Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Gesamtsicht der Einzelquoren mit Blick auf das Gesamtsystem "direkte Demokratie" wird exakt genauso gesehen von der Kommission des SPD-Parteivorstandes, der Arbeitsgruppe unter Frau Bundesministerin Herta Däubler-Gmelin. Wenn Sie die Varianten, die vorgeschlagen sind, zur Kenntnis nehmen, können Sie durchgängig diese Systematik und diese Symmetrie zwischen den einzelnen Hürden erkennen. In keinem einzigen Fall ist auch nur annähernd ein Vorschlag unterbreitet worden, dem das Volksbegehren in Thüringen ähnelt, sondern durchgängig sind andere Hürden beschrieben. Sie können das im Detail in ihren eigenen Papieren nachlesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in der Union wird diese Debatte geführt, das ist heute mehrfach angesprochen worden, sehr zu Recht, weil es Länder gibt, die an dieser Stelle Nachholebedarf haben aus der Geschichte heraus.
In Nordrhein-Westfalen z.B., weil Herr Rüttgers ständig benannt wird, muss man schon nicht nur den Namen nennen, sondern auch nennen, wie zurzeit die Wirklichkeit ist. Dort müssen zurzeit 20 Prozent Unterschriften für das Volksbegehren gesammelt werden in 14 Tagen; auch im Saarland, weil Herr Ministerpräsident Müller immer wieder genannt wird, 20 Prozent in 14 Tagen. Selbstverständlich gibt es Nachholbedarf auch in den Ländern Deutschlands, aber nicht in Thüringen.
Wo ist eigentlich die Position der Thüringer SPD? Es geht der Thüringer SPD nach meiner festen Überzeugung um Polemik und Stimmung vor allem gegen die CDU.
Das entnehme ich der Tatsache - danke schön, dass Sie gesagt haben, ich hätte Recht -, dass Ihre eigenen Vorschläge aus der Partei nicht mit dem übereinstimmen, was Sie hier artikulieren.
Es ist schade, dass Sie als traditionsreiche Volkspartei nicht mehr Verfassungstreue haben, als Sie hier in Ihrer Rhetorik an den Tag legen.
Letzter und vielleicht wichtigster Punkt: In allen deutschen Ländern sind Volksbegehren zum Landeshaushalt ausgeschlossen
und auch das bereits zweimal erwähnte SPD-Papier schließt dies aus. Ich zitiere: "Die Volksinitiative darf nicht auf die Wahl/Abwahl von Personen, Wahlen oder Wahltermine oder auf die Veränderung von Finanz-, Steuer- oder Besoldungsregelungen gerichtet sein." In Thüringen aber soll nach dem Willen der Volksbegehrensinitiative dieses Finanztabu fallen, noch dazu durch eine Formulierung im Gesetzentwurf, der, zurückhaltend ausgedrückt, sehr interpretationsfähig ist. Deutlicher benannt: Sie ist ein entscheidender Eingriff in Parlamentsrechte durch die Hintertür, durch Verschleierung, ja, ich behaupte sogar in der Formulierung durch Täuschung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Budgetrecht ist der Kern der parlamentarischen Verantwortung, denn über das Haushaltsrecht erstritten die Parlamente in den Anfängen des Parlamentarismus wesentliche Rechte und Kompetenzen für die Volksvertretungen gegenüber den Staatsregierungen. Auch heute noch ist es so, dass mit Beschluss über den Haushalt entscheidend Politik gestaltet wird; denn der Haushalt, das ist hier auch schon oft gesagt worden, ist nun einmal nichts anderes, aber auch nicht weniger als in Zahlen und Beträge gegossene Politik. Möglicherweise liegt aber genau hier der Grund, weshalb die Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens den Zugriff auf das Haushaltsrecht erstreiten wollen. Der Gedanke hat aus Sicht der Opposition natürlich auch einen gewissen Reiz. Was man mangels Mehrheit im Parlament nicht erreichen kann, drückt man z.B. mit Hilfe von Parteiorganisationen oder Interessengruppen per Volksbegehren dann durch. Dass dabei Parlamentsrechte beschnitten und die repräsentative Demokratie in Gefahr ist,
unter den direkten Einfluss starker Verbände und Interessensgruppen zu geraten, wird billigend in Kauf genommen. Hier zeigt sich einmal mehr überdeutlich, es geht den Vorlegern des Gesetzentwurfs nicht um mehr Demokratie, sondern um eine andere Demokratie.
Und ich behaupte, dass damit die Handlungsfähigkeit in Frage gestellt ist, denn die politischen Folgen tragen die Regierung und dieses Parlament und das ist ein fatales Spiel mit Verantwortung.
Fazit: Ganz selbstverständlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, arbeitet auch die CDU für eine aktive Bürgergesellschaft. Ganz selbstverständlich
tragen wir zum Beispiel auch als Partei dazu bei, denn Tausende ehrenamtliche Kommunalpolitiker sind ein Beweis für dieses bürgerschaftliche Engagement.
Selbstverständlich respektieren wir nicht nur, sondern unterstützen auch dieses Grundanliegen der Initiatoren, Bürger noch aktiver für die Stärkung der Demokratie und für die Mitgestaltung zu motivieren.
Dies ist auch deutlich in unserem Wahlprogramm und dies wird auch deutlich z.B. über unsere eigene Arbeit innerhalb der Union.
Das hat auch etwas damit zu tun, dass durch die Argumentation und Diskussion im Land die Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungen, auch die Akzeptanz für politische Entscheidungen erhöht wird. Das ist eine stabilisierende Aufgabe, die wir als Vertreter des Volkes in diesem Landtag wahrnehmen müssen. Aber, und das sage ich ganz deutlich noch einmal, wir stehen ganz klar und auch ohne jede Diskussion zu dem, was das Grundgesetz ausdrückt, nämlich zum Vorrang der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie in Deutschland und in Thüringen.
Ich sage noch einmal, Vorrang, weil dies die grundgesetzliche Ordnung unwiderruflich will. Das ist gut so, das hat uns auch am Ende die Wiedervereinigung unseres Vaterlands möglich gemacht.
Es liegt doch auf der Hand, heute sind auch Beispiele genannt worden, es gibt eine beschränkte Anzahl von Entscheidungen, die z.B. dieses Parlament zu fassen hat. Diese beschränkte Anzahl von Entscheidungen muss man doch auch in ihrer Gesetzgebungsinitiative und Gesetzgebungswirklichkeit sehen. Jede Gesetzgebung, die durch Volksinitiative und Volksgesetzgebung zustande gekommen ist, ist doch dem Kompetenzbereich dieses Parlaments von vornherein entzogen. Deswegen muss es Hürden geben bei der direkten Mitbestimmung, die diesen verfassungsmäßigen Vorrang dieses hohen Hauses auch sichern. Diese Hürden kann man im Einzelnen diskutieren; ich habe
Beispiele genannt. Man kann über die Eingangshürde beim Volksbegehren diskutieren, man kann auch über die zweite Hürde diskutieren, aber man kann nicht den fatalen Eindruck vermitteln, in Deutschland an allen Stellen die niedrigsten Hürden herauszugreifen und nicht mehr auf die Gesamtsystematik zu achten.
Unsere Kritik bezieht sich vor allem auf die Kumulation der niedrigsten Hürden aus allen Beispielen in deutschen Landen und zum Zweiten auf den Tabubruch über den Haushalt. Das sind die beiden entscheidenden Punkte.
An dieser Stelle hat die Landesregierung die Pflicht, und das steht im Gesetz, zu prüfen, ob mit dieser Gesetzesinitiative nicht die verfassungsmäßige Wirklichkeit und grundgesetzliche Wirklichkeit in Deutschland und Thüringen verletzt wird, ja in Frage gestellt wird. Das ist der Auftrag zum Schutz aller Verfassungsorgane.
Eventuell gibt es aber auch bei den Initiatoren und Unterstützern ein entscheidendes und fatales Missverständnis. Auch das ist insbesondere aus den Aussagen von Herrn Schemmel mir so vorgestellt worden. Landtagsabgeordnete in diesem hohen Haus vertreten, so konnte ich hören, nur die Wahlberechtigten, die den Einzelnen konkret gewählt haben. Dies stimmt nicht, das wissen Sie. Im Gegenteil, das wäre sogar ein Verstoß gegen die Thüringer Verfassung.