung aller Anregungen der Opposition verlassen wird. Ein Grundprinzip, meine Damen und Herren, was vielleicht am ehesten mit dem Begriff "ausgeprägte parlamentarische Gewaltbereitschaft" zu beschreiben ist, und das steht diesem Land wirklich nicht gut zu Gesicht. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Das ist ein Musterbeispiel für das, was ich gesagt habe.)

Jetzt haben wir den Abgeordneten Fiedler, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, um beim Letzten, Kollegin Pelke, anzufangen: "ausgeprägte parlamentarische Gewaltbereitschaft". Ich glaube, Sie haben noch nicht verinnerlicht, dass der Wähler uns mehrheitlich den Auftrag gegeben hat, dass wir für fünf Jahre die Geschicke des Landes gemeinsam mit der Landesregierung zu gestalten haben, und das können Sie einfach nicht ab.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD:... eine Frage des Umgangs...)

Das hat nichts mit dem Umgang zu tun, Frau Kollegin Pelke. Ich kann Ihnen mal aus meinem Ausschuss, dem Innenausschuss, berichten, wo wir mit unseren Kollegen die Dinge wirklich sachlich und ordentlich gemeinsam bereden. Natürlich sind wir uns in den Zielen nicht immer einig, aber da gibt es nichts mit Gewaltbereitschaft und vielleicht unterdrücken oder Ähnliches. Ich weiß nicht, wo Sie tätig sind, ob das dort so ist. Ich glaube, Sie reden hier was herbei, was in der Praxis einfach nicht da ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten das gar nicht erst an die Jugend und an unsere Bürgerinnen und Bürger vermitteln, dass das so wäre. Der Bürger hat entschieden und nach fünf Jahren kann er das korrigieren, wenn er meint, dass wir nicht die richtigen Wege eingeschlagen haben. Das ist so und dem hat man sich zu stellen. Ja, auch die von mir aus gesehen rechte Seite, Herr Ramelow, Sie sehen das sicher genauso.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das wechselt dann aber.)

Natürlich wechselt das. Ich hoffe, dass es beim nächsten Mal bei uns nicht wechselt, weil die Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass wir einen ordentlichen Weg beschreiten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich mir anschaue - und da hilft das auch nichts, Frau Pelke, wenn wir heute den dritten Monitor betrachten. Ich bin der Landesregierung dankbar, dass sie diese Untersuchung in Auftrag gegeben hat und gibt, damit wir fundierte Materialien haben, an denen wir uns entlanghangeln. Natürlich, ich gehe sicher davon aus und das macht die Landesregierung und meine Fraktion, dass wir uns mit den Ergebnissen der Studie weiter auseinander setzen. Hier sind ja viele Wege beschrieben worden, auch Dinge, die eingeleitet wurden, ich komme dann noch im Einzelnen darauf zu sprechen. Wir haben einen Weg beschritten, dass insbesondere die Familie der Mittelpunkt ist und bleibt. Wir werden uns auch nicht davon abbringen lassen, auch wenn man immer wieder das versucht aufzuspalten, son

dern das haben schon die Grundgesetzväter so festgeschrieben.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Die Grundgesetzmütter.)

Bitte? Ja, auch die Mütter, es waren damals noch weniger. Heute, Herr Ramelow, sind es, Gott sei Dank, mehr Mütter, die dort mitschreiben. Das ist ja auch gut so, dass auch die Frauen ihren Erfahrungsschatz mit einbringen.

(Beifall Abg. Groß, CDU)

Wir sind froh, wer zu Hause so eine Frau hat, weiß doch, wie wichtig das ist und was sie uns alles mithelfen

(Heiterkeit bei der PDS)

und die, die es nicht haben, denen müssen wir das halt noch vermitteln. Ich meine nicht, Herr Ramelow, die am Kochtopf, sondern die, die ihren Männern und den Familien echt helfen. Nicht, dass Sie das gleich wieder rumdrehen, dann ist ja das, was Sie vielleicht ganz gern hätten, dass wir unser so genanntes verqueres Bild haben. Das ist einfach nicht so.

Frau Pelke, ich will noch auf einige Dinge eingehen, die Sie gesagt haben, unter dem Motto: Hier wird abgebügelt und so. Sie sollten einfach - denke ich mal - etwas zurückstecken. Es entwickeln sich unterschiedliche Entscheidungen nach gewissen Prozessen in die Richtung, wo dann die Mehrheit meint, dass es das Richtige ist. Ich kann Ihnen nur sagen, es werden sehr oft viele Anregungen auch Ihrer Fraktion mit aufgenommen. Oder, Sie sprachen vorhin von der Monarchie, die in Thüringen eingezogen wäre, das ist ja schon fast lächerlich. Man hat zwar von König Kurt in Sachsen gesprochen, aber ich kann nicht erkennen, dass in Thüringen Monarchie eingezogen ist. Wir haben eben einen sehr guten Ministerpräsidenten, der sich sehr für die Belange des Landes einsetzt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie das mit Monarchie gleichsetzen, mein Gott, bezeichnen Sie es, wie Sie es wollen, jedenfalls haben wir in den letzten Jahren, seitdem er hier tätig ist, sehr gute Erfahrungen gemacht und, ich denke, das haben auch die Menschen im Land erkannt. Ich hatte es vorhin noch einmal gesagt, die Mehrheiten im Land sind zu akzeptieren. Ihnen fällt es besonders schwer, Sie sind die drittstärkste Kraft in diesem Land. Arbeiten Sie doch daran, dass Sie wieder zweitstärkste Kraft werden, das wünsche ich Ihnen ja.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, gerade noch einmal die Prioritäten, die die Landesregierung in den letzten Jahren insbesondere auf Jugend und Bildung gelegt hat. Wir haben die

Schwerpunkte gesetzt, dass insbesondere Jugend und Bildung weitestgehend aus den Kürzungen herausgelassen werden. Ich will Ihnen auch deutlich sagen, Sie haben es doch bei der Bildungsdebatte gesehen und auch Jugend und Familie, was wir dort alles eingestellt haben. Sie sprachen davon, dass sich die Schere zwischen Ost und West öffnet, natürlich ist das so. Gerade der Ministerpräsident ist derjenige gewesen, der seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen hat, dass daran gearbeitet werden muss, dass die Schere zusammen, nicht weiter auseinander geht.