Wenn der Wille dazu da ist, findet sich auch der Weg dazu. Lassen Sie uns verantwortungsvoll mit der Arbeit in dem gemäß TOP 1 c zu bildenden Sonderausschuss beginnen, ich beantrage die Überweisung. Und lassen Sie uns, meine Damen und Herren, sofort beginnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Demokratie bedeutet nicht mehr und nicht weniger als Volksherrschaft. Und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat diese Tatsache auf die Formel gebracht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. " Wir konnten diesen Satz heute schon mehrfach hören. Artikel 20 Abs. 2, diese Formulierung ist in die Thüringer Verfassung in Artikel 45 übernommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist jedoch nichts, aber auch gar nichts über die Form und konkrete Ausgestaltung einer Demokratie gesagt. In demokratischen Staaten sind zahlreiche und sehr unterschiedliche Ausprägungen des Demokratieprinzips Realität und politische Praxis geworden. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben sich angesichts des Scheiterns der Weimarer Republik für eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie entschieden,
wie sie in der Mehrzahl liberal-demokratischer Verfassungsstaaten bestand und heute noch besteht. Das bedeutet die Delegierung der politischen Verantwortung und Entscheidungskompetenz auf Zeit an gewählte Vertreter, deren politisches Agieren durch regelmäßig stattfindende Wahlen kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden kann. Die Geschichte der Bundesrepublik und die Geschichte auch des vereinten Deutschlands haben bewiesen, dass dies eine gute Entscheidung war.
Es ist doch gar keine Frage, die demokratische Ordnung Deutschlands hat alle Bewährungsproben in den letzten Jahren bestanden und den Bürgern und auch uns dadurch
ein hohes Maß an Freiheit, Stabilität, wirtschaftlicher Prosperität, sozialer Sicherheit und politischer Mitbestimmung ermöglicht. Es gibt also alle guten Gründe, diese Verfassungsordnung zu schützen.
Damit ist überhaupt nicht bestritten, dass auch eine plebiszitäre Demokratie den Anforderungen an demokratische Grundsätze entsprechen kann. Beide Formen, repräsentative und plebiszitäre Demokratie, können den demokratischen Prinzipien selbstverständlich gerecht werden. Aber, das ist wichtig und muss deshalb ausdrücklich erwähnt werden, ein beliebiger Wechsel zwischen beiden Formen ist in Deutschland grundsätzlich ausgeschlossen,
und zwar, das ist heute ständig ausgelassen worden beim Zitieren, weil dies das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland so vorschreibt. Es gibt die Ewigkeitsgarantie und, sehr geehrter Herr Buse, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zitieren, dass Sie vollständig zitieren. Es steht in Artikel 20 des Grundgesetzes natürlich und ich habe das auch zitiert: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Es ist aber weiter geschrieben: "Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."
Und genau dieser Artikel 20, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in Artikel 79 des Grundgesetzes festgeschrieben als nicht veränderbar. Ich zitiere: "Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundgesetzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 bis 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig." Es gibt nicht die Möglichkeit, die Sie hier darstellen, den Wechsel zwischen parlamentarischer und direkter Demokratie aufgrund eines Mehrheitswillens des Volkes in Deutschland vorzunehmen.
Diese Fundamentalprinzipien betreffen auch die Grundrechte, die im Grundgesetz festgeschrieben sind, und dies ist in der Thüringer Verfassung wie selbstverständlich in Artikel 83 Abs. 3 nachvollzogen. Zu diesem Fundamentalprinzip gehört eben, dass wir eine mittelbare Demokratie haben. Das heißt, dass wir, auch dieser Thüringer Landtag, die Abgeordneten, für die Zeit, in der wir gewählt sind, handeln, in Verantwortung stehen und damit das Wort: "Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus." mittelbar umsetzen. Dass die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, das Grundgesetz, diese mittelbare Demokratie unabänderlich festgeschrieben hat, sollte man, wenn Sie reden, bitte auch feststellen, damit nicht ein falscher
Eindruck vermittelt wird. Wir haben die Chance, dass wir seit 11 Jahren an den Vorzügen und auch an den Ergebnissen dieser mittelbaren Demokratie in Deutschland teilhaben dürfen.
Es ist eine Lehre der Geschichte, die die Grundgesetzväter zu dieser Formulierung veranlasst haben. Also, ich habe vorhin "Väter und Mütter" gesagt, muss aber gerechterweise sagen, es waren eben nur Väter.
Vier Mütter waren dabei. Ist sicher, dass sie Mütter waren? Dann ist es gut. Also, wenn der Ministerpräsident sagt, sie waren Mütter, dann gebe ich mich geschlagen.
Ich möchte noch einmal deutlich machen: Wir haben in Deutschland eine vollwertige Demokratie als repräsentative Demokratie, als mittelbare Demokratie und es kann und darf nicht der Eindruck vermittelt werden, als würde nur durch direkt demokratische Elemente diese Demokratie wertvoller; dies ist falsch.
Deshalb ist schon der Titel, unter dem die Volksbegehrensinitiative angetreten ist, nach meiner Auffassung trügerisch. Mehr plebiszitäre Elemente bedeuten nicht mehr Demokratie, sondern sie bedeuten eine veränderte Demokratie. Und was die Volksbegehrensinitiative will, ist nicht mehr Demokratie, sondern eine andere Demokratie für Thüringen.
Selbstverständlich gibt es Mischformen zwischen parlamentarisch-repräsentativer und plebiszitärer Demokratie. Das ist gut so, weil sie den Wählern zusätzlich zur Wahlentscheidung direkten Einfluss auf bestimmte Sachentscheidungen zwischen den Parlamentswahlen ermöglichen. Da das selbstverständlich und gut ist, haben die Thüringerin
nen und Thüringer Abgeordneten der 1. Legislaturperiode dieses auch in die Thüringer Verfassung übernommen. Deshalb gibt es in der Thüringer Verfassung dieses die parlamentarische Demokratie ergänzende Element der direkten Demokratie. Bei der Volksabstimmung haben sich über 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer zu dieser Verfassung bekannt - ein überwältigendes Votum. Deshalb mein Fazit, Herr Buse, Sie haben ein falsches, ein abenteuerliches und ein gefährliches Verfassungsverständnis, weil Sie den Eindruck suggerieren
und das hier auch formuliert haben, es wären gleichberechtigt die direkt demokratischen und repräsentativen Elemente. Dies ist nicht so. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spricht eine andere Sprache,
Auch das spricht eine klare Sprache. Ihre Formulierung "jenseits juristischer Bedenken sollten wir doch" hat mich zu der Aussage geführt, dass Sie ein abenteuerliches und gefährliches Verfassungsverständnis haben, denn wer jenseits juristischer Bedenken handelt, handelt gegen die Bürger und gegen den Verfassungsstaat und auch gegen die entsprechenden Verfassungsorgane unseres Landes.
Die Landesregierung hat geradezu die Pflicht, im Blick auf den Schutz der Verfassung auch diese Frage rechtlich zu klären. Als Möglichkeiten der direkten Bürgerbeteiligung sind in der Verfassung unseres Freistaats der Bürgerantrag und Volksbegehren mit der Möglichkeit des Volksentscheids vorgesehen. Die Initiatoren des Volksbegehrens hatten zu Beginn der Entwicklung behauptet, die bestehenden Regelungen machen Volksbegehren im Freistaat unmöglich. Dass wir heute hier stehen und eine entsprechende Initiative beraten, macht deutlich, dass diese Anfangsaussage die Realität überholt hat.
Das heißt, in Thüringen können selbstverständlich nicht nur Volksbegehren angestrebt, sondern auch erfolgreich durchgeführt werden.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich auch nach den Reden heute ganz sicher bin, dass nicht alle, die ihre Unterschriften für das Volksbegehren abgegeben haben, die weit reichenden Konsequenzen im Blick hatten,