Deswegen appelliere ich an die Kreditinstitute, sich nicht aus der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen zu verabschieden. Die mittelständische Wirtschaft kann ohne eine ausreichende und flexible Kreditversorgung nicht florieren.
Thüringen gehört zu den jungen Ländern, die über eine vergleichsweise gute Ausstattung mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, mit Zukunftstechnologien und Hightech-Unternehmen verfügen. Wir haben es gestern gehört, Thüringen gibt mehr pro Student aus als das reiche Nordrhein-Westfalen. Thüringen liegt nach Bayern an der zweiten Stelle.
Wir haben eine breit gefächerte Technologie- und Forschungslandschaft. Die wirtschaftliche Zukunft hängt entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, die technologische Innovations- und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft dauerhaft zu sichern. Die Schwerpunkte der Technologiepolitik liegen in der Stärkung des Technologietransfers, liegen im Ausbau der Forschungs- und Technologieinfrastruktur, der Weiterentwicklung einzelbetrieblicher Förderungen sowie der Begleitung technologieorientierter Existenzgründer. Eine Schwäche der jungen Länder ist, dass Großunternehmen mit eigenen Forschungskapazitäten weitgehend fehlen. Unsere überwiegend mittelständische Wirtschaft kann dieses Defizit nicht ausgleichen und es ist deshalb unsere Aufgabe, ein umfassendes Paket von Maßnahmen der Technologieförderung bereitzustellen, und dazu gehört auch die Unterstützung von Netzwerken. Dem Aufbau von Netzwerken unter Einbindung der Unternehmen in solche Netzwerke kommt besondere Bedeutung zu. Um noch mehr Investoren für Thüringen zu interessieren, haben wir die Standortwerbung verstärkt und die Kampagne "Willkommen in der Denkfabrik" gestartet. Befürworter wie Kritiker haben uns geholfen, sie bekannt zu machen. Dafür bedanke ich mich.
Es kann uns ja nichts Besseres passieren, als dass darüber geredet und geschrieben wird. Wir wollen erreichen, dass uns Investoren in Europa und in Übersee als zukunftsträchtigen Wirtschafts- und Technologiestandort wahrnehmen. Kurz: Wir wollen erreichen, dass es sich lohnt, in Thüringen zu investieren.
Meine Damen und Herren, dass das gelingen kann, bestätigt uns beispielsweise die Ansiedlung von Daimler in Kölleda oder das Zweigwerk des Automobilzulieferers TWB in Artern. Das sind auch keine Einzelfälle. Die beiden letzten Jahre waren hier ausgesprochen erfolgreich. 2000 und 2001 haben wir insgesamt 289 Neueinrichtungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe gefördert. Die geförderten Unternehmen haben Investitionen in Höhe von mehr als 1,3 Mrd. 6.000 neue Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Auch jetzt gilt, dass wir mit zahlreichen in- und ausländischen Investoren in Verhandlungen stehen und dass das natürlich weitergeht.
Übrigens, um Thüringen auch als Medienstandort voranzubringen, eröffnet meiner Ansicht nach die aktuelle Diskussion über die weitere Entwicklung des Kinderkanals hier in Erfurt zum Jugendkanal bei Ausweitung der Sendezeit auch eine interessante wirtschaftliche Perspektive.
Um den wirtschaftlichen Umbau und die enormen Strukturveränderungen nach 40 Jahren Planwirtschaft aktiv begleiten zu können, hat das Land, wie Sie wissen, Anfang der 90er-Jahre eine Reihe von Landesgesellschaften und Stiftungen errichtet. Sie haben ohne Zweifel einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass wir im Vergleich der neuen Länder eine sehr gute Position einnehmen. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, ist es jetzt notwendig, die Aufgaben der Landesgesellschaften an die veränderten Bedingungen anzupassen. Lassen Sie mich dazu drei Punkte sagen.
1. Die Thüringer Aufbaubank ist das zentrale Förderinstrument des Landes. Die Beteiligung der Landesbank Hessen-Thüringen hat zu einer finanziellen und personellen Verstärkung geführt. Ein neuer Vorstand ist berufen und die Kooperation mit Förderinstituten des Bundes kann weiter ausgebaut werden. So viel zur Thüringer Aufbaubank.
2. Für die Neuordnung der Landesentwicklungsgesellschaft ist ein Gutachten zur Aufgaben-, Organisations- und Personalstruktur in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die Strukturen zu verschlanken, um die Ansiedlungs- und Infrastrukturpolitik effizienter zu gestalten, Akquisition und Standortmarketing zu verstärken und die Bildung und Förderung von Technologieclustern zu unterstützen. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen LEG und TAF wird die Ansiedlung von Unternehmen aus dem Ausland in
3. Um die Förderung von Forschung und Technologie im Land stärker zu bündeln, wollen wir eine neue Stiftung errichten und wir werden den Landtag um Zustimmung bitten, dieser neuen Stiftung die frei werdenden Mittel aus dem Thüringer Industriebeteiligungsfonds in Höhe von 50 Mio. die Ernst-Abbe-Stiftung gebeten, sich in diese neue Stiftung einzubringen. Wir legen in diesem Zusammenhang großen Wert darauf, dass die gute Partnerschaft mit Wirtschaft und Wissenschaft fortgesetzt wird.
Die neue Stiftung soll Forschungs- und Technologieprojekte fördern, die für die Zukunftsfähigkeit der Thüringer Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind, und sie soll den Aufbau von Kompetenzzentren und Netzwerken unterstützen. Ich möchte vier in der Regierung angedachte Beispiele nennen: ein Zentrum für Mikro- und Nanotechnologie in Ilmenau, ein Kompetenzzentrum für Stoff-, Strom- und Flächenmanagement an der Fachhochschule in Nordhausen, ein Medienapplikations- und Gründerzentrum hier in Erfurt und ein Mikrotechnologieapplikationszentrum Formenbau und Spritzgießtechnik in Ostthüringen. Ich hoffe, diese vier Projekte lassen sich zügig in die Wirklichkeit umsetzen.
Meine Damen und Herren, so weit wie Herr Gerster gehe ich nicht. Gerster fordert die Abschaffung von ABMStellen mit einer vorübergehenden Schonfrist in Ostdeutschland. Ich folge Herrn Gerster nicht, wenn er die Abschaffung von ABM fordert. Aber in erster Linie geht es darum, dass mehr Menschen Arbeit finden, und zwar im ersten Arbeitsmarkt.
Dabei rückt zunehmend ein weiteres Thema ins Blickfeld, die Sicherung unseres Fachkräftebedarfs. Die Landesregierung, meine Damen und Herren, hat bereits vor einem Jahr die Managementgruppe zur Sicherung des Fachkräftebedarfs ins Leben gerufen. Vertreter von Regierung, Kammern, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, LEG und Arbeitsverwaltung erarbeiten Vorschläge, wie sich genügend Fachkräfte heranbilden, bei uns halten oder auch neu anwerben lassen.
Eine erste Analyse hat die Managementgruppe dieser Tage übergeben. Sie hat angekündigt, bis Ende 2002 ein Maß
nahmenkonzept vorzulegen. Aber schon jetzt steht fest, es wird ein Netzwerk zwischen Hochschulen und Wirtschaft geben mit dem Ziel, Unternehmen und Studierende frühzeitig miteinander in Kontakt zu bringen; auch Schulen und Unternehmen sollen enger zusammenarbeiten. Die Managementgruppe schlägt z.B. vor, Berufsinformationsterminals an allen Regelschulen und Gymnasien einzuführen, den konkreten Fortbildungsbedarf für alle Personen zu ermitteln, die mit der Beratung zur Berufsvorbereitung befasst sind, den Zugang zu Informationen für Schüler und Lehrer zu erleichtern, die Initiative des Wirtschaftsund des Kultusministeriums "Bosse in die Schulen" zu verstärken und eine Fülle anderer Anregungen mehr.
Es geht, meine Damen und Herren, darum, arbeitslose Fachkräfte wieder für die Unternehmen zurückzugewinnen. Die regionale Zusammenarbeit zwischen Kammern und Arbeitsverwaltung soll deswegen verbessert werden. Unser Programm zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser hat gegriffen, "50 PLUS" hat gegriffen und "Zweite Karriere" hat gegriffen und wir werden beide Programme weiterentwickeln. Wenn wir Fachkräftemangel vermeiden wollen, müssen wir die Unternehmer dazu bringen, jetzt so viel wie möglich auszubilden.
Bislang, meine Damen und Herren, stand im Vordergrund, dass alle Schulabgänger Lehrstellen bekamen. Die Zielrichtung hat sich geändert. Lehrlinge werden knapp. Wir müssen die Unternehmer jetzt bei der Suche nach Nachwuchs unterstützen.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine Frage der Gerechtigkeit. Aber sie ist auch eine Frage der Zukunftsfähigkeit, meine Damen und Herren. Die Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft, vor allem aber in ihrer beruflichen Entwicklung abzubauen ist notwendig und erfordert einen langen Atem. Wir unterstützen Initiativen wie die Thüringenmesse "Frauen und Wirtschaft gemeinsam erfolgreich", die Mitte Juni bereits zum dritten Mal stattfindet.
"Frauen begnügen sich nicht mehr mit der Hälfte des Himmels, sie wollen die Hälfte der Welt", hat Frau Schwarzer gesagt. Und sie hat Recht, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, wer nicht gern hört, und solche Leute gibt es ja, dass wir die geringste Arbeitslosigkeit unter den jungen Ländern haben, wer behauptet, das liege ja nur an den vielen Pendlern, meine Damen und Herren, der täuscht sich. Selbstverständlich pendeln Thüringer in die Nachbarländer, genauso wie Pfälzer nach Baden-Württemberg oder Hessen nach Rheinland-Pfalz. Nur, ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, rund 100.000 Menschen pendeln aus Thüringen aus, aber beinahe 40.000 Menschen pendeln nach Thüringen ein. Das darf man bitte auch sagen.
Genauso differenziert ist das Problem der Abwanderung zu betrachten. Das ist natürlich ein Problem, das wir ernst nehmen müssen. Thüringen ist davon natürlich nicht allein betroffen, auch Bremen und Berlin und die jungen Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt und Sachsen sind betroffen. Sachsen-Anhalt und MecklenburgVorpommern haben höhere Wanderungsverluste als wir. Diese Abwanderung lässt sich nicht beschönigen und soll auch nicht beschönigt werden, aber wir sollten nicht vergessen, die Menschen in den jungen Ländern haben sich 1989 Freiheit und offene Grenzen erkämpft. Dass manche heute die Möglichkeit nutzen, ihre Chance anderswo zu suchen, kann man ihnen und darf man uns doch nicht zum Vorwurf machen, meine Damen und Herren.
Im Übrigen besteht auch kein Grund zur Panikmache. Thüringen hatte im Jahre 2000 rund 180.000 Einwohner weniger als 1991, aber für zwei Drittel, das heißt für 130.000, ist das Geburtendefizit verantwortlich. Nur für rund 50.000, also für weniger als ein Drittel des Einwohnerschwundes, ist die Abwanderung verantwortlich. Die Zahl der Einwohner sank jährlich durch Abwanderung um etwa 0,4 Prozent - eine Zahl, die man ernst nehmen muss, aber keine dramatische Zahl. Im Jahre 2000 hat sich die Lage verändert. Jetzt beträgt der Bevölkerungsrückgang wegen geringerer Geburtenzahlen etwa die Hälfte und die Hälfte des Rückgangs der Bevölkerung geht auf das Konto der Abwanderung, etwa 9.900.
Es ist erfreulich, dass es uns durch unser Hochschulangebot gelingt, junge Menschen nach Thüringen zu holen. Wir haben zurzeit rund 1.700 ausländische Studierende und etwa 6.000 Studierende aus den alten Ländern. Die Zahlen steigen seit Jahren.
Übrigens gilt natürlich auch für die Abwanderungen, die Wegzüge, dass ihnen Zuzüge gegenüberstehen. Wir haben Fortzüge nach Bayern 8.500 im Jahr 2000 und Zuzüge aus Bayern 3.800.
Ganz selbstverständlich müssen wir alles daran setzen, dass sich Abwanderung und Zuwanderung zumindest die Waage halten. Unsere Antwort heißt: Thüringen muss jungen Frauen und jungen Männern Perspektiven eröffnen, Perspektiven, die dafür sorgen, dass sie in Thüringen bleiben und dass sie nach Thüringen kommen.
Sie wissen, Thüringen ist eines der sichersten Länder in Deutschland und es bietet mit seiner Kultur und Landschaft ein hohes Maß an Lebensqualität. Unsere Ausbildungsangebote sind führend und wir wollen sie noch verbessern. Woran es vor allem fehlt - und das liegt nicht allein, nicht einmal überwiegend in unserer Hand -, ist die Wende auf dem Arbeitsmarkt. Die Schere muss sich schließen. Erst wenn der Osten wieder schneller wächst als der Westen, wenn Thüringen noch attraktiver wird, wird die Abwanderung kein Thema mehr sein, so wie sie in den attraktivsten Ländern Deutschlands kein Thema ist.
Meine Damen und Herren, auch bei Löhnen und Einkommen muss sich in absehbarer Zeit die Schere schließen. Die Landesregierung tritt für eine schrittweise Angleichung des Lohnniveaus ein. Im öffentlichen Dienst werden seit dem 1. Januar dieses Jahres 90 Prozent West gezahlt. Das sind nicht 100 Prozent wie im Tarifvertrag der Metallbranche, aber lieber 90 Prozent tatsächlich verdient als 100 Prozent versprochen, dann aber nur knapp drei Viertel davon in der Lohntüte. Bis 2007 wollen wir im öffentlichen Dienst 100 Prozent erreichen, und zwar in Jahresschritten von 2 Prozent ab 2003. Das setzt allerdings moderate Lohnabschlüsse im Westen voraus, meine Damen und Herren. Jeder zusätzliche Prozentpunkt kostet das Land im Jahr 25 Mio. einmal etwa die gleiche Summe. Das möge bitte jeder, der davon spricht, mit bedenken. Im Durchschnitt liegen die Grundlöhne und Gehälter in der Thüringer Wirtschaft 30 Prozent unter dem Niveau der alten Länder, nicht, weil die Thüringerinnen und Thüringer weniger qualifiziert wären, sondern weil wir bisher kaum Hochlohnbereiche haben und weil die Produktivität zu niedrig ist. Eine Studie im Auftrag des DGB bestätigt, vergleichbare Löhne setzen eine vergleichbare Produktivität voraus. Werden Löhne unabhängig von der Produktivität erhöht, dann führt das zu mehr Rationalisierung und zum Verlust von Arbeitsplätzen und uns sind die Arbeitsplätze noch wichtiger als die Angleichung der Löhne.