Gestern gab es eine Aussage: "Wenn das, was heute in Thüringen ist, gut ist, wie wäre es denn dann, wenn es schlecht wäre?" Dann wäre es so wie zum Teil in anderen neuen Ländern, meine Damen und Herren. Wir sind dankbar, dass wir dafür gearbeitet haben, dass es hier anders ist als anderswo.
Wir haben in den letzten Jahren seit der Wiedervereinigung große Fortschritte beim Aufbau des Freistaats gemacht. Das leugnen nicht einmal unsere schärfsten Kritiker. Zur Mitte der Legislaturperiode aber richten wir den Blick in die Zukunft: Wie wird Thüringen nicht nur zu Ende dieser Legislaturperiode, sondern wie wird es in zehn Jahren aussehen? "Wie kommt das neue in die Welt?" - ist der Titel eines erfolgreichen Buchs von zwei erfolgreichen deutschen Wirtschaftlern.
Unsere Vision für den Zukunftsstandort Thüringen in zehn Jahren ist klar: Ein starkes und attraktives Land in der Mitte des geeinten und erweiterten Europas; ein Land, das 2012 nicht nur an der Spitze der jungen Länder steht, sondern einen guten Platz unter allen Ländern einnimmt.
Ein Land, das über moderne Schienen und Straßen gut für Investoren und für Gäste aus aller Welt erreichbar ist. Ein Land, das keine Schulden mehr macht, sondern damit begonnen hat, alte Schulden zurückzuzahlen. Ein Land auf dem Weg vom Nehmerland zum Geberland oder zu
Ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit nicht mehr über dem Bundesschnitt liegt, in dem soziale Gerechtigkeit herrscht und den Schwachen, die sich nicht selbst helfen können, geholfen wird. Ein Land, das durch seine Bildungs-, Forschungs- und Produktionseinrichtungen zur Modernität Deutschlands beiträgt. Ein Land, das jeder als Automobilstandort, als Computerstandort, als Biotechnologiestandort kennt. Ein Land, dessen kulturellen Reichtum, dessen Theater und Orchester auf Deutschland und Europa ausstrahlen. Ein Land, das seine jungen Leute so ausbildet, dass sie überall in der Welt wettbewerbsfähig sind. Ein Land, in das sie - um Erfahrungen reicher - gerne wieder zurückkommen. Und ein Land, in dem sich seine Bürgerinnen und Bürger wohl fühlen, das sie mitgestalten und in dem sie sich engagieren. Unsere Vision ist ein Land, das stolz darauf ist, ein junges Land zu sein, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, ein Land, in das junge Menschen aus Deutschland und aus der Welt gerne kommen, um hier zu studieren und zu arbeiten und zu leben. Dafür, dass diese Vision Realität wird, meine Damen und Herren, lohnt es sich hart zu arbeiten. Denn Robert Jung sagt: "Zukunft ist kein Schicksal, sondern das, was man daraus macht für sich selbst und für die kommende Generation."
Ich eröffne die Aussprache und bitte als ersten Redner Herrn Abgeordneten Ramelow ans Rednerpult. Bitte, Herr Abgeodneter. Und ich bitte Sie um Ruhe.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Ministerpräsident, bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ich eine persönliche Anmerkung vorneweg machen. Wir haben gestern Abend auf dem Nachhauseweg von einem schweren Autounfall erfahren. Ich möchte an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, dass wir hoffen, dass es Herrn Pabst alsbald gut gehen und dass er genesen möge und dass er keine bleibenden Schäden behält. Ich glaube, wenn man dann mitkriegt, wenn man jemanden persönlich kennt und die Anonymität einer solchen Meldung im Radio verbunden wird mit einem Gesicht, dann ist die Betroffenheit doch umso größer. In diesem Sinne von hier aus beste Genesung.
Herr Ministerpräsident, für die vorgetragenen Ergebnisse nach nunmehr 30 Monaten CDU-Alleinregierung meine Feststellung: Es waren natürlich vor allem Ergebnisse aus Ihrer Sicht in Bezug auf die Entwicklung.
Nun ein paar Anmerkungen vorneweg: Wenn Sie Alice Schwarzer hier so zitieren, dann bleibt mir immer in Erinnerung ein fatales Beispiel, das Sie selber geprägt haben, indem Sie die Erwerbsneigung der Thüringer Frauen mit der Erwerbsneigung der Rheinland-Pfälzer Frauen vergleichen und einmal, wie ich finde, einen verheerenden Satz gesagt haben: "Wenn die Erwerbsneigung der Thüringer Frauen nicht so hoch wäre oder analog den Rheinland-Pfälzer Frauen, dann wäre die Arbeitslosigkeit in Thüringen niedriger als in Rheinland-Pfalz." Ich finde das frauenverachtend und das passt nicht zu dem, was Sie eben hier gesagt haben.
Eine zweite Bemerkung: Wenn Sie die Einpendler- und Auspendlerzahlen gegeneinander halten, so mag das zahlenmäßig richtig sein.
Ja, da gehen dann die Damen und Herren jetzt zum Kaffeetrinken, dann stört der schwarze Block wenigstens nicht so sehr.
Das sind alles Wahrheiten, die Sie nicht hören möchten. Ihr Gehabe ist schon wirklich wie das einer Staatspartei und das Protokoll vermerkt lang anhaltenden Applaus.
Doch, ich lerne es ja kennen. Seitdem ich hier in dem Landtag bin, lerne ich es ja kennen und ich danke Ihnen dafür.
Bei den Einpendler- und Auspendlerzahlen, die hier nebeneinander gestellt werden, da fällt mir nur ein, dass viele dieser Einpendler offenkundig wohl die sind, die hier im Landtag schon einmal abgehandelt worden sind, und die Reisekostenabrechnungen, mit denen sich der Landesrechnungshof auseinander zu setzen hat.
Eine weitere Bemerkung: Zu den moderaten Lohnabschlüssen hätte ich eine Frage, Herr Ministerpräsident. Diese Kunst möchte ich gerne begreifen: Wenn Sie den BAT zugrunde legen und sagen, moderate Lohnabschlüsse fordern Sie dann für den Westen, heißt das, dass Arnstadt die eingesparten Geldmittel der moderaten Lohnabschlüsse von Kassel dann im Rahmen des Partnerschaftsvertrags überwiesen bekommt? Oder die Kollegen aus dem Er
furter Stadtparlament, bekommen sie das dann aus Mainz überwiesen? Werden Sie das mit Ihren Kollegen dann dort bereden? Also, was meinen Sie mit moderaten Lohnabschlüssen im Westen, die dann die Erhöhung und Anpassung im Osten ermöglichen und finanzieren sollen? Gibt es dann ein...
Bis jetzt habe ich jedenfalls mein Geschäft als Tarifverhandlungspartner noch so verstanden, dass man mit dem verhandelt, der es auch bezahlen muss. Wenn man etwas von anderen, also das Gürtel-enger-schnallen, verlangt, dann würde ich gern wissen, was das dann den hiesigen Lohnabschlüssen nützt oder ob es nur insgesamt Schmalhans Küchenmeister sein soll.
Das stimmt, Herr Köckert, von Ihnen begreife ich tatsächlich nichts. Ein solcher Skandalminister ist nicht zu begreifen.
Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, den BAT vergleichen mit den Flächentarifverträgen, dann bin ich ganz fatal erinnert an die Diskussion, die wir im Land hatten, als es um das Vergabegesetz ging. Da ging es nämlich um die Tarifvertragserosion der Flächentarifverträge. Während Sie nichts getan haben, um die Erosion zumindest bei staatlichen Aufträgen zu verhindern, zu lenken, zu leiten, zu begleiten, stellen Sie jetzt die Erosion der Flächentarifverträge gegen den BAT und sagen, deshalb so ein Stück weit den Neidkomplex schüren. Das nenne ich eine Politik, die fatal ist.
Meine Damen und Herren, ich will für die PDS-Fraktion Ihre soeben abgegebene Regierungserklärung messen an den Thüringer Realitäten von heute und an Ihrer Regierungserklärung von 1999, als Sie die Regierungsgeschäfte allein übernommen haben, denn jetzt können Sie nichts mehr einem Koalitionspartner in die Schuhe schieben.
Jetzt messen wir Ihre Taten an Ihren Worten und wägen und wichten aus dem Blickwinkel von Familien mit Kindern, von Langzeitarbeitslosen, von Sozialhilfeempfän
gern, von Konkursgeschädigten oder auch aus dem Blick von Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, das Land zu verlassen.
Meine Damen und Herren, was ist der Tenor Ihrer Halbzeitbilanz? Wir haben es alle gehört - Top Thüringen, Top Landesregierung, Top CDU.
Danke schön, wunderbar. Das steht nicht in Ihrem Protokoll, dass Sie jetzt klatschen sollten, aber es war ja "CDU" drin vorgekommen.
Wir haben auch zur Kenntnis nehmen dürfen, dass es dieser Landesregierung trotz der Widrigkeit der Globalisierung und trotz der rotgrünen Bundesregierung gelungen ist, diese Ergebnisse zu erreichen. Dass aber von außen, also global oder vom Bund, massiv in die Entwicklung Thüringens eingegriffen wurde, damit wird dann die Stagnation begründet. Ihre Maxime heißt, das Gute ins CDU-Töpfchen, alles Schlechte ins Weltwirtschaftsoder Bundesregierungskröpfchen. Wir nennen das eine Politik der satten Selbstzufriedenheit bei erkennbarer realer Stagnation im Lande.
Die Schere zwischen Ost und West wird größer. Die Aufholjagd wurde zum kraftlosen Nachhecheln und trotzdem sagt die Landesregierung, wir seien Klassenprimus.
(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Ja!)
Ihre Klasse, Herr Gnauck, ist überhaupt nicht zu beschreiben, weil die schon so weit unter dem Unterputz ist. Dabei, meine Damen und Herren, wird die Statistik in einer Weise bemüht, wie sie der Abgeordnete Höpcke bereits in der 2. Legislaturperiode mit den sechs Sünden der Statistik dargestellt hat.
Höpcke, ja. Sie können das nachlesen. Das hat er hier im Landtag gesagt, da haben Sie auch schon geschrien. Aber es war dieselbe Aussage, nämlich die sechs Sünden, wie man mit Statistik umgeht. So werden Wachstumsraten verglichen, ohne Ausgangs- und erreichtes Niveau im Vergleich mit den anderen Bundesländern zu bewerten. Es werden Vergleichs- und/oder korrelierende Entwicklungen nicht bewertet und es werden bestimmte Dinge weggeschwiegen bzw. Ergebnisse mehr als eigenwillig ausgelegt und bewertet, um nicht das Wort "willkürlich" zu benutzen.