Sie nicken, also Ihre Fraktion verlangt die Aussprache. Dann eröffne ich sie und bitte als ersten Redner Herrn Abgeordneten Dr. Koch ans Rednerpult.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, zunächst gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, die scheinbar nichts mit dem Tagesordnungspunkt zu tun hat. Wenn wir das aber unter der Klammer "wie gehen wir miteinander um oder welchen Anspruch haben wir an die Präzision unserer eigenen Arbeit" stellen, werden Sie sofort sehen, dass ich mich unmittelbar beim Thema befinde. Zunächst darf ich mich bei Ihnen, den Abgeordneten hier, namens meiner Fraktion für die Irritationen entschuldigen, die gestern dadurch hervorgerufen worden sind, dass meine Kollegin Frau Dr. Stangner hier behauptet hat, dass ein Referentenentwurf in der Fraktion nicht eingegangen sei. Diese Behauptung ist falsch. Das hat sich gestern noch herausgestellt. Dieser Referentenentwurf ist in der Fraktion eingegangen, er ist nur nicht bei Frau Dr. Stangner eingegangen, aber das ist kein Vorgang, den die Landtagsverwaltung oder gar die Regierung zu verantworten hätte. Das sei ausdrücklich klargestellt. Das sage ich auch vor dem Hintergrund: Wie könnte man überhaupt die Frage aufwerfen, dass die Regierung nun ausgerechnet die Arbeit der PDS-Fraktion behindern wolle. Nein, ganz im Ernst, das ist eine Sache, die wir zu vertreten haben. Aber wie ist man dann damit umgegangen? Sobald wir das festgestellt haben, unsere Parlamentarische Geschäftsführerin hat das natürlich sofort nachprüfen lassen
ja, korrekt, wie sie ist -, und sobald der Irrtum festgestellt wurde, wurde ja auch der Ministerpräsident davon informiert, der ja bis dahin von einiger Aufgeregtheit gekennzeichnet war, denn zumindest an dem Punkt wollte er uns garantiert nicht behindern. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Er wurde informiert a) darüber, dass dieses Papier eingegangen ist und b), dass wir innerhalb dieser zwei Plenartage dies richtig stellen wollen. Das war unmissverständlich.
Nun frage ich aber, Herr Ministerpräsident, warum haben Sie nicht die Souveränität, warum haben Sie nicht den Respekt vor dem politischen Gegner, auch wenn es der politische Gegner ist - ich will in dem Zusammenhang das Wort "Fairness" gar nicht verwenden - das dann auch zu akzeptieren, sondern bei der nächsten Gelegenheit, die er hat, am Rednerpult kundzutun, weil das der Abgeordnete Nothnagel nicht getan hat, dann muss er...
Ich werde es Ihnen ausdrücklich noch deutlich machen, das ich genau beim Thema bin, aber Sie können mir auch Fragen stellen, nur gestatten Sie mir, dass ich meine Sätze zunächst zu Ende bringe. Warum muss er hier ans Rednerpult bei der nächstbesten Gelegenheit gehen und sagen, weil der Abgeordnete Nothnagel - der arme Junge kann dafür überhaupt gar nichts - das nicht gesagt hat, muss er, der Ministerpräsident, das richtig stellen. Warum, frage ich, mit welchen Recht mischt sich der Ministerpräsident ein und meint zu bestimmen, dass der Abgeordnete Nothnagel das richtig zu stellen hat und nicht beispielsweise der Abgeordnete Koch?
Das haben wir noch nicht so richtig gemerkt, aber es wäre schön, wenn wir es jetzt endlich merken würden.
Dr. Koch, Entschuldigung, natürlich, wir diskutieren jetzt nicht über Doktortitel - das mit dem Referentenentwurf hat sich erledigt? Mehr habe ich dazu nicht gehört.
Meine Damen und Herren, mir wäre es lieber, wenn wir uns jetzt mit diesem Thema nicht weiter auseinander setzen würden,
sondern wenn wir jetzt konkret zum Tagesordnungspunkt 13 und vielleicht zum Sofortbericht der Landesregierung, Herr Abgeordneter Dr. Koch, reden könnten. Sie haben zwar gesagt, Sie wollen einen Zusammenhang herstellen, aber wenn er ein bisschen kürzer wäre, das wäre mir lieber.
Ich habe aber jetzt erst einmal das Problem: Kann ich nun diese Frage beantworten oder kann ich sie nicht beantworten?
Ich habe Sie bloß auf die mögliche Kürze Ihres Beitrags hingewiesen. Wenn Sie die Antwort auch in Kürze geben könnten.
Zum einen, ich kann dem Plenum zusichern, dass ich mich im Rahmen der mir vorgegebenen und zustehenden Redezeit bewegen werde. Zum Zweiten, ich weiß jetzt nicht, soll ich die Frage beantworten oder nicht. Ich tue es vorsorglich.
Ich weiß nicht, weil ein so gutes Gedächtnis habe ich nun auch nicht, welche Formulierung der Ministerpräsident verwendet hat. Ich stimme Ihnen aber zu, dass man das gegebenenfalls im Protokoll nachlesen kann. Nur, das war überhaupt nicht mein Anliegen. Mein Anliegen war a) klarzustellen, wir, wenn wir was verzapfen, haben auch das Kreuz, das richtig zu stellen und b), dass es uns dann auch zusteht, dass in Ordnung zu bringen. Und das es dann nicht die Angelegenheit des Ministerpräsidenten ist.
Lassen Sie mich zu dem zweiten Schlaglicht kommen. Gestern hat die PDS-Fraktion das Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung und weiterer rechtlicher Regelungen in den Landtag eingebracht. Der Abgeordnete Böck von der CDU-Fraktion äußerte sich dazu. Seine Rede war gekennzeichnet durch wenig Sachargumente, viel Emotionen und noch mehr Unterstellungen und, meine Damen und Herren, durch keinerlei Respekt vor den dahinter stehenden Gedanken, vor der dahinter stehenden intellektuellen Leistung, so dass bei mir der Verdacht genährt wird, er kann es gar nicht beurteilen.
Lassen Sie mich ein drittes Schlaglicht nennen und Sie werden jetzt sofort erkennen, dass ich beim Thema bin. Gestern, auch gestern zufällig, rief der Abgeordnete Althaus dem Abgeordneten Dr. Hahnemann, der hier am Rednerpult war, zu: "Sie sollten doch präzise sein." Vor vier Wochen, als der Abgeordnete Dr. Hahnemann zum innenpolitischen Sprecher unserer Fraktion ernannt wurde,
hat derselbe Abgeordnete kommentiert in einer Art und Weise, die nichts anderes ist als ehrverletzend, beleidigend und nicht einmal ansatzweise von Sachkritik begleitet war. Von dem Menschen, dem er keinerlei Respekt entgegenbringt, verlangt er aber Präzision.
Und vor dem Hintergrund, meine Damen und Herren, muss doch die Frage gestattet sein, wie sieht es denn mit der eigenen Präzision aus? Lassen Sie mich als Maßstab genau Ihren Antrag dazu nehmen. Betrachten wir diesen Antrag in Drucksache 3/1860 - Rechtskundlicher Unterricht an Thüringer Schulen. Zunächst ist er ja wie üblich gegliedert in Präambel, Tenor und Begründung.
Unter Präambel versteht man im Allgemeinen eine Vorrede, eine Einleitung, das Umreißen der Ausgangsposition. In Satz 1 ist zu lesen, dass die Schaffung von Rechts- und
Wertebewusstsein eine zentrale Herausforderung für jede demokratische Gesellschaft ist. Ich habe beim ersten Lesen nachgedacht und bin zum Ergebnis gekommen, ja, völlig in Ordnung. Ich habe dann, nachdem ich den Gesamtantrag durchgelesen hatte, so meine Zweifel, ob man diese Aussage in der Absolutheit so stehen lassen kann. Diese Aussage, dass die Schaffung von Rechts- und Wertebewusstsein von zentraler Herausforderung für jede demokratische Gesellschaft ist, hat nicht nur Bedeutung für die demokratischen Gesellschaften, sondern im Grunde für jede Gesellschaft, die staatlich organisiert ist. Also auch für die, die wir als undemokratisch bezeichnen. Ich halte das deswegen für bedeutsam, weil wir uns mit solch so genannten undemokratischen Gesellschaften auseinander setzen. Wenn wir das nicht in kriegerischer Art und Weise tun wollen, dann bleibt nur die Sachauseinandersetzung darüber. Dann müssen wir aber akzeptieren, dass dort ähnliche Mechanismen gelten, sonst haben wir überhaupt keinen Zugang dazu. Wenn das so ist, meine Damen und Herren, dann sind Ausgangspunkt die Werte einer Gesellschaft und ihre Verankerung im Bewusstsein für die Mitglieder der Gesellschaft und davon werden dann abgeleitet das Recht und das Rechtsbewusstsein. Es ist also unzutreffend, wenn Rechts- und Wertebewusstsein gewissermaßen auf einer Ebene dargestellt werden.
Sehen wir uns den Satz zwei der Präambel an. Ausbau und Erweiterung des rechtskundlichen Unterrichts sind wichtig. Kann man zusammenfassen unter dem Begriff "Extensivierung". Damit ist die Präambel zu Ende.
Satz drei, das ist also der Antragsgegenstand oder auch Tenor genannt, enthält dann die Aufforderung an die Landesregierung über die Initiative zur Intensivierung des rechtskundlichen Unterrichts zu berichten. Also, meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion betont die Bedeutung der Extensivierung des rechtskundlichen Unterrichts, möchte aber einen Bericht nicht über die Extensivierung, sondern über die Intensivierung. Oder, will sie auch das nicht, frage ich allen Ernstes? Wenn man nämlich den letzten Satz des Antrags zugrunde legt, also in den Gründen, ergeben sich da sehr wohl Zweifel. Dort ist nämlich aufgeschrieben, dass die CDU-Fraktion einen Bericht über den Stand des rechtskundlichen Unterrichts haben will, also nicht über Extensivierung und Intensivierung, sondern über den Stand des rechtskundlichen Unterrichts nebst begleitenden Maßnahmen und über ihre zukünftigen Vorstellungen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen. Die Landesregierung soll über ihre zukünftigen Vorstellungen berichten. Das geht doch objektiv nicht.
Das geht bei der Landesregierung nicht, das geht bei niemandem, weil doch niemand vorhersehen kann, welche künftigen Vorstellungen er haben wird. Er kann doch bestenfalls über gegenwärtige Vorstellungen reden.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit noch mit einem weiteren Irrtum Ihres Antrags aufräumen. Jetzt bin ich bei der Antragsbegründung. Dort heißt es: Der rechtskundliche Unterricht habe seinen Ursprung in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Vogel vor dem Landtag vom 13. Oktober 1999. Das ist objektiv falsch, meine Damen und Herren. Den rechtskundlichen Unterricht, das Unterrichtsfach heißt "Wirtschaft und Recht", gab es bereits vor der Regierungserklärung 1999. Ich habe es nachprüfen lassen. Das gab es sogar bereits vor Ministerpräsident Vogel und es wird auch nach dem Ministerpräsidenten Vogel einen rechtskundlichen Unterricht geben, weil, und da lehne ich mich an die Richtigkeit Ihres ersten Satzes im Antrag, der rechtskundliche Unterricht einen unverzichtbaren Beitrag bei der Bildung und Festigung eines Wertebewusstseins dieser Gesellschaft zu leisten hat, in der wir leben.