Unser Antrag ist dreigeteilt. Der erste Teil verlangt einen Nachtragshaushalt angesichts der Größenordnung der voraussichtlichen Einnahmeausfälle. Wir schlagen die Vorlage eines Entwurfs bis zum 30. Juni 2002 vor, weil wir meinen, dass dies möglich ist, da den Ministerien die Zahlen zur Haushaltssperre wohl seit der Kabinettssitzung vom 28. Mai 2002 vorliegen. Ich gehe davon aus, dass die Ministerien von diesem Zeitpunkt an mit den Planungen zu Einsparungen begonnen haben, so dass die Forderung unsererseits nach einem machbaren Nachtragshaushalt nicht realitätsfern ist.
Im zweiten Teil geht es uns genau um die Einhaltung eines vernünftigen Termins trotz Sommerpause. Ich weiß, wovon ich rede, und ich weiß, wie schwer ich mich selbst mit dem Gedanken anfreunden kann, den dringend notwendigen Sommerurlaub eventuell verschieben zu müssen. Ich fühle auch mit allen Betroffenen, ob in den Ministerien oder im Landtag. Dennoch ist der Nachtragshaushalt ein dringendes und unaufschiebbares Erfordernis.
Im dritten Teil des Antrags möchten wir feststellen und damit klarstellen, dass der Doppelhaushalt sich aus verschiedenen Gründen nicht bewährt hat, unter anderem auch, weil er aufgrund der sich halbjährlich ändernden Steuerschätzung nicht sinnvoll ist. Deshalb sollte wieder zur Jährlichkeit zurückgekehrt werden. Durch die aufgrund der Steuerreform für die Zukunft entstandenen Unwägbarkeiten haben wir nicht mehr, sondern allerorts weniger Planungssicherheit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringer Landtag stellt seine parlamentarische Tätigkeit ein. Ministerpräsident Vogel tritt in den lang ersehnten, aber wohlverdienten Ruhestand
und der Finanzminister Trautvetter übernimmt im Handstreich sowohl die parlamentarische als auch die alleinige Regierungsgewalt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was hier klingt, wie eine fiktive dpa-Meldung eines Putsches im Freistaat Thüringen ist zwar eine überzeichnete, von mir gewollt überzeichnete, aber prinzipiell den Gegebenheiten entsprechende Darstellung der Haushaltssituation des Freistaats Thüringen.
Was ist passiert? An dieser Stelle sei mir doch ein Blick zurück in die jüngere Vergangenheit unserer parlamentarischen Tätigkeit gestattet. Wir haben im April einen Nachtragshaushalt in Höhe von 361 Mio. * schiedet. Wir alle können uns noch gut erinnern, unter welchen Schmerzen wir diesen Nachtrag auf die Reihe bekommen haben, wie er damals geboren worden ist. Wir erinnern uns auch der besonderen Eile des Verfahrens - März Einbringung, April Verabschiedung. Wir können uns auch erinnern, dass es durchaus unterschiedliche Aktivitäten der einzelnen Fraktionen zu diesem Nachtrag gegeben hat, und genauso unterschiedlich waren auch die Ansätze zur Lösung der Finanzprobleme der einzelnen Fraktionen. Was es aber unzweifelhaft gegeben hat, wenn auch ein kurzes, aber es gab ein parlamentarisches Verfahren, wie es sich gehört, und das fordern wir ein, auch an dieser Stelle, bei dieser Größenordnung.
Auch wenn der Finanzminister damals - man erinnere sich, es war ja doch auch relativ spät, die November-Steuerschätzung war schon lange vorbei - sozusagen zum Jagen getragen werden musste. Nun gab es die Mai-Steuerschätzung. Es ist das eingetreten, was alle Experten prognostiziert hatten, was man vorausschauend hätte berücksichtigen sollen oder wollen.
Ich glaube, der Minister hat im Ausschuss so etwas salopp gesagt nach dem Spruch: "Sei nicht traurig und lächle, es könnte schlimmer kommen", und der Minister lächelte und es kam schlimmer.
Es war ausnahmsweise einmal nicht die von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, immer wieder gescholtene Steuerreform, die dieses finanzpolitische Fiasko verursacht hat.
Das belegen die Zahlen, Herr Minister, bei Körperschaftssteuer, bei Lohn- und Einkommenssteuer, die sogar gestiegen sind, selbst die Gewerbesteuer. Es ist sogar müßig, darüber zu spekulieren, wie die Umsatzsteuer ausgesehen hätte, hätte es die Entlastungen bei den niedrigen Einkommen bei der Steuerreform nicht gegeben. Das ist völlig müßig. Ja, das Gros der Steuereinbrüche, die für Thüringen insgesamt 393 Mio. rund 295 Mio. ) , satzsteuer. Das ist unzweifelhaft konjunkturbedingt, Herr Minister.
Die Ursachen dafür sind so vielschichtig, wie das immer so im Leben ist. Sicherlich gehört dazu, die offensichtliche Kaufzurückhaltung der Bevölkerung zu hinterfragen, die Einführung des Euro, die Krisen in der Landwirtschaft, die Auswirkung des Terrors auf die Reisebranche, die allgemeine wirtschaftliche Lage, die im Zeichen der Globalisierung sicherlich nicht nur auf Deutschland bezogen betrachtet werden muss, zumindest sollte, wenn man seriös diskutiert. All das kommt sicher zusammen und möglicherweise auch noch mehr, doch das Thema, mit dem wir uns hier zu beschäftigen haben, heißt nicht, die Ursachen dafür zu ergründen, sondern es heißt, wie geht Thüringen, wie geht der Finanzminister, wie geht diese Regierung mit diesem Einnahmedefizit um, das noch wesentlich größer ist als der von uns kürzlich beschlossene Nachtrag. Das ist die Frage, die sich hier stellt.
Sicher, Herr Minister, eine Haushaltssperre, das meinte ich im Übrigen eingangs mit diesem Handstreich, ist ein vom Gesetz gedecktes Verfahren, ganz eindeutig. Aber ist es auch das richtige, ist es auch das parlamentarisch angemessene Verfahren angesichts dieser Größenordnungen? Diese Frage müssen wir uns doch hier stellen und das ist auch der Punkt, den wir kritisieren.
Das Parlament bleibt außen vor und das kann nicht sein. Die Zeitschiene, Herr Minister, kann als Argument nicht herhalten, wie Sie das in der letzten Zeit in der Presse getan haben. Sicher, an der Stelle in die Richtung PDS-Fraktion, den von Ihnen vorgeschlagene Verabschiedungszeitraum halte ich persönlich auch nicht für realistisch, aber im August eingebracht und im September verabschiedet, lässt auch Ihrem Haus, Herr Minister, genügend Zeit, die Dinge vorzubereiten, die vorzubereiten sind. Der Landtag hat bewiesen, dass er in diesem Zeitrahmen einen Nachtrag verabschieden kann. Allerdings befürchte ich einen ganz anderen Grund, warum das alles nicht gewollt ist, warum Sie das alles in dieser Kürze und in dieser Stringenz nicht wollen. Im September, kurz nach unserem Plenum, ist Bundestagswahl und Sie müssten unmittelbar vorher unpopuläre Einsparungsvorschläge machen und das, Herr Minister, erscheint Ihnen womöglich nicht opportun.
Ich sage Ihnen offen und ehrlich, ich überlasse es der Öffentlichkeit, sich darüber ein Urteil zu bilden. Die Auswirkungen dieser jetzt erlassenen Haushaltssperre - ich bin zwar kein begeisterter Leser der Zeitung mit den großen Buchstaben, aber erst gestern war es, glaube ich, im Pressespiegel, mit welcher Begründung beispielsweise die Staatsanwaltschaft in Mühlhausen schon seit Jahren auf ein neues Gebäude wartet, Begründung Haushaltssperre. Die Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit des Landes und damit wiederum unmittelbar auf die Konjunktur direkt bei uns im Freistaat, die Konjunktur des Baugewerbes sind verheerend. Ich muss Ihnen sagen, das ist eine Abwärtsspirale, die wir selbst mit in Gang setzen, die ist unverantwortlich. Im Übrigen ganz persönlich gesprochen, Herr Minister, ich verstehe Sie auch gar nicht, warum Sie an der Stelle mit dem Vorwurf ganz alleine nach Hause gehen wollen. Das ist mir nicht so ganz erklärlich. Es könnte allerdings sein, dass das Parlament andere Prioritäten setzt als Sie. Aber damit sollten Sie als Diener des Volkes doch wohl klarkommen. Das meine ich aber ganz deutlich an dieser Stelle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt noch einen ganz anderen Aspekt dieser Angelegenheit und da möchte ich ganz explizit Sie, Frau verehrte Präsidentin Lieberknecht, direkt ansprechen. Ich habe großen Respekt vor Ihnen als Person und auch vor der Art und Weise, wie Sie dieses Amt führen, und ich habe auch großen Respekt vor Ihrer Initiative erst jetzt kürzlich bei der Tagung der Präsidenten der Landtage der Bundesrepublik Deutschland, die Aufgaben und Rechte der Länderparlamente im Rahmen unseres föderalen Parlamentarismus zu stärken.
Sie beklagen da völlig zu Recht, dass die Befugnisse der Länder immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden, Bund und EU geben den Takt vor. Wir alle haben doch noch den beißenden Spott einer großen überregionalen Wochenzeitung vor Augen, als wir uns hier notwendigerweise mit der unheilvollen Tätigkeit großer schwarzer Vögel in diesem Parlament beschäftigt haben.
Aber hier geht es um das Königsrecht - ich kann das Wort eigentlich gar nicht mehr hören, Königsrecht - des Landtags, das Budgetrecht, und das auch noch in einer beachtlichen Höhe. Das sind die Dinge, die wir hier zu kritisieren haben.
Frau Präsidentin, wenn denn Ihre Initiative wirklich ernst gemeint ist und wenn Sie nicht dem Opportunismus zum Opfer fallen soll, dann lassen Sie nicht zu, dass das wichtigste Recht unseres hohen Hauses so mit Füßen getreten wird, dazu fordere ich Sie auf.
Ich bin gespannt auf Ihre persönliche Reaktion, aber auch auf die Reaktionen von Ihnen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion. Sie haben nachher in namentlicher Abstimmung Gelegenheit dazu.
Noch ein Bemerkung zum Schluss: Meine Damen und Herren, zwischen der Fraktion der PDS und uns klaffen ja hin und wieder in Sachen Haushalts- und Finanzpolitik finanzpolitische Welten, siehe eigene Steuerschätzung bzw. Verhältnis zur Nettoneuverschuldung. Aber an einer Stelle haben die Kollegen der PDS-Fraktion wirklich Recht, der Doppelhaushalt 2001/2002 ist gescheitert. Das ist eine Tatsache. Das hat die SPD-Fraktion im Übrigen schon Anfang dieses Jahres festgestellt. Es ist doch einmal prinzipiell zu hinterfragen, Herr Finanzminister, ob der angesichts der steuereinnahmeseitigen Unwägbarkeiten, die wir überhaupt nicht beeinflussen können, die Sie nicht beeinflussen können, die wir nicht beeinflussen können, dann wirklich das Prinzip der Doppelhaushalte noch trägt und ob wir nicht immer im nacheilenden Gehorsam die Dinge wieder einholen müssen, die wir uns aus meiner Sicht leichtsinnigerweise vorgegeben haben. Diese Frage sollten wir uns ernsthaft, gerade im Hinblick auf die neuen Haushaltsverhandlungen, einmal stellen. Das Pro-Argument Planungssicherheit beispielsweise für die Kommunen, das erledigt sich ja nun weiß Gott von selbst angesichts der Zahlen, wenn man ernst genommen werden will.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, lassen Sie nicht zu, dass wir uns selbst peu à peu unserer eigenen Existenzberechti
gung berauben, und beherzigen Sie den Spruch, ich weiß nicht, von wem er ist, aber völlig egal: Wer immer blind vertraut, verlernt mit der Zeit das Sehen. Ihnen, Frau Präsidentin, rufe ich zu: Verhindern Sie wirklich mit Ihrer Persönlichkeit die haushaltspolitische Diktatur im Freistaat Thüringen!
Nichts anderes ist das Diktat der Haushaltssperre. Sie entscheiden, Herr Minister, mit erhobenem oder gesenktem Daumen über Investitionen, über Projekte und das ist das, was ich als Parlamentarier zu kritisieren habe, was meine Fraktion zu kritisieren hat, und ich hoffe, noch mehr in diesem hohen Hause zu kritisieren haben.
Ein letzter Satz: Ich würde mir wünschen, an die Adresse der PDS-Fraktion gerichtet, wenn wir Ihren Antrag in den einzelnen Punkten getrennt abstimmen könnten, aber da kann man sich sicherlich noch verständigen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die PDS-Fraktion beantragt ebenso wie die SPD heute die Vorlage eines dritten Nachtragshaushalts. Mit der MaiSteuerschätzung wurden den öffentlichen Haushalten dramatische Einbrüche der prognostizierten Einnahmen vorausgesagt. Diese Einnahmeausfälle betreffen das Bundesland Thüringen am stärksten und es ist zu fragen, woran das wohl liegen mag. Unter der fehlerhaften Steuerpolitik des Herrn Eichel, da werden wir uns wieder unterscheiden, leiden sicher alle Bundesländer, auch Thüringen. Aber warum, ist zu fragen, hat ausgerechnet unser Bundesland die prozentual höchsten Steuereinbrüche.
Meine Damen und Herren, die Einnahmeausfälle in den deutschen Ländern sind problematisch an sich, aber besonders problematisch ist die Höhe der Ausfälle. Dass es Thüringen in dieser Härte trifft, ist unserer Auffassung nach hausgemacht. Die Politik in diesem Bundesland ist offenbar schlechter als anderswo.