In den Ausschüssen stellt sich jetzt Folgendes dar: In den großen Ausschüssen stellt es sich so dar, als wenn es ein Wahlergebnis 60 : 40 gegeben hätte - 60 zugunsten der CDU - und in den kleinen Ausschüssen, in so einem wichtigen Ausschuss wie z.B. dem Justizausschuss, haben Sie sich auf diese Art und Weise eine Zweidrittelmehrheit verschafft.
Wer das eigentliche Wahlergebnis kennt, der sieht, wie absurd diese Zweidrittelmehrheit in einzelnen Ausschüssen ist. Ich denke weiterhin an Ihre Änderungsvorschläge...
(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Wie wol- len Sie Abgeordnete mit 0,3 Prozent in den Ausschuss setzen?)
Einen Moment, ich wiederhole es noch einmal: Jeder, der hier etwas beitragen möchte, hat die Möglichkeit, sich zu melden und hier vom Pult aus auch eine Rede zu halten.
Ich denke des Weiteren an Ihre Änderungsvorschläge zur Geschäftsordnung des Landtags mit der Aushöhlung der Minderheitsrechte, z.B. durch Verkürzung der Redezeiten der Opposition und Beschneidung der Fragerechte eine Reform, die offensichtlich jetzt sowieso ins Stocken gekommen ist, weil
die Allgemeinheit dieses nicht verstehen kann. Ich denke an das verkorkste Personalvertretungsgesetz, das durch die CDU in die Debatte gebracht wurde.
Und ich denke an die verschiedentliche Ausnutzung Ihrer Mehrheit, ich meine jetzt nicht in Sachfragen, dort habe ich vollstes Verständnis dafür, aber unter Missachtung von parlamentarischen Gepflogenheiten. Keine Angst, ich bleibe Ihnen die Beweise nicht schuldig. Ich erinnere mich an unseren Vorschlag, Frau Abgeordnete Doht zur Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses 3/2 zu machen, das war ein Vorschlag, der legitim war und uns zustand - von Ihnen abgelehnt.
Moment, Herr Abgeordneter Schemmel. Ich bitte noch einmal um Ruhe. Es kann hier jeder am Pult seine Meinung vortragen. Bitte.
Ich erinnere an den Abbruch der Landtagssitzung und ich erinnere auch an das unkorrekte Verfahren bei dem Bürgerbeauftragtengesetz,
als man in der zweiten Lesung plötzlich mit einem CDUgeänderten Gesetz erschien, das eigentlich dem Gesetzentwurf der ersten Lesung gar nicht mehr entsprach, und praktisch die anderen Fraktionen verwirrte. Jetzt wollen Sie mir eine Zwischenfrage stellen?
Herr Abgeordneter Schemmel, Sie sehen Herrn Abgeordneten Schwäblein am Mikrofon. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Schemmel, würden Sie die Möglichkeit einräumen, dass in diesem Parlament Ausschussvorsitzende geheim gewählt werden und demzufolge schwer oder gar nicht nachzuweisen ist, von wem die Nichtstimmen gekommen sind für Ihre Kollegin?
Sie haben teilweise Recht. Ich räume die Möglichkeit ein, aber ich kann mir trotzdem Vorstellungen machen.
Nach dem, was ich Ihnen jetzt alles genannt habe, diese Ausschussbesetzung, diese Änderung der GO, das verkorkste Personalvertretungsgesetz und die Missachtung von parlamentarischen Gepflogenheiten, da kann ich Ihnen nur noch sagen: Schärfen Sie doch erst einmal Ihr eigenes Demokratieverständnis! Denken Sie daran, mit welchem Zustimmungsquorum, bei welch geringem Beteili
gungsquorum Sie das Mandat für eine fünfjährige Alleinregierung erhalten haben. Dann sollten wir, wenn wir schon über Quoren nachdenken, bei den von Ihnen gezeigten Demokratiedefiziten auch einmal über vielleicht erhöhte Quoren für eine CDU-Alleinregierung nachdenken,
um Risiken für die Demokratie abzuwenden. Schließlich liegt Ihr Alleinregierungsquorum unter 30 Prozent, als Zustimmungsquorum gerechnet.
Meine Damen und Herren, es wird bei der Diskussion über Volksbegehren und Volksentscheid viel über die Weimarer Republik gestritten.
Ich bitte noch einmal, die Zwischenrufe zu unterlassen, damit Herr Abgeordneter Schemmel möglichst nicht irritiert seine Rede fortsetzen kann. Ich bitte um Ruhe.
Argumente gegen Plebiszite und auch Argumente für Plebiszite in vielleicht veränderter Ausformung werden aus der Geschichte Weimars abgeleitet. Ich bin kein Historiker, aber ich kann das Ende der Weimarer Republik nicht als Beleg für die eine oder andere These geltend machen. Sicherlich war die Machtergreifung Hitlers auch eine Frage und Folge von Verfassungen sowie vom Zustand der Träger der Staatsgewalten. Ich erinnere nur an das Regieren mit Notstandsverordnungen. Aber ich kann nicht glauben, dass Plebiszite und Quoren einen Kampf um Demokratie - wir wissen, es gibt auch heute genug Gegner von Demokratie in diesem Land und wir wissen auch, wo sie sitzen,
und wir wissen auch, dass es bereits zu viele sind - entscheiden können, dass man mit hohen Quoren meinethalben Demokratie retten kann und mit niedrigen Quoren im Chaos versinkt oder vielleicht auch umgekehrt. Das kann nicht sein - damals nicht und heute nicht. Nicht dadurch kam es damals zur quasi legalen Machtergreifung durch die Nazis, sondern aus dem bekannten, viel zitierten Grund, dass es an Verteidigern der Demokratie mangelte, dass diese in der Minderheit waren. Aber in eine solche Schar der Verteidiger der Demokratie wollen sich die Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens ja gerade einreihen, das ist ja gerade die gewollte Stärkung der Demokratie. Und dieses Sich-einreihenwollen in die Schar der Verteidiger kann doch nicht bei der stärksten Fraktion im Landtag ungehört verhallen.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns, so schreibt das Gesetz vor, innerhalb der nächsten sechs Monate abschließend mit dem Volksbegehren auseinander setzen. Dass Höhe der Quoren und Verfahren für Plebsizite in allen Bundesländern unterschiedlich sind, zeigt, dass hier nicht Naturgesetze, sondern Gesetze des gesellschaftlichen Zusammenlebens wirken, und weist darauf hin, dass der gezeigte Verteidigungswillen auch in eine Austarierung der Maßstäbe und Grenzen einzubeziehen ist. Wir als Sozialdemokraten gehen davon aus, in der nächsten Legislaturperiode wieder Regierungsverantwortung zu tragen.
Wir wissen, dass man dann ein Parlament braucht, das handlungsfähig ist und das auch eine stabile Regierung bilden und unterstützen kann. Wir wissen aber auch, dass wir dann ein politikfähiges Volk brauchen, das eigene Politikansätze einzubringen weiß und will. Deshalb streben wir für Thüringen eine harmonische Verbindung zwischen repräsentativer und direkter Demokratie an. In diese Bemühungen hinein passen auch unsere Vorschläge zur stärkeren Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungen im kommunalen Bereich, die wir in Kürze im Rahmen unserer Novellierungsvorschläge zur Thüringer Kommunalordnung vorlegen werden.
Meine Damen und Herren, mit Genugtuung sehen wir, dass nun auch auf Bundesebene Bewegung in diesem Sinne auf diesem Feld entsteht. Stärkere Bürgerbeteiligung und die Möglichkeit für Plebiszite wollten wir Sozialdemokraten schon im Einigungsvertrag auf dem Weg zu einer neuen gesamtdeutschen Verfassung festgeschrieben haben. Artikel 5 des Einigungsvertrags nahm diesen Auftrag, Überprüfung des Grundgesetzes, zwar auf, aber in den nachfolgenden Verhandlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat blieb trotz erheblicher Bemühungen der SPD - von diesem Anliegen wenig übrig. Es scheiterte an der CDU. Die jetzt entstandene Bewegung im Bund, die eine Bewegung des gesamten deutschen Volkes initiieren wird und offensichtlich auch bereits die ersten CDU-Politiker erfasst hat - so liest man es jedenfalls -, wird auch unsere Argumente stärken, wird uns eine breitere Basis garantieren. Sie von der Union fordere ich auf: Ignorieren Sie nicht die Stimme des Thüringer Volkes! Versuchen Sie nicht, vorrangig Quoren zu erhalten und gleichzeitig Bürgerinnen und Bürger auszugrenzen! Denken Sie daran, der Souverän, das Volk, ist unser Auftraggeber. Die Staatsgewalt geht in unserer Republik vom Volke aus. Dies sollte uns allen gemeinsam Verpflichtung für die Arbeit der folgenden sechs Monate sein. Diese Arbeit lässt sich aus unserer Sicht nur ge
meinsam mit der Bürgerinitiative leisten. Versuchen Sie nicht wieder, sich hinter der Geschäftsordnung zu verstecken. Der verfassungsmäßige Träger der Gesetzesinitiative gehört mit den Vertretern der Legislative an den Beratungstisch.