Eine letzte Bemerkung: In solchen Sachdebatten - Frau Stangner hat das vor allem getan - spielt dann immer Geld keine Rolle. Meine Damen und Herren, natürlich sind die Gesetze des Haushalts auch bei diesem Thema nicht außer Kraft gesetzt, zumal wir vor dem Hintergrund eines der größten Etats der Landespolitik sprechen. Hier kann ich nur wiederholen: Wir haben die Absicht Prioritäten zu setzen, aber angesichts der uns aufgezwungenen Einsparnotwendigkeiten heißt Priorität nicht klotzen und heißt, die Bereiche, die wir kürzen müssen, stärker zu kürzen, als wenn wir sie alle einbezögen. Aber wir machen das ja nicht mit der Rasenmähermethode. Wir werden in diesen Bereichen keine Kürzungen vorsehen und damit zusätzlich betonen, dass dieser Bereich zu den prioritären Bereichen der Landespolitik gehört.
Aber ich warne davor, meine Damen und Herren, den Eindruck zu erwecken, als könne man Bildung und Ausbildung ohne Geld betreiben und als spiele dabei Geld keine Rolle. Natürlich ist auch dieser Bereich der Gesetzgebung dem Haushaltsgesetzgeber unterworfen. Ich bin dankbar, dass wir diese Einbringung heute haben und ich hoffe, dass sie zu einem guten Endergebnis führen wird. Sie sehen, dass die Landesregierung in vollem Umfang bereit ist, sich an dieser Diskussion in den nächsten Monaten zu beteiligen.
Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Wehner zu Wort gemeldet. Er sagt jetzt diesen Redebeitrag ab. Für die PDS-Fraktion der Abgeordnete Ramelow.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben völlig Recht, wenn man Professor werden will, darf man durch die Schule nicht erst geprägt und gezwungen werden, Handwerksmeister zu werden oder umgekehrt. Aber der Herr Abgeordnete Emde hat ja gesagt, dass die aus seiner Sicht gescheiterten Abiturienten im Thüringer Schulsystem für ihn immer schon Berufsreife hatten. Da muss man aber sagen, mit dieser Berufsreife dürften sie bis jetzt nicht im einfachen oder im mittleren Dienst in einer Thüringer Beamtenlaufbahn eine Ausbildung machen, weil sie nämlich gescheiterte Schüler des Thüringer Schulsystems sind. So sehr ich den Umweg eines Professors nicht über den Handwerksmeister möchte, so sehr möchte ich auch, dass ein Scheitern im Schulsystem nicht dazu führt, dass man ausgeschlossen wird an Thüringer Ausbildungsgängen,
Eine weitere Bemerkung: Mit einem gegliederten Schulsystem, von dem Sie gesprochen haben, werter Herr Ministerpräsident, kann man ja auch irgendwann Fraktionsvorsitzender werden. Dank Ihrer Hilfe bin ich Fraktionsvorsitzender geworden, denn bei Ihnen bin ich Schüler gewesen, in Ihrer Zeit als Kultusminister in Rheinland-Pfalz. Sie haben es fertig gebracht, mich von meiner quälenden zwingenden Dorfschule zu befreien, in der ich mich sehr wohl gefühlt habe, sondern Sie haben dann die Verbandsschule eingeführt, wo wir über Kilometer und aber von Kilometern gekarrt worden sind und als Dorfjugend nicht mehr zusammen in einer gemeinsamen Klasse unterrichtet worden sind. In einem Punkt sind Sie sich aber treu geblieben,
das Herumkarren, das ist dann die Lösung. Ja, die Dorfschulen in Rheinland-Pfalz waren nicht schlecht, wenn sie motivierte Lehrer hatten. Entscheidend sind nämlich die Bedingungen, die man beim altersübergreifenden Lernen hat und es gibt Schulmodelle nach wie vor und gerade auch in Thüringen, wo altersübergreifendes Lernen praktiziert wird. Nur die Bedingungen dazu müssen stimmen und nicht Formalbedingungen darum herumgebaut werden, die dann zu immer weiteren Wegen führen.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wenn man über die Schule redet und über PISA redet, dann dürfen Sie auch nicht mit Äpfeln und Birnen arbeiten. Frau Dr. Stangner hat nicht von Japan geredet und nicht die Forderung nach Japan erhoben.
Von der Spitzengruppe, aber in der Spitzengruppe ist auch Finnland. Sie haben dann gesagt, jetzt gibt es eine Wallfahrt nach Finnland. Aber tatsächlich heißt es doch: Einbeziehen der Bedingungen, die in Finnland oder in Schweden oder in Norwegen oder Dänemark angewendet werden. Die Bedingungen zu prüfen und dann zu dem Ergebnis zu kommen, was könnte man davon übernehmen, was wäre lohnenswert, es zu übernehmen? Das hat Frau Dr. Stangner gemeint und Herr Emde, das meint sie mit gemeinsames, längeres Lernen.
Die Gesamtschule in Bausch und Bogen zu verdammen, ist für mich nur eine Antwort, sozusagen eine ideologische Antwort aus der uralten Mottenkiste.
Da wird gemeinsames Lernen einfach reduziert auf Gesamtschule und damit verunglimpft und in Wirklichkeit geht es um den ideologischen Kampf der A-Länder gegen die B-Länder oder der B-Ideologie gegen die A-Ideologie. Da, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sind Sie sich in der Tat treu geblieben. Da sind Sie derjenige, der die Handschrift Thüringer Schulpolitik weit über Frau Lieberknecht oder Herrn Althaus oder Herrn Krapp hinaus kontinuierlich aufrecht erhält, nämlich die Handschrift, auf die Sie sehr stolz sind: Ein frühes Selektieren nach der Klasse 4, ein gnadenloses Selektieren nach der Klasse 4.
Ein Selektieren, das dazu führt, dass wir in Thüringen die höchste Quote an Schülerinnen und Schülern haben, die ohne Abschluss die Schule verlassen. Das halte ich nach wie vor für einen Skandal. An dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, wir hätten das zuallererst in einer schnellen Novelle verändert, gerade nach Gutenberg und nach Weimar; wir hätten an dieser Stelle die Veränderung gebracht und uns die Kraft genommen, in der Enquetekommission allen Menschen Gelegenheit zu geben, auch über eine regional gegliederte Information und über einen Dialog mit der Bevölkerung, die Information mit einzubringen, um sie dann in einer Schulrechtsnovelle so zu ändern, dass es ein verändertes Schulsystem gibt, bei dem es tatsächlich zugunsten der Schüler in diesem Land besser zugeht.
Herr Abgeordneter Ramelow, der Abgeordnete Schwäblein möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das?
Nein, ich gestatte das nicht. Er soll eine Rede halten und dann werden wir hören, welchen Unsinn er wieder zu reden hat.
Das stimmt. Ich habe mittlerweile aber in diesem hohen Haus gelernt, mich meiner Haut wehren zu müssen, wenn Herr Schwäblein am Mikrofon steht.
Es geht in der Regel, wenn Herr Schwäblein hier redet, nicht um die Sache, sondern es geht eigentlich nur um das Abwatschen der PDS, offenkundig weil er seine Block
Ja, und wenn wir dann von Blockvergangenheit reden, ich finde es ja ganz Klasse, wenn der Kultusminister heute davon redet, dass er die Gäste auf der Tribüne begrüßt und dass er den Runden Tisch nach 1989 so Klasse fand. Als wir die Enquetekommission im Dezember genauso begründet haben, dass man einen Runden Tisch mit der Bevölkerung, mit den Schülern, mit den Lehrern machen müsste, ist es genau von der CDU abgelehnt worden. Da ist es diskreditiert worden und die Art und Weise, wie zurzeit mit der Bevölkerung umgegangen wird, wie mit den Schülern umgegangen wird, ist wirklich ein Dialog à la CDU, ein Meinungsaustausch à la CDU, der Thüringer CDU. Die Schülerinnen und Schüler, z.B. die, die bei der Demo "Schrei nach Freiheit" auf dem Domplatz gestanden haben, die dürfen eine Meinung haben, so lange, bis ein Vertreter der CDU kommt, ihnen die Meinung der CDU erklärt und dann gehen sie mit der Meinung der CDU weg. Das ist ein Meinungsaustausch à la CDU. Das ist allerdings kein Dialog mit der Bevölkerung, der versprochen worden ist. Und, werter Herr Krapp und werter Herr Emde, Sie haben den Schülerinnen und Schülern das versprochen, Sie haben ihnen versprochen, dass die Wünsche und Vorstellungen ernst genommen und einbezogen werden.
Zurzeit erlebe ich das genaue Gegenteil, nein ich erlebe eine virtuelle Demokratie, in der man auch im Internet nachlesen kann, was er zu verkünden hat. Aber er wagt es nicht einmal, im Chatroom mit den Beteiligten zu chatten. Also, wenn schon virtuelle Demokratie, dann bitte mit allen Mitteln und Methoden, die das Internet hergibt.
Da muss man sich aber der Kritik und der Position der Betroffenen stellen und da, meine Damen und Herren, bleibe ich ganz konsequent. Ich träume von einer Schule, die Schülern Spaß macht. Ich träume von einer Schule, bei der die Lehrer keine Angst haben, in die Schule zu gehen. Ich träume von einer Schule, bei der es möglich ist, dass Lehrer, Eltern und Schüler auf...
Sie können schreien, wie Sie wollen, Ihr konservatives, rückwärts gewandtes Bild von der Gesellschaft ist wirklich überlebt.
Meine Damen und Herren, ich träume von einer Schule, bei der sich Lehrer, Eltern und Schüler gemeinsam am Er
gebnis der Schule orientieren und auf gleicher Augenhöhe miteinander umgehen. Deswegen plädiere ich auch für mehr Autonomie an der Schule, nicht nur für eine Mitsprache des Schuldirektors bei der Auswahl des Personals, sondern auch den Mut zu haben, dass jede Schule für sich einen eigenen Lösungsansatz findet. Wenn man ein Stück weit den Mut dazu freigibt, dass man eigene Wege gehen kann, aber im Ergebnis das Wissen einheitlich prüft, dann kann man auf unterschiedlichen Wegen mit tausend unterschiedlichen Ansätzen eben im Ergebnis trotzdem für die Schülerinnen und Schüler und für die Lehrerinnen und Lehrer mehr machen. Da sagt uns die Schulrechtsnovelle zurzeit gar nichts auf dem Weg, sondern sie präferiert das Ergebnis der Enquetekommission, so ist jedenfalls unsere Befürchtung. An dieser Stelle denke ich, dass es notwendig ist, tatsächlich über das Personalkonzept ehrlich zu reden und das, Herr Ministerpräsident, kostet in der Tat Geld. Wer 600 Lehrer kündigt, die Prozesse verliert, die Abfindungen bezahlt, die Lehrerinnen und Lehrer nicht einsetzt, gleichzeitig aber zulässt, dass an Berufsschulen in skandalöser Weise der Unterricht in Größenordnungen ausfällt, der ist verantwortlich für die Bildungsmisere, mit der wir es zu tun haben. Vielen Dank.
Es gibt eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Schwäblein und eine des Abgeordneten Wehner. In dieser Reihenfolge, bitte.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Ich frage mich, ob das Wort "Müllrudi" einen Ord- nungsruf wert ist.)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Haltung des Abgeordneten Ramelow belegt die Intoleranz seiner Person und wenn er das für die Fraktion äußert, auch die seiner ganzen Truppe.