sammenhang mit der Stärkung der Einzelschule sind bundesweit zwei zukunftsträchtige Ansatzpunkte erkennbar, zum einen die schulprofilbezogene Ausschreibung von Lehrerstellen und zum anderen der Einsatz außerschulischer Personen. Auch hier sind vom Kultusminister die notwendigen Rahmenbedingungen für Thüringen zu schaffen. Vor allem die schulprofilbezogene Ausschreibung ermöglicht den Schulen, aktiv in den Prozess der Personalauswahl und -einstellungen neuer Lehrerinnen und Lehrer einzugreifen. Mit Hilfe dieses Verfahrens können erfahrungsgemäß fachlich qualifizierte Personen mit einer hohen Sozialkompetenz für ein dauerhaftes Engagement an den betreffenden Schulen gewonnen werden.
Meine Damen und Herren, in erster Linie sind es die Lehrerinnen und Lehrer, die eine Schule pädagogisch mit Leben erfüllen müssen. Ich bin überzeugt, mittelfristig bieten veränderte Formen der Zusammenarbeit und Selbstgestaltung die Chance zur Entlastung und größerer Arbeitszufriedenheit, weil sie helfen, die Scheu zu überwinden, eigenen Unterricht und im Schulalltag auftretende Probleme als gemeinsame Aufgabe anzugehen. Dazu bedarf es aber der kompetenten Beratung durch Koordinatoren an den Schulämtern und des Aufbaus regionaler Netzwerke zur inneren Schulentwicklung.
Und nicht zuletzt haben wir zu überlegen, wie leistungsbezogene Elemente in die Besoldung auch im Lehrerbereich eingesetzt werden können, um die Leistungen von Lehrkräften besser und angemessener zu stimulieren. Von Bedeutung sind nicht nur, denke ich, die sichtbaren Veränderungen vor Ort, sondern auch das, was man nicht sofort sehen kann. Damit sind gemeint die Hoffnungen, die Zweifel und die Ängste und die Einstellungen und Erfahrungen in den Köpfen aller der an Schule Beteiligten. Am Ende werden die mentalen Modelle jedes Einzelnen entscheiden, wie schnell und wie wirksam Reformbestrebungen sein werden. Alle Beteiligten müssen erst einmal davon überzeugt sein, dass Schule veränderbar ist, und zwar dass auch der Einzelne die Schule verändern kann. Das heißt, es ist so wie im normalen Leben, auch die Reformen beginnen in den Köpfen. Dass Berufsmotivation und ein gutes Arbeitsklima dabei eine wichtige Grundlage sind, dürfte uns allen klar sein. Und gerade die liegen durch die fehlerhaften bildungspolitischen Entscheidungen der CDU-Landesregierung am Boden.
Meine Damen und Herren, es werden immer mehr neue Qualifkationen gefragt. Zu diesen neuen Qualifikationen gehört auch, sich Neues eigenständig erarbeiten zu können. Den Wettlauf mit dem schnell heranwachsenden Wissen kann die Ausbildung nicht gewinnen und schnell ist das überholt, was sie vermitteln kann - Herr Minister Krapp hat darauf hingewiesen -, und daher muss sie dazu befähigen, ein Leben lang weiter zu lernen und sich neu orientieren zu können. Das bedeutet eine grundsätzlich neue Zielbestimmung schulischen Lernens. In diesen Kontext ist auch das
neue Lehrplankonzept gestellt und, ich denke, der Unterricht im einzelnen Fach ist ja auf ein gemeinsames Grundanliegen, auf die Entwicklung von zentralen Kompetenzen, gerichtet und damit, das will ich ohne Weiteres hier sagen, haben wir in Thüringen ein tragfähiges und zukunftstaugliches Konzept entwickelt. Alle, die an der Ausarbeitung mitgewirkt haben, vor allem die Lehrplankommission und das Thüringer Institut für Lehrplanfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, haben unsere Anerkennung verdient. Es ist aber eine alte Weisheit, die uns schon aus der DDR-Schule bekannt ist: Reale Schulwirklichkeit und Lehrpläne sind zwei recht unterschiedliche Schuhe.
Oft klaffen Schulrealität und Lehrplanziele weit auseinander. Mit Recht wird deshalb von den Verantwortlichen der Einführung der Lehrpläne große Bedeutung zugemessen. Es kommt darauf an, dass die Lehrerinnen und Lehrer die neuen Pläne annehmen, dass sie sich mit den dort formulierten Zielen und Aufgaben identifizieren und dass sie zur qualitätsvollen Umsetzung befähigt werden, und hier, meine Damen und Herren, liegt der Hase im Pfeffer oder - bezogen auf die aktuelle Situation in Thüringer Schulen besser - das Kind im Brunnen. Ministerium und Schulämter sind derzeit leider mit aller Kraft dabei, die Lehrer weiter zu demotivieren und zu verunsichern.
Ich will keinesfalls denen Unrecht tun, die sich mit vollem Engagement an den Schulen sich den zunehmend komplexer und schwieriger werdenden Aufgaben widmen. Sie verdienen unsere volle Anerkennung und Wertschätzung. Doch es muss offen gesagt werden, unter den Bedingungen der von der Landesregierung zu verantwortenden Schulpolitik in Thüringen, in der auch bei den bevorstehenden Personalmaßnahmen Leistung keine Rolle spielt, wächst die Zahl derer, die über das notwendigste Pflichtpensum ihrer Teilzeitbeschäftigung und ihres Teilgehaltes hinaus nur wenig zu tun bereit sind.
Meine Damen und Herren, was für die Lehrpläne gilt, trifft insgesamt für die notwendigen inhaltlichen Weiterentwicklungen des Thüringer Schulwesens zu. Viele Aspekte und Projekte, die in der Regierungserklärung durch den Minister genannt wurden, sind brauchbare Ansätze, die jedoch versanden oder stecken bleiben, weil sie nicht konsequent bis zum guten Ende verfolgt oder landesweit umgesetzt werden. Das betrifft u.a. die Versuche zur Stärkung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundbildung, die dialogische Schulaufsicht, die Begabtenförderung, die Schulsozialarbeit, die innere und äußere Evaluierung der Schulen sowie die Leistungsstimulierung der guten und erfolgreichen Lehrerinnen und Lehrer und die Modelle für den Erhalt kleiner Grund- und Regelschulen. Und dabei geht es nicht nur um Umsetzungsschwächen; der Minister irrt, wenn er in seiner Regierungserklärung in Bezug auf die kleine Regelschule behauptet, bereits jetzt sei erkennbar,
Der Bildungsausschuss, Herr Minister Krapp, konnte sich an der Regelschule in Schmiedefeld vom Gegenteil überzeugen. Frau Dr. Stangner hat das vorhin gerade berichtet. In gerade dieser Schule fanden wir nämlich beispielhafte Schulqualität und eine bemerkenswerte Innovationskraft und ich bin überzeugt, wenn diese Modelle auch vom Ministerium in die Breite getragen werden, dass viele Schulen sich auf den Weg machen, auch eine kleine Regelschule in guter Qualität zu erfüllen.
Herr Minister, es kommt darauf an, dass wir den Schulen die Möglichkeit geben, voneinander zu lernen, und das müssen Sie organisieren, das ist Ihre Aufgabe.
Meine Damen und Herren, jedermann in diesem Haus kennt das Steckenpferd des Kultusministers, die modernen Medien und deren Nutzung. Wir haben in der 2. Legislaturperiode alle Bemühungen gefördert, die Thüringer Schulen bei der Ausstattung mit internettauglicher Computertechnik nach vorn zu bringen. Das ist hierzulande ebenso wie z.B. in Brandenburg auch gelungen. Erfolge auf diesem Gebiet erkennen wir und würdigen sie gern. Doch wenn ich jetzt vor Euphorie warne und hinter die PC- und Internetoberfläche schaue, so geschieht das weder aus technikfeindlichem Kulturpessimismus noch aus oppositionellem Widerspruchsgeist. Vielmehr ist vor mindestens zwei Irrtümern zu warnen, von denen auch die Thüringer Bildungspolitik nicht frei ist. Erstens zieht mit der modernen Technik nicht zugleich moderner Unterricht in die Schulen ein.
Bei allen schätzenswerten Fortbildungsangeboten und einzelnen Modellerfolgen bleibt festzustellen, dass in der überwiegenden Zahl von Schulen und Stunden die technische Umwälzung nicht mit einer konsequenten Umgestaltung der Lehr- und Lernweisen, mit der Abkehr vom Frontalunterricht und von der traditionellen Lehrerrolle hin zum offenen Unterricht und zur Gruppenarbeit einhergeht. Weder die derzeitige Lehrerausbildung hält dabei genügend mit, noch gibt es angemessene Fortbildungsanreize und -verpflichtungen für alle Pädagogen. Und zweitens ist Nachdenken darüber angebracht, ob das Kultusministerium nicht im illusionären Wunschdenken landet, dass sich mit moderner PC-Ausstattung die an den Schu
len bestehenden pädagogischen Probleme, besonders die Erziehungsprobleme, automatisch im Selbstlauf lösen werden. Nicht nur das Institut der Deutschen Wirtschaft weist auf die bisher sehr bescheidenen Ergebnisse der gewaltigen Aufrüstung der Klassenzimmer im Hinblick auf den Bildungsstand der Schüler und Schulabgänger hin. Und auch Wissenschaftler warnen zunehmend vor einer Sackgasse, die in die einseitige Orientierung und Erwartung führen können. Sie haben rechtzeitig darauf orientiert, die Entwicklung von Medienkompetenz von Lehrern und Schülern in den Mittelpunkt zu rücken. Hier ist allerhand, doch noch lange nicht genügend geschehen und mir ist auch noch heute unklar, weshalb eine entsprechende Stiftung, für die die Mittel damals vorhanden waren, nicht entstanden ist.
Meine Damen und Herren, Schule muss eine Institution der Balance sein zwischen Beständigem und Innovation, zwischen Bewahren und Flexibilität und dazu bedarf es verlässlicher Rahmenbedingungen. Das Thüringer Kultusministerium ist allerdings gegenwärtig auf dem Weg, die Erfolge der Thüringer Schulentwicklung zu verspielen. Im Sport würde man die gegenwärtige Situation als mentale Krise bezeichnen, denn die Stimmung in den Mannschaften der Lehrer, Eltern und Schüler sinkt, bloß erkennen die Mannschaften im Sport das, benennen es auch und tun etwas dagegen. Stattdessen trudelt die Thüringer Schule unter schwacher Führung einer Krise entgegen.
Meine Damen und Herren, die heutige Regierungserklärung hätte die Möglichkeit einer problembewussten kritischen Bestandsaufnahme geboten; diese Chance wurde leider vertan.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Wissen ist heute die wichtigste Ressource in unserer Informationsgesellschaft, und das in Deutschland umso mehr, als hier der Mensch mit seinem Wissen und Können seit jeher die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Kraft ausmacht. Wissen kann man nur durch Bildung erschließen. Wer sich wie wir den höchsten Lebensstandard, das beste Sozialsystem und den größtmöglichsten Umweltschutz leisten will, der muss eben auch das beste Bildungssystem besitzen.
Allein wir haben es nicht mehr, das ist das Problem. Deutschland und Europa sind nicht der bildungspoliti
sche Nabel der Welt. Die Asiaten haben uns bei den Schülerleistungen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich abgehängt und beim Fähigkeitsniveau schon um Welten geschlagen. In Europa sind unsere Schulabsolventen allenfalls Mittelklasse und sie liegen unter dem Durchschnitt noch hinter Slowenien und das zeigt, dass es hier nicht nur eine Sache von Geld ist. Und, Herr Döring, eine kleine Bemerkung, bei sinkenden Schülerzahlen sinken logischerweise eben auch die Haushaltsmittel; trotzdem geben wir hier in Thüringen mehr Geld aus pro Schüler als die meisten anderen Bundesländer,
auch als die meisten alten Bundesländer. Das ist ja nicht ganz unerheblich in der aktuellen Diskussion um die Verteilung der Finanzen. Die nächsten internationalen Studien werden uns erneut hier in Deutschland den Spiegel vorhalten. Mag sein, dass es unserer Thüringer Schule dann so geht, wie es der bösen Königin im Märchen geht: Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber die Schüler hinter den Bergen, die sind tausendmal schlauer als ihr. Herr Döring, Sie wollen ja auch hier den Eindruck erwecken, als seien Sie etwas schlauer als wir, und Sie werfen dem Minister Krapp ein Hin- und Herhüpfen vor.
Ich sage Ihnen, ich verfolge es ja nun schon seit Jahren, Sie hüpfen immer nur hinterher, und das auch nicht besonders hoch.
Zukunft durch Bildung heißt für mich erstens die Vielfalt einer Landschaft; nur die Vielfalt einer Schullandschaft wird den Begabungen gerecht. Das betrifft sowohl die Schularten, aber auch die Schulträgerschaft. Nicht die gleiche Bildung für jeden, wobei jeder die gleiche Chance haben muss, nicht die gleiche Bildung für jeden, sondern erst die passende Bildung für jeden sichert den besten Erfolg für den Einzelnen und dann aber auch für unsere Gesellschaft, sie wird davon am meisten profitieren. Deshalb ist es richtig, Hochbegabte speziell zu fördern, z.B. in Spezialschulen oder Spezialklassen, denn diese Talente sind es, die mit ihrem Wissen später dafür sorgen, dass hoch innovative Firmen in Thüringen ihren Sitz nehmen, und erst um diese Firmen herum entstehen Arbeitsplätze auch für diejenigen, deren Fähigkeiten mehr im praktischen Bereich liegen. Wir sollten hier den Mut haben, gute Schüler "gut" zu nennen und schlechte Schüler auch mal "schlecht" zu nennen.
und es ist aber auch nicht so, dass ein schlechter Schüler automatisch ein schlechter Mensch ist und umgekehrt.
Vielmehr kommt es darauf an, sich jedem Kind in der ihm gerechten Art und Weise zu widmen und es optimal zu betreuen. Das Gymnasium bereitet auf ein Studium vor. Deshalb werden wir auch in Zukunft hohe Hürden für den Eintritt in die gymnasiale Oberstufe stellen. Ich behaupte, wir haben heute noch 20 Prozent der Schüler in einer 11. Klasse sitzen, die dort gar nichts verloren haben und die nur den Lernfortschritt der anderen Kinder verzögern.
Der begonnene Weg, Schülern in den Regelschulen zusätzliche Angebote zur besseren Erlangung der Ausbildungsreife zu machen, ist fortzusetzen. Unser äußerst durchlässiges System von einer Schulart in die andere trägt der individuellen Entwicklung von Schülern Rechnung. Mehr Durchlässigkeit, Frau Dr. Stangner, geht nicht, es sei denn, man macht es auf Kosten des Fächerkanons und gleicht den Lehrplan an. Das ist eben genau nicht unser Ziel, diese Gleichmacherei.
Es ist heute schon ein Fakt, dass es Hauptschüler gibt, das gibt es tatsächlich, die es bis zum Abitur geschafft und dann später studiert haben. Das ist möglich in diesem Lande.