Meine Damen und Herren, was macht eine Landesregierung mit all dem, was ich beschrieben habe, wenn sie trotzdem wieder Wahlen gewinnen will? Kein Thema der letzten zweieinhalb Jahre, das nicht so einigermaßen rund lief, wo die Landesregierung am Schluss nicht zu zwei Folgerungen kam: Erstens, entweder sie erklärte das Problem für nicht vorhanden oder zweitens, die Bundesregierung war Schuld, mal durch angebliches Nichthandeln, mal durch angebliches Fehlhandeln.
Sie, Herr Ministerpräsident, beschäftigen sich in Ihrer Regierungserklärung zu Thüringen zu einem Drittel mit der Bundespolitik. Ich hätte es gar nicht erwähnt, wenn Sie eben nicht einige wichtige Landesthemen einfach ausgelassen hätten. Andere Aussagen zur Landespolitik waren nur blanke Nullnummern. Ich beziehe mich da zum Beispiel auf die Behördenstrukturreform. Das große Problem, was da im Augenblick in Thüringen diskutiert wird, nämlich die Probleme der Katasterämter - keine Aussage. Ich sage noch mal: Bei der Frauenpolitik begrenzen Sie das alles auf die Beteiligung von Frauen an einer Messe. Das ist doch ein Witz.
Was Ihre Behauptung betrifft, Sie stärken die Kommunen, habe ich dazu zwei Forderungen außerhalb des Nachtragshaushalts: Erstens, bessern Sie bei der wirtschaftlichen
Betätigung der Kommunen nach. Zweitens, stärken Sie die Rechte der Bürger, nicht die der Verwaltungsspitze. Hier greift die Novelle Ihrer Kommunalverfassung einfach zu kurz.
Meine Damen und Herren, durch die Aussagen Ihres Kanzlerkandidaten ist die Landesregierung an anderer Stelle ordentlich entzaubert worden. Ich denke da zum Beispiel an die über Wochen und Monate vollmundig vorgetragenen Forderungen, die Steuerreform vorzuziehen. Nun dröhnt vom Wahlkampfberater des Kanzlerkandidaten Stoiber: "Die Vorziehung einer Steuerreform ist rechnerisch seriös nicht darstellbar." Seitdem hat die Landesregierung ihre Forderung nicht erneuert.
Nächstes Beispiel: Ein 20-Milliarden-Sonderprogramm für den Osten hat der Thüringer Ministerpräsident gefordert. Jetzt muss er sich nun von seinem Kanzlerkandidaten und dessen Wahlberatern und insbesondere von dem Hoffnungsträger der mecklenburg-vorpommerschen CDU, Herrn Rehberg, sagen lassen: Diese Forderungen sind nicht umsetzbar.
Parteifreund Rehberg soll dem noch hinzugefügt haben: "Hätte er keine Zahlen genannt, hätten wir das Programm aufnehmen können." Zwar verkündigen Sie, Herr Ministerpräsident, Ihre Forderung trotzig weiter, aber was soll eine solche Forderung, wenn sie nicht einmal von der Ost-CDU getragen wird.
Herr Ministerpräsident, es bleibt nicht der letzte, auch ich habe einen Spruch bei Konfuzius gefunden, der lautet: "Der Edle verlangt alles von sich selbst, der Primitive stellt nur Forderungen an andere."
Meine Damen und Herren, können Sie sich noch an die Aktuelle Stunde von vor vier Wochen erinnern? Das ging so in die Zielrichtung: Um Himmels willen, die Bundesregierung soll für ihre Finanzpolitik einen blauen Brief bekommen. Nun gebe ich ja gerne zu, dass es in solchen Zeiten mal bei der Regierung oder auch mal bei der Opposition gewisse Probleme mit der Objektivität gibt. Deshalb mache ich es nicht wie Ihr finanzpolitischer Sprecher Herr Mohring, der sich seit neuestem auf das "Neue Deutschland" beruft, sondern ich habe mal in das "Han
delsblatt" geschaut. Weil es einige von Ihnen nicht verstanden haben, wiederhole ich das. Das "Handelsblatt" hat mal nach den Maßstäben, die den Bund betreffen, alle Bundesländer eingeordnet: Das Grüne da unten ist das Grüne Herz Deutschlands, Thüringen, überholt im Defizit nur vom bankengeschüttelten Berlin hinter Sachsen-Anhalt. Die Wirtschaftsexperten dazu: "Thüringen ist seit Jahren ein Kandidat für den blauen Brief." Top-Thüringen, kann ich dazu nur sagen.
Jetzt komme ich zu Ihnen. Trotzdem - und das muss man Ihnen neidlos zugestehen -, meine Damen und Herren von der CDU, Herr Trautvetter, ist es gelungen, sich in den vergangenen Jahren als Sparkommissar darzustellen und zu verkaufen. Hinter die Fassade darf zwar keiner schauen, aber das macht halt nichts bei einer absoluten Mehrheit.
Herr Ministerpräsident, Ihre Aussage zur GA aus Ihrer Regierungserklärung war ein solches Getöse. Sie haben sich beschwert, dass die GA sinkt, ja seit 1994. Kohl, Waigel und Schäuble haben die GA von 628 Mio. 427 Mio. -$-&
Dass Rotgrün dann aufgesattelt und dann in der gleichen Art und Weise abgeschmolzen hat wie die Vorgängerregierung, das ruft natürlich Ihren lautstarken Protest hervor.
(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Sie hat auch abgeschmolzen.)
Herr Vogel, bei Ihren Aussagen zu Herrn Gerster haben Sie nicht richtig gelegen. Ich zitiere Herrn Gerster. Herr Gerster hat nie davon gesprochen, hier die ABM abzuschaffen: "Im Osten kommt man ohne ABM noch nicht aus,
im Westen aber macht ABM keinen Sinn." Erstens, ich halte diesen Satz für falsch. Zweitens, ich halte es auch nicht für richtig, wenn Herr Gerster darüber nachdenkt, bei älteren Menschen in diesem Bereich einzusparen. Wir haben hier einfach eine andere Situation. Nein, ich habe
auch keine Probleme, auch mal den eigenen Laden zu kritisieren, das unterscheidet uns doch. Aber dass Herr Gerster die ABM auf null kürzen will, ist eine falsche Aussage. Da, Herr Dr. Vogel, haben Sie ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Streichen, streichen, streichen - das wissen Sie doch -, streichen wollte doch Herr Stoiber auf die Empfehlung von Herrn Rehberg hin. So ist es doch gewesen.
Herr Ministerpräsident, dass wir auf bestimmten Seiten der Bundespolitik Streit haben, dazu stehe ich ausdrücklich. Wir haben da halt unterschiedliche Meinungen. Die SPD steht zum Betriebsverfassungsgesetz. Ich weiß, dass Sie nie begreifen werden, dass das Beschneiden von Arbeitnehmerrechten nicht automatisch erfolgreiche Wirtschaftspolitik bedeutet, aber deshalb wollen wir auch ein Tariftreuegesetz. Die SPD will auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und deshalb den Rechtsanspruch auf Teilzeit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Vorwurf an die Thüringer Landesregierung und die sie unterstützende Fraktion richten. Nicht nur bei vielen Ihrer Initiativen, die Sie gestartet oder eben nicht gestartet haben, lagen Sie falsch. Es war grundsätzlich falsch, viele Initiativen der SPD nicht oder nur oberflächlich zu diskutieren und sie dann fast ausnahmslos mit Ihrer absoluten Mehrheit zu versenken. Ich denke da an unseren Antrag zu einem Landesprogramm zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Ich denke da an unsere Vorschläge zur Polizeientwicklung in Thüringen. Ich denke an unsere Novelle für das Thüringer Verfassungsschutzgesetz. Ich denke an unsere Initiativen zum Thüringer Volksbegehren. Ich denke an das Informationsfreiheitsgesetz und ich denke an unsere Vorschläge für ein wirklich neues, modernes Personalvertretungsrecht. Ich erinnere an unseren Vorschlag zu einem LandesInnoRegio-Programm. Ich erinnere an die Vorlage eines Thüringer Vergabegesetzes. Ich erinnere an die Novelle des Thüringer Straßengesetzes. Ich erinnere an unsere vielzähligen Vorschläge zum Doppelhaushalt, die allesamt abgelehnt worden sind. Ich denke an unsere Vorschläge zur Erhöhung der Mittel der wirtschaftsnahen Forschung. Ich denke an unsere Vorschläge zur Sportförderung. Ich erinnere an unseren Vorschlag zur zinslosen Stundung von Straßenausbaubeiträgen. An unseren Vorschlag, die Landesanwaltschaft aufzulösen, muss ich Sie nicht erinnern. Sechs Wochen, nachdem Sie unseren Antrag abgelehnt haben, haben Sie sie aufgelöst.
Ich denke insbesondere an unsere Investitionsoffensive für den Freistaat Thüringen im Umfang von 500 Mio. über vier Jahre - von Ihnen abgelehnt, gleichzeitig 20 Mrd. vom Bund gefordert. Ich denke insbesondere auch an unseren Antrag zur Stärkung der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten von Unternehmen mit unmittelbarer Mehrheitsbeteiligung des Landes. Ich denke an unseren Vorschlag, ein Investitionsprogramm an Thüringer Schulen aufzunehmen und, und, und.
Nein, meine Damen und Herren, all dies haben Sie ohne oder nach oberflächlicher Diskussion abgelehnt. Kommt Ihnen das eigentlich manchmal in einer besinnlichen Stunde nicht selbst etwas fragwürdig vor? Alles das, was Sie in den Landtag einbringen, ist richtig und führt zum Fortschritt des Landes und prinzipiell alles, was von der Opposition eingebracht wird, wird abgelehnt. Sie wissen es eigentlich selbst, dieses Verhalten ist unrealistisch und wer so denkt und handelt, hat längst jede Bodenhaftung verloren.
So lassen Sie mich zusammenfassen: Die besten Jahre liegen vor uns, so formulierte der Ministerpräsident vor gut zweieinhalb Jahren. Was haben wir unter anderem seitdem gehabt? Pilz-Subventionsskandal, BirkmannAffäre, Behinderung des Volksbegehrens für "Mehr Demokratie in Thüringen", üppige Aufwandsentschädigung für Funktionsträger, Landtagsneubau, Kürzung bei Kindertagesstätten, Kürzung beim Blindengeld, kein Landesprogramm gegen Rechts, Verfassungsschutzaffäre und Justizskandale, ungebremster Stundenausfall an Thüringer Schulen, Lehrerkündigungen mit noch nicht abzusehender finanzieller Belastung für das Land, Bespitzelungsaffäre Köckert, verkorkste Imagekampagne Thüringen, gescheitere Theaterpolitik des Landes, gefeuerte Gleichstellungsbeauftragte Frau Bauer,
Trennungsgeldaffäre, unverschämte BVG-Klage gegen die Homo-Ehe, mehrere Prüfverfahren der EU wegen Verstoß gegen das Beihilferecht, Privatisierung des Maßregelvollzugs, Milzbrandalarm und eine Woche tat sich nichts und als Letztes in dieser unvollständigen Aufzählung die JVA in Gräfentonna, die viel zu spät in Betrieb genommen wurde; die Sicherheitstechnik funktionierte nicht und die Türen waren zu klein.
Meine Damen und Herren, wenn das die besten Jahre waren, die wir vor uns hatten, wie sollen dann eigentlich die schlechteren aussehen? Für Sie, Herr Dr. Vogel, möchte ich noch einmal mit Konfuzius schließen: "Ein edler Mensch schämt sich, wenn seine Worte ständig großartiger sind als seine Taten." Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei Vorbemerkungen: Der PDS-Fraktionsvorsitzende hat nach meiner Meinung seine Rede am falschen Ort gehalten. Er hätte sie in Magdeburg oder in Schwerin halten sollen, dort wäre sie hoffentlich auf die richtigen Ohren gestoßen.