Protocol of the Session on March 15, 2001

Herr Köckert, lassen Sie das bitte. Und jetzt möchte ich einmal genannt bekommen, inwieweit sich die Redezeit in dieser Debatte noch verlängert. 13 Minuten Verlängerung der Redezeit in dieser Debatte zum Rechtsextremismus. Es liegt bereits eine Redemeldung von Herrn Abgeordneten Althaus, CDU-Fraktion, vor.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte hat leider bestätigt, was ich bei der Lektüre des Antrags vermutet hatte. Die Begründung macht es deutlich, es geht Ihnen im Kern nicht darum, ein ernsthaftes Thema, das hier im Land und insgesamt in Deutschland und Europa steht, in den Mittelpunkt der politischen Debatte zu rücken, sondern es geht Ihnen darum, dieses ernsthafte Thema zu nutzen, um es politisch zu instrumentalisieren für Ihre Zwecke.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte das für fatal, weil genau das unser Problem ist. Die Demokraten sollten sich einig sein, dass wir bei der Bekämpfung von Extremismus, im Besonderen von Rechtsextremismus, von Fremdenfeindlichkeit, von Rassismus und Gewalt eines Sinnes sind und das auch deutlich machen und nicht durch Unterstellungen oder auch über Erhöhungen den Eindruck vermitteln, als würde es hier um eine politische Debatte zwischen demokratischen Parteien gehen, wer den besseren Weg kennt, Extremismus zu bekämpfen. Ich fände es richtig, wenn Sie in Ihrer Begründung eben nicht dem Kultusminister unterstellt hätten, dass er sich beharrlich weigert, weil Sie von etwas reden, von dem Sie nur wenig verstehen. Herr Dr. Krapp hat das deutlich gemacht. Das ist eine Beleidigung der Thüringer Lehrerinnen und Lehrer, wenn in dieser Begründung eine solche Ausführung steht, denn die Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat müssen die Arbeit leisten und sie leisten sie.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie, Herr Dr. Dewes, als Innenminister a.D. ernsthaft hier vorn behaupten, dass der Druck auf die Szene nachgelassen hat, seitdem die Regierung gewechselt hat, und die absolute Mehrheit vorhanden ist, dann ist das genau dieses Signal, dass Sie diese schwierige Debatte nicht sachlich führen, sondern politisch instrumentalisieren wollen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen besser als ich, dass seit Mitte der 90er Jahre die Zahlen kontinuierlich gestiegen sind, leider, und auch in Thüringen, und kein Einziger hat in der letzten Legislaturperiode Ihnen vorgeworfen, Sie hätten den Druck nicht deutlich verstärkt und könnten mit dem Thema nicht umgehen. Es macht mir nur deutlich, dass Sie im Kern nicht an der Lösung des Problems interessiert sind, sondern im Kern daran interessiert sind, dass aus einem solchen ernsthaften Problem politisches Kapital für Sie geschlagen wird.

(Beifall bei der CDU)

Das finde ich hoch befremdlich.

(Beifall bei der CDU)

Es ist für mich ebenfalls befremdlich, wenn Sie mit dem Pathos, Thüringen als Standort im Blick zu haben, zum einen mit Recht sagen, dass rechtsextremistische Ausschreitungen ein Negativimage für den Standort Thüringens sind, zum anderen aber in Ihren Begründungen, Ihren Aussagen deutlich machen, dass es Ihnen gar nicht um den Standort Thüringen geht. Denn sonst würden Sie nicht so überhöhen in Ihren Formulierungen, wie Sie es getan haben. Es ist keine verheerende Entwicklung, die wir haben, sondern es ist eine ernst zu nehmende Entwicklung, die wir haben. Und ich kann keinen in diesem Haus erkennen und auch nicht in der Regierung, der diese ernsthafte Situation nicht schon mehrere Jahre auch im Konkreten im Blick hat und dagegen etwas tut. Sie betreiben Rufschädigung für den Freistaat und auch für den Standort Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch überhaupt keine Frage und vor einem Dreivierteljahr konnten wir es auch in der Zeitung lesen, dass wir nicht mit Begriffen dieses Problem lösen. Das Landesprogramm in Brandenburg hat überhaupt keine positiven Resultate hervorgebracht, die es berechtigten zu sagen, wenn wir ein solches Landesprogramm mit diesem Namen einführen, dann ist das Problem gelöst. Nein, wir müssen die Maßnahmen, die wir haben, immer wieder am Problem orientieren. Es ist eine Fülle von Maßnahmen. Gerade im letzten Jahr haben sowohl der Kultusminister als auch der Innenminister diese Maßnahmen neu an der veränderten Situation ausgerichtet. Der Kultusminister hat gerade erklärt, welche Dinge gerade in den letzten Monaten auf den Weg gekommen sind. Und statt zu ermutigen, gerade die, die es tun, und das sind nicht die Politiker, sondern z.B. die Lehrerinnen und Lehrer, stellen Sie sich her und sagen, wenn wir ein Landesprogramm haben, ist das alles besser. Das ist infam und Sie wissen genau, dass dies nicht die Wirklichkeit ist.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie, wenn die Zivilcourage am Wochenende in Suhl nicht ausgereicht hat, dann ist das ein ernstes Problem, aber vor einem Dreivierteljahr haben wir hier im Landtag festgestellt, Gott sei Dank ist die Zivilcourage in Thüringen gewachsen. In Weimar und an vielen anderen Stellen ist das deutlich geworden.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Wir sollten die Menschen ermutigen, indem wir deutlich machen, dass hier die Demokraten zusammenstehen, denn es kommt vor allem auf die Zivilcourage an, das ist gar keine Frage, hinzuschauen, etwas zu unternehmen.

Da haben gerade der Innenminister und auch die Justiz in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass mit allen repressiven Mitteln auch diese Zivilcourage unterstützt wird

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

jawohl - zum Beispiel auch, wenn es darum geht, dass Zeugen geschützt werden müssen. Deshalb: Thüringen bleibt ein ausländerfreundliches, ein weltoffenes Land und dieses muss man zuallererst sagen. Als Zweites: Wir werden mit allen Mitteln all das, was im Rechtsextremismus, aber auch in allen anderen Bereichen von Fremdenfeindlichkeit und politisch motivierter Gewalt und Extremismus in Thüringen präsent ist, bekämpfen, und das unnachgiebig, und wir lassen uns dabei von keinem übertreffen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dittes, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Aus gegebenem Anlass mache ich noch mal darauf aufmerksam, es sind wieder die 5-Minuten-Zeiten angesagt.

Herr Köckert, es ist schon nicht nur unverschämt, wenn Sie hier im Thüringer Landtag versuchen, Aufrufe nicht nur der PDS zu gewaltfreien und friedlichen Demonstrationen und Protesten ja und auch zu Blockaden gegen die menschenfeindliche Nutzung der Atomenergie und die Castortransporte gleichzusetzen mit rechtsextremistischen und rassistischen, gewalttätigen Übergriffen auf anders Denkende, anders Lebende und nicht deutsche Menschen in Thüringen - das ist schon nicht nur unverschämt, das ist die Infamität, die es hier gibt.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Was machen Sie denn in Arnstadt?)

Aber, der Herr Althaus hat uns vorgeworfen, uns geht es bei der Forderung nach einem Landesprogramm nur um den Namen. Wenn Sie sich den Antrag der PDSFraktion zum Landeshaushalt 2001/2002 mal durchgelesen hätten, und ich glaube, Herr Krapp hat ihn durchgelesen, dann wüssten Sie auch, welche Bestandteile wir eingefordert haben für ein Landesprogramm, und dann wüssten Sie, dass Sie nicht so einen Unfug reden müssen und uns vorgaukeln wollen, wir hätten mit der

Koordinierungsstelle "Gewaltprävention" schon so etwas Ähnliches wie ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und für Demokratie.

(Beifall bei der PDS)

Was Sie haben, ist eine Zusammenfassung, ein Aufgabenmischmasch von Suchtprävention zur Alltagskriminalität, was sogar noch die Auseinandersetzung mit dem gewaltfreien Rechtsextremismus verneint und auch ablehnt in dieser Koordinierungsstelle. Was bis jetzt nicht stattgefunden hat in dieser Koordinierungsstelle, war eben die Koordination mit lokalen Netzwerken, mit Bündnissen gegen Rechts, die an kommunalen Handlungskonzepten arbeiten und die sie bereits in die Öffentlichkeit gebracht haben, zur Diskussion gestellt haben und auch umsetzen wollen. Dass dort ein Mangel ist, hat doch Herr Krapp deutlich gemacht, als er gesagt hat, wir als Landesregierung wollen das Bundesprogramm "Civitas" nutzen. Meine Damen und Herren - Bundesprogramm "Civitas", das bedeutet 5 Mio. für Modellprojekte von mobilen Beratungsteams für nicht staatliche mobile Beratungsteams, das bedeutet 5 Mio. für Opferberatungsstellen von Opfern ganz explizit rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt - all das sind Forderungen, die Sie in diesem Haus abgelehnt haben. Nun bringt es die Bundesregierung auf den Weg und Sie sagen, die Landesregierung will diese guten Ansätze nutzen. Meine Damen und Herren, dann benutzen Sie doch diese Bundesprogramme und ergänzen Sie sie um die gleichen Bestandteile in Thüringen, dass die Träger, die hier auch solche Programme durchsetzen wollen, auch in Thüringen die finanzielle und strukturelle Unterstützung erfahren können.

Und dann, meine Damen und Herren, sind Sie wirklich nicht mehr so weit entfernt von einem tatsächlichen Landesprogramm. Meinetwegen nennen Sie es dann auch anders, das ist mir auch egal. Es geht um die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und eben nicht nur um die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Straf- und Gewalttätern. Dass Sie über Ihren polizeilichen Horizont noch nicht hinauszudenken vermögen, Herr Köckert, hat doch Ihre Aufzählung von repressiven Maßnahmen deutlich gemacht. Natürlich ist es so, dass Konzerte und Aufmärsche weniger stattgefunden haben, aber, meine Damen und Herren, das macht doch das Problem in Thüringen nicht kleiner. Es kann doch nicht die Zielstellung für diese Landesregierung tatsächlich sein: wir schaffen polizeiliche Maßnahmen, damit ist das Problem aus den Augen und dann auch aus dem Sinn und damit ist der Wirtschaftsstandort in Thüringen gerettet. Meine Damen und Herren, das ist unverantwortliche Politik.

(Beifall bei der PDS)

Es sind noch 4 Minuten Redezeit. Es liegt die Redemeldung von Herrn Abgeordneten Schwäblein, CDU-Fraktion, vor. Die SPD-Fraktion hat nichts signalisiert, wir würden sonst in der Reihenfolge der Parteien aufrufen. Dann Herr Abgeordneter Schwäblein 4 Minuten Redezeit, Restredezeit für diese Aktuelle Stunde.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist heute wieder wie in vielen anderen Fällen auch sehr viel über Symbolik gesprochen worden. Da beklagt der Abgeordnete Dewes die Springerstiefel und bringt sie mit dem Nationalsozialismus in Verbindung, der Kollege Ramelow bei anderer Gelegenheit hängt sich an Markenkleidung auf

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das geht doch nicht darum.)

und andere wiederum monieren ein fehlendes Landesprogramm. Als ob mit diesen Äußerlichkeiten dem Problem zunehmender Gewalt in dieser Gesellschaft beizukommen wäre. Man wird damit erreichen, dass dann die, die die Symbolik brauchen, andere Symbole wählen. Da wird eine andere Schnürsenkelfarbe gewählt, da wird auf eine andere Markenkleidung umgestiegen, da werden die Stiefelschäfte ein Stückchen höher oder niedriger also damit sind die Probleme nicht aus der Welt.

(Beifall bei der CDU)

Darüber sollten wir uns unterhalten und uns nicht an Äußerlichkeiten festmachen. Es ist über den Populismus des Erfurter Stadtrats gesprochen worden, gegen meine Stimme übrigens, nun den Sportvereinen die Aufgabe zu übertragen, den Rechtsextremismus aus den Stadien herauszuhalten. Herr Pohl, Sie hatten das Thema heute schon mal angerissen, ich muss Ihnen ganz deutlich sagen, falls verfassungsfeindliche Symbolik auftaucht, ist das bereits verboten nach den Gesetzen dieses Staates und gehört von den Ordnungsbehörden und der Polizei verfolgt.

(Beifall bei der CDU)

Da bleibt es auch nach unserer Meinung beim Gewaltmonopol des Staates, da werden die Sportvereine nicht eine eigene Saalräumtruppe akquirieren, da soll es wirklich beim Gewaltmonopol des Staates bleiben. Aber wir geraten in eine Populismuswelle, die dahin geht, dass jetzt an Schulen möglicherweise - die Diskussion ist ja ambivalent gelaufen in der letzten Woche - bestimmte Kleidung verboten wird. Herr Dewes, Sie lächeln so albern, Entschuldigung, ich habe das schon durch, dass ich wegen Westjeans die Schule verlassen musste.

(Beifall bei der CDU)

Dahin will ich nicht wieder zurück. Die Demokraten sollten die Herzen und die Köpfe der jungen Menschen erreichen und es nicht an Äußerlichkeiten festmachen,

(Beifall bei der CDU)

das heilt nicht einen unserer Missstände; Missstände haben wir zur Genüge. Ich war am Samstag zum Fußballspiel. Ich bin mit der Gruppe der Jenenser Fans dort eingelaufen, es hat sich gerade so ergeben, ich habe mir nichts daraus gemacht. Ich durfte feststellen, die Erfurter waren übrigens keinen Deut besser, wie ich dann neben der Fankurve gesehen habe, da gibt es kommerziell gefertigte Fanartikel, die zum Hass gegenüber dem anderen Klub aufrufen. Wir schweigen dazu, das kann doch nicht wahr sein.

(Beifall bei der CDU)

Da gibt es - da sind die Fanprojekte noch viel zu lahm wirklich massenhaft aus Tausenden von jugendlichen Kehlen Schmährufe gegen farbige Spieler auf dem Feld. Da ist bisher nicht ausreichend eingegriffen worden. Das sind Erscheinungen täglicher Gewalt, bei denen die Demokraten gefordert sind. Das macht sich dann nur bedingt an Äußerlichkeiten fest. Wir gehen fehl, wenn wir uns über Landesprogramme streiten, über den Titel Landesprogramm oder über die Form der Jacken, die Höhe der Stiefelschäfte, am Ende die Farbe und Länge der Schnürsenkel. Das kann es nicht sein. Lassen Sie uns auf tägliche Gewalt eingehen, lassen Sie uns darauf eingehen, was den Kindern alltäglich im Fernsehen an Gewalt geboten wird, wie viele Eltern nicht ausreichend darauf achten, welche Spiele ihre Kinder am Computer spielen. Es gibt da wohl Einschätzungen von Schutzbehörden und selbst ernannten Gremien, die eine Klassifizierung vornehmen. Aber welche Eltern schauen denn wirklich genau drauf, was da eigentlich passiert? Da sind wir gemeinsam gefordert, in dieser Gesellschaft zu wirken; lassen wir den Streit über kleine Äußerlichkeiten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, ich kann jetzt die Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 12 b, die uns mehr als eine Stunde zum Thema "Rechtsextremismus" beschäftigt hat, schließen, kann nur feststellen, man hat sich gegenseitig nichts geschenkt, aber ich hoffe trotzdem, dass der Konsens im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht

(Unruhe bei der CDU)