Meine Damen und Herren, dass die Arbeitsmarktförderung verändert werden muss, denke ich, liegt auf der Hand, denn die Arbeitslosigkeit in Thüringen stagniert seit Jahren und steigt inzwischen wieder an. Dazu noch einmal einige Zahlen: Im November waren mehr als 182.000 Menschen als offiziell registriert arbeitslos gekennzeichnet, 3.700 mehr als noch vor einem Jahr. Davon waren mehr als 60.800 Personen langzeitarbeitslos, 3.500 mehr als vor einem Jahr. Dem standen im November lediglich 11.400 freie Stellen gegenüber, 1.800 weniger als vor einem Jahr. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat in Thüringen einen neuen Tiefpunkt erreicht. Topp Thüringen? Die Antworten der Landesregierung und der CDU werden den hinter diesen Zahlen stehenden Problemen in Wirtschaft, Arbeitsmarkt und im Sozialbereich nicht einmal ansatzweise gerecht. Bedenkt man außerdem die sich drastisch verändernden Rahmenbedingungen, die im Kommissionsbericht genannt wurden - der Solidarpakt II und die EU-Osterweiterung -, dann wird die ganze Gefahr einer unzulänglichen Politik, die sich im Ministerium weiter so manifestiert, deutlich. Falsches kommt nur von den anderen, wie wir auch heute wieder gehört haben. Die Landesregierung macht alles richtig, so zumindest die verkündete Grundposition. Die "Thüringer Landeszeitung" vom 21.11. bemerkt dazu - Frau Präsidentin, ich darf zitieren: "Mit Sicherheit ist es richtig, den Bund in die Pflicht zu nehmen, jedoch sollte der Wirtschaftsminister nicht vergessen, die eigenen Aufgaben zu erledigen." Zum ständigen peinlichen Selbstlob der Landesregierung fragt diese Zeitung zu Recht, was die schönen Zahlen denn den Arbeitslosen in Thüringen nützen. Was passiert, meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung dann doch einmal aktiv wird, zeigt eine Initiative im Oktober im Bundesrat. Um das Ergebnis vorwegzunehmen, sie ist gescheitert. Ich zitiere aus dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 19. Oktober: "Damit hat der Bundesrat beschlossen, die Entschließung nicht zu fassen." Ich betone das deshalb so, meine Damen und Herren, weil von Seiten der Landesregierung bisher keine Information erfolgte. Während Minister Schuster die Behandlung des Antrags mehrfach groß angekündigt hatte, ist über das Ergebnis in den Medien nicht berichtet worden. Niederlagen - und an dieser Stelle sage ich, Gott sei Dank Niederlagen - werden verschwiegen. Diese Niederlage ist trotz einer Rede des Ministers in Berlin erfolgt. Dazu allerdings, meine Damen und Herren, noch etwas Kurioses, was die Kommunikation zwischen Opposition und Landesregierung etwas charakterisiert: Auf eine Information des Wirtschaftsministeriums über diese Rede, die ich nachlesen wollte, warte ich heute noch. Man müsse erst jemanden finden, Herr Schuster, der entscheiden kann, ob ein Oppositionsabgeordneter eine solche Rede bekommen dürfe, wurde meinem Mitarbeiter am 23. Oktober mitgeteilt. Dass
ich mir das Protokoll inzwischen aus dem Internet heruntergeladen habe, macht deutlich, Herr Minister, Sie können die Suche nach Verantwortlichen für Ihre Reden einstellen. Das Internet sichert auf jeden Fall den Zugriff schneller, als es innerhalb eines Wirtschaftsministeriums in Thüringen geklärt werden kann, damit ein Abgeordneter aus Thüringen die Worte seines Ministers eventuell mal nachlesen kann. Das ist ein beredtes Beispiel.
Ich bin allerdings auch über die Klarstellungen in der Rede sehr dankbar, Herr Minister. Während es dazu von Ihrer Seite und aus der CDU-Fraktion hieß: Kombilohn bedeute noch nicht gleich Niedriglohn, haben Sie im Bundesrat endlich Klartext geredet. Auch dort darf ich noch mal zitieren: "Gefordert werden Kombieinkommensmodelle im Niedriglohnbereich." Und diese Forderung trotz der Tatsache, dass Thüringen bei Löhnen und Gehältern bundesweit seit Jahren das Schlusslicht bildet. Vielleicht war das ja der Grund der Geheimhaltung. Denn nur reichlich vier Wochen später, meine Damen und Herren, teilt der gleiche Minister mit, dass eine allmähliche Anpassung an die Lohnentwicklung der alten Länder dringend notwendig auf uns zukomme. Früher sagten wir dazu: "Jähe Wendungen sind nicht ausgeschlossen."
Meine Damen und Herren, wir sahen uns zu Minderheitenvoten auch veranlasst bei nicht gesetzeskonformer Empfehlung der Mehrheit der Kommission. Ein Beispiel ist die Umwidmung von Arbeitsmarktmitteln zur Verbesserung der Infrastruktur. Ich verweise dazu auf den Standpunkt der Bundesanstalt für Arbeit. Da es sich um Beitragsmittel - so wurde mir mitgeteilt - der Solidargemeinschaft handelt, bestehen ordnungspolitische Bedenken. In den Minderheitenvoten, meine Damen und Herren, finden Sie dagegen realisierbare Alternativen.
Die künftige Arbeitsmarktpolitik muss nach Ansicht der PDS in zwei Richtungen wirken, und zwar müssen Arbeitslose in der von Wirtschaft und öffentlichem Dienst nachgefragten Qualifikation weitergebildet werden, um so einen Teil des Fachkräftebedarfs sicherzustellen, doch das ist nur ein Bereich. Andererseits geht es um die Schaffung neuer Beschäftigungsfelder im Bereich der öffentlich geförderten Arbeit im Non-Profit-Bereich.
Wir sprechen uns für eine Weiterentwicklung und Verstetigung geförderter Arbeit aus. Das ist zusätzliche, sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Beschäftigung, die eine Teilhabe arbeitsloser Menschen, aber auch eine Stärkung der Sozialversicherungssysteme und über erhöhte Nachfrage Impulse für die Regionalwirtschaft bedeutet. Erste Schritte könnten Modellprojekte zur Förderung des Non-Profit-Sektors und Feststellenprogramme in den Bereichen Soziales, Kultur und Ökologie ähnlich der Jugendpauschale sein.
Wir haben die Frage nach der Zukunft der Arbeitsmarktpolitik also mit Vorschlägen untersetzt, eine Frage, die die Bundesanstalt für Arbeit als dringend zu lösen anmahnt, doch CDU und Landesregierung drücken sich an dieser Stelle vor der Antwort. Wir hatten das Thema gestern bereits, wie dort zu bewerten ist. Die EU bewertet ebenfalls den Non-Profit-Bereich, den sie "drittes System" nennt, übrigens sehr hoch, und zwar über die Arbeitsmarktpolitik hinaus. Es könne - so die EU zu ihrer Pilotaktion "drittes System und Beschäftigung" - zu einem innovativen Ansatz der Beschäftigung und zur Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes, ja zum Modell einer anhaltenden Entwicklung für die Union beitragen. Im Rahmen des ESF fördert die EU deshalb bewusst auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem Bereich. Notwendig ist allerdings eine politische Entscheidung; ein Schritt der in Thüringen in dieser Sache fehlt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein besonderes Strukturproblem ansprechen, die Langzeitarbeitslosigkeit. Der Enquetebericht betont ihre weiter und wieder ansteigende Tendenz. Allerdings erste Ergebnisse einer im Auftrag der PDS-Bundestagsfraktion gegenwärtig zu erstellenden vergleichenden Studie zeigen, dass es in Thüringen durch SAM möglich war, die Langzeitarbeitslosigkeit in der Vergangenheit zu reduzieren. Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem von der CDU zu verantwortenden Rückgang der SAM und dem Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit. Meine Damen und Herren, die beiden Kurven sprechen Bände, oben die Zahl der wachsenden Langzeitarbeitslosen, unten die Zahl der sich reduzierenden SAM-Stellen in Thüringen. Was sagen nun Wirtschaftsprognosen für die Zukunft? Die Helaba, meine Damen und Herren, die nun nicht in Verdacht steht, PDS-nah zu sein, geht in einer Konjunkturanalyse im November davon aus, dass die Arbeitslosigkeit weiter ansteigen wird. Meine Damen und Herren, das sind Alarmzeichen, die es dringend erforderlich machen, endlich einen Kurswechsel zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik zu vollziehen. Sonst haben wir im nächsten Jahr, und ich verweise nochmals darauf, wieder 200.000 registrierte Arbeitslose, die sich dieses Land nicht leisten kann.
Weiter, meine Damen und Herren, möchte ich auf den Mehrheitsstandpunkt erweiternde Voten des Sachverständigen Spieth hinweisen. Ich halte es schon für bemerkenswert, dass hier unter anderem auf eine öffentliche und private Investitionsoffensive und auf die Erarbeitung eines Landesentwicklungsprogramms mit wirtschaftspolitischen Leitbildern hingewiesen wird. Was, Herr Ministerpräsident, ist denn daran so abwegig vor dem Hintergrund Ihres 40 Mrd. Infrastrukturprogramms und des von Ihrer Regierung praktizierten alternativen Finanzierungsprojekts, z.B. der Maßnahmen im Regierungsviertel? Warum war denn die Forderung nach Erarbeitung eines Landesentwicklungsprogramms mit wirtschaftspolitischen
Leitbildern so abwegig, wenn denn durch Einbringung eines neuen Thüringer Landesplanungsgesetzes im Septemberplenum durch diese Landesregierung ein Fortschreibungsverfahren dieses künftigen Landesentwicklungsplans mit solchen Intentionen erfolgen sollte und gestern ja auch beschlossen wurde, übrigens beschlossen wurde auch mit Stimmen von Seiten der PDS-Fraktion? Der Sachverständige Spieth hat in seiner Begründung zur abweichenden bzw. ergänzenden Stellungnahme dabei wichtige Hinweise für die Fortschreibung einschließlich der demokratischen Mitwirkung von Unternehmen, Verbänden und Bürgerinnen gegeben. Ich bitte deshalb, dieses zu beachten und nicht einfach nur ad acta zu legen. Wenn in diesen Fragen die Erarbeitung Operationeller Programme durch einen Begleitausschuss möglich ist, sollte auch die Erarbeitung weiterer zielführender Landesdokumente so denkbar und möglich sein.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hält es auch in ihrer heute zur Beratung stehenden Stellungnahme zum Bericht der Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen" für bemerkenswert, dass eine so komplexe Thematik innerhalb kürzester Zeit bearbeitet werden konnte und die Arbeitsergebnisse in einem Umfang und Qualität beachtlichen Bericht zusammengefasst wurden. Ich kann der Landesregierung für ihre Einschätzung und für die Arbeitsergebnisse der Enquetekommission nur danken. Diese Arbeit und dieses Ergebnis, Herr Minister Schuster, wurde allerdings möglich, weil sich alle Kommissionsmitglieder ihrer Verantwortung bewusst und bemüht waren, Maßnahmen für den weiteren Fortschritt in der Entwicklung Thüringens, ausgehend von erreichten Ergebnissen und den angewendeten Instrumentarien und Lenkungsmaßnahmen, zu erarbeiten. Ich hätte Ihnen heute gern von dieser Stelle gleiches Verantwortungsbewusstsein und gleiche Bemühungen bescheinigt. Mit dieser Wortwahl wird wohl auch jedem klar, dass ich in keiner Weise Ihre Stellungnahme der bemerkenswerten Arbeitsergebnisse der Enquetekommission adäquat betrachte. Und das, trotzdem Ihr Haus mit fachlich zuständigen Leitern den Prozess der Erarbeitung der Abschlussdokumente als Summe der Betrachtung aller Einzelschwerpunkte sachkundig begleitet hat. Und das, trotzdem Sie nach Vorlage des Berichts drei Monate Zeit für die Erarbeitung einer Stellungnahme zur Richtigkeit von analytischer Bewertung und zur Anwendbarkeit und Umsetzungsmöglichkeiten der 48 Empfehlungen hatten. Die jetzt als Stellungnahme der Landesregierung vorliegende Drucksache 3/2027 ist, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, die Abkehr von einer sachorientierten Arbeit in der Enquetekommission hin zu einem aus den Mehrheitsverhältnissen des Hauses abgeleiteten Machtanspruch.
Ja, meine Damen und Herren, was ist die Quintessenz der vorliegenden Stellungnahme? Die Landesregierung kommt nach sorgfältiger Prüfung zu der Feststellung, dass die durch die Enquetekommission gewonnenen Erkenntnisse und der dokumentierte Bericht für die Landesre
In der Darstellung zu den Komplexen, nicht etwa zu den Empfehlungen, meine Damen und Herren, begrüßt es die Landesregierung, bestätigt sie der Enquetekommission, dass sie richtig bewertet hat, hält sie es hier von zentraler Bedeutung, stimmt sie mit dem Bericht dahin gehend überein, präferiert sie Lösungen, sieht sie keinen Widerspruch, schließt sie sich den Gedanken an, betont die Landesregierung, hat die Landesregierung bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, ist es ein besonderes Anliegen, sieht sie auch weiteren Handlungsbedarf, erachtet sie es für sinnvoll, hat sie sich wiederholt dafür eingesetzt und, meine Damen und Herren, die Krönung heute, die Landesregierung hat Hausaufgaben für die Zukunft bereits gemacht. Lege ich die Ausdrucksweise des Personalchefs an die Bewertung des Abschlussberichts durch die Landesregierung an, komme ich zu der Auffassung, dass die Landesregierung den Bericht als Beschäftigungsmaßnahme des Landtags ohne für die Landesregierung relevante Handlungsnotwendigkeiten betrachtet. Schade um die Arbeit der Mitglieder der Kommission und aller fleißigen Geister jenseits des Rampenlichts. Wenn sich die Landesregierung in sechs Fällen eigene Schlussfolgerungen aus den Empfehlungen ableitet, wie z.B. höher qualifizierte Arbeitslose mit Lohnkostenzuschüssen direkt dem ersten Arbeitsmarkt zuzuführen, Notwendigkeit weiterführender Überlegungen für die Mittelstandsfinanzierung vor dem Hintergrund des Zurückziehens der Banken in diesem Sektor, grundlegende Verbesserung der Selbstständigen und Gründerkultur und Ausrichtung des Bildungssystems an den wachsenden Anforderungen, Handlungsbedarf, um eine durch flankierende Maßnahmen, den Aufbau und Betrieb von Netzwerken aktiv zu unterstützen, Aktualisierung eines Technologiekonzepts für Thüringen, Errichtung einer Lotsenstation für Investoren, dann fehlen, meine Damen und Herren, von den von uns eingeforderten Maßnahmen die Schritte zu ihrer Umsetzung, nach fast einem Jahr Enquetebeschluss ein ärmlicher Arbeitszustand.
Meine Damen und Herren, ich will nicht glauben, dass die Arbeit der Mitglieder der Enquetekommission mit der vorliegenden Stellungnahme eine Beerdigung erster Klasse erhält. Ich will nicht glauben, dass die Analyse, Bewertung und Ableitung von Empfehlungen keine Chance zur Umsetzung hat, getreu dem Motto: Was stört es eine deutsche Eiche, wenn sich wer daran kratzt. Mit dem Beharrungsvermögen, das aus dem von Ihnen, Herr Minister Schuster, vorgestellten Sonderbericht zum Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung der Länder im 1. Halbjahr 2001 spricht, halten Sie es für unnötig, sich mit der gleichen Intensität um die Umsetzung und Modifizierungsmöglichkeiten der Empfehlungen zu bemühen, wie es die Kommission mit der Erarbeitung vorgemacht hat. Ich verspreche Ihnen hier, meine Damen und Herren, wir werden die Ergebnisse der weiteren Entwicklung in
Thüringen bis zur nächsten Wahl auf der Grundlage dieses Berichts und der von Ihnen unterlassenen Umsetzung messen. Dabei, und das gestatte ich mir als Abschluss, will ich Sie, Herr Ministerpräsident, auf den in weiten Passagen inhaltlichen Gleichklang des zum 14. Landesparteitag der CDU vorgelegten Leitantrag des Landesvorstands "Thüringen innovativ und wirtschaftlich stark" hinweisen. Was die Zielstellung Ihrer Partei für die weitere innovativ-wirtschaftliche Gestaltung des Freistaats sein soll, soll nicht in Umsetzung des Berichts der Enquetekommission möglich und notwendig sein? Das aber müssen Sie im Zusammenwirken Ihrer Partei, Ihrer Regierung und Ihrer Fraktion klären. Auf das Wie bin ich sehr gespannt.
Meine Damen und Herren, eine Befassung zu dem hier vorgelegten Bericht zu diesem Thema im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik halte ich für entbehrlich, denn es hat keine konkreten, sich aus den Empfehlungen ableitenden Maßnahmen, Vorstellungen und Richtlinien gegeben, die hier vorgestellt wurden und die Grundlage einer weiteren Beratung sein werden. Aber ich verspreche Ihnen, meine Damen und Herren, wir werden zu jeder dieser 48 Empfehlungen einzeln und inhaltlich fundiert hier an dieser Stelle in den nächsten zwei Jahren die Diskussion führen. Wir lassen Sie nicht aus Ihrer Verantwortung. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, wir sind uns in der Einschätzung einig, eine der wohl reizvollsten, wenn auch gewiss nicht leichten Aufgaben des Jahres 2001 hielt der Auftrag des Thüringer Landtags bereit, die bisherige, in mehr als 10 Jahren erfolgte Wirtschaftsförderung und der damit verbundenen Aufbauleistung zu evaluieren und gleichzeitig eine neue, den unterdessen veränderten Rahmenbedingungen entsprechend verbesserte und effizientere Wirtschaftsförderung für die nächsten Jahre zu entwickeln. Wichtig dabei war die Verfahrensweise, sich nicht nur auf die eigenen Erfahrungen bzw. die der Fraktionen und Parteien zu stützen, sondern der externe Sachverstand in persona der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, der Kammern, Gewerkschaften und Unternehmer hat maßgeblich zur inhaltlichen Befruchtung der Arbeit der Enquetekommission beigetragen. Generell möchte ich feststellen, dass sich die Arbeit dieses Gremiums sehr wohltuend von so manch anderer ideologisch gefärbten Diskussion ohne Kompromissbereitschaft unterschieden hat. In fast allen Fällen unterschiedlicher Standpunkte war das Bemühen aller um eine gemeinsame Lösung bzw. Formulierung spürbar, was die zum Teil sehr zeitaufwändigen Sitzungen
in einem guten und konstruktiven Arbeitsklima erscheinen ließen. Das soll aber nicht heißen, dass nicht um die einzelnen Sachverhalte und Positionen gerungen wurde. Doch ist es letztendlich Sinn, Zweck und Ziel einer Enquetekommission, über Parteigrenzen hinaus übereinstimmende Handlungsempfehlungen letztendlich zum Wohle des Freistaats zu entwickeln. Das ist auch der Grund, warum die SPD-Fraktion sehr sparsam mit abweichenden Voten umgegangen ist, die sich jedoch nicht ganz vermeiden ließen. Erfreulich dabei auch aus Sicht der SPD-Fraktion, dass die wesentlichsten Intentionen, wenn auch manchmal in etwas verallgemeinerter Form, ihren Niederschlag im Abschlussbericht der Kommission gefunden haben. Das ist die eben von mir beschriebene Kompromissbereitschaft. So findet sich z.B. die Forderung der SPD nach einem Ausbau der Infrastruktur mit der Priorität der Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit" ebenso wieder wie die oftmals von der SPD geforderte Öffnung der so genannten GA-Mittel zur Schließung der Infrastrukturlücken oder die Abschaffung von Förderunterschieden bei Neu-, Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen, die ein großes Hemmnis bei der Festigung von Unternehmen am Markt darstellten. Auch diese Forderung fand ihren Niederschlag in den Empfehlungen.
Meine Damen und Herren, einen großen Raum in der Diskussion nahm die Frage nach der Mitwirkung der Regionen bei der Stärkung von Wirtschaftsförderung ein. Auch hier nahm die Kommission Anregungen der SPDFraktion auf, in Zukunft den regionalen Planungsgemeinschaften stärkere Mitwirkung bei der Wirtschaftsförderung zu gewähren. Es ließen sich sicher noch eine Vielzahl von Einzelbeispielen aufzählen, wo die eine oder andere Fraktion, vor allem aber auch die Sachverständigen, ihre Essentials durchaus wieder erkennen können. Blieb letztendlich die Hoffnung, dass sich die Landesregierung diesen Bericht der Enquetekommission zu Eigen macht und Konzepte und Lösungen erarbeitet, die dem weiteren Aufbau und der Fortentwicklung unseres Freistaats Thüringen zu dienen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist denn nun diese Hoffnung durch die Landesregierung erfüllt worden? Viel Zeit gelassen hat sie sich ja. Das Ergebnis, zu dem die Landesregierung nach über drei Monaten Bearbeitungszeit gekommen ist, ist für mich, ich gestehe es offen, soll ich sagen ernüchternd, soll ich sagen enttäuschend, oberflächlich, von einer gewissen Ignoranz geprägt. Ich komme für mich als Kommissionsmitglied zu der Feststellung, es muss wohl von jedem etwas sein, anders kann ich mir dieses dünne im Wortsinn wie übertragenen Sinn nicht erklären - dieses dünne Papier. Herr Minister Schuster, Sie haben, und Kollege Gerstenberger hat zu Recht darauf hingewiesen, mit dieser Art des Umgangs weder den Bericht noch die Kommission ernst genommen. Das ist eine traurige Erkenntnis. Stattdessen ergießen Sie sich in einer Art von Selbstbeweihräucherung, eben auch wieder in Ihrer Rede vor diesem hohen Hause, gepaart mit subtil formulierter Ablehnung der
Arbeit der Kommission. Nur dort, wo Sie Übereinstimmung mit der Kommissionsempfehlung feststellen, wird der Sachverhalt in epischer Breite ausgeführt, wo Sie selbst Defizite bei sich feststellen, wird fleißig auf den Bund verwiesen. Tiefgründige Analyse, konzeptionelles Herangehen an die Vorschläge der Kommission, um vielleicht Veränderungen in so manch geübter Förderpraxis herbeizuführen - Fehlanzeige. Beispiele gefällig, meine Damen und Herren? Ausbau Verkehrsinfrastruktur - Sie beklagen auf der einen Seite, dass bestimmte Projekte der Verkehrsprojekte "Deutsche Einheit" durch den Bund nicht vorgezogen werden, was im Übrigen so nicht immer stimmt. Der Abschnitt A 71 Erfurt-Sangerhausen ist vorgezogen. Nun kann man natürlich den Bundesverkehrswegeplan so aufblähen, wie das Ihre Regierung bis 1998 gemacht hat, ohne die entsprechende Finanzierung sicherzustellen. Die jetzige Regierung bringt nur die Projekte ein, die sie wirklich auch sicher finanzieren kann. Sie können das zwar beklagen, aber dieser Umgang ist allemal verantwortungsbewusster als die vorherige Politik auf diesem Gebiet.
Wie gesagt, der Bund solle vorziehen, das ist Ihre Auffassung, aber der Empfehlung Nummer 6, Satz 1 der Kommission, wonach verstärkt auf private und öffentliche Vorfinanzierung geprüft werden solle - und ich kann Ihnen sagen, bevor der Satz so in diesem Papier stand, hat es eine sehr intensive und sehr kontroverse Diskussion darüber gegeben - der begegnen Sie mit dem lapidaren Satz: Die Landesregierung hat geprüft und hat verworfen.
Da muss ja wohl, meine Damen und Herren, nicht nur der geneigten Öffentlichkeit, sondern auch der Sie tragenden Fraktion etwas entgangen sein, Herr Minister. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Punkt in der Kommission erinnern, ich weiß auch, wer ihn eingebracht hat. Ich weiß auch, wer ihn wieder etwas entschärft hat. Auch mit dem Vorschlag, die GA-Mittel stärker zur Schließung der Infrastrukturlücke einzusetzen, sollten Sie ernsthafter umgehen, als in Ihrer Stellungnahme geschehen. Natürlich bedarf es einer Erweiterung des Förderkatalogs. Damit verbunden sind natürlich aber auch Verhandlungen mit dem Bund. Das wäre im Übrigen einmal einer wirklich ehrlichen, ernsthaften und hilfreichen Bundesratsinitiative wert, der Sie sich widmen könnten und nicht immer Ihrer sonstigen politischen Schaufensteraktivitäten in diesem Gremium. Nächstes Beispiel gefällig? Empfehlung Nummer 18 - Vorschlag eines revolvierenden Fonds, der flankierend eingreift bei Handwerkerdarlehen und Kleinkredite für Gründer; dafür sieht die Landesregierung keinen Bedarf.
Wissen Sie, woher diese Forderung ursprünglich kommt? Lesen Sie das Papier, Herr Althaus. Wissen Sie, woher diese Forderung kommt? Aus der Wirtschaft, von den Vertretern der Kammern, von den Unternehmern selbst mit ausdrücklicher Unterstützung der Wirtschaftswissenschaftler. Und Sie sehen keinen Bedarf? Ich komme zu der Schlussfolgerung: Offensichtlich haben Sie sich nicht nur in diesem Punkt, das kann man allgemein sagen, nur unzureichend mit dieser Thematik befasst.
Das Hausbankprinzip wird nicht dadurch ausgehöhlt, wie in Ihrer Stellungnahme behauptet und befürchtet. Aber die Kommission ist zu der Auffassung gekommen, das Hausbankprinzip ist einmal grundsätzlich zu hinterfragen, ob es nicht dem Existenzgründerwillen
oftmals entgegensteht aus profanem monitären Interesse der Banken. Auch das haben Sie nicht getan. Auf die höchstwahrscheinlich negativen Auswirkungen von Basel II auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen und vor allem wie man dem entgegentreten will, sind Sie gar nicht erst eingegangen.
Nun, meine Damen und Herren, noch ein weiteres Beispiel für die zum Teil erschreckende Ignoranz, mit der die Landesregierung an die Bewertung des Berichts der Kommission herangegangen ist. Einen breiten Raum in der Diskussion nahm die stärkere, ich erwähnte es am Anfang, Einbeziehung der Regionen in die Schwerpunktsetzung von Wirtschaftsförderung ein. Diese fanden ihren Niederschlag in der Empfehlung Nummer 10. Die SPDFraktion schlug in diesem Zusammenhang vor, die Regionen selbst in den regionalen Raumordnungsplänen die Prioritäten setzen zu lasen und sie dementsprechend mit der Mittelzuweisung direkt zu honorieren, ohne das Primat des Landes bei der Wirtschaftsförderung außer Acht zu lassen. Es steht zwar wörtlich so nicht drin, da sind wir wieder bei dem Punkt Kompromissbereitschaft, aber sinngemäß ist dem Anliegen entsprochen. Was aber machen Sie? Sie widmen diesem Punkt, den die Kommission in wirklich langen Stunden diskutiert hat, genau einen Satz, in dem Sie auf die Novellierung des Landesplanungsgesetzes verweisen. Natürlich weiß ich, dass in diesem Gesetzentwurf eine stärkere Einbeziehung der Regionen geplant ist. Aber ich hätte erwartet, dass Sie sich in der Stellungnahme einer Regierung zu dem Bericht der Enquetekommission gerade diesem äußerst wichtigen Punkt wesentlich stärker gewidmet hätten.
Meine Damen und Herren, machen Sie sich selbst ein Bild von einer solchen Verfahrensweise. Ich denke, das spricht für sich.
Noch ein Beispiel, Empfehlung 47: Dort geht es um die so genannten One-Stop-Offices für Investoren und Gründer, d.h. Vereinfachung behördlicher Abläufe, transparente Genehmigungspraktiken, unternehmerfreundlicher Zugang zu Leistungen der öffentlichen Einrichtungen - so die Formulierung der Wissenschaft. Was tun Sie? Sie tun das ab mit dem Satz - und ich zitiere hier wörtlich aus der Stellungnahme: "One-Stop-Shops werden von der Fachwelt überwiegend abgelehnt." Ja welche Fachwelt ziehen Sie denn zurate, Herr Minister? Ihre Fraktion kann das ja offensichtlich nicht gewesen sei, denn genau die haben diese Forderung vehement in die Kommission eingebracht. Im Übrigen sei noch einmal darauf hingewiesen, aber nur so nebenbei, dass der signifikante Unterschied zwischen den englischen Vokabeln "Office" wie Büro oder Amt und "Shop" wie Laden oder Geschäft durchaus auch den Fachwelten in Ihrem Ministerium geläufig sein sollte.
Doch lassen wir das. Ich wollte Ihnen, Herr Minister, an den wenigen von mir aufgeführten Beispielen dokumentieren, wie tiefgründig und wie umfassend Sie die Arbeit der Enquetekommission hier in Ihrer Stellungnahme gewürdigt haben. Ich komme zu der Einschätzung, das war und das ist eines Ministers und eines Ministeriums unwürdig. Aber, das will ich nicht verhehlen, einiges stimmt auch durchaus hoffnungsfroh, z.B. dass Sie am 25.06.2001 im Kabinett eine Empfehlung der Kommission zur Umgestaltung der Landesgesellschaften schon beschlossen hatten, obwohl die Kommission diese zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ausgesprochen hatte, oder, und das meine ich jetzt wirklich ernst, dass die Landesregierung bei der Flankierung von Fördermaßnahmen zum Aufbau und Betrieb von Netzwerken, zur Forschungs- und Entwicklungsförderung beim Technologietransfer noch weiteren Handlungsbedarf sieht. Meine Damen und Herren, das ist eine der ganz wenigen, Kollege Gerstenberger hat darauf hingewiesen, Formulierungen in diesem Bericht, wo die Landesregierung tatsächlich noch Handlungsbereitschaft sieht. Jawohl, daran krankt in der Tat ein Großteil unserer vorhandenen Mittelständler. Wenn Sie sich dem verstärkt widmen wollen, dann findet das meine, unsere ungeteilte Zustimmung.
An zwei anderen Punkten, Herr Minister, finden Sie sich, wer hätte das gedacht, in völliger Übereinstimmung mit den abweichenden Voten der SPD-Fraktion. Das eine betrifft die Empfehlungen Nummer 27 und Nummer 28: Hier geht es um den zweiten Arbeitsmarkt. Auch wir teilen die Bedenken, ob es rechtlich und strukturell sinnvoll ist, frei werdende Mittel vom zweiten Arbeitsmarkt, wenn sie denn überhaupt frei werden, direkt für Investitionen der Kommunen in die Bauwirtschaft umzuwidmen. Wie gesagt, an dieser Stelle teile ich persön
Der andere Punkt betrifft die Empfehlung Nummer 13. Ich gebe da ganz offen und ehrlich zu, ich bin da in einer gewissen Weise persönlich involviert bzw. betroffen; es geht um das Fördergefälle an den Ländergrenzen zu Bayern und Hessen. Eine Definition von Kernbereichen und Gebieten, ich zitiere hier wörtlich "längs der Landesgrenzen" halte ich schlicht nicht für adäquat und machbar. Wie soll denn das festgelegt werden? Wer sichert denn bei Investitionsverlagerungen, dass nicht immer genau hinter dieser festgelegten Linie dann doch Investitionsverlagerungen vorgenommen werden, die ja offensichtlich niemand auf beiden Seiten will. Allerdings, unser Vorschlag, und der ist dokumentiert in unserem abweichenden Votum, länderübergreifende Verflechtungsbereiche als ein Fördergebiet auszuweisen, ist zum Beispiel, ich kann Ihnen das sagen, in den betroffenen Regionen mit großer Aufmerksamkeit und mit großer Zustimmung aufgenommen worden.
Noch etwas findet unsere ungeteilte Zustimmung, dass Sie, Herr Minister, die Anregung in der Erläuterung zu den Empfehlungen Nummer 41 bis 44, wo es um Unternehmens- und Standortmarketing geht, so schnell so wörtlich genommen haben. Hier steht: "Zur Gewinnung auswärtiger Großinvestoren ist eine Thüringeninitiative zur besseren Außendarstellung des Landes nötig." So weit die Kommission. Da sind wir schon bei der Denkfabrik Thüringen, meine Damen und Herren. Wissen Sie, Herr Minister, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, deshalb will ich das auch hier an dieser Stelle nicht tun, aber eines sage ich Ihnen auch aus meiner eigenen Erfahrung: Nicht immer können die Menschen den intellektuellen Eingebungen von Werbeagenturen so folgen, wie es die Autoren und die Auftraggeber sich vorstellen mögen. Vieles bleibt interpretierbar, das ist auch durchaus gewollt, manches ist aber einfach nur peinlich und kehrt sich ins Gegenteil um.
Ein Beispiel gefällig, meine Damen und Herren? Für Sie bedeutet diese Veröffentlichung in einem großen deutschen Montagsmagazin die "Denkfabrik Thüringen", für mich heißt das: "Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken." Danke schön, meine Damen und Herren.