Protocol of the Session on September 13, 2002

Aber eines muss ich Ihnen noch sagen, Frau Nitzpon, wenn ich Sie hier so reden höre, dann fühle ich mich in finstere DDR-Zeiten zurückversetzt. Das, was Sie uns hier vorwerfen, was wir alles noch nicht saniert haben, da haben Sie vergessen dazu zu sagen, dass das die Hinterlassenschaften der SED sind und dass wir nun mal nicht alles gleichzeitig sanieren können, wie Hochschulen, Krankenhäuser, Straßen ausbauen usw. Das dauert auch ein paar Jahre, eh man das alles geschafft hat, eh man sämtliche Schulen durchsaniert hat, das ist keine einfache Sache. Bei den Kindertagesstätten sind wir zum Glück ein Stück vorangekommen, aber wir haben doch noch sehr stark mit diesen Dingen zu kämpfen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Familie ist Zukunft. Die CDU-Landtagsfraktion und die CDU in Thüringen haben sich diesem Thema von Anfang mit sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet.

(Beifall bei der CDU)

Die Große Anfrage der CDU-Fraktion enthält eine Fülle von detaillierten Daten und Fakten, die es wert sind, auch über den heutigen Tag hinaus beachtet zu werden. Es hat sich gezeigt, dass die Zahlen des Statistischen Landesamts außerordentlich hilfreich sind, um die Situation der Familien zu erfassen. Allerdings mussten zur Beantwortung der Anfragen die Daten aufbereitet werden, ein Umstand, der dem zuständigen Ministerium jede Menge Arbeit gemacht hat. Ich möchte deshalb den Mitarbeitern meinen Respekt vor dieser Leistung zum Ausdruck bringen. Haben wir hier doch eine außerordentlich gute Grundlage für die politische Arbeit erhalten. Dennoch, ein Staat ist so gut wie seine Familien.

Frau Abgeordnete Arenhövel, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Ich denke, dass Ihren Worten die gehörige Aufmerksamkeit geschenkt werden soll und der Lärmpegel im Saal ist so, dass wirklich kaum noch zu verstehen ist, was Sie sagen. Lassen Sie einfach mal Ruhe reinkommen und dann sprechen Sie weiter.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Wir sind jetzt ganz Ohr.)

Vielen Dank für Ihre Unterstützung, Frau Präsidentin. Ich glaube auch, das Thema wäre es heute wert, dass wir dem noch die gebührende Aufmerksamkeit schenken, bevor wir ins Wochenende starten.

Dennoch, ein Staat ist so gut wie die Familien, denn was hier an Miteinander, an Erziehung, Bildung und Zusammenhalt geleistet wird, das braucht vom Staat nicht geleistet zu werden. Familie ist deshalb längst kein so genanntes weiches Randthema in der Politik. Familie ist inzwischen ein hartes politisches Kernthema geworden, denn hier an dieser Stelle entscheidet sich, wie sich die moderne Gesellschaft entwickelt. Deshalb ist es wichtig, dass durch Statistik und Wissenschaft problematische Trends frühzeitig festgestellt und analysiert werden, damit die Politik hier an dieser Stelle eher vorausschauend als sozusagen reparierend reagieren kann. Aus diesem Grund kann erfreulicherweise festgestellt werden, dass an der Universität Erfurt eine Stiftungsprofessur für Familienwissenschaften ausgeschrieben worden ist. Wir erwarten, dass wichtige Impulse für die Familienpolitik in Thüringen und weit darüber hinaus erfolgen. Denn, meine Damen und Herren, wir müssen sehr viel dafür tun und die Familien auch so unterstützen, damit Eltern in ihrer Erziehungs- und Bildungskompetenz gestärkt werden, damit Eltern sich verstärkt wieder für die Bildung und Erziehung ihrer Kinder interessieren.

Meine Damen und Herren von der PDS, nun hören Sie bitte auch mal zu, das ist nämlich sehr wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind nämlich nicht der Meinung, dass Kinder nur abgeschoben gehören in staatliche Einrichtungen, sondern wir sind der Meinung, dass die Familie für die Kinder sehr wichtig ist.

(Beifall bei der CDU)

Gerade Erziehung und Bildung im Elementarbereich ist uns so wichtig, dass es im Auftrag der Enquetekommission "Erziehung und Bildung in Thüringen" mit eingebracht worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe, dass auch die Daten der Großen Anfrage hierfür eine gute und wichtige Arbeitsgrundlage bilden. Bildung und Erziehung beginnen im Elternhaus. Sie werden unterstützt und ergänzt durch Kindertageseinrichtungen und dann auch in der Schule fortgeführt. Nur, ich muss bei diesem Thema noch mal einen Moment bleiben, was im Alter von 0 bis 3 Jahren an personaler Bindung und Geborgenheit in der Familie nicht vorhanden ist, was im Alter von 2 bis etwa 5 Jahren nicht an Sprachkompetenz und anderen Fähigkeiten erreicht worden ist, das ist im späteren Leben der Kinder nur sehr schwer oder gar nicht mehr aufzuholen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sehr rich- tig, Frau Kollegin.)

Das heißt im Klartext: Familienbildung, Beratung, Begleitung, die Elementarerziehung können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden und wir tun sehr gut daran, den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Frühpädagogik sehr viel mehr Raum zu geben und die Leistungen der Eltern, Erzieher und Lehrer deutlich aufzuwerten.

(Beifall bei der CDU)

Aus der Großen Anfrage geht hervor - und auch wenn Sie hier an vielen Dingen nörgeln, bleibt das so -, Thüringen ist ein kinderfreundliches und familienfreundliches Land.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben hier auch immer mit einem sehr hohen politischen Interesse, mit sehr viel Sorgfalt und auch mit einem hohen finanziellen Einsatz dieses Politikfeld vorangebracht und wir liegen an der Spitze der deutschen Bundesländer in diesem Bereich. Eine Sache möchte ich hier noch einmal erwähnen, weil es viel zu wenig bekannt ist: Außer den normalen Landesleistungen für Kindertagesstätten und Familienpolitik finanzieren das Land und die Kommunen im Jahr 228 Mio. )     (  nicht nur eine Leistung des Bundes, sondern auch das Land und die Gemeinden und Städte in Thüringen sind daran beteiligt.

(Beifall bei der CDU)

Erfreulich sind auch die Steigerungen des Familieneinkommens, die Sie, Frau Nitzpon, offenbar übersehen haben, und das besonders zum Beispiel bei Familien mit zwei Kindern. Dort ist das Einkommen am stärksten gestiegen und das zeigt auch, dass es gut ist, wenn Familie eine wirtschaftliche Einheit verbindet, denn nur so wird die Familie eigentlich auch am besten verwirklicht. Nur, ich verhehle keineswegs, dass wir auch noch große Sorgen in diesem Bereich haben, das ist gar keine Frage. Wir haben arbeitslose Familien, wir haben sozial schwache Familien und dafür muss natürlich auch sehr viel getan werden. Anstatt Familien aber besser zu stellen, hat die rotgrüne Bundesregierung die Haushaltsfreibeträge für allein Erziehende abgeschafft und die Ausbildungsfreibeträge

auf ein Minimum reduziert und wenn mir das die Kollegen von der SPD nicht glauben, ich kann Ihnen meine Steuererklärung zeigen, das kostet mich 2.000  - ich habe zwei Kinder über 18 Jahre. So sieht es aus und so haben wir uns Familienförderung natürlich nicht vorgestellt und erst recht nicht die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu diesem Thema.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist doch Käse, was Sie da erzählen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Familienpolitik erfordert heutzutage Mut und Weitsicht und es muss sich auch grundsätzlich etwas ändern, weil ich denke, wir müssen dafür sorgen, dass Familie in der Politik mehr Vorrang hat.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion in diesem Haus ist deshalb der Auffassung, dass das Familiengeld kommen muss und dass die sozialen Sicherungssysteme auch mit generativen Elementen untersetzt werden müssen. Das Familiengeld ist finanzierbar. Was dazu natürlich die Voraussetzung ist, sind eine wachstumsorientierte und beschäftigungsfördernde Politik. Ein Prozent Wachstum führt zu 8,5 Mrd. 0   der öffentlichen Kassen. Hier sehen Sie, wo eigentlich der Kern der Sache liegt. Es ergeben sich natürlich, wenn das Familiengeld eingeführt wird, auch Einsparpotenziale zum Beispiel auf der Landes- und Kommunalebene, denn die Sozialhilfe für Kinder entfällt und die Sozialhilfe für Eltern reduziert sich damit deutlich und da wollen Sie dagegen sein, meine Damen und Herren von der Opposition? Das verstehe ich eigentlich überhaupt nicht.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Ich auch nicht.)

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe zu, dass die Realisierung des Familiengelds insgesamt gesehen ein finanzieller und politischer Kraftakt ist und dass es deshalb auch in mehreren Stufen umgesetzt werden muss. Aber man muss natürlich wollen, dass es den Familien besser geht und es muss Schluss sein mit einer Debatte, die Kinder als Armutsrisiko definiert.

(Beifall bei der CDU)

Wir lehnen es ab - mein Kollege Panse hat das auch schon gesagt -, dass Transferleistungen für Familien gegen eine abgesicherte Betreuung ausgespielt werden. Wir brauchen beides und wir müssen die Kinderbetreuung sensibel und behutsam umsetzen, denn sehr kleine Kinder brauchen auch ganz einfach ihre Eltern und, meine Damen und Herren, das hat nichts, aber auch gar nichts mit einem verstaubten oder überkommenen Familienbild zu tun, sondern wir wollen mit dem Familiengeld Wahlfreiheit für die Familien erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Das Familiengeld bewirkt die dringend notwendige Anerkennung der Erziehungsleistung in einer kinderentwöhnten Gesellschaft, wie wir sie momentan vorfinden. Und ich gebe sicher zu, dass die CDU auch hier vielleicht hätte mehr tun können oder sollen. Nur, Frau Nitzpon, das, was Sie aufgezählt haben, nämlich die Einführung des Erziehungsgelds usw., das ist eigentlich auch alles von uns gekommen und deswegen können wir für uns schon in Anspruch nehmen, dass wir eine Familienpartei sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Thüringer CDU kann für die bessere Anerkennung der Familie immer nur werben, arbeiten und streiten, meine Damen und Herren. Und weil hier flexible Arbeitszeiten usw., Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach der Familienphase diskutiert worden sind, wir haben mit unserem "Forum Familie" erreicht, dass der Verband der Arbeitgeber einen Präsidiumsbeschluss, und zwar einstimmig, gefasst hat, der diese Dinge enthält und der die Selbstverpflichtung der Wirtschaft zum Ausdruck bringt, in diesen Dingen mehr zu tun, ich glaube, damit können wir uns sehen lassen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Nothnagel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, und es ist doch Wahlkampf, zumindest muss ich den letzten Redebeitrag so interpretieren.

Ich möchte jetzt zum Thema Pflege kommen, dieses war ja in den letzten Parlamentssitzungen des Öfteren auch hier schon Thema. Auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben sich nicht lumpen lassen, ein paar Fragen zur Pflege zu stellen. Wie soll es auch anders sein in Wahlkampfzeiten, man fragt nur das, was politisch genehm ist,

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Warum denn nicht?)

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

und kritikwürdige Probleme lässt man lieber außen vor. Ihre Mutterpartei hat 1995 nach jahrzehntelangem Krampf und Kampf die Pflegeversicherung auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der CDU)

Ja, da können Sie ruhig klatschen. Sicher wurde viel geredet und gelöst, was für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige von Nöten war, aber, wie bereits erwähnt, viele Probleme wurden nicht bzw. nur unbefriedigend geregelt. Die Pflegeversicherung ist eben nur eine Haftpflicht und keine Vollkasko. Erinnern möchte ich an dieser Stelle an die desolate Situation bei der Einstufung von schwerst behinderten und schwerst pflegebedürftigen Kleinkindern. Eltern und Verbände kritisieren diese Gesetzeslücke auf das Schärfste. Exemplarisch möchte ich die Elterninitiative krebskranker Kinder zitieren, die u.a. Folgendes bemängelt, Frau Präsidentin, ich zitiere: "Für krebskranke Kinder gibt es keine einheitlichen Kriterien für die Gewährung des Pflegegelds nach Pflegestufe I. Die Unsicherheiten der jeweiligen Gutachter sind der Situation geschuldet, dass die Richtlinien vor allem für pflegebedürftige Erwachsene gestellt wurden und somit für Kinder eine eingeschränkte Sicht besteht." Die Zeit zwischen der Ablehnung eines Antrags und dem notwendigen Widerspruch und dessen Entscheidung wird von Eltern als unerträglich und kräftezehrend geschildert. Ich kann mir auch noch ein bisschen mehr Zeit lassen, dann dauert es noch ein bisschen länger.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Wir halten das aus.)

Aber wir halten auch so manches aus. Hier, meine Damen und Herren, wird unbedingt Veränderungsbedarf im SGB XI im Pflegeversicherungsgesetz angemeldet. Eine einheitliche Einstufung für diese kleinen Patienten über einen längeren Zeitraum muss unbedingt geregelt werden. Ich möchte an dieser Stelle auch an geistig behinderte Kinder und an Kinder mit psychischen Erkrankungen erinnern. Gleiches gilt für den Fall, wo Eltern aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit ihr schwerst pflegebedürftiges Kind versorgen. Gehen Eltern den schweren Weg des Kindes mit und begleiten dieses ins Krankenhaus, so stehen sie automatisch dem Arbeitsamt nicht mehr zur Verfügung und ihnen droht der Verlust des Arbeitslosengelds.

Meine Damen und Herren, zu allem Ungemach entpuppt sich leider die Pflegeversicherung für Alte und Behinderte immer mehr zum Desaster. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen in die Pflegeeinstufung nicht den tatsächlichen Aufwand aufnimmt, der für einen Menschen zu leisten ist, sondern mit dem Ziel, der Kasse möglichst geringe Kosten zu verursachen. Ein Blick in die Statistik beweist, dass in den vergangenen Jahren immer mehr pflegebedürftige Menschen in die Pflegestufe I eingeordnet wurden, die nur eine 90minütige Hilfe pro Tag vorsieht. Die Einstufung in die Pflegestufe II und in die Pflegestufe III wird immer seltener, obwohl die Anzahl der Anträge konstant bleibt. Die Versorgung richtet sich nach der Uhrzeit und nicht nach dem tatsächlichen Bedarf. Beispiele für menschenunwürdige Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen oder auch von älteren Menschen gibt es hierfür zur Genüge.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, für uns als PDS-Fraktion ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass Sie keinerlei konkrete Angaben über die Hinzuziehung von Angehörigen zur Finanzierung eines Pflegeplatzes machen können. In den zuständigen örtlichen Sozialämtern des Freistaats Thüringen gibt es Angaben, denn dies ist die Stelle, und das müssten Sie als Aufsichtsbehörde wissen, die zuerst prüft, ob alle anderen Möglichkeiten der Finanzierung eines Pflegeheimplatzes ausgeschöpft wurden, bevor Sozialhilfe für den zu Pflegenden gewährt wird.