Protocol of the Session on November 8, 2001

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, Frau Pelke, Sie haben von der bildungspolitischen Katastrophe gesprochen - ich sehe, Sie kommen gerade herein -, ich möchte Sie noch einmal darauf ansprechen. Wissen Sie, allein, dass Sie gern eine bildungspolitische Katastrophe hätten und sich gern darin baden würden, macht noch keine bildungspolitische Katastrophe.

(Beifall bei der CDU)

Was Sie sagen, ist durch die Meinung der Bevölkerung Thüringens in keinster Weise gedeckt. Das Vertrauen einer großen Mehrheit zur Bildungspolitik unseres Landes spricht für sich selbst und die Vorbildwirkung der Bildungspolitik dieses Landes ist zu einem Exportartikel geworden, das wissen Sie ganz genau, und zwar nach Westdeutschland. Das wissen Sie auch ganz genau.

(Beifall bei der CDU)

Sie können ja den Versuch,

(Unruhe bei der SPD)

Frau Pelke, das Land schlechtzureden, fortsetzen. Ich habe nur nicht den Eindruck, dass Sie damit auf dem Erfolgsweg sind.

(Beifall bei der CDU)

Was mich allerdings nach all dem, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben, doch ein bisschen gewundert hat, Frau Abgeordnete Pelke, es gibt ja zum Thema "Extremismus und Terrorismus" nun wahrlich in diesen Tagen eine ungewöhnliche Herausforderung. Alle in Deutschland sind sich klar, was gegenwärtig diskutiert wird. Wozu der Bundeskanzler, wenn ich recht sehe, heute eine Regierungserklärung abgibt und worüber nächste Woche im Bundestag abgestimmt wird, beschäftigt ja nun wirklich die Öffentlichkeit. Ich bin sehr dankbar, dass zum Einsatz, möglicherweise militärischen Einsatz, deutscher Soldaten in einem anderen Kontinent von Seiten der CDU und von Seiten der PDS klar Position bezogen worden ist, ob ich dem zustimme oder nicht, aber es ist klar Position bezogen worden. Ich hätte mir gewünscht, dass die Fraktion, die im Deutschen Bundestag den Kanzler stellt, hier im Landtag dazu auch etwas gesagt und klare Position bezogen hätte.

(Beifall bei der CDU)

Offensichtlich verlassen Sie sich in ungewöhnlichem Maße auf die Opposition in Berlin, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: So ist es.)

die sich in ihrem Abstimmungsverhalten nach der Verpflichtung gegenüber Amerika und nicht nach der Uneinigkeit in ihrer Partei ausrichten wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es wird bei Themen wie diesem immer gesagt, es komme auf Dialogbereitschaft an und man müsse den Jugendlichen darin ein Vorbild bieten. Verehrter Herr Kollege Nothnagel, dieses Beispiel haben Sie heute nicht geboten. Sie können ja die Regierungs

erklärung bewerten, wie Sie wollen, das ist Ihre Sache, aber wer nach so sensationellen Feststellungen über die Einstellung der jungen Generation in Thüringen behauptet, es sei nichts Neues gesagt worden, der will offensichtlich nichts Neues hören, weil ihm die Botschaften der Vergangenheit sympathischer sind, als die der Zukunft.

(Beifall bei der CDU)

Wer angesichts der Tatsache, dass ich die Hälfte der Regierungserklärung auf die Darstellung der Sicherheit nach den Terroranschlägen verwandt habe, gesagt hat, ich hätte nur die Studie ausgewertet, der will offensichtlich gar nicht zuhören. Aber das ist Ihre Sache, Herr Nothnagel. Nur unsere Sache ist es, wenn erwachsene Parlamentarier so miteinander umgehen, dann ist das ein schlechtes Beispiel für die Dialogfähigkeit in der jungen Generation und nicht etwa ein gutes.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden die sensationellen Ergebnisse der Studie ich habe davon gesprochen -, die niemand so erwartet hätte und die manchen offensichtlich auch nicht in ihre Konzepte passen, wir werden gerade diese Ergebnisse mit der jungen Generation besprechen. Und wir haben es nicht nötig, das Land schönzureden, denn wir sind hier nicht in Sachsen-Anhalt, sondern wir sind in Thüringen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Da brauchen wir keine Schönredner, aber wir brauchen ein paar Leute, die dauernd falsch verwendete Daten richtig stellen und in der Öffentlichkeit sagen, was ist, und nicht Bilder malen, die sie gern hätten, weil sie sich davon Erfolg versprechen. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich nun der Abgeordnete Buse zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren, die Bemerkungen oder die letzte Rede des Herrn Ministerpräsidenten veranlasst mich, hier das Wort zu ergreifen, weil ich meine, es sind einige Sachen in der Darstellung auch nicht so widergegeben, wie es Kollegen auch aus meiner Fraktion, aber auch aus anderen Fraktionen, dargelegt haben.

Trotz der veränderten Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit und auch in Deutschland und in Thüringen ist es für mich wichtig, dass sich der Thüringer Landtag heute am Vorabend des Jahrestags der Reichspogromnacht mit

der Entwicklung rechtsextremistischer Gewalttaten und Denkmuster und mit entsprechenden Gegenmaßnahmen in Thüringen befasst. Das ist für mich unstrittig. Es ist gut so, dass wir einen Bericht entgegengenommen haben auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Studie und dass die Aussprache zwischen den Fraktionen hier stattgefunden hat. Es ist kein Geheimnis, dass auch die Abgeordneten der PDS-Fraktion die vorgelegte Studie auswerten werden. Es ist sicherlich vermessen, sie innerhalb von wenigen Minuten vor Beginn der Aussprache für die Bewertung von Entwicklungen und Tendenzen in Redebeiträgen einzuarbeiten. Dies aber, dass wir uns in Thüringen damit beschäftigen, ist umso mehr notwendig, da ja entgegen bestimmter Erwartungshaltungen die Anzahl rechtsextremistischer Straftaten im Jahre 2000 gegenüber dem Jahr 1999 beträchtlich zugenommen hat. Kollegin Pelke wies in ihrem Redebeitrag darauf hin, entsprechend dem Verfassungsschutzbericht, das ist sicherlich klar.

Herr Ministerpräsident, ich will Ihre Hoffnung teilen, auch Ihre, Herr Seela, dass sich die Entwicklung des 1. Halbjahrs 2001 so fortsetzt, wie sie sich bisher gestaltet hat. Aber es dürfen doch sicher auch Zweifel artikuliert werden, wenn man die unterschiedliche Entwicklung in den beiden Halbjahren des Jahres 2000 betrachtet. Ich weiß nicht, ob Sie sich die Mühe gemacht haben. Die beiden Halbjahreszahlen des Jahres 2000 rechtsextremistischer Straftaten unterscheiden sich beträchtlich: waren es im 1. Halbjahr 687 (im Wesentlichen gleich mit 1999) im 2. Halbjahr aber 1.159, also fast doppelt so viele. Wenn sich diese Entwicklung des 2. Halbjahrs 2000 im 2. Halbjahr 2001 fortsetzt, wird es ein Wunsch bleiben, was die Entwicklung von rechtsextremen Gewalt- und Straftaten angeht.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Wir werden sehen.)

Wir werden es sehen. Ich habe ja nur gesagt, ich würde gern die Zuversicht auch teilen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Versuchen Sie das doch wenigsten einmal praktisch.)

Ich kann auch, Herr Innenminister, glauben, dass Sie andere aktuellere Zahlen haben aufgrund Ihres Ministeriums, als die, die mir zugänglich sind.

Ein zweiter Aspekt: Es erregte den Unwillen des Herrn Ministerpräsidenten, dass die Fraktion der PDS angeblich Freiheit über Sicherheit stellt und dabei Sicherheitseinschränkungen in Kauf nimmt. Das hat Herr Hahnemann nicht gesagt, das ist nicht die Position der PDS. Die Position der PDS ist, dass Sicherheitspolitik und Bürgerrechte nicht aus der Balance geraten dürfen.

(Beifall bei der PDS)

Die offene Gesellschaft darf den Kampf gegen Terrorismus, seit dem 11. September erst recht, aber auch gegen

Rechtsextremismus und Radikalismus, nicht so führen, dass sie aufhört, eine offene Gesellschaft zu sein.

(Beifall bei der PDS)

Ausgrenzung und Überwachung, Einschränkung von Zuwanderungs- und Asylmöglichkeiten sind aus unserer Sicht der falsche Weg und es muss erlaubt sein, dieses zu artikulieren.

(Beifall bei der PDS)

Wir sind der Auffassung, dass, wenn wir gerade in dieser Debatte unsere Aufmerksamkeit für den freiheitlichen und offenen Anspruch der Gesellschaft verlieren, wenn wir zulassen, dass die notwendige Debatte über Sicherheit nur aus dem Blickwinkel staatlicher Überwachung geführt wird, wir diese Gesellschaft in ihrem Anspruch vielleicht nicht wieder erkennen werden. Wir werden damit auch den realen Ängsten von Bürgerinnen und Bürgern nicht gerecht, wie sie auch in dieser Studie artikuliert werden.

Ein dritter Aspekt: Auch wir betrachten das bürgerschaftliche Engagement als wesentliche Voraussetzung für die Stärkung von Demokratie. Herr Hahnemann hat das namens unserer Fraktion hier ganz klar zum Ausdruck gebracht. Es zählt die ehrenamtliche Arbeit genauso dazu wie die Teilnahme an demokratischen Entscheidungsprozessen und vieles andere mehr. Wichtig ist deshalb - das ist die Auffassung unserer Fraktion - die Stärkung des bürgerlichen Engagements durch die Landesregierung, den Landtag, die Parteien, also durch die Politik insgesamt. Es ist doch eine Kritik an unserer diesbezüglichen Arbeit - und ich nehme unsere Fraktion dabei gar nicht aus -, wenn im Jahre 2000 52 Prozent der Befragten in der Studie die Aktivitäten der Parteien fast ausschließlich auf die Gewinnung von Wählerstimmen reduzieren, es im Jahre 2001 schon 70 Prozent sind. Wenn im Jahre 2000 55 Prozent der Befragten den Parteien vorrangig machtpolitische Absichten unterstellen in ihrer Arbeit und dieser Anteil sich im Jahre 2001 auf 78 Prozent erhöht, dann sollten wir doch darüber vielleicht zwei Minuten länger nachdenken.

(Beifall bei der PDS)

Ich glaube, unsere Auseinandersetzungen zum Volksbegehren haben diese kritischen Sichten für meine Begriffe eher noch befördert als ihnen entgegenzuwirken. Und die setzt sich gegenwärtig auch noch ein Stück fort, das hat die heutige Debatte ergeben. Wir werden ja sehen, wie es sich auch noch in dieser Debatte im Rahmen des weiteren Plenums darstellen wird.

Herr Ministerpräsident formulierte und ich darf zitieren: "Eine große Mehrheit spricht sich für mehr plebiszitäre Elemente aus, ist dafür, dass bei wichtigen politischen Fragen häufiger Volksentscheide durchgeführt werden sollten. Für mich heißt das erneut", so sagt er, "auf diesem Gebiet muss etwas geschehen, nicht nur im Land, auch

auf der kommunalen Ebene," und er sagt: "Aber es muss im Einklang mit unserem repräsentativen parlamentarischen Regierungssystem geschehen, im Einklang mit der Grundordnung unserer Landesverfassung." Das der PDS in Abrede zu stellen, das ist Diffamierung, Herr Althaus.

(Beifall bei der PDS)

Ausdrücklich unterstütze ich diesen Passus des Ministerpräsidenten in seiner Rede und wir werden sehen, inwieweit das hohe Haus im Umgang mit dem Gesetzesantrag zum bürgerschaftlichen Engagement den Erwartungen gerecht wird, die die Landtagspräsidentin in Ihrer Rede vergangene Woche formulierte, die Passage hat Herr Kollege Hahnemann ja hier zitiert. Da stimmen mich schon Äußerungen von Herrn Althaus, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, bedenklich. Herr Althaus, obwohl SPD und PDS einen gemeinsamen Gesetzentwurf eingebracht haben - er steht ja in dieser Plenarsitzung auch zur ersten Beratung - sprechen Sie davon, dass die Positionen der SPD Ihnen näher stehen als die der PDS. Diese Einschätzung entbehrt einer gewissen Logik,

(Beifall bei der PDS)

es sei denn, man unterstellt der SPD, die im Gesetzentwurf aufgenommenen Positionen wären gar nicht ihre eigenen. Ich bin sicher, dass die heutige Debatte das Gegenteil sichtbar machen wird, wenn wir dann zu dem entsprechenden Gesetzentwurf kommen.

Gestatten Sie mir abschließend eine letzte Bemerkung zu diesen Fragen. Der Ministerpräsident hat die herausragende Rolle der Schule bei der Vermittlung von Demokratieverständnis hervorgehoben; andere Diskussionsredner auch. Auch aus unserer Fraktion wird dies nachdrücklich unterstützt, ich unterstütze das auch. Wir betrachten dies nicht nur deshalb als erforderlich, weil es an den Thüringer Schulen immer wieder Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund gibt.