Protocol of the Session on November 8, 2001

Gestatten Sie mir abschließend eine letzte Bemerkung zu diesen Fragen. Der Ministerpräsident hat die herausragende Rolle der Schule bei der Vermittlung von Demokratieverständnis hervorgehoben; andere Diskussionsredner auch. Auch aus unserer Fraktion wird dies nachdrücklich unterstützt, ich unterstütze das auch. Wir betrachten dies nicht nur deshalb als erforderlich, weil es an den Thüringer Schulen immer wieder Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund gibt.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das sind die offiziellen Zahlen)

Herr Seela, das ist ja gut, wenn der Minister Krapp auf weniger Vorfälle mit mehr Maßnahmen reagiert, wenn ich die gestrigen Pressemitteilungen richtig interpretiere. Wir werden sehen, wo die Entwicklung hin geht. Wir betrachten es nicht nur deshalb als erforderlich. Für uns ist die Vermittlung von Werten eine vorrangige Aufgabe der Schule, natürlich neben dem Elternhaus und neben der Familie. Dies wird im Übrigen auch international so gesehen. Ich könnte hier verweisen unter anderem auf die internationale Erziehungskonferenz der UNESCO. Dort wurde betont, dass kulturelle Bildung bedeutet - und ich darf zitieren: "1. Die Heranführung an das kulturelle Erbe und dessen positive Würdigung und die positive Wahrnehmung aktueller kultureller Ausdrucksformen." Und wenn ich aus der Studie wieder herausnehme "die ethno

zentrischen Positionen und ihre Entwicklung", dann macht mich das auch schon bedenklich.

Im Jahre 2000 brachten 5 Prozent der Befragten zum Ausdruck, Juden passen nicht zu uns. Im Jahre 2001 waren dies bereits 14 Prozent. Im Jahre 2000 sagten 10 Prozent, der Nationalsozialismus hatte auch gute Seiten. Im Jahre 2001 waren es 16 Prozent, die dieser Auffassung waren. Ich glaube, hier sind wir alle gefordert, uns diesen Problemen weiter besonders zuzuwenden.

Die UNESCO brachte weiterhin zum Ausdruck, dass zur Schule gehört das Vertrautmachen mit Entstehungs- und Verbreitungsformen von Kulturen, die Anerkennung der Gleichberechtigung der Kulturen und der unauflösbaren Verbindung zwischen den Formen des kulturellen Erbes und der Kultur von heute. Gerade das spielt ja in der Auseinandersetzung nach dem 11. September auch in der politischen Diskussion eine große Rolle, und ich glaube, hier ist Schule gegenwärtig insbesondere gefordert. Schließlich fordert die UNESCO Werteerziehung und staatsbürgerliche Bildung. Wir unterstützen nachträglich auch noch einmal die hier von Herrn Döring vorgebrachten Fragen und Forderungen nach Konzepten in diesem Bereich. Es ist kein Geheimnis, dass auch die PDS-Fraktion nach wie vor für ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus eintritt. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Gentzel zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, besser wie der Abgeordnete Hans-Jürgen Döring hätte man es nicht bringen können, diese Verbindung zwischen Reden und zwischen Sagen. Herr Ministerpräsident, Sie haben sicherlich am längsten geredet, das mit dem Sagen, das überlasse ich der Einschätzung des hohen Hauses. Ich will Ihnen ausdrücklich an dieser Stelle sagen, auch wenn Sie im zweiten Teil etwas lauter geworden sind, viel mehr Inhalt war da nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen mit aller Ruhe, aber auch in aller Entschiedenheit, auch wenn Sie das nicht mehr gewöhnt sind, die Rednerlisten mit den Inhalten, die die einzelnen Redner der SPD-Landtagsfraktion hier zur Kenntnis geben, das machen immer noch wir. Sie mögen mit Ihrer Einstellung zum Staat, zum allmächtigen Staat, der mittlerweile der CDU gehören soll, ja langsam diese Wege verlassen haben, dass einige noch für sich selbst bestimmen, wann sie hier etwas sagen. Aber, das sage ich Ihnen genauso deutlich, machen

Sie das in Ihrer Partei, die scheint das zu ertragen. Wir werden unseren Weg an dieser Stelle weitergehen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sich in dieser Debatte gewundert haben, dann waren Sie nicht allein, auch ich habe mich gewundert über die eine oder andere Äußerung. Herr Althaus, Sie haben gesagt - um das noch einmal zu sagen: "Viele Vorwürfe gegen den Innenminister haben sich nicht bestätigt." Davon zu reden, dass alle Vorwürfe gegen den Innenminister sich nicht bestätigt haben, das haben nicht einmal Sie sich getraut.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch, was Ihre - und das scheint noch in Ihrer Vergangenheit zu liegen - Vorträge zur repräsentativen Demokratie betrifft, das haben hier noch mehr im Haus drauf, aber, was einfach nicht wahr ist, ist die Schlussfolgerung am Ende, nämlich, dass die, die in der Bürgerinitiative "Für mehr Demokratie" mitarbeiten, diese abschaffen wollen. Wir wollen diese nicht abschaffen, wir wollen da ein Stückchen ergänzen und wollen da ein Stückchen verbessern. Wenn die 380.000 Unterschriften

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Jetzt schrein Sie aber.)

(Beifall bei der PDS, SPD)

Sie nicht wachrütteln, dann haben Sie ein Problem und nicht wir.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Aber nicht lauter werden!)

Ich sage Ihnen genauso deutlich, wenn Sie hier die Meinung vertreten, Sie müssten kritisieren, dass andere den Verfassungsgerichtshof kritisieren, dann erinnere ich Sie daran, wenn wir beim Thema Kritik und Justiz sind, das Verwaltungsgericht in Weimar hat die Landesregierung aufgefordert, die Pilz-Akten herauszugeben.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Heiterkeit bei Ministerpräsident Dr. Vogel)

Ja und, haben Sie da widersprochen? Auch Sie erlauben sich ab und zu, der Thüringer Justiz zu widersprechen.

(Unruhe bei der CDU)

Auch wir, meine Damen und Herren, nehmen uns ab und zu die Freiheit an dieser Stelle. Meine Damen und Herren...

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wer hat dagegen widersprochen? Haben Sie was gehört?)

Haben Sie die Akten herausgegeben?

(Unruhe bei der CDU)

Das Verwaltungsgericht Weimar hat die Landesregierung aufgefordert, die Pilz-Akten herauszugeben, hat die juristische Begründung des Ministers verworfen und haben Sie sie herausgegeben?

(Zwischenruf Dr. Birkmann, Justizminister: Nein, Rechtsmittel eingelegt.)

Na sehen Sie, also kritisieren Sie dann nicht andere, die sich mitunter die Freiheit nehmen, auch die Thüringer Justiz zu kritisieren.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Genzel, Sie können ruhig warten, bis es im Saal wieder ruhig ist. Ihre Redezeit ist noch genügend lang.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich: Das ist wirk- lich einer der peinlichsten Beiträge.)

Ach, Herr Wunderlich, wenn Sie von Peinlichkeit reden, denken doch alle zuerst an Sie. Also jetzt muss man mal in der Mitte vom Fenster bleiben.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir hier in großen Teilen eine bildungspolitische Debatte bekommen, war abzusehen. Ich will auch an einer Stelle nicht missverstanden werden, deshalb sage ich eins auch ganz deutlich: Die Chancen in diesem Bereich der jungen Menschen in Thüringen sind unendlich größer als vor elf oder zwölf Jahren. Es macht richtig neidisch, die möglichen Bildungswege von jungen Menschen in Thüringen beobachten zu können, ihre Chancen sehen zu können. Aber es muss doch in diesem Hause auch erlaubt sein, über die Dinge zu reden, wo Chancen eingeschränkt werden.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie, Herr Ministerpräsident, so scharf auf Daten sind, auf ganz exakte Daten, will ich Ihnen dann einmal ganz exakt geben, was wir zum Beispiel meinen. Wir führen hier eine abstrakte Debatte über Unterrichtsausfall an Berufsschulen - 10 Prozent, 10,2 Prozent, 15 Prozent. Ich habe mir einmal da, wo man Unterlagen bekommen kann - und das formuliere ich ausdrücklich so - die Unterlagen besorgt,

was es denn in der Realität heißt. Da kommen wir zu dem Begriff "Geplanter Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen". Man kann das ja als Chance empfinden, aber ich habe mit dem Begriff "Geplanter Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen" schon Schwierigkeiten.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht das jetzt in der Praxis aus? Staatlich berufsbildende Schule Sonneberg: Neuinvestitionen von 57 Mio. DM. Da sage ich ausdrücklich, das ist eine Chance. Jetzt kommen wir zu dem, was wir kritisieren, wöchentlich geplanter Unterrichtsausfall: Deutsch 9 Stunden, Sozialkunde 11 Stunden, Mathematik 20 Stunden, Physik 6 Stunden, Sport 18 Stunden, Englisch 3 Stunden, Wirtschaft 18 Stunden, Informatik 15 Stunden, Seminarfächer 10 Stunden. Ist das ein Einzelfall? Staatlich gewerbliche technische Berufsschule Gotha - wöchentlicher Stundenausfall: Deutsch 37 Stunden, Sport 110 Stunden, Ethik/Religion - das spielt ja jetzt eine große Rolle - 110 Stunden, da fallen die 3 Stunden in Englisch gar nicht auf. Das ist übrigens ein Unterrichtsausfall von 12,6 Prozent. Wenn jemand einmal wissen will, was das bedeutet: An der Altenburger Berufsschule beträgt der geplante Unterrichtsausfall 17 Prozent. Was bezeichnend für die Situation an den Schulen insgesamt ist, ist folgende Information, die mir aus Gera zugegangen ist, die möchte ich gern verlesen:

Geplanter Stundenausfall an den Berufsschulen Gera mehr als 10 Prozent, teilweise 200 Stunden pro Woche. Zahlen bitte nicht so exakt verwenden, da sonst Rückschlüsse auf Quelle zu schließen sind.

So viel zu dem Klima an den Schulen. Ich will dann auch deutlich sagen, es gibt natürlich dann Statistikschulen, wo es gut läuft,

(Beifall bei der PDS, SPD)

Berufsschulen habe ich mir angeschaut. Erfurt - Berufsschule am Flüsschen: Da fallen in der Woche doch wirklich nur geplant 2 Stunden Religion aus. Beim Nachfragen erfährt man dann aber, dass ein Lehrer bis zu 35 Stunden Unterricht in Schulklassen mit 33 Schülern gibt. Auch so macht man eine Statistik schön.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Chancen für unsere Jugend Ja, aber jetzt gebrauche ich das Wort: Wir haben uns hier nicht den Bauch zu pinseln, sondern unsere Rolle ist es auch, darüber zu reden, wo Chancen vergeben werden. Ich glaube, ich habe das jetzt wirklich einmal exakt und mit Daten gemacht.

(Beifall bei der SPD)