Protocol of the Session on March 15, 2001

gebrochen wird. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12.

Was ist jetzt? Ich verstehe die Unruhe im Saal jetzt nicht. Ich habe darum gebeten, dass zu diesem Zeitpunkt alle Abgeordneten im Saal sind, weil stellvertretend, glaube

ich, für alle Fraktionen der Abgeordnete Pohl einen Antrag einbringen möchte.

Frau Präsidentin, entsprechend der Geschäftsordnung § 22 Abweichung von der Tagesordnung - bitten wir, den nachfolgenden gemeinsamen Antrag von CDU, PDS und SPD zusätzlich in die Tagesordnung aufzunehmen. Ich zitiere den Antrag: "Verdachtsfall auf Maul- und Klauenseuche in Thüringen". Er wird begründet: Mit dem heutigen Tage wurde ein Verdachtsfall auf Maul- und Klauenseuche in einem Thüringer Schweinebestand festgestellt. Die Thüringer Landesregierung wird gebeten, zum aktuellen Stand sowie zu den getroffenen Seuchenschutzmaßnahmen zu berichten. Frau Präsidentin, ich würde darum bitten, diesen Tagesordnungspunkt einzuordnen nach TOP 10. Danke.

Mir ist a) signalisiert worden, dass es eine Absprache zwischen allen Fraktionen gibt; mir liegt b) ein unterschriebener Entwurf dieses Antrags vor. Ich weiß nicht, inwiefern er schon verteilt worden ist. Mir ist auch bekannt gegeben worden, dass die Einordnung als TOP 10 a Konsens aller Fraktionen ist. Damit könnten wir abstimmen über den Antrag nach § 22 Abs. 1 Nummer 1 der Geschäftsordnung in Verbindung mit der Fristverkürzung nach § 66 der GO. Wer zustimmt, dass dieser Tagesordnungspunkt "Verdachtsfall auf Maul- und Klauenseuche in Thüringen" als TOP 10 a eingeordnet wird, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Wir haben die Tagesordnung demzufolge so verändert.

Wir setzen nun fort in der Beratung zum Tagesordnungspunkt 5 "Sofortprogramm Ost" in Verbindung mit dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion. Wir hatten ihn für eine längere Zeit unterbrochen.

Als nächster Redner hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Gentzel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist zwar schon ein paar Minuten her, aber ich gehe zunächst einmal davon aus, dass die Wirtschaftsdaten, die von meinen Vorredern gebraucht worden sind, noch einigermaßen in den Köpfen sind. Ich kann mir so ersparen, sie herunter zu erzählen. Es bleibt festzustellen, sie sprechen eine deutliche Sprache. Ost und West driften leider weiter auseinander. Eine mögliche Angleichung der Lebensbedingungen Ost und West rückt leider weiter in die Ferne. Was mir bei den Aufzählungen dieser Wirtschaftsdaten gefehlt hat, Herr Ministerpräsident Vogel, ist freilich die mittlerweile gesicherte Erkenntnis, dass

diese Entwicklung 1997 begonnen hat.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Doch, das habe ich gesagt!)

1997, 1998, 1999 - die gleiche problematische Entwicklung, aber kein Sonderprogramm Ost des Ministerpräsidenten Vogel. Eine Thüringer Zeitung hat geschrieben: "Hätte er sich es damals gewagt, wäre er wirklich zum Helden geworden, weil er hätte gegen Helmut Kohl gehen müssen." Aber damals war halt die Zeit des Aussitzens und heute ist wahrscheinlich die Zeit nicht der Inhalte, sondern der politischen Pluspunkte und insofern ist auch dieses Programm des Ministerpräsidenten zu beurteilen. Es bleibt das Verdienst des Briefes von Wolfgang Thierse, dieses Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Ich selbst - es gibt einen Brief von Wolfgang Thierse - habe es bisher immer bedauert, dass dieser Brief mit seinen Thesen immer wieder nur reduziert worden ist in der Diskussion auf die Frage: Kippe oder nicht? So sagt der Ministerpräsident zum Thema "Kippe": Alles Quatsch. Der Präsident der Thüringer Handwerkskammer, Wolfgang Bachmann, sagt: Wieso auf der Kippe? Wir sind längst gekippt im Thüringer Handwerk. Und so liegt die Wahrheit, wie Sie, Herr Ministerpräsident, ja immer betonen, wahrscheinlich in der Mitte und siehe da, schon sind wir wieder ziemlich nah bei Wolfgang Thierse.

Meine Damen und Herren, für die langfristige Perspektive ist wohl unbestritten Folgendes notwendig: ein Länderfinanzausgleich, ein Maßstäbegesetz, ein Solidarpakt II. Frau Zimmer, das hat nichts mit einer demütigenden Alimentierung zu tun, dieses sind Verträge, Vereinbarungen auf sehr solidarischer Basis zwischen souveränen Ländern untereinander und mit dem Bund. Also Schwerpunkt bleibt: Länderfinanzausgleich, Maßstäbegesetz, Solidarpakt II. Meine Damen und Herren, ein Solidarpakt II beispielsweise mit der Sicherung von Sonderbedarfszuweisungen an den Osten, mit der Berücksichtigung von teilungsbedingten Sonderlasten und mit einer Laufzeit auf zehn oder über zehn Jahre angelegt, das ist das beste Sonderprogramm Ost, was wir uns wünschen können.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, wir können an dieser Stelle sehr optimistisch sein. Diesen Optimismus ziehe ich aus den Äußerungen aller Beteiligten und hier wiederhole ich wie so oft: Der Schlüssel dafür liegt nicht in Thüringen, wie uns der Ministerpräsident weismachen will, der Schlüssel dafür liegt wahrscheinlich in NRW. Und wer das Clemens-Interview und seine Äußerungen von gestern aus Halle wahrgenommen hat, der weiß, wir sind da wirklich auf einem guten Weg. Ich will nicht sagen, dass wir alles im Sack haben, aber der Weg scheint ein positiver zu werden.

Meine Damen und Herren, wenn der Ministerpräsident feststellt, dass dieses erst ab 2004 gilt - dieser neue mögliche Sprung -, ist dem nicht zu widersprechen. Es ist vielmehr die Frage zu stellen: Was können wir bis 2004 über das, was wir im Augenblick haben, über das jetzt Bestehende hinaus tun, aber wir dürfen nicht nur fragen, was ist nötig, sondern auch, was ist insgesamt möglich, um mehr Dampf zu machen beim Aufbau Ost? Wer in die Protokolle der Regionalkonferenzen der Ministerpräsidenten Ost hineinschaut, weiß, alle Ministerpräsidenten Ost denken an ein solches Sonderprogramm und man redet miteinander darüber. Dass der Ministerpräsident Vogel jetzt mit einem Sonderprogramm Ost vorgeprescht ist...

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Ärgert euch doch nicht!)

Nein, sehen Sie mich ärgerlich? Dass der Ministerpräsident Vogel jetzt mit einem Sonderprogramm Ost vorgeprescht ist, wird von der SPD-Fraktion an drei wesentlichen Punkten kritisiert.

Erstens: Wir behaupten, und die Zukunft wird es beweisen, das alleinige Vorpreschen eines neuen Bundeslandes ist absolut kontraproduktiv. Was wir wollen, was wir verlangen, ist eine gemeinsame Planung für ein Programm Ost aller Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer. Nur so kriegen wir genug Druck und nur so kriegen wir genug Aufmerksamkeit in Berlin.

(Beifall bei der SPD)

Es geht hier nicht darum, wer nun unbedingt der Erste ist, das war ja nun sowieso Thierse, wie festgestellt; es geht darum, dass wir für die neuen Bundesländer etwas erreichen.

Zweiter Kritikpunkt: Herr Ministerpräsident, Sie haben mit Ihrem unnachahmbaren Charme in einem Nebensatz hineingeworfen: "Unsere Finanzierung ist solide." Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen dazu machen, dass Ihre Finanzierung mehr als wacklig ist. Da sagen Sie zum Beispiel bei den Veräußerungen der Deutschen Ausgleichsbank: "Diese sind nicht belegt und deshalb können wir die verwenden." Zunächst ist festzustellen, dass der Bund bei weitem nicht mit so hohen Einnahmen rechnet wie das Land. Und dann ist es richtig, dass es im Bundeshaushalt 2001 nicht belegt ist. Aber gleichzeitig ist die Mittelfristige Finanzplanung bis 2004 im Bundestag mit Mehrheit beschlossen worden und von dieser Summe und aus diesen Veräußerungen sind 2,7 Mrd. DM bereits gebunden.

Zweites Beispiel: Sie, Herr Ministerpräsident, fordern in Ihrem Programm, dass die Bundesanstalt für Arbeit 1,2 Mrd. DM zu diesem Programm beitragen soll. Ich erlaube mir aus dem Beschlussprotokoll, aus dem Ergebnisprotokoll der 24. Regionalkonferenz der Regierungschefs

der ostdeutschen Länder vom 15. November in Magdeburg zu zitieren, Punkt 5: "Die Regierungschefs der ostdeutschen Länder halten für die Zukunft im Einzelnen folgende Maßnahmen für notwendig," da erscheint unter dem Anstrich C: "Um den tief greifenden wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierungsprozess in den ostdeutschen Ländern auch nach dem Jahr 2004 nicht zu gefährden, sind die arbeitsmarktpolitischen Instrumente der Bundesanstalt für Arbeit auf hohem Niveau fortzuführen." Ja, wollen Sie sie nun fortführen oder wollen Sie dort 1,2 Mrd. DM abziehen in Ihrer Planung?

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Das ist doch Quatsch!)

Herr Ministerpräsident, dieses, und das kennen Sie ja, sind zum Teil Auszüge aus dem Schwanitz-Brief und auch das haben Sie natürlich nicht gesagt. Herr Schwanitz hat sich in den Briefen natürlich nicht nur mit Ihnen verbrüdert, er hat auch viele Dinge an Ihrem Programm kritisiert. Ich akzeptiere, dass Sie dieses dem Haus nicht zum Besten geben,

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Das habe ich nicht gesagt!)

aber von einer Finanzierung, die auf gesunden Füßen steht, kann man bei Ihrem Programm nun bei weitem nicht sprechen. Nein, die Aussage von Schwanitz ist richtig, Ihre Forderungen in der Höhe müssen dazu führen, dass in Berlin die Nettokreditaufnahme erhöht wird, und dieser Forderung wird Berlin aus berechtigten Gründen nicht folgen.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Wer soll denn das in den neuen Bundesländern bezah- len?)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Aha!)

Da sagen Sie doch nicht "aha". Das hat Ihnen doch der Herr Schwanitz bereits geschrieben, nun machen Sie doch hier nicht "aha".

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Den kennt doch gar keiner!)

Meine Damen und Herren, es gibt einen dritten wesentlichen Punkt, den wir kritisieren. Was Sie hier in Angriff nehmen, Herr Ministerpräsident, ist keine gemeinsame Initiative von Land und Bund. Wissen Sie, von anderen außergewöhnliche Anstrengungen zu fordern, ist immer einfach; selbst außergewöhnliche Wege zu gehen, dazu fehlt Ihnen der Mut.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen richtig,

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Die Bemerkung gefällt mir!)

die Geschädigten haben ein Recht auf Hilfe. Wir fügen hinzu: Die Geschädigten haben auch die Pflicht zur Selbsthilfe. Deshalb hat die SPD-Landtagsfraktion ein Landesprogramm für eine Investitionsoffensive für Thüringen vorgelegt.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Aufgelegt, ja?)

Meine Damen und Herren, wir fordern in unserer Vorlage einen Nachtragshaushalt, der eine auf vier Jahre angelegte Investitionsoffensive Thüringen in Verbindung mit dem Sonderprogramm Ost einleiten soll. Profitieren soll von dem geforderten Investitionsprogramm besonders der Thüringer Mittelstand. Nicht die von der Landesregierung immer wieder favorisierten Großobjekte wie z.B. Ministerienbauten stehen auf der SPD-Prioritätenliste, es geht uns an dieser Stelle im Wesentlichen um das einheimische Handwerk.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, und hier gebrauche ich ausdrücklich den Duktus des Ministerpräsidenten: Wir haben vier konkrete Projekte benannt. Zunächst die zusätzliche kommunale Investitionspauschale: Der hier in diesem Haus viel zitierte Gemeinde- und Städtebund sagt: Jede Mark, die dort ankommt, wird sich mindestens verdreifachen. Dieses ordentlich installiert hieße, Investitionen anschieben, hieße, dem Thüringer Mittelstand und hier insbesondere dem Handwerk erheblich auf die Füße zu helfen.

Wir haben als zweites konkretes Projekt benannt: Aufstockung der Mittel für das Landesstraßenbauprogramm. Hier verweise ich auf die Argumentationslinie des Ministerpräsidenten zum Thema Infrastruktur, die im Übrigen in diesem Haus nie strittig war. Wir machen nur darauf aufmerksam, es gibt auch nötige Infrastrukturverbesserungen im Aufgabenbereich des Landes, die wollen wir angehen.

Wir sagen drittens konkret: Wir wollen eine Aufstockung des Programms zur Wohnumfeldverbesserung und zum Abriss leerer unsanierter Plattenbauten. Ich werde dazu den Herrn Trautvetter noch zitieren, das ist hoch interessant.

Und als Letztes fordern wir, Herr Ministerpräsident, konkret: umfassende Ausstattungen der Schulen einschließlich der Berufsschulen mit modernsten Unterrichtsmitteln der Kommunikations- und Informationstechnik. Auch hier verweise ich auf die entsprechende Begründung, als Sie Ihr Programm vorgestellt haben und Ähnliches vom Bund gefordert haben.

Meine Damen und Herren, wir haben dieses Programm über vier Jahre durchfinanziert und ich lege Wert auf die Feststellung, dass unser Finanzierungsplan mindestens genauso solide ist wie das, was die Landesregierung hier vorgelegt hat.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das erkennen Sie allein daran, dass wir für den jetzt bestehenden Doppelhaushalt die Umschichtungsmöglichkeiten - und da sind wir ja ein Stückchen beieinander, Herr Ministerpräsident als nicht so weit gehend eingeschätzt haben wie für die Jahre 2003 und 2004 und deshalb haben wir da eine deutliche Trennung vorgenommen. Jawohl, wir beziehen uns einnahmeseitig auf mehrere Einnahmen durch die Umsatzsteuer; das sind Dinge, die vom Finanzminister bereits im Haushalts- und Finanzausschuss angekündigt worden sind. Wir denken nach über Erlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen: Jenoptik ist angeführt worden, Flughafen AG, Messe AG, Landesfachkliniken.

(Unruhe bei der CDU)

Warten Sie doch mal ab! Wir sagen, Einnahmen aus Beteiligungen sollen herangezogen werden, Landesausgaben sollen umgeschichtet werden - Sie verlangen übrigens genau unter der gleichen Überschrift Ähnliches vom Bund - und wir verlangen ab 2003 den Verzicht von Repräsentationsbauten. Herr Ministerpräsident, Sie haben für Ihren Vorschlag in Anspruch genommen, Diskussionsgrundlage zu sein, man darf ihn verändern, man darf ihn prüfen, man darf ihn ergänzen; nicht mehr verlangen wir für das Landesprogramm der Thüringer SPD.

(Beifall bei der SPD)

Wir verlangen genauso wie Sie eine ernsthafte Überprüfung unserer Vorschläge. Wir sind genauso wie Sie offen für Ergänzungen und Korrekturen, nur im Gegensatz zu Ihnen haben wir aus unserer Sache einen Antrag gemacht,