Protocol of the Session on December 13, 2001

(Beifall bei der CDU)

Es muss darüber gesprochen werden, dass die Charta der Heimatvertriebenen, es wird so oft vergessen, die ausgestreckte Hand der Heimatvertriebenen für die Nachbarvölker zur Versöhnung ist.

(Beifall bei der CDU)

Das sind historische Dokumente. Es gäbe sicherlich hier noch vieles auszuführen, aber da reicht die Redezeit nicht. Eines lassen Sie mich zum Schluss noch sagen: Die Heimatvertriebenen haben es verdient, weiter von uns Unterstützung zu bekommen, aber es ist auch notwendig, dass

jetzt im Landesverband des BdV die richtigen Weichen dazu gestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Dittes, Sie haben als Nächster das Wort.

Meine Damen und Herren, Herr Primas, lassen Sie mich zuerst eine Bemerkung zu Ihrem Beitrag machen. Ich glaube, wer die inhaltliche und politische Auseinandersetzung mit dem Bund der Vertriebenen - und nicht mit den Heimatvertriebenen, die vertausche ich hier oder verwechsle ich an dieser Stelle nicht - und mit Herrn Latussek führt, der sollte selbst seine Beiträge zur Vertriebenenpolitik kritisch hinterfragen und auch selbstkritisch betrachten. Denn Ihre Aussagen, wonach die Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat eine noch heute ungelöste Menschenrechtsfrage ist, ist eben aus unserer Sicht Wasser auf die Mühlen derer, die das individuell erfahrene Leid heute für revanchistische und revisionistische Ideologien instrumentalisieren und missbrauchen.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das ist doch nicht die Wahrheit.)

Meine Damen und Herren, die Aktivitäten von Dr. Paul Latussek in rechtsextremistischen Strukturen blieben über Jahre nicht unbemerkt - und da meine ich nicht zahlreiche Initiativen oder die PDS-Fraktion hier im Thüringer Landtag, die es mehrfach deutlich gemacht haben, ich meine auch den Bund der Vertriebenen selbst. Denn ich darf Sie daran erinnern, dass ein Hauptargument neben den Äußerungen von Arnstadt bei der Absetzung von Herrn Latussek als Bundesvizepräsident und als Mitglied des Bundesvertriebenenrates war, dass Herr Latussek über lange Jahre Kontakte zu Gruppen und Personen, die in den Verfassungsschutzberichten der Länder erwähnt werden, unterhalten hat; ein Hauptargument, das heute den BdV zum Handeln gefordert hat. Aber bereits 1997 forderte der damalige BdV-Bundespräsident Fritz Wittmann Latussek auf, ihm mitzuteilen, ob Latussek gewillt ist, künftig den Kontakt zu extremistischen Kreisen zu meiden. Latussek antwortete damals und da zitiere ich: "Zu Ihrem inquisitorischen Verlangen, nämlich mein Verhalten zu überdenken und Ihnen mitzuteilen, ob ich künftig Kontakte zu extremistischen Kreisen meiden werde, diese Aufforderung an sich ist eine Unverschämtheit und disqualifiziert Sie als Demokrat." Soweit Originalzitat Herr Latussek. Trotzdem war Paul Latussek lange Jahre hochrangiger Vertriebenenfunktionär auf Bundesebene und seit 1990 ununterbrochen Landesvorsitzender des BdV in Thüringen. Warum die Einschätzung, die es im BdV gegeben hat, offensichtlich auch öffentlich gegeben hat, zu keinerlei zwangs

läufiger Konsequenz führte, mag sicherlich verschiedene Gründe haben. Einer, Herr Primas, ist der, dass Herr Latussek eine rückhaltlose Unterstützung in den BdV-Landesverbänden, insbesondere in den Landesverbänden der neuen Bundesländer hatte. Ein anderer Grund ist auch der, dass Frau Erika Steinbach beim CDU-Vertriebenenforum hier in Thüringen nicht umhin kam festzustellen, dass kaum eine andere Landesregierung als die Thüringer so fest an der Seite des Bundes der Vertriebenen steht.

(Beifall bei der PDS)

Andere als die Landesregierung, die den BdV hier in Thüringen und insbesondere seinen Vorsitzenden über die Jahre hofiert und unterstützt haben und damit eben auch die öffentliche Reputation verschafft haben, mit der er seine Äußerungen, angefangen von der unsäglichen Äußerung am Tag der Heimat 1996 in Berlin zur Oder-Neiße-Grenze bis hin zur skandalösen Verharmlosung der Verbrechen des Hitlerfaschismus in Arnstadt, tun konnte, anders als die Landesregierung haben sich andere von Latussek distanziert. Ich erinnere da an den Verein der Heimatvertriebenen und Vertriebenen in Südthüringen, die sich bereits 1995 wegen dessen revanchistischer Hetze von Latussek getrennt haben, aber ich erinnere auch an den CDU-Landrat im nordrhein-westfälischen Düren, der am 8. September dieses Jahres die Schirmherrschaft abgelehnt hat, weil er es nicht für klug halte, den Tag der Heimat mit Rednern zu belasten, die in der Dunstzone des Rechtsextremismus agieren.

Die Landesregierung, meine Damen und Herren, ist einer inhaltlichen und politischen Auseinandersetzung mit dem Bund der Vertriebenen und seinen Funktionären immer wieder aus dem Weg gegangen und hat wissentlich instrumentell die Kritik an revanchistischen und revisionistischen Positionen des BdV als Verleumdung an den Vertriebenen umgedeutet. Darum geht es uns nicht, meine Damen und Herren, das hat Herr Ramelow, ich denke, auch in seinem Beitrag deutlich gesagt.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Der war aber auch präziser als Ihrer.)

Ich will Ihnen gar nicht jede Unterstützung des Bundes der Vertriebenen in Thüringen vorhalten und ich will Ihnen auch jetzt an dieser Stelle nicht vorhalten, dass Sie mit Ihrer Unterstützung die Grenze des politisch erträglichen in den Aktivitäten des Herrn Latussek immer wieder nach vorne geschoben haben, immer wieder verschoben haben, bis dieser jetzt im November auch für Sie diese Grenze deutlich überschritten hat. Aber ich werde ihnen - Herr Vogel und Frau Lieberknecht, auch trotz Ihrer Rede, und gerade weil Sie in dieser Rede von Herrn Latussek als Wiederholungstäter gesprochen haben - Ihre Lobeshymnen auf Dr. Paul Latussek im September des Jahres 2001 nicht vorenthalten. Sie formulieren in Ihrem Gratulationsschreiben, Frau Lieberknecht: "Seit vielen Jah

ren sind Sie mit großem Engagement ein streitbarer Vertreter der berechtigten Interessen der Vertriebenen", bevor Sie Ihren ausdrücklich herzlichen Dank zum Ausdruck bringen,

(Unruhe bei der CDU)

und Ministerpräsident Vogel hob hervor, dass es das Verdienst von Dr. Latussek sei, den Thüringer Landesverband des BdV zu einer festen und solidarisch zusammenstehenden Interessengemeinschaft aufgebaut zu haben und, meine Damen und Herren, was fest und solidarisch zusammenstehend heute bedeutet, das merken Sie doch an den Reaktionen aus den Kreisverbänden, die uneingeschränkte Unterstützung nicht nur der Person Herr Latussek, sondern auch dessen politischer Position und,

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das stimmt doch gar nicht.)

Herr Seela, es gibt einen Kreisverband, aber eben auch nur einen, der sich von dieser Position getrennt hat und es gibt auch andere einzelne Mitglieder im Bund der Vertriebenen, die ihre Einschätzung in konsequentes Handeln umgesetzt haben, wie beispielsweise auch Ulrich Dubrinski, der sagt, dass es eindeutig rechte Tendenzen im Vertriebenenverband gibt. Daran ändert, meine Damen und Herren, auch der Rücktritt von Herrn Latussek am gestrigen Tag nichts.

Bitte, Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist schon lange abgelaufen.

(Unruhe bei der CDU)

Mit der Erklärung von Herrn Latussek - Sie müssen mich doch auch zum Ende kommen lassen - am gestrigen Tag wird deutlich, es war ein taktischer Rückzug, um den finanziellen Fortbestand zu sichern und ich möchte Sie warnen, auf diesen taktischen Rückzug mit der Wiederverfügbarkeit der institutionellen Förderung zu reagieren, ohne die notwendigerweise inhaltliche und politische Aufarbeitung der Position des BdV einzufordern und eben auch parlamentarisch zu begleiten.

Bitte, Herr Abgeordneter Dittes.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister Pietzsch, Sie hatten um das Wort gebeten. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich persönlich und die Landesregierung lassen sich nicht gern von Herrn Dittes empfehlen,

(Beifall bei der CDU)

aber wenn er meint, darauf hinweisen zu müssen, dass die Landesregierung fest an der Seite der Vertriebenen steht; wo er Recht hat, hat er Recht.

(Zwischenruf Abg. Zitzmann, CDU: Da hat er Recht.)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Jawohl.)

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, um gleich eines klar zu machen, von meiner Rede, die ich hier im Plenum im Juni des Jahres 2000 gehalten habe, stimmt noch immer jedes Wort und ich nehme da nichts zurück. Die Landesregierung steht zu den Heimatvertriebenen, ihrem Schicksal und der Förderung ihrer kulturellen und sozialen Aktivitäten. Sie stand und steht dazu.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung setzt sich für die berechtigten Interessen der Heimatvertriebenen mit allem Nachdruck ein und verwahrt sich ausdrücklich dagegen, dass die Heimatvertriebenen in Gänze in eine rechte Ecke gerückt werden.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Bravo.)

Dies vorweg. Dennoch, die Äußerungen von Herrn Latussek am 09.11. sind völlig inakzeptabel

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Richtig.)

und wir begrüßen den überfälligen Schritt des Rücktritts.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage ganz deutlich, dieser Rücktritt ist im Interesse und nicht vordergründig im finanziellen, sondern im moralischen Interesse des Bundes der Vertriebenen.

(Beifall bei der CDU)

Unser Ministerpräsident hatte schon sehr früh unmissverständlich erklärt, wer Auschwitz leugnet oder verharmlost ist kein Gesprächspartner für die Thüringer Landesregierung.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, die Lüge von Katyn und das Wort "Auschwitz" in einem Atemzug zu nennen, ist unsäglich und ist unentschuldbar. Solch ein Bezug kann für einen Repräsentanten eines Verbandes nicht ohne Folgen bleiben, wenn er nicht den gesamten Verband in Misskredit bringen will. Für die Landesregierung war klar: Wir setzen uns mit Paul Latussek nicht mehr an einen Tisch, aber wir wissen, dass Latusseks Meinung nicht Gedankengut der Heimatvertriebenen ist.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich stand und steht es uns nicht zu, in interne Verbandsangelegenheiten einzugreifen. Vereine und Verbände sind seit 1990 Gott sei dank frei und selbst verantwortlich. Dies gilt für den Bund der Vertriebenen ebenso wie zum Beispiel für den Sport, die Gewerkschaften oder andere Organisationen. Es war der Landesregierung aber auch nicht zumutbar, einen Landesverband zu fördern, an dessen Spitze eine Person stand, die in dieser Weise das Andenken an Opfer des NS-Regimes relativierte. Das Kabinett hat am Dienstag einen entsprechenden Beschluss gefasst und damit erneut unterstrichen, dass es eine derartige Haltung nicht noch mit Fördergeldern unterstützen kann. Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Reaktion des Bundesvorstands des BdV auf die Rede von Latussek würdigen. Frau Steinbach, die Bundesvorsitzende, hat unmissverständlich klar gemacht, dass die Äußerungen Latusseks absolut inakzeptabel sind und eine außerordentliche Bundesversammlung hat Dr. Latussek am 29.11. seines Amts als Vizepräsident enthoben. Damit ist klar, dass die Vertriebenen keineswegs in den Kategorien des Aufrechnens denken. Das hat übrigens bereits 1950 die Charta der Deutschen Heimatvertriebenen deutlich gemacht.

(Beifall bei der CDU)