liberalen, wenn er sich dann durchsetzt. Aber er sollte sich auch durchsetzen. Ich denke, auch Sie haben einen sehr großen Nachholbedarf. Aber Sie müssen es doch vertreten in der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren.
Noch eine grundsätzliche Bemerkung vorab, meine Damen und Herren, weil ich das heute auch von Herrn Dr. Hahnemann in dieser Richtung gehört habe. Ich könnte jetzt übrigens noch Beispiele nennen, auch für linksextremistische Straftaten - Schalkau z.B. - Sie können ja meine Mündlichen Anfragen lesen, Schalkau und Neustadt an der Orla, wo auch Jugendliche zusammengetreten worden sind. Die gibt es, die kann man nicht wegdiskutieren.
Meine Damen und Herren, es ist noch behauptet worden, gerade die ostdeutschen Länder, auch Thüringen besonders, wären ein Aufmarschgebiet der Rechtsextremisten.
Gegen diese Behauptung muss ich entschieden Protest einlegen, meine Damen und Herren. Thüringen ist kein Aufmarschgebiet von Rechtsextremisten und erst recht nicht - und jetzt sind wir natürlich beim Thema - die Thüringer Schulen, meine Damen und Herren.
Hier habe ich mich bemüht und habe vom Landeskriminalamt sehr interessantes Zahlenmaterial bekommen, das hätte ich Ihnen auch gern noch einmal vorgetragen, weil das nämlich eine Tendenz darstellt. 1998 gab es 14 Straftaten an Schulen hier in Thüringen, 1999 25 Straftaten, 2000 - die Steigerung - 83 Straftaten. Ich nenne Ihnen dann auch noch einmal, wie sich diese 83 Straftaten, das ist übrigens eine neue Zahl, zusammensetzen. Im ersten Halbjahr 2001 haben wir - und das ist das Interessante, das müssen Sie auch anerkennen - 28 Straftaten an Thüringer Schulen, meine Damen und Herren. Jetzt erlaube ich mir, um dies auch noch etwas hier zu erweitern, noch einmal die Zahlen für 2000 aufzudröseln; rechtsextremistische Straftaten in Thüringer Schulen 83. Insgesamt gab es 68 Propagandadelikte, 10 Volksverhetzungen, gefährliche Körperverletzungen, Störungen des öffentlichen Friedens 1, durch Androhungen von Straftaten 2 Straftaten, Sachbeschädigung 1 und Nichtanzeige geplanter Straftaten 1 und - das wird Sie jetzt freuen - Linksextremismus 1 Straftat: Diebstahl. Straftaten an Schulen im 1. Halbjahr 2001, von insgesamt 28 haben wir Rechtsextremismus: Propagandadelikte insgesamt 23, Volksverhetzung 3, Körperverletzung 1, Sachbeschädigung 1; Linksextremismus wiederum 1 Sachbeschädigung.
Meine Damen und Herren, wenn Sie die Zahlen hernehmen und objektiv analysieren, können Sie feststellen, dass wir eine fallende, rückläufige Tendenz haben. Bitte erkennen Sie diesen Sachverhalt an.
Zu den Straftaten an sich hat Frau Pelke vorhin einiges gesagt, Das kann ich mittragen. Es handelt sich in der Regel dabei um Tragen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, um Volksverhetzung, Hakenkreuzschmierereien, das Zeigen des so genannten Hitlergrußes oder das Vorbringen von rassistischen fremdenfeindlichen Sprüchen.
Meine Damen und Herren, das soll keine Verharmlosung dieser Straftaten sein. Aber es gibt keinen Anlass, keinen Grund zur Hysterie und zu Dramatisierungen, so wie ich es heute wieder gehört habe und wie ich es von Ihnen ständig höre. Gern verwende ich hier Zahlen. Vergleichen Sie doch einmal die Anzahl der Thüringer Schüler - wir haben insgesamt 358.000 Schüler an Thüringer Schulen. Wenn ich jetzt die Straftaten von 2001 hernehme, 28 bisher oder von 1999, das ist ein Verhältnis von ungefähr, Mathematik war nicht so ganz meine Stärke, 1 : 13.000, ich bin da großzügig, ich runde auf, dann war von ca. 13.000 Schülern einer straffällig gewesen. Bitte verinnerlichen Sie dieses Verhältnis. Das ist schon interessant, denke ich. Verehrte Damen und Herren, es scheint also angesichts der genannten Zahlen unangemessen, allgemein von einer dramatischen Zunahme von extremistischen Straftaten an unseren Schulen zu sprechen.
Allerdings ist auch nicht zu bestreiten, dass aufgrund der Vorkommnisse an den Schulen Handlungsbedarf bestünde. Das derzeitige Phänomen des Rechtsextremismus ist vielmehr eine aktuelle politische Herausforderung sowohl für uns Politiker als auch für die Schulen selbst, der wir uns natürlich stellen müssen.
Noch eine generelle Feststellung sei mir gestattet an die Adresse von Frau Dr. Stangner. Es ist in der Tat ein Irrtum, Frau Dr. Stangner, wenn Sie meinen, es müssten nur ausreichend Bildungsmaßnahmen angeboten werden und schon sei das Problem des Extremismus erledigt.
(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das musste jetzt durch Sie diffamiert werden. Sie haben doch keine Ahnung.)
Das ist in der Tat nicht nur der Bildungsgrad, das sind zum Teil auch, so kann man das ruhig formulieren, sozialpsy
chische Aspekte. Es geht um Stimmungen und Einstellungen, dieser so genannte Kameradschaftsgeist; auch das fließt mit ein. Das soziale Umfeld fließt dort mit hinein. Zudem sind Bildungs- bzw. auch Fortbildungsmaßnahmen kein geeignetes Mittel zur Umerziehung von Menschen. Die Annahme von Bildungs- bzw. Fortbildungsmaßnahmen basiert eben nur auf dem Willen des Einzelnen zur Weiterentwicklung. Nur auf der Erkenntnis bestehender Defizite, die durch gezielte Information, aber auch durch praktisches Training reduziert oder gar beseitigt werden können.
Verehrte Damen und Herren, nichtsdestotrotz wurden und werden seitens des Kultusministeriums in verschiedensten Bereichen zahlreiche Anstrengungen gegen extremistische und gewalttätige Erscheinungen unternommen. Um welche konkreten Maßnahmeprojekte handelt es sich dabei? Aufgrund der Vielzahl dieser Maßnahmen bin ich gezwungen, hier kusorisch vorzugehen und nur einige Beispiele zu nennen. Grundsätzlich wiederum ist zu sagen, dass selbstverständlich alle Lehrerinnen und Lehrer in der Pflicht und Verantwortung stehen, alles an den Schulen nur Mögliche zu tun, um extremistischen und gewalttätigen Erscheinungen entschieden entgegenzutreten, vor allem entsprechend präventiv zu wirken. Dabei wird die Umsetzung des im Schulgesetz beschriebenen Bildungs- und Erziehungsauftrags durch die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts zusätzlich noch durch die Vermittlung von Sozial- und Selbstkompetenz im Unterricht und im außerunterrichtlichen schulischen Leben ergänzt.
Meine Damen und Herren, wir brauchen auch Lehrerpersönlichkeiten. Selbstverständlich werden die Thüringer Lehrerinnen und Lehrer bei der Erfüllung dieser Aufgabe nicht allein gelassen.
So hat das Kultusministerium in den letzten Jahren zur Aufklärung über die Gefahren des Extremismus und zur Herausbildung demokratischer Verhaltensweisen ein beachtliches Instrumentarium entwickelt. Ich möchte Ihnen kurz dieses Instrumentarium aufzeigen. Ein wichtiger Aspekt, ein wichtiger Bestandteil dieses Instrumentariums sind die Lehrpläne der Thüringer Schulen. Neben der Vermittlung von Fachkompetenz im Rahmen der fachlichen Inhalte verschiedener Unterrichtsfächer wie Geschichte, Sozialkunde, Deutsch, Ethik und Religion geht es dabei vor allem auch um die Vermittlung von Selbst- und Sozialkompetenz. Bei der Beschäftigung mit der Extremismusthematik kommt insbesondere dem Fach Geschichte, das hatten wir heute schon einmal, eine besondere Bedeutung zu. Allerdings wird die Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Vergangenheit - hier meine ich insbesondere die Geschichte des Nationalsozialismus, aber auch die Geschichte des Stalinismus der DDR - auch in den Fächern Sozialkunde und fächerübergreifend in anderen Unterrichtsfächern geführt. Hier sind die Fächer Deutsch, Ethik, Religion aber auch Kunst oder Musik zu nennen. Die in
Thüringen seit Jahren bestehende fächerübergreifende Themenstellung "Erziehung zu Gewaltfreiheit, Toleranz und Frieden" ist in den Lehrplänen deutlich gekennzeichnet mit dem Kürzel "GTF". Bereits die Grundschule findet hier schon Berücksichtigung. Auch das ist erwähnenswert. So werden im Fach Heimat- und Sachkunde insbesondere regionale Bezüge aufgegriffen. Zum Beispiel werden öffentliche Gedenktage altersgerecht im Unterricht thematisiert oder im Deutschunterricht der Klassen 5 und 6, eine Forderung der SPD eines ehemaligen Mitglieds dieses hohen Hauses, Herrn Dewes, die Geschichte des Nationalsozialismus dort schon zu behandeln, hier wird fächerübergreifend z.B. das "Tagebuch der Anne Frank" behandelt. Ich meine, das könnte man vielleicht aufnehmen, ich hätte großen Gefallen daran, für die Oberstufe kann ich eine sehr gute Literaturempfehlung geben für unsere Lehrer, lesen Sie doch bitte von George Orwell, "1984". Besser kann man totalitäre Strukturen doch nicht darstellen, nämlich die Geschichte des Nationalsozialismus und des Stalinismus. Ich selbst habe dieses Buch im Sommer 1989 gelesen, eingepackt in Butterbrotpapier, weil es damals auf dem Index stand. Lesen Sie dieses Buch und ich kann es auch den Thüringer Schulen empfehlen, dort wo es z.B. noch nicht ausgelegt wird oder noch nicht behandelt wird.
Meine Damen und Herren, eine kurze Bemerkung zur Geschichte des Nationalsozialismus, zu der Forderung der SPD, diesen Aspekt der Geschichte bereits in den Klassenstufen 5 und 6 zu behandeln. Aus rein pädagogischer Sicht, aber auch schon historisch-didaktischer Sicht ist dies abzulehnen, meine Damen und Herren, denn nicht nur weil sie chronologisch vorgehen müssen, wenn Sie Geschichte lehren wollen; Sie können also nicht in Klassenstufe 5 oder 6 mit der Zeit des Nationalsozialismus beginnen, nachdem Sie das Mittelalter behandelt haben, sondern auch vom Verständnis her. Bei dieser Thematik handelt es sich um eine kompakte komplexe Materie, die, denke ich, erst in der höheren Klassenstufe behandelbar ist. Ich denke, das sollte auch die SPD berücksichtigen, wobei ich aber diesen Vorschlag in der letzten Zeit nicht mehr so oft gehört habe. Darüber hinaus gibt es im Rahmen des rechtskundlichen Unterrichts - dieses Thema kommt noch mal auf die Tagesordnung in dieser Plenarsitzung, wahrscheinlich morgen - Möglichkeiten, gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. Zum Beispiel werden hier den Schülern die Konsequenzen von Straftaten näher erklärt. Ein zweites Instrumentarium, das unserem Kultusministerium zur Verfügung steht, ist die so genannte Projektförderung, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, über den Unterricht im engeren Sinne hinaus spielen Projektarbeiten an Thüringer Schulen eine wichtige Rolle. Dabei wird vor allem auf primär präventive Maßnahmen gesetzt, um durch Aufklärung, Anleitung und Beratung die Schüler in die Lage zu versetzen, ihr Verhalten ohne das Eingreifen staatlicher Instanzen zu regulieren. Ziel der Projekte ist in erster Linie einmal die Stärkung von Schülerpersönlichkeiten, aber
auch die Förderung der Fähigkeit, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Diesen Schülern sollen im Rahmen dieser Projekte die demokratischen Spielregeln näher gebracht werden. Ihnen soll näher gebracht werden, wenn sie ein Ziel haben, eine Idee, dass sie auch gewaltfrei diese Idee, diese Ziele umsetzen können, dass es auch andere Mechanismen, andere Instrumentarien gibt, demokratische Mechanismen. Ein Beispiel ist das Förderprogramm "demokratisch Handeln", will ich Ihnen noch sagen, weil Thüringen hier eine besondere Rolle einnimmt. Thüringen ist Sitzland dieses Förderprogramms. Insgesamt hat dieses Förderprogramm ein Finanzvolumen von ca. 400.000 DM. Dieses Förderprogramm leistet einen sehr wichtigen Beitrag zur politischen Bildung und zur demokratischen Erziehung. Aber lassen Sie mich noch einige Zahlen nennen, und zwar was die Projektförderung betrifft. Hier können Sie auch eine Tendenz ablesen, weil Sie ja ständig das Wort "Landesprogramm" in den Mund nehmen und ständig mehr Geld fordern, mehr Programme fordern. Bei den Projekten haben wir zum Beispiel 1999 rund 90 Projekte, im Jahr 2000 haben wir rund 150 Projekte und im Jahr 2001, dieses Jahr ist ja noch nicht abgeschlossen, werden es über 200 Projekte sein, die an Thüringer Schulen gefördert werden. Im Haushaltsjahr 2001 haben wir in diesem Bereich 422.000 DM eingestellt, also im Kultusbereich für diese Projekte, das sind 100.000 DM mehr als im Jahr 2000. Auch das ist anerkennenswert.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein drittes Instrumentarium nennen, dessen sich das Kultusministerium bedienen kann und bedient, das ist der wichtige Aspekt der Lehrerfortbildung. Ich hatte es vorhin ja genannt, wir brauchen Lehrerpersönlichkeiten. Lehrerpersönlichkeiten heißt natürlich auch, dass diese Persönlichkeiten fort- und weitergebildet werden müssen. Einen wichtigen Stellenwert nimmt dabei das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, kurz ThILLM, ein. Die Fortbildungsangebote, das kann resümiert werden, werden von den Lehrern angenommen, meine Damen und Herren, auch wenn man mitunter etwas anderes hört. Es gibt zum Beispiel die so genannten landesweiten Fortbildungsmaßnahmen. Da waren allein im Jahr 1999 431 Teilnehmer angemeldet und mit Stand Oktober 2000 bei den landesweiten Fortbildungsmaßnahmen gab es 387 Teilnehmer. Darüber hinaus gab es die so genannten regionalen Fortbildungsmaßnahmen. Im Jahr 1999 waren hier allein 1.334 Teilnehmer angemeldet und mit Stand Oktober 2000 449 Teilnehmer. Letzte Fortbildungsmaßnahmen im Komplex sind die so genannten innerschulischen Maßnahmen, da gab es im Jahr 2000 allein 879 Teilnehmer. Ein Beispiel vielleicht auch aus der Anmeldungsliste für Fortbildungsmaßnahmen. Wenn man sie genau studiert, so kann man z.B. für den 9. März 2001 die Maßnahme "Gewalt und Aggression in der Schule" feststellen, hier gab es eine maximale Teilnehmerzahl von 15 und immerhin haben sich nur für die eine Maßnahme 62 Lehrer angemeldet und Interesse angezeigt. Also, Sie sehen, auch die Lehrer kommen ihrer Pflicht und ihrer Verantwortung nach.
Verehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, abschließend auf eine Tendenz bei der Beschäftigung mit dem Problem Extremismus hinzuweisen, der aus meiner ganz persönlichen Sicht ebenfalls künftig noch intensiver Rechnung zu tragen ist, und zwar die Zäsur, die Ihnen heute auch vom Ministerpräsidenten dargestellt worden ist. Die Zäsur ist der 11. September dieses Jahres. Hier möchte ich nicht verschweigen, dass es mich schon verwundert, dass in dem Redebeitrag von Frau Pelke zu diesem Aspekt kein Wort verloren worden ist, wobei Sie doch im Bund in der Verantwortung stehen. Normalerweise hätten Sie doch hier auch ein klares Bekenntnis abgeben müssen. Aber, was ich hier sage...
(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Sie kennen doch gar nicht unsere Rednerliste. Warten Sie doch mal ab.)
Ich warte immer ab, Herr Gentzel. Das Problem ist doch hier das Problem des Ausländerextremismus. Auch dieses Problem möchte ich hier tabulos einmal ansprechen. Wenn Sie den Verfassungsschutzbericht 2000 hernehmen, und den haben Sie ja alle bekommen, so können Sie feststellen, dass es allein in Deutschland 60.000 potenzielle ausländische Extremisten gibt, davon sind allein 30.000 gewaltbereit, eine enorme Zahl. Ich denke, auch in den Thüringer Schulen muss man sich mit diesem Phänomen, der Verfassungsschutz macht es bereits, tabulos auseinander setzen. Warum sage ich das? Weil mich eben einige Aktionen der jüngsten Vergangenheit, der letzten Tage, doch etwas irritieren. Ich sehe Demonstrationszüge und ich muss erkennen, dass hier Opfer und Täter vermischt werden. Auf einmal werden aus Opfern Täter. Ganz konkret meine ich hier die USA. Die USA wird hier, ein Bündnispartner von uns, auf das Schimpflichste beleidigt. Das kann ich nicht nachvollziehen, oder auch Demonstrationen gegen Israel. Ich denke, hier ist ein klares Bekenntnis zum Staate Israel, auch zu unserem Bündnispartner zu den USA einfach vonnöten.
Ich muss eingestehen, das ist auch meine persönliche Meinung, in der Tat gibt es für mich eine Schieflage auch bei einigen Schülern und vielleicht auch bei einigen Lehrern. Ich denke, dass das Bild von Israel und von den Vereinigten Staaten von Amerika bei einigen Lehrern und Schülern eine gewisse Schräglage erlitten hat. Das hat natürlich auch Ursachen. Ich denke, hier schwingt noch ein altes Feindbild mit, das in der Zeit vor 1989 vermittelt worden ist, vielleicht auch an Lehrer vermittelt worden ist. Ganz konkret denke ich hier auch an ein Buch, das ich übrigens selbst zu Hause auch in meiner Bibliothek habe, aber es ist ein fürchterliches Buch "Israel intern". Ich denke, hier schwingt die Meinung dieses Buches "Israels intern", einige von Ihnen werden es sicherlich kennen, enorm mit. Ich denke, hier gibt es einen ganz großen Nachholbedarf, dass dieses Bild, was dort verbreitet worden ist, nicht auch bei unseren Schülern mitschwingt.
Also auch hier gibt es in der Tat einen Nachholebdarf, aber, ich denke, die Lehrpläne werden diesem Aspekt Rechnung tragen und werden auch in der Zukunft darauf eingehen, denn der 11. September, und da stimmen Sie mir sicherlich zu, verlangt seine Konsequenzen. Wir haben zumindest die Konsequenz im Freistaat Thüringen getroffen und befinden uns auf dem richtigen Weg. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, längst ist ein trauriger Gewöhnungseffekt eingetreten, nur noch einzelne, besonders brutale rechtsextreme Gewalttaten erregen bundesweit Aufsehen. Unzählige Vorfälle tauchen, wenn überhaupt, nur noch als kleine Meldung in der Tagespresse auf. Der Skandal wird achselzuckend zur Kenntnis genommen, wir haben es mit einer Veralltäglichung rechtsextremer Gewalt zu tun.
(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Die Bevölkerung ist gerade sensibler geworden und schaut nicht weg.)
Wir schauen weg, wo wir hinsehen müssten, so, meine Damen und Herren, die Analyse von Hans-Georg Golz im Deutschlandarchiv 3/2000 "Rechtsextreme Jugend Gewalt in Deutschland".
Meine Damen und Herren, Gewaltbereitschaft und fremdenfeindliche Einstellungen in breiten Bevölkerungsschichten und "leere Institutionen", um einen Begriff von Heidmeyer zu verwenden, also Institutionen, die nicht falsch oder verharmlosend reagieren, wirken zusammen und führen im Ergebnis zu einer Alltagskultur, in der die alltägliche Diskriminierung von Fremden und anderen überhaupt nicht mehr als Problem wahrgenommen wird, sondern sie gilt als normal und damit als berechtigt. Rechtsextreme Einstellungen und Verhaltensweisen werden nicht scharf zurückgewiesen und werden so Teil der Alltagskultur. Meine Damen und Herren, die Jenaer Studie macht die Gefährdungen für die demokratische Kultur deutlich. Das bedeutet allerdings, dass ich nicht wesentliche Zahlen ausblenden darf, sondern ich muss mich mit ihnen auseinander setzen. Nun kann ich natürlich wie Herr Dr. Vogel sagen, die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung lehnt rechtsextremistische und ausländerfeindliche Ein
stellungen ab. Ja, noch erfreulicher, sagt er, die Jugendlichen sind weniger rechtsextrem als die Älteren. Das ist natürlich richtig. Richtig ist aber auch, dass 19,4 Prozent der Thüringer Jugendlichen und 20,4 Prozent der Thüringer Erwachsenen rechtsextreme Einstellungen äußern. Das heißt, jeder fünfte Thüringer äußert rechtsextreme Einstellungen und das ist die zweite Seite der Medaille und die können und dürfen wir nicht ausblenden.
Meine Damen und Herren, Rechtsextremismus ist beileibe kein Jugendproblem, wie diese Zahlen auch ausweisen. Gerade in der latenten Zustimmung der Erwachsenengesellschaft liegt das gefährlichste Moment rechtsextremer Jugendgewalt in den neuen Ländern. Die Jugendlichen fühlen sich häufig als Vollstrecker dessen, was die Erwachsenenwelt vordenkt, und gut die Hälfte der Thüringer halten Deutschland für überfremdet. Angesichts solcher Zahlen, meine Damen und Herren, spielt die CDU mit dem Feuer, wenn sie erneut, wie Herr Koch in Hessen, ausländerfeindliche Ressentiments im anstehenden Bundeswahlkampf bedienen will, anstatt
einen sachgerechten Kompromiss zu suchen, der das Einwanderungsland Bundesrepublik wirklich anerkennt und die Zuwanderung reguliert. Meine Damen und Herren, auch in Thüringen haben wir es mit einer Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer zu tun, das heißt mit fremdenfeindlichen Fantasien. Daraus haben wir ebenso die Schlussfolgerung zu ziehen wie aus der Tatsache, dass rechtsextremes Einstellungspotenzial abhängig ist vom Bildungsstatus aber auch vom Erziehungsziel. Michael Edinger und Andreas Hallermann haben das in einer profunden Analyse für Thüringen nachgewiesen, nachzulesen in der Zeitschrift für Parlamentsfragen 2001, Heft 3. Sie kommen zum Ergebnis, dem Bereich der Erziehung bzw. der Sozialisation im Allgemeinen verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen, ich zitiere: "Für staatliche und zivilgesellschaftliche Maßnahmen gegen die autoritären Wurzeln des Rechtsextremismus legt dieser Befund nahe, langfristigen, beispielsweise auch auf Persönlichkeitsbildung und Werteerziehung gerichteten Programmen den Vorrang einzuräumen." Meine Damen und Herren, es ist richtig, Schule muss sich in Zukunft verstärkt auf ihre Erziehungsleistung besinnen.
Gerade ein Leben in einer von Konflikten bedrohten Welt verlangt nach einer Erziehung zur Friedfertigkeit, zur Hilfsbereitschaft, zur Solidarität und auch zur Achtung der Würde des anderen. Die Ausbildung von Wertorientierungen und demokratischen Tugenden setzt allerdings Gelegenheiten zum Erleben und Erfahren dieser Strukturen und Verhaltensweisen voraus. Werte müssen aktiv vorgelebt werden und das heißt auch, wir müssen von
unseren Pädagogen verlangen, dass sie fremdenfeindlichen Stimmungen entgegentreten. Wolfgang Thierse hat es auf den Punkt gebracht: "Ein Teil unserer Lehrerinnen und Lehrer hat aus ihren missglückten Erfahrungen die falsche Konsequenz gezogen, nie wieder ideologisch politisch sein zu wollen. Es gehört aber zum Wesentlichen von Erziehung, dass man eine eigene Position hat, dass man als Demokrat kenntlich ist und Grenzen aufzeigt, wenn es um inhumane Ideologie, wenn es um inhumanes Verhalten geht." Meine Damen und Herren, eine demokratische Schule, die die Schüler als demokratische Mitglieder ihres Alltags ernst nimmt, ist noch immer der beste Beitrag auch gegen Rechtsextremismus. Nicht Einzelaktionen, sondern die stete Wahrung eines demokratischen Schulklimas ist erforderlich. Da reicht es nicht aus, auf einige Maßnahmen und Projekte hinzuweisen und dann zu schlussfolgern, man habe, ich zitiere die Regierungserklärung: "... den einschlägigen Themenstellungen umfassend Rechnung getragen.". So einfach, Herr Ministerpräsident, ist es leider nicht. Auch der Beitrag der angekündigten Schulgesetznovelle ist hier, um es freundlich zu sagen, eher peripher. Was wir brauchen, ist ein Beratungsnetzwerk in der schulischen Arbeit, um die Bereitschaft zur schulischen Auseinandersetzung mit allen Formen der Gewalt, des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit zu fördern, Hilfe und Unterstützung bei der offenen Auseinandersetzung mit diesen Problemen zu leisten und nicht zuletzt damit langfristige Prävention zu ermöglichen. Ich kann Herrn Prof. Dr. Harald Dörig nur zustimmen, wir brauchen ordnungsrechtliche Grundsätze zum schulischen Konzept gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Das Kultusministerium sollte engagiertes Handeln der Schulen und ihrer Lehrer rechtlich absichern. Hier ist ein großer Handlungsbedarf.