Protocol of the Session on May 18, 2001

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Zahl ist schon genannt worden, ich will sie trotzdem noch einmal sagen. Wir haben es mit 1,85 Milliarden bezahlten Überstunden zu tun und es ist ermittelt worden, dass für Thüringen in etwa bezahlte Überstunden von deutlich über 50 Millionen nachweisbar sind. Experten gehen übrigens davon aus, das sagte Herr Lippmann und das kann ich nur bestätigen, dass die reale Zahl sogar doppelt so hoch liegt wie die der bezahlten. Aber wir sind uns einig, dass wir natürlich nur diesen einen Teil betrachten können. Auf der anderen Seite, das hatten wir heute auch schon mehrfach diskutiert, haben wir nahezu 200.000 registrierte Arbeitslose. Das heißt also, wir haben von diesem Strukturproblem gesprochen und angesichts dieser Überstundensituation, dieser Überstundenbelastung, die es natürlich auch für die Menschen darstellt, sehen wir als PDS-Fraktion einen dringenden Handlungsbedarf, dieses Überstundenpotenzial abzubauen und in diesem Zusammenhang neue Arbeitsplätze zu schaffen. Natürlich, Herr Bergemann, da haben Sie völlig Recht und das wird auch von unserer Seite unbestritten immer wieder so vertreten, aber es ist außerdem erste Pflicht der Tarifpartner, dass diese Frage geklärt wird. Aber, Herr Bergemann, und da unterscheiden wir uns, es gibt schon eine Verantwortung der Politik. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden sind wir der Auffassung, dass die Landesregierung durchaus tätig werden sollte. Die Landesregierung sieht eine Möglichkeit darin - und Herr Lippmann hat die Aktivierung des Bündnisses für Arbeit angesprochen -, dass im Zusammenwirken mit Kammern und Unternehmensverbänden und den Gewerkschaften Modelle für den Abbau von Überstunden und zur Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen entwickelt und dazu entsprechende Anreize gegeben werden. Es gibt solche Erfahrungen ganz konkret, Herr Bergemann. Im Bereich des Arbeitsamtes Neuwied z.B. konnten die Überstunden durch die Einstellung von Arbeitslosen um nahezu 40 Prozent reduziert werden und auch solche Ziele sollten von Seiten der Landesregierung als Fördermöglichkeiten in den arbeitsmarktpolitischen Programmen als Schaffung zusätzlicher

Anreize eingebaut werden. Solche Modelle müssen aber erst entwickelt und dann vor allem praxiswirksam umgesetzt werden. Auch diesem dient eigentlich die Diskussion zu diesem Antrag, denn die Aufgabe, und da sind wir uns wieder völlig einig, ist nicht einfach und ist nicht auf die Schnelle lösbar.

Das ist übrigens auch ein Problem, was nicht nur jetzt, sondern in früheren Jahren in dieser Form existierte. Und deshalb ist in dieser Frage Kompromissbereitschaft und Flexibilität nötig; da haben wir keine andere Auffassung, Herr Lippmann. Aber wir können uns beispielsweise vorstellen, dass die entstehenden Arbeitsplätze zunächst bei Notwendigkeit auch befristet ausgestaltet werden. Nur eines sollte klar sein: Die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen ist eine so bedeutende Zukunftsaufgabe, dass sich die Landesregierung ihr nicht entziehen kann. Es geht ja an dieser Stelle um Größenordnungen. Ich mache die Milchmädchenrechnung. Es geht immerhin um die Größenordnung von rund 15.000 Arbeitsplätzen, die theoretisch in dieser Richtung geschaffen werden. Selbst wenn da nur ein Teil übrig bleibt, wäre das schon ein Erfolg, auch vor dem Hintergrund der Zahlen, die wir aus den Nutzeffekten der Arbeitsmarktprogramme, die von Landesregierungsseite aufgelegt wurden, als Vergleichswerte heute gehört haben.

Eine weitere Forderung richtet sich darauf, Arbeitsmarktpolitik durch die Einführung von Arbeitszeitkonten - auch das hat Herr Lippmann gesagt, da sind wir auch einer Meinung - für die Beschäftigten zu modellieren. Auch da sehen wir ein Instrument, Überstunden abzubauen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten aufzubauen. Dort können die Überstunden angespart und dann durch Freizeit ausgeglichen werden, Herr Lippmann. Aber wir sind natürlich der Auffassung, dass es zwingend geboten ist, solche Arbeitszeitkonten auch konkurssicher zu machen. Es kann nämlich nicht sein, dass auf Monate Konten angespart werden und wenn es dann um die Wahrnahme des Guthabens auf dem Konto geht, dass dann plötzlich festgestellt wird, tut uns Leid, es ist die Betriebsschließung, du hast halt für nichts gearbeitet. Diese Sicherheit haben wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht und auch an der Stelle wäre zumindest zu überlegen, welche Möglichkeiten zur Gestaltung und zur Erhöhung der Sicherheit für die Arbeitnehmer es gibt, um diese Modelle ins Leben zu rufen. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Lebensarbeitszeitkonten, die zu einem früheren Renteneintritt genutzt werden könnten. Schulte hat in diesem Zusammenhang gesprochen, der Handwerkspräsident Philipp äußerte sich in dieser Art und Weise. Das heißt, es sind unterschiedlichste Möglichkeiten denkbar. Aber es gilt, die Diskussion in Thüringen erst einmal wieder zu öffnen und den Prozess entsprechend anzustoßen. Hier, Herr Minister Schuster, könnten in Ihrem Haus entsprechende Aktivitäten eingeleitet werden, zum Beispiel auch, indem wir uns diesem Problem etwas stärker nähern, indem wir Wissenschaftsgremien mit einbeziehen bzw. einen Forschungsauftrag vergeben, der die Moderation eines solchen Gestaltungspro

zesses zwischen den Tarifpartnern stärker unterstützt und sichert, dass entsprechende Anreize geschaffen werden. Hier wäre Kreativität gefragt, die in einem solchen Diskussionsprozess mit Sicherheit entstehen könnte.

Meine Damen und Herren, ganz aktuell bin ich der Auffassung, dass es sich lohnt, etwas stärker darüber nachzudenken. Deshalb will ich die Punkte erst noch einmal schnell zu einem ganz praktischen Beispiel zusammenfassen. Es wird darüber geklagt, dass es nicht möglich ist und deshalb zusätzliche Maßnahmen getroffen werden müssen, dass in den Banken 70 Stunden und mehr gearbeitet werden muss im Rahmen der Euro-Umstellung. Wir haben noch ein Dreivierteljahr, ein halbes Jahr Zeit, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Auch dort wäre denkbar, dass, und sei es befristet, mit zusätzlichen Arbeitskräften ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Entspannung der Arbeitsmarktsituation im Freistaat geleistet werden könnte, wenn wir uns diesem ganz konkreten und praktischen Problemfeld zuwenden würden. Aber das ist nur ein Beispiel. Es würden jedem anderen, und da nehme ich an, Ihnen auch von der CDU-Fraktion, entsprechende Beispiele einfallen, die es deutlich machen, dass wir hier ein Gestaltungsmoment besitzen, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genutzt wird.

Der dritte Bestandteil, Herr Lippmann, auf eine Bundesratsinitiative hinzuwirken, die sichert, dass das Arbeitszeitgesetz so geändert wird, dass höchstens 48 Stunden Wochenarbeitszeit bindend vorgeschrieben werden. Das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz, das wissen wir, ermöglicht eine Wochenarbeitszeit von 60 Stunden. Damit sind Überstundenbelastungen nicht ausgeschlossen, die auch ganz nachhaltig und massiv zu entsprechenden gesundheitlichen Belastungen führen.

Und, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang muss ich darauf verweisen, dass es mittlerweile ein Urteil des Arbeitsgerichts Gotha gibt, das auf die Defizite der Arbeitsgesetzgebung hinweist. Auch daraus und aus der Existenz der entsprechenden Richtlinien der EU, die im nationalen Recht nicht adäquat umgesetzt werden, sehe ich den Handlungsbedarf, und das war der Hintergrund unseres zweiten Punktes in diesem Änderungsantrag. Deshalb sind wir der Auffassung, dass wir über diesen Antrag im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik noch einmal reden sollten, um entsprechende Vorschläge für die gegenwärtige Situation herauszufiltern und entsprechende Vorstellungen noch einmal diskutieren zu können. Herr Bergemann hat erklärt, dass das von CDU-Seite nicht gewollt ist.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Ich habe es begründet.)

Für den Fall, dass Sie diesen Antrag heute gleich abstimmen wollen, dann würden wir getrennt über die Punkte 1 und 2 abstimmen wollen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Für die Landesregierung hat sich Minister Schuster zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, das Thema Überstunden hat eine betriebswirtschaftliche und eine volkswirtschaftliche Komponente. In betriebswirtschaftlicher Hinsicht sind Überstunden Flexibilitätspuffer, um Auftragsspitzen und personelle Engpässe zu überwinden. Würde man diese nicht vorsehen oder zulassen, dann wäre dies gleichbedeutend damit, dass Wachstumschancen nicht genutzt, zusätzliche Arbeitsplätze nicht geschaffen würden und damit kontraproduktive Wirkungen die Folge wären.

Beschäftigungspolitische Relevanz haben allenfalls solche Überstunden, die regelmäßig vorkommen, kontinuierlich anfallen und die über einen längeren Zeitraum in großem Umfang geleistet werden. Gerade dazu gibt es aber derzeit jedenfalls kein belastbares Zahlenmaterial. Nun gibt es die Vorstellung, dass eben Überstunden sofort bei Überschreitung der vorgegebenen Sollarbeitszeiten zu zusätzlichen Personaleinstellungen führen sollen. Wollte man dies realisieren, müsste man das Gegenteil auch zulassen, nämlich bei Beschäftigungsschwankungen, bei Auftragsschwankungen auch Entlassungen zuzulassen. Das heißt, man käme zu einem System des "hire and fire", was wir sicherlich nicht wollen und unterstützen könnten.

Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Gerstenberger.

Herr Minister, zum nicht belastbaren Zahlenmaterial: Der aktuelle Mikrozensus, der erhoben wurde, sagt, 123.000 in Thüringen Beschäftigte geben an, regelmäßig mindestens ein bis zwei Überstunden zu machen. Es gibt da noch für andere Gruppen Abstufungen. Es gibt also im Mikrozensus eine in mehreren Tabellen aufgestrippte zahlenmäßig gestaffelte Untersuchung, die durchaus belastbar wäre.

Nein, solche globalen Zahlen geben gar nichts her, weil man keine Rückschlüsse treffen kann auf das Unternehmen, auf die tatsächliche Situation im Unternehmen, auf die Zahl der Fälle usw. Wenn man Zahlen erhebt, dann muss man sie unternehmensscharf erheben, dann muss man sehr konkret Nachweise führen. Mit solchen Angaben, glaube ich, kann man relativ wenig anfangen.

Will man Überstunden in neue Arbeitsplätze umwandeln, dann gibt es, denke ich, nur ein Instrument, um dies zu erreichen, nämlich eine flexible Arbeitszeitpolitik zu realisieren. Genau dies ist der Ansatz, der auch von den Tarifparteien propagiert wird. Zum Zweiten, glaube ich, ist ein solches Instrument nur in Verhandlungen der Tarifpartner zu vereinbaren und nicht staatlicherseits in irgendeiner Weise vorzugeben.

Flexible Arbeitszeitpolitik, was heißt das? Das heißt, es sollen Arbeitszeitkonten geführt werden, und zwar nicht kurzfristig, sondern längerfristig, weil man nur im längerfristigen Vergleich ermitteln kann, ob das Thema "Überstunden" ein generelles Problem ist. Zum Zweiten, ob eigentlich eine personelle Kapazitätsausweitung im Unternehmen längst überfällig ist. Zum Dritten, weil man nur mit solchen längerfristigen Arbeitszeitkonten auch Flexibilität etwa im Bereich der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen schaffen kann usw., usw.

Herr Gerstenberger, Ihre Sorge, dass bei Konkursfällen Ausfälle entstehen können, die kann man regeln, indem man zwischen Arbeitszeitnachweis und Gehaltsabrechnung unterscheidet. Da kann man unterschiedliche Regelungen miteinander kombinieren.

Es geht darum, solche Wege mit längerfristigen Arbeitszeitkonten zu gehen, um zu ermitteln, ob diese Situation gegeben ist, dass man aus Überstunden Neueinstellungen machen sollte. Darüber war man sich beim Bundeskanzler im Bündnis für Arbeit einig. Ich denke, dies ist auch der Weg, den uns nun die EU mehr und mehr vorgeben wird. Dies ist der Weg, der sicher auch in unserem Lande richtig ist. In keinem Fall wäre es sinnvoll und vertretbar, eine eigene Bundesratsinitiative zu unternehmen, um staatliche Reglementierungen herbeizuführen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Doch, Abgeordneter Ramelow, bitte schön.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben beantragt, den Antrag an den Ausschuss zur Weiterberatung zu überweisen. Ich möchte das wiederholen, bevor wir einfach jetzt abstimmen, denn, sehr geehrter Herr Minister, die Konkurssicherung im deutschen Arbeitsrecht ist nicht gegeben. Auch die Trennung, die Sie gerade vorgeschlagen haben, sage ich als Tarifrechtler, ist nach dem deutschen Konkursrecht derzeit nicht möglich. Deswegen haben wir hier auch nicht vorgeschlagen, oder dies ist kein Antrag, die Landesregierung vorzuführen oder irgendwie zu sagen, die Landesregierung hätte hier zu wenig gemacht, sondern dies ist ein Antrag, wo wir sagen könnten, wie wir Modelle entwickeln und zwar gemeinsam Modelle entwickeln zwischen den Tarifparteien und der gesetzgebenden Gewalt, weil es einfach bestimmte Punkte gibt, die gesetzlich verändert werden müssten. Das wird man erst im Zuge von Modellen feststellen. Ich erinnere daran, dass es in Thüringen eine gute Initiative für Mitarbeiterbeteiligung gab. Bei dieser Initiative, auf Anregung des Ministerpräsidenten, haben die Tarifpartner festgestellt, was alles gesetzlich geändert werden müsste. Leider ist der nächste Schritt dann nicht erfolgt, weil wir ihn auch hier nicht mehr weiter so gehen konnten. Bei der Frage Überstunden könnten wir neue Wege gehen, wenn wir Modelle ausprobieren.

Das deutsche Arbeitsrecht kennt nur Wochenarbeitszeit als gesetzliche Grundlage und erst im Zuge des Tarifrechts sind in Tarifverträgen Monatsarbeitszeitberechnungsgrundlagen eingeführt worden. Das Thema Jahresarbeitszeit ist derzeit gesetzlich nicht abgesichert. Es sind Betriebsvereinbarungen in großen Konzernen, die so praktiziert werden. Aber die Konkurssicherheit, die gibt es nur beim Altersteilzeitgesetz. Nur im Altersteilzeitgesetz kennt man die Vorschrift, dass Konkurssicherheit bei Fünf-Jahres-Arbeitszeitverträgen hergestellt werden muss. Ich glaube, dass wir alle zusammen als gesetzgebendes Parlament darauf hinweisen müssen, dass die Tarifautonomie in den gegebenen Bereichen so eingeengt ist, dass das, was wir an Modernisierung bräuchten, nicht hergestellt werden kann. Das war der Grund zu sagen: Ist es möglich, Modelle zu erarbeiten und aus den Modellen dann zu sagen, was ansonsten gesetzlich noch verändert werden müsste.

Über den zweiten Punkt zur Bundesratsinitiative mag man kräftig streiten. Der Kollege Lippman hat darauf hingewiesen, dass die SPD an dieser Stelle große Probleme hat. Der Kollege Bergemann hat gesagt, dass auf Bundesebene geprüft wird. Ich erinnere aber an meine Mündliche Anfrage zum Thema Gothaer Arbeitsgericht, das Beschlussverfahren und die Feststellung, dass die ganzen Überstunden und Bereitschaftsstunden nicht EU-konform sein sollen. Da hat der Herr Staatssekretär Maaßen darauf hingewiesen, dass die Gefahr besteht, dass möglicherweise im Moment nur ein Gericht sich dazu geäußert hat. Es kann im Zuge einer vielfältigen Gerichtsauseinan

dersetzung dazu führen, dass wir eine ganze Reihe von unterschiedlichen rechtlichen Einzelfallentscheidungen kriegen, aber zu keiner gemeinsamen Linie kommen. So ist es gemeint, zu sagen, können wir nicht Überstunden im Rahmen von Modellprojekten zusammenfassen, um dann festzustellen mit den Tarifparteien, mit den Betriebsparteien, so könnte es gehen und diese und jene gesetzlichen Änderungen bräuchten wir. Das war unser Anliegen. Deswegen schlagen wir vor, es in den Ausschuss zu nehmen und dann zu schauen, ob oder was daraus gemacht werden könnte. Einfach nur zu sagen, so geht es gar nicht, hilft den Tarifparteien nicht weiter.

Ich sage als überzeugter Anhänger der Tarifautonomie, es geht nicht um den Eingriff in die Tarifautonomie. Aber als jemand, der jahrelang Verhandlungen geführt hat, weiß ich, dass die gesetzlichen Grenzen so sind, dass, wenn man legal neue Wege gehen will, man immer wieder an die Ecken des bestehenden Arbeitsrechts kommt. Das Anliegen dieses Antrags war, zu sagen, lasst uns ausprobieren, ob es ein paar andere Wege gibt und dann kann man immer noch sagen, dieses und jenes kann gemacht werden und dieses und jenes kann fallen gelassen werden. Ich bitte also um Überweisung an den Ausschuss.

(Beifall bei der PDS)

Nun liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache und wir kommen zu diesem Überweisungsantrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön, das dürfte einstimmig sein. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Es wird fortberaten in dem Ausschuss. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13. Geschäftsordnungsantrag, Herr Stauch.

Frau Präsidentin, wir beantragen gemäß der generellen Absprache im Ältestenrat - Aufruf letzter Tagesordnungspunkt vor 19.30 Uhr.

19.30 Uhr, ja. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Das ist die Mehrheit. Gibt es Gegenstimmen? Es gibt einige Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? Es gibt zwei Stimmenthaltungen.

Wir werden dann also 19.30 Uhr den letzten Aufruf vornehmen, aber jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 14 auf.

Bundesratsinitiative als Beitrag zur Abfallvermeidung Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1551

Die einreichende Fraktion hat Begründung durch Frau Abgeordnete Sedlacik beantragt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Abfallwirtschaftsplan Thüringens, Teilplan Siedlungsabfälle, wird dargelegt, dass neben dem Bundes- auch das Landesabfallrecht dem Vorsorgeprinzip als oberstem Grundsatz der Abfallvermeidung folgt. Warum also stellt nun die PDS einen Antrag mit dem Titel "Bundesratsinitiative als Beitrag zur Abfallvermeidung",

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Das frage ich mich auch.)

wo doch die Umsetzung des in der Antragsbegründung aufgeführten Landesabfallwirtschaftsplanes Sache der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ist? Nun, wir finden im Landesabfallwirtschaftsplan, der im Staatsanzeiger 50/2000 veröffentlicht wurde, folgende Passage dazu. Ich bitte zitieren zu dürfen: "Produkte sollen möglichst so gestaltet werden, dass bei Herstellung und Gebrauch das Entstehen von Abfällen vermieden wird und die umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung entstandener Abfälle sichergestellt ist. Das Produktdesign soll möglichst so gewählt werden, dass die Produkte in Bezug auf ihre Funktionalität, ihre Reparaturfreundlichkeit und mehrfache Nutzung eine möglichst hohe Langlebigkeit gewährleistet. Vorrangig sollten bei der Herstellung von Produkten sekundäre Rohstoffe eingesetzt werden, die zur Substitution von Rohstoffen aus Abfällen gewonnen werden. Energie und Rohstoffe sollen eingespart, die Ressourcen geschont und nachwachsende Rohstoffe stärker genutzt werden. Eine verantwortungsvolle Wahrnehmung der Produktverantwortung ist auch gleichzeitig die Grundlage für die Änderung des Konsumverhaltens der Bürger." Der Passus endet mit folgender Aufgabenstellung: "Durch die Einbeziehung der Entsorgungskosten in den Produktpreis ist die Kaufentscheidung des Bürgers zugunsten langlebiger, reparaturfreundlicher und wieder verwendbarer Erzeugnisse beeinflussbar." Leider haben die fähigen Mitarbeiter des zuständigen Ministeriums, die diese zukunftsweisende Passage in den Landesabfallwirtschaftsplan aufnahmen, sich zu der Realisierung dieser Aufgabe in Schweigen gehüllt. Eine Umsetzung durch einen einzelnen Kreis würde nämlich bedeuten, dass dort z.B. ein Fernseher wesentlich mehr als im Nachbarkreis kosten würde, da die Entsorgungskosten ja aufgeschlagen würden. Außer ein paar überzeugten Umweltpolitikern wäre wohl

kaum jemand bereit, in diesem Kreis diesen Fernseher zu kaufen. Die kostenlose Rücknahme der Geräte würde sicherlich eher in Anspruch genommen werden. Um solche Wettbewerbsverzerrungen im Sinne unseres heimischen Handels zu vermeiden, ist eine bundesweite Lösung notwendig. Auch eine EU-weite Regelung wäre anzustreben. Da Sie es doch hoffentlich mit der Umsetzung Ihrer Vorschläge ernst meinen, gehen wir von einer Unterstützung durch die Landesregierung aus. Eine Bundesratsinitiative als Beitrag zur Abfallvermeidung soll auf den Weg gebracht werden, um somit einen rechtlichen Rahmen für diesen richtigen Weg zu setzen.

(Beifall bei der PDS)

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Antrag. Als erste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Becker, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, alles schlechte im Leben ist für etwas gut. Sicherlich eine Lebensweisheit, die nicht nur meine Großmutter gern weitergegeben hat, sie trifft auf unser heutiges Thema Abfall und die Umlegung der Entstehungskosten auf Produktpreise zu. Man kann auch sagen: hilft, aber nutzt nichts. Denn es hilft zwar, dass wir uns heute mit diesem Antrag sicherlich alle beschäftigen und auch die CDU-Fraktion, davon gehe ich aus, wird diesem Antrag zustimmen, denn wie Frau Kollegin Sedlacik schon gesagt hat, in ihrem Landesabfallentsorgungsplan stehen die Passagen drin, und Herr Minister, auch die Landesregierung hat ja im Klimaschutzprogramm dazu gesprochen und hat gesagt, dass es sehr wichtig ist, dass wir Abfall vermeiden. Es nützt aber nichts, wenn wir uns allein mit dem Thema befassen, denn der Bund und die EU müssen diese Sachen umsetzen. Auf der Bundesebene gibt es einzelne Ansätze, z.B. die Batterieverordnung, aber eine einfache Rücknahmepflicht ist unserer Meinung nach zu wenig. Volkswirtschaftlich wäre die unmittelbare Belastung der Produkte mit den Entsorgungskosten am sinnvollsten, denn nur so kann erreicht werden, dass diejenigen mit den Kosten der Entsorgung belastet werden, die den Nutzen aus der Herstellung und dem Gebrauch dieser Produkte ziehen, nämlich die Hersteller und Verbraucher, nicht aber die Allgemeinheit. Eine Gesetzesinitiative halten wir deshalb für sinnvoll. Die Durchsetzbarkeit einer Zwangsabgabe ist sicherlich politisch sehr schwierig. Wie schwierig es ist, gute umweltpolitische Vorgaben einzuhalten, zeigt das Beispiel der Verpackungsverordnung - vom CDU-Umweltminister Töpfer auf den Weg gebracht, von Frau Merkel novelliert und jetzt die Umsetzung durch die rotgrüne Bundesregierung. Das Pfand auf Dosen und Einwegflaschen wird von der Bevölkerung überwiegend positiv angenommen, aber die Wirtschaft sträubt sich und schon fallen einzelne Bundesländer um. Die einen sagen so, die anderen sagen so.

(Heiterkeit bei der CDU)

Bei uns in Thüringen sagte Minister Sklenar noch im Dezember, das Pfand kommt auf jeden Fall, aber gestern bei den Umweltministern in Bremen sagte der Staatssekretär, es kommt nicht mit Thüringen. Also fragen wir uns, was will diese Landesregierung überhaupt?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Der eine so, der andere so.)

Ja, natürlich, das ist sehr vernünftig, Herr Althaus, wenn Sie so weitermachen, wird es sicherlich in 2004 eine entscheidende Frage geben. Dann fragt man sich, wen man von dieser CDU noch wählen kann, das ist richtig.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Frau Becker, das ist schlecht, wenn Sie das aus dem Zusammenhang herausreißen.)

(Unruhe bei der CDU)

Nein, ich habe es nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Sie haben gesagt im Dezember, das Pfand kommt auf jeden Fall, wir müssen nur noch klären, dass nicht nur die Bierdose bepfandet wird, sondern auch die Coladose. Das haben Sie im Dezember gesagt. Jetzt gibt es die Alternative, dass auch die Coladose bepfandet wird und jetzt sagen Sie wieder Nein. Es gab keine Alternative dazu.