Protocol of the Session on February 22, 2002

Herr Abgeordneter Döring, Sie haben das Wort, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zurück zur Großen Anfrage.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ganz gleich, wie wir Wahres und Richtiges formulieren, Kultur ist kein Luxus, wie es Frau Ministerin Prof. Schipanski sagt oder wie Bundespräsident Rau, der Kultur nicht als das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, sondern vielmehr als die Hefe im Kuchen betrachtet. Ich bin mir völlig sicher, in der Wertschätzung der Kultur als unverzichtbaren und sinnstiftenden Bestandteil unseres persönlichen und gesellschaftlichen Lebens stimmen wir alle überein. Die Fülle von Daten und Fakten in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zeigt, dass in Thüringen ganz unabhängig von der Zusammensetzung der Landesregierung die Kulturförderung einen hohen, im Ländervergleich sogar beispielhaften Stellenwert besitzt. Das hat Thüringen, das sich so gern als Kulturland sieht, denke ich, auch verdient. Nicht ganz am Rande sei an dieser Stelle einem Mann gedankt, der über viele Jahre hinweg für

die Kontinuität der Kulturentwicklung in Thüringen gearbeitet hat und uns in Kürze verlässt. Herr Dr. Lettmann, nehmen Sie unseren Dank und unsere guten Wünsche in Ihren Ruhestand mit.

(Beifall im Hause)

Trotz der Bemühungen der Landesregierung, die erfolgreiche Arbeit der großen Koalition im Bereich der Kulturpolitik fortzuführen, verschärfen sich gegenwärtig viele Probleme und verschlechtert sich die Lage in verschiedenen Kulturbereichen. In der Antwort auf die Große Anfrage wird das nicht völlig verschwiegen. Dort wird zum Beispiel darauf verwiesen, dass Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung die Kultur nicht aussparen können, dass Gebietskörperschaften mit großen Kultureinrichtungen vor der bitteren Alternative stehen, die steigenden Personalkosten zulasten der freien Kulturszene auszugleichen und dass der nicht institutionalisierte und deshalb weniger rechtlich abgesicherte, aber besonders innovative Kulturbetrieb in große Schwierigkeiten gerät, falls die derzeitige Debatte um die Struktur der Theater und Orchester nicht zu angemessenen Ergebnissen führt.

Meine Damen und Herren, die gegenwärtige Situation in der Thüringer Kultur und Kunst ist trotz aller Förderung nicht gut. Sie ist durch allgemeine Verunsicherung über ihre Perspektiven gekennzeichnet. Ein Gesamtkonzept für die Entwicklung Thüringens im Kulturrahmen wird nicht erkenntlich. Es besteht die Gefahr einer qualitativen und strukturellen Stagnation. Ich denke, kulturelle Events, wie zum Beispiel das Bachjahr, können über diesen Mangel nur kurzzeitig hinwegtäuschen. Die Disproportionen zwischen den verschiedenen Kulturbereichen verschärfen sich gegenwärtig, weil die bereits jetzt überproportional geführten Theater und Orchester von der im Zuge der Haushaltskonsolidierung erforderten Einsparung bisher nicht betroffen sind. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir halten ein breites und vielfältiges künstlerisches Angebot durch Theater und Orchester für einen unverzichtbaren Teil unserer Kultur. Wir brauchen aber deren qualitative Höherentwicklung, ihre stärkere Ausstrahlung auch über Thüringen hinaus und leiten daraus unsere Erwartungen und strukturelle Veränderung ab. Es wäre wohl reine Selbsttäuschung anzunehmen, dass herausragende Leistungen wie der Meininger "Wagner-Ring" und der Weimarer "Faust" in der überregionalen Wahrnehmung mehr sind als punktuelle kulturelle Leuchtfeuer. Auch ein kulturtouristisches Event wie die Domstufenfestspiele gehören anderswo - allerdings ohne die beeindruckende architektonische Kulisse - zum ständigen Angebot. Die von mir bemängelten Disproportionen im Kulturhaushalt führen nicht nur zu Verwerfungen in der Erfurter Kulturlandschaft, die in der Schließung bzw. Kürzung bei Museen, beim Kulturhof "Krönbacken" oder der Künstlerwerkstatt vorgesehen sind, sondern generell zur einer Schieflage des Thüringer Kulturhaushalts. Davon sind insbesondere Denkmalschutz und Denkmalpflege, Breiten- und Soziokultur sowie künstlerische Bereiche außerhalb von Theatern und Orchestern be

troffen, also u.a. schreibende, bildende, komponierende und musizierende Künstler. Die soziale Lage, das haben auch meine Vorredner immer wieder betont, vieler dieser Künstler verschlechtert sich, wie ein Blick in die Aufstellung der Künstlersozialkasse in der Anlage der Großen Anfrage zeigt. Mit der permanenten Abschmelzung der Landesmittel für Denkmalschutz und Denkmalpflege ist dieser Bereich in den letzten Jahren zum Steinbruch für Einsparungen im Kulturbereich geworden. Das ist besonders deshalb bedenklich, weil die Altstädte, Schlösser, Kirchen und Burgen die touristische Anziehungskraft Thüringens maßgeblich determinieren. Hierfür trifft der Begriff der "Umwegrentabilität" der Kultur den Kern der Sache, auch wenn Kultur natürlich viel mehr ist als ein Wirtschaftsfaktor. Außerdem nutzt die Landesregierung durch dieses Sparen an der falschen Stelle ihre Möglichkeiten nicht, die krisenhafte Entwicklung im Thüringer Baugewerbe einzudämmen.

Herr Abgeordneter...

Nein, ich will erst einmal fortführen.

Sie lassen also keine Frage zu.

Meine Damen und Herren, viele Thüringer Kommunen, Jena, Rudolstadt und viele andere, engagieren sich nach besten Kräften für kulturelle Belange, anderen gelingt das kaum mehr, sie sehen sich zu anderen Schwerpunkten veranlasst. Darunter leidet zuerst die Breitenkultur und die jugendkulturelle Arbeit. Beide Bereiche liegen uns besonders am Herzen. Das Konzept für die Entwicklung der jugendkulturellen Einrichtungen muss jetzt schnell auf den Tisch, sonst drohen politisch nicht verantwortbare Angebotsverluste.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die generell abnehmende kulturelle Leistungsfähigkeit der Kommunen führt zu einer immer problematischeren Verschiebung der Relation zwischen der Kulturförderung des Bundes, des Landes und der Kommunen zu Ungunsten der früher kommunal geförderten Institutionen und Projekte. Hier fehlt uns die von der SPD seit vielen Jahren geforderte Stiftung Breitenkultur. Wir haben während der großen Koalition u.a. durch das Projektmanagerprogramm dagegengesteuert und Netzwerke gesichert. Aber gegenwärtig wird sogar an diesem mageren 30-Stellen-Programm gespart, ich glaube 25 sind zurzeit besetzt. Jetzt sind auch diese in Gefahr, weil zusätzlich zu allgemeinen Finanznöten ABM- und

SAM-Stellen im Kulturbereich ersatzlos auslaufen. Die erforderliche Kooperation zwischen Wirtschafts-, Finanzund Kunstministerium zur Sicherung von Arbeitsplätzen weist bisher nur ungenügende Ergebnisse auf, wie das Beispiel Filmbüro Kromsdorf zeigt.

Meine Damen und Herren, um Fehldeutungen vorzubeugen, es wäre falsch, jede Kultureinrichtung auf Dauer fördernd mitzuschleppen, Kultur im Wandel - das zeigt die Geschichte - ist auch immer mit Geburt und Sterben von Institutionen verbunden. Nicht jede der traditionellen, aber auch nicht jede der nach der Wende mit hohem persönlichen Einsatz entstandenen kulturellen Initiativen, die oft mit der Erwartung auf lebenslange Existenzsicherung verbunden war, hat mit sich wandelnden kulturellen Bedürfnissen Schritt gehalten und blieb ein Publikumsmagnet. Es gibt partiell qualitative Stagnation. Eine mehr als hundertjährige Geschichte einer ehemaligen Hofkapelle oder das zehnjährige Bestehen einer kulturellen Wendeinitiative legitimieren allein noch nicht den Anspruch auf dauerhafte Förderung durch das Land. Unterstützung verdienen besonders diejenigen, die sich neuen Bedürfnissen und Ansprüchen stellen. So hat kreatives, künstlerisch hochwertiges, hochprofessionelles Straßentheater in Weimar und Erfurt Tausende in seinen Bann gezogen, Ältere und Jüngere, die gleich am Ort miteinander über Kunst debattierten. Ähnlich Neues in der Soziokultur, besonders in Hochschulstädten, dort erzielen junge Leute beeindruckende künstlerische Leistungen mit neuen Medien als Durchgangsstation in eine oft außerkünstlerische berufliche Zukunft. Sind das unbedingt förderungswürdige Vorhaben, bei denen sich die viel diskutierte Frage nach Bestandssicherheit völlig erübrigt?

Ein letztes Beispiel für die Pflege des Neuen: Trotz PISA oder vielleicht auch dank Harry Potter, in Thüringen wird nach wie vor viel gelesen. Bibliotheken haben als Angebot an alle Generationen Konjunktur und das bei weitem nicht nur bei Senioren. Wenn aber kein Geld für Neuanschaffungen mehr vorhanden ist, oder die Nutzergebühren erheblich steigen, dann werden die Bibliotheken veröden, dem müssen wir durch Förderung entgegenwirken.

Meine Damen und Herren, das Land hat in seiner Förderpolitik nicht über kulturelle Inhalte zu richten, doch es hat Bedingungen zu gewährleisten, die innovatives, kreatives, kulturelles Potenzial fördern. Förderpolitik stellt Weichen für Strukturen, verhindert, erschwert oder ermöglicht ein ausgewogenes Verhältnis von Tradition und Innovation, fördert oder hemmt Verwerfungen zwischen den Kulturund Kunstbereichen. In diesen Kontext stelle ich meine Bemerkungen zur aktuellen Theaterkrise.

Nach der Weimarer Entscheidung ist die Theater- und Orchesterpolitik der Landesregierung vorerst gescheitert. Das löst, meine Damen und Herren, keinerlei oppositionellen Jubel aus. Vielmehr spüren wir die Gefahr einer nachhaltigen Belastung der Entwicklung der Thüringer Kultur mit bisher unabsehbaren Folgen. Wir werden die

Landesregierung nicht von der Aufgabe entbinden, durch eine angemessen maßvolle Förderung von Theatern und Orchestern deren breites und jedermann zugängliches Angebot zu sichern sowie durch einrichtungsbezogene, auf die einzelnen Bühnen und Orchester zugeschnittene spezifische Fördermaßnahmen Voraussetzungen für eine Erhöhung der künsterlischen Qualität zu schaffen. Das schließt notwendige strukturelle Veränderungen ein. Doch dabei stehen ebenso Ausstrahlung, breite Wirkung, Annahme durch das Publikum, Vermittlung von Kreativem und Neuem, also qualitative Kriterien, im Mittelpunkt. Das Problem der Theaterentwicklung muss dringend gelöst werden, zumal es auch erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat.

Meine Damen und Herren, eine emotional überhitzte, teilweise schon irrationale Diskussion hilft uns nicht weiter. Ich habe bewusst andere Probleme der Kulturentwicklung und der Kulturförderung in den Mittelpunkt meiner Ausführungen gestellt, das haben die Kulturgenießenden und die Kultur- und Kunstschaffenden wohl verdient. Ein Wehklagen über einen drohenden Zusammenbruch der Kultur in Thüringen stimme ich ausdrücklich nicht an.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Kultur hat schlimme Diktaturen ebenso überstanden wie rauschhafte Zerstörungsversuche. Über lange Zeiten darbten Künstler. Sie tun das bei uns nicht, obwohl es bei weitem nicht allen gut geht. Kultur und Kunst verdienen verlässliche, ausbaufähige Förderung, um die Lebensqualität in Thüringen zu gewährleisten. Dabei gibt es Disproportionen und Verwerfungen. Ich fordere die Landesregierung auf, ihre kulturelle Förderpolitik in diesem Sinne zu überdenken, damit im Zentrum und an Ecken und Enden des Landes weiter geschrieben und gelesen, komponiert, gehört und gesungen, gemalt und betrachtet, gefilmt und geschaut, getanzt und gespielt, gebaut und restauriert werden kann. Das ist gewiß kein Luxus, sondern unser Leben. Danke.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Seela, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, eigentlich wollte ich mich nicht noch einmal zu Wort melden, aber nachdem hier so viele Unwahrheiten und Halbwahrheiten vorgetragen worden sind,

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Der erste Einfall ist immer der beste.)

aber doch nicht von Ihnen, von dieser Seite, meine ich doch, dass man hier noch einiges richtigstellen muss.

Zunächst an Ihre Adresse, Frau Sojka, da fällt mir nur ein: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Sie hätten gestern Ihre Rede halten können, Herr Döring hat das ja richtig bemerkt, da kann ich nur einschätzen: Thema verfehlt, "6", setzen!

(Zwischenruf Abg. Sojka, PDS: Dann lesen Sie diese Große Anfrage einmal ganz.)

Aber noch etwas anderes auch, was mich besonders gestört hat, nicht, dass Sie nun zu spät kamen mit Ihrem Beitrag, vielmehr hat mich eigentlich gestört, dass Sie unsere Thüringer Schüler so schlechtgeredet haben. Wenn Sie ein Problem haben, drei Nobelpreisträger zu nennen, dann ist das ja in Ordnung, aber schieben Sie das doch bitte nicht auf unsere Schüler. Unsere Thüringer Schüler sind schlauer als Sie denken.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Klischee und diese Stammtischparolen, die ich vorhin wieder gehört habe, die sind für dieses hohe Haus inakzeptabel. Das wollte ich noch einmal gesagt haben.

(Unruhe im Hause)

Der zweite Teil, Hinweise noch zu den Ausführungen von Frau Dr. Klaubert; einmal die Ausführungen zur Künstlersozialkasse. Ich glaube, Frau Dr. Klaubert, es ist für Sie sicherlich ziemlich schwierig einzuschätzen, wie schwer es ist, vom Bücherschreiben leben zu müssen. Ich kann das einschätzen, ich war bis 1999 auch bei der Künstlersozialkasse versichert und war darauf angewiesen, durch Bücherschreiben mein Brot zu verdienen, und das ist ziemlich hart. Aber ich habe auch kein Konzept hier gesehen, wie Sie dieses Problem lösen wollen. Wollen Sie jetzt einen staatlichen Sektor für Buchautoren einführen und wenn man nicht auf eine gewisse Summe kommt, dass Sie dann diesen Sektor fördern? Die Lösung hier ist eigentlich ziemlich einfach - Angebot und Nachfrage -, danach habe ich mich auch verhalten und gerichtet. Ich habe dann zwar noch Filme gemacht, das liegt auch noch nahe. Man kann auch sich ins Plenum in den Landtag wählen lassen, aber wenn diese Nachfrage nicht da ist, dann muss ich mich eben umorientieren. Das ist knallhart, aber das ist einfach.

(Beifall bei der CDU)

Wir können doch nicht alles staatlich reglementieren und für alles Sorge tragen. Das geht leider nicht. Das ist knallharte Marktwirtschaft, auch in diesem Bereich, tut mir Leid.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Also,..., so geht das nicht.)

Dann noch einen anderen Hinweis, nämlich zum "Goldenen Spatz", hier geht es ja um den Medienbereich. Dazu möchte ich gern noch etwas ausführen. Bedauerlicherweise haben

Sie es wahrscheinlich vergessen zu sagen, dass es auch andere Intentionen gab, nämlich den "Goldenen Spatz" nach außerhalb zu verlagern, nach Köln. Das haben Sie nicht gesagt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Das stimmt nicht!)

Ich bin auch Ostthüringer. Ich bin Jenaer, Ostthüringer, aber ich bin auch Thüringer Landespolitiker. Dann muss ich so rangehen, wenn ich für den Medienstandort in Thüringen etwas tun möchte, muss ich zumindest versuchen, dass dann der "Goldene Spatz", das ist eine Minimalforderung, zumindest hier in Thüringen bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Dann ist es schon legitim, wenn ich mich umschaue, dann schaue ich eben nach Erfurt. Das ist auch begründet, wenn ich den Standort Erfurt nenne. Ganz einfach, weil wir hier den Kinderkanal haben, eine Erfolgsgeschichte, weil wir hier den MDR haben, weil wir hier zahlreiche Produktionsgesellschaften haben. Deswegen ist es auch legitim, wenn es uns gelingt, den "Golden Spatz" in Thüringen zu behalten, dass wir sämtliche Produktionen in dieser Hinsicht bündeln, in Erfurt bündeln. Das ist für Gera zwar bedauerlich, die müssten dann andere Varianten finden - ich hatte mich ja auch in der Presse dazu geäußert, was möglich wäre -, aber anders geht es leider nicht. Herzlichen Dank, mehr wollte ich dazu nicht sagen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Schwäblein, bitte, Sie haben noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem dem Abgeordneten Döring die Souveränität gefehlt hat, meine Frage zuzulassen, muss er sich jetzt gefallen lassen,

(Unruhe bei der SPD)

dass ich sie von hier vorn aus stelle. Herr Döring, da ich weiß, dass Sie wie ich auch dem Landtag schon länger angehören, bleibt zu vermuten, dass Sie bewusst nicht die volle Wahrheit gesagt haben

(Zuruf Abg. Döring, SPD: Herr Schwäblein, ich sage immer die Wahrheit.)