Protocol of the Session on March 15, 2002

Die von uns geforderte Polizeidichte von 1:340 - lange nicht in Sicht - wäre die Voraussetzung für die Thüringer Polizei, ihre vielfältigen Aufgaben zu erfüllen und für Zukünftiges gerüstet zu sein. Stattdessen seit über einem Jahr eine angekündigte Strukturreform bei den Polizeiinspektionen, die nicht umgesetzt wird. Auch der von dieser Landesregierung verursachte Beförderungsstau führt zu großer Verunsicherung bei der Polizei. Polizeibeamte warten etliche Jahre auf die ihnen zustehende Beförderung, nur weil der Innenminister es versäumt hat, eine angemessene Zahl von Beförderungen für die Polizei im Kabinett durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Eingruppierungen von Polizeibeamten ist Thüringen Schlusslicht.

Meine Damen und Herren, wenn schon die Anzahl der Polizisten in Thüringen nicht stimmt und die, die dann noch da sind, nicht ordentlich befördert werden, so sorgt der Innenminister zumindest dafür, dass sich das Personalkarussell in seinem Haus kräftig dreht. Der ständige Wechsel von Führungspersonen bei der Thüringer Polizei hat diese zusätzlich verunsichert. Jüngste Episode aus dieser unendlichen Geschichte: Der Abteilungsleiter Polizei im Thüringer Innenministerium wird Leiter des Landesamts für Statistik mit Besoldungsgruppe B 6 auf einer B-3-Stelle. Der Leiter des Landeskriminalamts wird Abteilungsleiter Polizei - wir sind gespannt auf das nächste Kapitel in dieser Litanei.

Meine Damen und Herren, und ist die Situation bei der Polizei als kritisch einzuschätzen, so ist das doch nichts im Vergleich zu dem Bild, was uns der Verfassungsschutz über Monate geboten hat. Man musste nicht Mitarbeiter des Thüringer Verfassungsschutzes sein, um wirklich Insider-Kenntnisse über diese Einrichtung zu bekommen. Der tägliche Blick in die Presse gab jedes fast noch so intime, so geheime Detail frei. So wurde die Parlamentarische Kontrollkommission zu einem Marionettentheater, in dem in der Regel eigentlich nur noch gefragt werden konnte, ob Zeitungsberichte stimmen oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

In den V-Mann-Affären um die Herren Dienel und Brandt wurde gelogen, dass sich die Balken bogen; es wurde immer nur das zugegeben, was man gerade zugeben

musste, weil man der letzten Lüge gerade wieder in der Zeitung überführt wurde. Somit überrascht es nicht, dass der so genannte Gasser-Bericht, der infolge der Affäre Dienel beim Thüringer Verfassungsschutz erstellt wurde, dem Parlament eben nicht zugänglich gemacht wurde. Noch heute beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit der Frage, ob der Innenminister den Verfassungsschutz beauftragt hat, zwei Kommunalpolitiker während des Kommunalwahlkampfs zu beobachten. Ob der Auftrag dieses Untersuchungsausschusses erweitert werden muss um die Frage: "Hat der Innenminister zu Unrecht Parlamentarier bespitzelt?", diese Frage ist jetzt noch offen.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Wer die Wahrheit nicht..., ist ein Dummkopf.)

Dem Vorschlag unserer Fraktion, den Verfassungsschutz aufzulösen und wieder neu zu gründen, wurde nicht gefolgt.

(Unruhe bei der CDU)

Viele hier in dem Raum hatten das Gefühl in Wirklichkeit nur nicht, weil es ein Vorschlag der SPD war. So werden wir die Umstrukturierungsversuche der Landesregierung weiterhin kritisch beobachten. Ich gehe davon aus, dass wir uns nach wie vor auf die Presse und die Medien verlassen können, sollte etwas beim Landesamt nicht funktionieren.

Natürlich gäbe es auch die Möglichkeiten, das Thüringer Verfassungsschutzgesetz zu ändern und eine wirksame Kontrolle zu ermöglichen. Wir könnten der Parlamentarischen Kontrollkommission mehr Rechte und Kontrollmöglichkeiten geben. Man könnte sogar über einen Bürgerbeauftragten für Verfassungsschutz reden.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich rede vom Reden, aber dazu sind ja nicht einmal Sie bereit.

(Zwischenruf Abg.Vopel, CDU: Sagen Sie das mal Herrn Schily.)

Sie haben doch Denkverbot, das weiß ich doch. Deshalb können Sie dem auch nicht mehr folgen. Wenn man sagt, man könnte mal über etwas reden, das ist für Sie schon so abartig und dann sind wir wieder bei der absoluten Mehrheit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, man könnte sogar über einen Bürgerbeauftragten für Verfassungsschutz reden, der weit reichende Rechte hat, um zu kontrollieren und solche Vorgänge, wie in Thüringen geschehen, zukünftig auszuschließen, aber die CDU hat ähnliche Vorschläge tief im Ausschuss begraben. Die Regierungspartei hat kein Inte

resse an der Kontrolle dieses undurchsichtigen, affärenreichen Amts.

Meine Damen und Herren, ist die Bilanz aus Wirtschaftsund Innenministerium durchwachsen bis schlecht, lassen Sie mich zum Tiefpunkt der Entwicklung der letzten zweieinhalb Jahre kommen. Meine Damen und Herren, die Thüringer Schulen stecken in einer tiefen Krise.

(Beifall bei der SPD)

Grundlage dafür war eine generelle Fehleinschätzung über die angebliche erfolgreiche Entwicklung der Thüringer Schulen. Wer noch einmal die Regierungserklärung des verantwortlichen Ministers Krapp vom 26.01.2001 liest, kann nur peinlich berührt sein. Diese Lobhudelei für das Thüringer Schulsystem war nur peinlich und wenig hilfreich in der Sache. Dazu kommen dann die permanenten Einsparungen in diesem Bereich. So wurde im Doppelhaushalt 2001/2002 allein in diesem Bereich eine Kürzung von 132 Mio.   gedrückt. In Ihrer Regierungserklärung, Herr Vogel, heißt das dann: "Aber ohne Geld kann kein Staat Bildung machen. Wir sparen daran nicht."

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Ja, wir geben das meiste aus.)

Herr Ministerpräsident, entweder wurde Ihnen falsch zugearbeitet oder Sie lügen. 80 Prozent aller Einsparungen im Doppelhaushalt 2001/2002 entfielen auf den Bildungssektor.

(Beifall bei der SPD)

(Unruhe bei der CDU)

Gehören die Lehrer bei Ihnen nicht mehr zur Bildung?

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Je weni- ger Schüler, je weniger Geld.)

Meine Damen und Herren, ein tragfähiges Personalentwicklungskonzept ist nicht vorhanden. Der viel zu hoch geplante Stellenabbau ist auch juristisch gescheitert. Durch diese gescheiterte Personalpolitik wurden die Pädagogen demotiviert, auch was ihre berufliche Perspektive betrifft. Ein innovatives pädagogisches Klima an Thüringer Schulen wurde grundsätzlich zerstört. Nach wie vor gibt es in allen Schularten, außer den Grundschulen, gravierenden Stundenausfall, der an den Thüringer Berufsschulen mit einem geplanten Unterrichtsausfall von 4.000 Stunden in der Woche bundesweit wohl nicht mehr zu toppen ist.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Unerhört!)

Dafür sind wir Spitzenreiter in einer anderen Statistik, nämlich der, was die Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss betrifft. All das war bekannt vor PISA und so kann ich die Erschütterung über den PISA-Bericht bei man

chem Regierungsmitglied nur als geheuchelt empfinden.

(Beifall bei der SPD)

Auf den Minister Krapp hofft da in Thüringen schon keiner mehr. PISA liegt vor und ich entnehme den Medien mit Freude, dass eine von Minister Krapp geleitete Diskussionsrunde die andere förmlich jagt. Aber es gibt nicht eine nur in Ansätzen erkennbare Änderung am Thüringer Schulsystem seit dem Ergebnis von PISA.

(Beifall bei der SPD)

Änderungsvorschläge der Opposition werden teilweise nicht einmal mehr an den Bildungsausschuss überwiesen. Der Bildungsminister Krapp formuliert es gerne und immer wieder, es geht ihm alles zu schnell. Auch Sie, Herr Ministerpräsident, sind in Ihrer Aussage zwiespältig. Einerseits sagen Sie, PISA vergleicht Äpfel mit Birnen, andererseits sprechen Sie von einer Chance. Was denn nun? Übrigens will sich niemand hier mit Japan oder Südkorea vergleichen, das ist eine Binsenweisheit. Hätten Sie an dieser Stelle lieber etwas zu Ihrem Konzept gegen Unterrichtsausfall in Thüringen gesagt, wenn es das überhaupt gibt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, unbestritten hieß der Star des Kabinetts Vogel vor zweieinhalb Jahren Dagmar Schipanski, eine anerkannte Wissenschaftlerin, über eine Kandidatur zum Bundespräsidentenamt bundesweit bekannt geworden, eine Frau, in die viele Thüringer Hoffnung setzten. Insbesondere nach den Ereignissen der letzten Wochen und Monate kann man wohl sagen: Der Lack ist ab.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Reichte es im ersten Jahr ihrer Amtstätigkeit noch, die bisherige Politik im Bereich Wissenschaft, Forschung, Hochschulen und Kultur im Stile des Vorgängers weiterzuführen, so ging der Lack, wie bereits formuliert, ab, als die Probleme kamen. So konnte sich Ministerin Schipanski nicht gegen die Kürzungsvorschläge des Finanzministers im Hochschulbereich durchsetzen. Erstmalig in der neueren Geschichte des Freistaats Thüringen kommt es bei den Ausstattungen an Fach- und Hochschulen zu Kürzungen - vor dem Amtsantritt von Frau Schipanski undenkbar. Für sich selbst hat die Ministerin allerdings für Linderung gesorgt. Ihre Streichungen erfolgen nämlich sehr differenziert, so gibt es an der TU Ilmenau keine Kürzungen. Da müssen die anderen Fachhochschulen und Universitäten das Päckchen halt mittragen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das muss man doch mal genau lesen.)

Selbst Sie, Herr Ministerpräsident, haben Schwierigkeiten...

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister:... andere Zahlen erhalten.)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Zahlen lesen ist nicht sein Ding.)

Fertig, kann ich weitermachen? Selbst Sie, Herr Ministerpräsident, haben Schwierigkeiten, Positives an Ihrer Ministerin zu finden.

(Heiterkeit bei der CDU)

Immer mit der Ruhe. So begrüßen Sie die Neugründung von Nordhausen und Erfurt - das war nicht Frau Schipanski -, Sie begrüßen die neuen Wege bei der Organisation des Studiums - das war auch nicht Frau Schipanski und dass wir bei den Hochschulrankings vorn stehen, das war doch auch vor Frau Schipanski schon so. Wo sind denn die Landesleistungen der Hochschulpolitik unter der neuen Regierung, frage ich Sie?

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Wenn man sie nicht sehen will, sieht man sie nicht.)

Stehen wir hier am Beginn einer verhängnisvollen Entwicklung, so gibt es im anderen Verantwortungsbereich der Ministerin eine Entwicklung, die genauso Sorgen macht. Ich rede über die Situation der Theater und Orchester im Freistaat Thüringen, die Ihnen, Herr Ministerpräsident, kein Wort wert waren. Viel zu spät, Frau Ministerin, haben Sie das Gespräch mit den Theatern und Orchestern gesucht und so erhielten Sie von den Weimarer und Erfurter Stadträten - übrigens auch von denen, die wie Sie CDU-Mitglied sind - die Quittung.