Einer großen Mehrheit weltoffener Thüringerinnen und Thüringer steht eine Minderheit von Menschen gegenüber, die fremdenfeindliche Einstellungen haben. Ich zitiere aus der Studie: "Ausländerfeindliche Einstellungen erreichen Größenordnungen von bis zu 15 Prozent, Asylbewerbern gegenüber sind Thüringer weit weniger tolerant eingestellt als gegenüber anderen Fremden. Eine Diskriminierungsbereitschaft ist bei 21 Prozent der Thüringer vorhanden." (Seite 74)
Wir müssen diese Tendenzen ernst nehmen und wir dürfen nicht zulassen, dass Ausländer in Thüringen beleidigt, diskriminiert oder angegriffen werden.
Meine Damen und Herren, weiter, ein Zitat: "Die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen signalisiert Offenheit für demokratische Politik." Das ist ein ermutigendes Zeichen, eine Erkenntnis, die auch durch die Shell-Studie bestätigt wird. Es ist ebenfalls ein positives Zeichen, dass diese Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen ein überdurchschnittlich großes Vertrauen in die politischen Institutionen hat - überdurchschnittlich heißt, ein größeres Vertrauen als alle anderen Altersgruppen. Es ist erfreulich, dass sich in dieser jugendlichen Altersgruppe besonders viele Menschen als Europäer bezeichnen. Aber die Studie verweist auch auf eine andere Aussage für diese Altersgruppe. Ich zitiere: "Jeder Vierte der 18- bis 24-Jährigen bekundet Sympathien für eine Partei am äußersten rechten Spektrum. In dieser Altersgruppe ist auch die Toleranz gegenüber einer rechtsextremen Subkultur am größten." Die Hälfte davon, also 12 bis 13 Prozent, können sich vorstellen, eine Partei des rechten Flügels - die NPD, die Republikaner, die DVU - zu wählen. In der Gesamtbevölkerung können sich das 6 Prozent vorstellen; 1 Prozent haben es schon einmal getan. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, dürfen nicht verharmlost werden. Allerdings darf auch nicht übersehen werden: In Thüringen können sich 12 Prozent der Jugendlichen und 6 Prozent der Gesamtwählerschaft vorstellen, rechtsradikal zu wählen, in Sachsen-Anhalt tun es 12,9 Prozent und in Baden-Württemberg tun es 10 Prozent. Wir müssen also, meine ich, alles tun, um die Vorstellungen zu verändern und um es dabei zu belassen, dass diese Vorstellungen in Thüringen nicht Wirklichkeit werden, so wie sie in der Vergangenheit nicht Wirklichkeit geworden sind.
Bei den Ursachen für dieses Verhalten spielt nach der Meinung der Wissenschaftler vor allem der "Faktor" Bildung eine herausragende Rolle. Am stärksten zur Ausländerfeindlichkeit neigen diejenigen, die ein eher niedriges Bildungsniveau haben. Auch die Bereitschaft zur
Diskriminierung und zu einem Ethnozentrismus, wie die Wissenschaftler das nennen, stünden in einer direkten Abhängigkeit vom Bildungsniveau. Ebenso besteht offenbar ein Zusammenhang mit der sozialen und wirtschaftlichen Lage dieser Altersgruppe. Es zeigt sich, "dass diejenigen, die die eigene wirtschaftliche Situation schlecht beurteilen, eher zu ausländerfeindlichen Einstellungen neigen und es sei ferner erkennbar, dass ein schwach ausgebildetes Institutionenvertrauen und dass Politikverdrossenheit im Zusammenhang mit ausländerfeindlichen Einstellungen stünden. Deutlich hat sich eine autoritäre Erziehung als Faktor erwiesen, der nicht nur Fremdenfeindlichkeit, sondern wohl auch Gewaltakzeptanz begünstigt". So in dieser Studie. Wir alle müssen uns, glaube ich, durch diese Erkenntnis herausgefordert fühlen und wir alle müssen etwas dagegen tun. Ganz besonders gefordert ist die Familie, denn hier werden erste politische Einstellungen geprägt und hier werden Eigenschaften wie Toleranz, Offenheit und Verantwortungsbewusstsein vorgelebt. Die Eltern müssen ihre Verantwortung erfüllen und die Politik muss den Familien helfen. Wir fühlen uns darin bestätigt, dass wir mehr für die Familie tun und mehr finanzielle Mittel aufwenden als die anderen jungen Länder und als die meisten westdeutschen Länder. Eine angemessene Familienpolitik bleibt eine wichtige Voraussetzung für eine zukunftsfähige demokratische Gesellschaft. Die Landesregierung lässt die Familie mit ihren wichtigen Aufgaben nicht allein. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um in der Fortbildung für alle, die sich mit Kindern und Jugendlichen befassen - vom Kindergarten über die Schule bis zur offenen Jugendarbeit, aber auch in der Familienbildung -, Maßstäbe für demokratisches und gewaltfreies Handeln in den Vordergrund zu stellen.
Neben dem Elternhaus spielt die Schule eine herausragende Rolle. Wir wissen, dass leider an den Schulen rechtsextreme Gewalt und rechtsextreme Delikte, wie das Tragen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen feststellbar sind, wenngleich solche Ereignisse selten sind. 1998 sind 14 einschlägige Vorkommnisse bekannt geworden, 1999 waren es 25 und in diesem Jahr bisher 32 Fälle bei immerhin über 280.000 Schülern. Dabei ging es im Wesentlichen um Hakenkreuzschmierereien, um rassistische Sprüche und Parolen oder Ähnliches. Alle Lehrerinnen und Lehrer stehen in der Verantwortung, alles zu tun, was ihnen möglich ist, um extremistischen Erscheinungen entschieden entgegenzutreten. Wichtiger ist, dass sie alles tun, um die Entstehung von Gewaltbereitschaft und Radikalismus zu verhindern und am wichtigsten ist, dass sie tolerantes, mitmenschliches Verhalten vorleben und einüben, dass sie zur Freiheit, zum Frieden und zur Demokratie erziehen. Wir alle, Landesregierung, Politiker, Eltern und alle Bürgerinnen und Bürger, sind aufgefordert, die Lehrerinnen und Lehrer bei dieser schwierigen Aufgabe nicht allein zu lassen; von ihnen nicht nur immer mehr zu fordern, sondern die Lehrer zu ermutigen und ihnen gelegentlich für ihre Arbeit auch einmal zu danken, meine Damen und Herren.
Die Lehrpläne für die Thüringer Schulen enthalten seit Jahren die fächerübergreifende Themenstellung "Erziehung zur Gewaltfreiheit, Toleranz und Frieden". Für die Umsetzung dieser Themenstellung wurde eine Handreichung für Lehrkräfte erarbeitet mit Anregungen für den Unterricht von der Grundschule bis zur Klassenstufe 12. Auch der Rechtskundeunterricht, eine gemeinsame Initiative des Justizministeriums und des Kultusministeriums, will helfen, zunächst einmal den Rechtsstaat verständlich zu machen und darüber hinaus gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.
Über den Unterricht hinaus spielen Projektarbeiten an Thüringer Schulen eine wichtige Rolle. Dazu gehören zum Beispiel an den weiterführenden Schulen Jugendbegegnungen oder die intensive Befassung und der Besuch unserer Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora. Nicht umsonst sind im kommenden Haushalt die Mittel für diese Einrichtungen noch einmal um ein Drittel aufgestockt.
Aktuelles Beispiel für diese Arbeit ist etwa das Treffen deutscher und jüdischer Enkel in Eisenach vor ein paar Tagen. Den Leitern der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, Herrn Knigge und Frau Klose, möchte ich meinen besonderen Dank sagen dafür, dass sie seit Jahren mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Betreuung von Schülern und Jugendlichen Beispielhaftes und für ganz Deutschland Vorbildliches leisten.
Auch über 50 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft haben wir allen Anlass, uns mit den Verbrechen, die in deutschem Namen geschehen sind, auseinander zu setzen und der Jugend das Wissen darüber zu vermitteln. Aus der Erinnerung an die leidvolle Erfahrung mit Diktaturen folgt die Notwendigkeit, sich wider das Vergessen zu engagieren. Man muss um die Vergangenheit wissen, wenn man die Zukunft bestehen will. Die heutige junge Generation kann nicht für das verantwortlich gemacht werden, was in der Vergangenheit geschehen ist, aber sie und wir alle sind verantwortlich für das, was in der Zukunft daraus wird. Deshalb ist es so wichtig, dass die Jugendlichen die geschichtliche Wahrheit kennen. Meine Bitte richtet sich hier insbesondere an Eltern und Lehrer und an alle, die Jugendarbeit leisten: Helfen Sie mit, dass die ewig Gestrigen mit ihren Lügen, mit ihren Hetzen, mit ihren dummen Parolen auf eine junge Generation stoßen, die es besser weiß. Das ist die beste Vorkehr, meine Damen und Herren.
Aber Toleranz muss man erlernen und einüben und die Begegnung mit anderen, mit fremden Kulturen kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten, denn sie schafft Ver
ständnis und sie lehrt Fremdenfeindlichkeit zu verachten. Das Kulturstadtjahr in Weimar hat hier viele wichtige Akzente gesetzt, etwa der Workshop Westöstlicher Divan, wo junge Musiker aus Weimar, aus Israel und vielen arabischen Ländern miteinander musiziert haben. Ich denke an die Expo-Beteiligung. Ich denke an die Veranstaltungen zum Bachjahr.
Thüringen ist das Land, in dem der bundesweite Förderwettbewerb "Demokratisch handeln" seinen Sitz hat. Hier werden in Form von länderübergreifenden Workshops Arbeiten mit Schülern zum demokratischen Handeln und zur Bedeutung von Zivilcourage unterstützt. Wer Kinder und Jugendliche in verantwortlicher Weise zu engagierten Demokraten erziehen will, der muss selbst über hohe Kompetenz verfügen. Deswegen räumen wir der Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer breiten Rang ein. Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien ist hier wichtig. Beispielhaft sei das vom Kultusministerium, dem Innenministerium, dem Sozialministerium und dem Institut für berufliche Bildung und Weiterbildung entwickelte Fortbildungsprojekt "Konzepte der Gewaltprävention" genannt, das sich an Lehrer, an Polizisten und an Mitarbeiter der Jugendhilfe wendet.
Bei der Prävention von Rechtsextremismus und von radikaler Gewalt ist die Schulsozialarbeit wichtig; sozialpädagogische Fachkräfte können mit ihrer individuellen Arbeit in den Schulen und ihrem Umfeld Ausgleich sozialer Benachteiligungen herbeiführen. Sie können zur Überwindung schulischer und außerschulischer Probleme Hilfe anbieten und nicht zuletzt können sie mit ihrer Arbeit die schulische Ausbildung und damit auch die soziale Integration junger Menschen fördern. Insbesondere bei der Jugendarbeit ist eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen gegen den Rechtsradikalismus erforderlich. Zwischen dem Landesjugendring und dem Kultusministerium ist am 2. Juni eine Kooperationsvereinbarung getroffen worden, die erste ihrer Art auf Länderebene. Ich nenne in diesem Zusammenhang auch die gute Kooperation mit der Landeselternvertretung und der Landesschülervertretung. Es ist ermutigend, dass die Landesschülervertretung den Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde zu ihrem nächsten Schüler-Politik-Tag eingeladen hat. Die neu gegründete internationale Schule in Weimar soll ein Zentrum der internationalen und weltoffenen Verhaltensweise junger Leute in Thüringen werden.
Meine Damen und Herren, Grund zur Sorge bieten die Einstellungen einer, wenn auch kleinen, Minderheit in Thüringen zur Gewalt. Ich zitiere: "Etwa sieben von 100 sehen in gewaltsamen Aktionen ein Mittel der politischen Auseinandersetzung." Auch die Gewaltbereitschaft steht in einem engen Zusammenhang mit dem Bildungsgrad. Menschen, die in die Gesellschaft integriert sind und über einen Arbeitsplatz verfügen, zeigen eine deutlich geringere Neigung zur Gewalt. Die Bekämpfung politisch oder fremdenfeindlich motivierter Gewaltstraf
taten gehört für Staatsanwaltschaft und Gerichte zu den wichtigsten Beiträgen, die derzeit geleistet werden können. Strafe muss abschrecken, meine Damen und Herren,
damit die nächste Straftat unterbleibt. Es ist Besorgnis erregend, dass die platte Propaganda rechtsextremer Organisationen und Gruppen, die in den alten Ländern seit langem aktiv sind, auch bei den Jugendlichen in den jungen Ländern auf fruchtbaren Boden fällt. In allen jungen Ländern sind im Bundesvergleich überproportional Straftaten mit rechtsextremistischem bzw. fremdenfeindlichem Hintergrund zu verzeichnen. Auch in Thüringen ist bedauerlicherweise ein ansteigender Trend zu beobachten. Im ersten Halbjahr 1999 wurden 554 rechtsextremistische Straftaten registriert, im ersten Halbjahr 2000 waren es 687.
Um es noch einmal zu unterstreichen: Von großer Bedeutung ist eine konsequente und schnelle Bestrafung der Täter, um einen kurzen Abstand zwischen Tat, Verurteilung und Vollstreckung zu gewährleisten. Es ist unbestritten, dass gerade im Jugendstrafrecht eine Verfahrensbeschleunigung notwendig ist. Es war ein Signal, dass die Täter von Erfurt und von Buchenwald so schnell ermittelt und verurteilt werden konnten, und es war ein gutes Zeichen, dass die Täter von Eisenach nach nur zwei Wochen rechtskräftig verurteilt werden konnten schneller geht es nicht. Die Landesregierung hat die Initiative ergriffen, dass beschleunigte Verfahren auch im Jugendstrafrecht möglich sind. Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag einem Gesetzentwurf des Freistaats Thüringen zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes zugestimmt. Das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung muss gestärkt werden.
Sie trägt seit Monaten die Hauptlast im Kampf gegen den Radikalismus. Sie hat sich bei der Bekämpfung der rechtsextremistischen Straftaten mit einem engagierten und besonderen Einsatz, mit raschen Festnahmen und einer erfolgreichen Ermittlungsarbeit wahrlich verdient gemacht.
Vor dem Hintergrund der Zunahme rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Straftaten und der Erfahrung, dass die Taten in Eisenach und Gotha leider eine neue Qualität in Bezug auf Kaltblütigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern erlangt haben, sieht sich der Freistaat in besonderer Weise seiner liberalen, toleranten und weltoffenen Tradition verpflichtet. Die Lan
Eckpfeiler sind die vorhandenen präventiven und repressiven Konzepte und die Stärkung bürgerschaftlichen Engagements. Im repressiven Bereich wurde das Extremismuskonzept in Kraft gesetzt. Dazu gehört die Gewährleistung einer entschlossenen Strafverfolgung, dazu gehört die Schaffung eines permanenten und landesweiten Überwachungs- und Verfolgungsdrucks, dazu gehört die verstärkte Überwachung von Brenn- und Treffpunkten potenzieller Straftäter sowie ein frühzeitiger Informationsaustausch zwischen den beteiligten Sicherheitsbehörden. Erste Erfolge seit Einführung des Extremismuskonzepts sind sichtbar. So ist es beispielsweise gelungen, öffentlichkeitswirksame Auftritte wie Skinheadkonzerte und rechtsextreme öffentliche Aufmärsche weitgehend zu verhindern.
Zur Extremismusbekämpfung gehört aber auch, meine Damen und Herren, die Arbeit des Verfassungsschutzes. Es trifft sich gut, dass der neue Präsident des Thüringer Landesamtes gestern seine Arbeit aufgenommen hat. Verfassungsschutz ist kein notwendiges Übel, meine Damen und Herren, sondern eine dringende Notwendigkeit. Selten war der Verfassungsschutz so wichtig wie gerade jetzt.
Zur Bündelung der Initiativen bei der Bekämpfung von rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten hat im Innenministerium die Koordinierungsstelle Gewaltprävention ihre Arbeit aufgenommen und wir haben sie natürlich mit den notwendigen Stellen und den notwendigen Sachmitteln ausgestattet. Die Koordinierungsstelle will eine intensive Zusammenarbeit aller zuständigen staatlichen und kommunalen Stellen, der freien Träger und engagierter Bürger und sie will beim Aufbau horizontaler und vertikaler Netzwerke zur Gewaltprävention helfen. Ein mobiler Beratungsdienst berät vor Ort und koordiniert Unterstützungsmaßnahmen. Über eine Info-Hotline ist die Koordinierungsstelle Ansprechpartner für Bürger, für Behörden, für Einrichtungen und Gremien und in Kürze wird sie auch im Internet präsent sein, um nach Errichtung diverser Datenbanken ihre Servicefunktion auch auf diesem Weg wahrnehmen zu können.
Unter dem Motto "Gemeinsam gegen Gewalt" ist geplant, in sechs Städten Thüringens öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen durchzuführen. Dabei stehen folgende Ziele im Vordergrund: Beobachtete Gewalttaten sollen richtig eingeschätzt und bewertet werden, den Bürgern sollen angemessene Verhaltensweisen in solchen Gewaltsituationen aufgezeigt werden und das bürgerschaftliche Engagement gegen Gewalt soll gestärkt werden.
Für das Jahr 2001 sind ressortübergreifende Fortbildungsveranstaltungen zur Thematik "Gewaltprävention" geplant. Unter dem Motto "Gemeinsam gegen Gewalt" wird im nächsten Jahr ein landesweites Projekt gestartet. Fernsehen,
Rundfunk und Zeitungen sollen gebeten werden, sich zu beteiligen. Vorgesehen ist auch ein Schülerwettbewerb. Wir verfolgen damit zwei Ziele; erstens die allgemeine Ächtung von Gewalt als Mittel der Konflikt- und Problemlösung und zweitens die Stärkung der Zivilcourage, insbesondere bei der Wahrnehmung und Bewertung von Gewalt durch die Bürger, die Ermutigung hinzusehen, die Ermutigung sich einzumischen und die Kritik daran wegzusehen und unbeteiligt bleiben zu wollen.
Die Sicherung des demokratischen Rechtsstaats kann aber nicht allein von staatlicher Stelle geleistet werden. Die Bekämpfung von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Prävention kann letztlich nur erfolgreich sein, wenn der Einzelne entsprechend seiner persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse Zivilcourage im Umgang mit der extremistischen Szene beweist, sei es durch die geistige Auseinandersetzung mit Befürwortern extremistischer Gedanken, sei es durch die bewusste Wahrnehmung und konsequente Anzeige von Straftaten mit extremistischem Hintergrund oder jeglich mögliche sonstige Intervention gegen Gewalt und Hass.
Meine Damen und Herren, was den Prozess der Einheit Deutschlands betrifft - eine deutliche Mehrheit der Befragten (68 Prozent) gibt an, dass für sie persönlich die Vorteile der Wiedervereinigung überwiegen. Zwei Drittel der Befragten bewerten die wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat seit 1990 positiv. Hier sind es vor allem die Jüngeren und die Befragten mit einem höheren Bildungsabschluss, die über diesem Durchschnitt positiv urteilen. Gerade angesichts des Zusammenhangs zwischen der persönlichen wirtschaftlichen Lage, der Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage und der Nähe zum Rechtsextremismus müssen wir der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit weiterhin hohe Priorität einräumen.
Daran wird deutlich, und ich sage das ganz bewusst vor dem Hintergrund der Debatte in den letzten Wochen um die Förderung von gefährdeten Wirtschaftsunternehmen: Es zahlt sich aus, dass wir in den zurückliegenden Jahren die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zielgerichtet im investiven Bereich eingesetzt haben, dass wir vor allem Unternehmensansiedlungen und Unternehmenskonsolidierungen, Existenzgründungen, dass wir die Stärkung der Innovationskraft und die Entwicklung moderner Technologie, dass wir zukunftsfähige Bildungs- und Forschungseinrichtungen und den Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur nach Kräften unterstützt und gefördert haben. Das war auch und nicht zuletzt ein wichtiger Beitrag zur Extremismusbekämpfung, meine Damen und Herren.
Nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die soziale Marktwirtschaft ist Grundlage unserer Verfassungsordnung und der Zustimmung der Bevölkerung zu dieser Ordnung. Wir müssen deswegen fortfahren, den wirtschaftlichen Aufbau so rasch wie möglich voranzubringen, und wir müssen darauf achten, dass wir in der Bildung vorn bleiben und zusätzlich neue Impulse setzen. Die Verfasser der Studie schlagen deswegen vor, die Bildung zum Thema eines zweiten Forschungsauftrags im nächsten Jahr zu machen.
Der gute Ruf, den die Hochschulen in Thüringen haben, kommt nicht von ungefähr. Der Mut zur Reform, die Bereitschaft, Studiengänge interdisziplinär und berufsorientiert zu gestalten, ist bei uns besonders ausgeprägt und wir können stolz sein, dass wir bei den in Mode gekommenen Rankings unter den deutschen Hochschulen fast immer ganz vorn liegen, häufig sogar Spitzenpositionen belegen. Wir sind stolz darauf, dass inzwischen mehr als 5.600 Studenten aus den alten Ländern und dass 1.500 ausländische Studenten in Thüringen studieren und sich, wie ich hoffe, in Thüringen wohl fühlen.
Wir wollen, dass der Anteil ausländischer Studenten weiter steigt, und wir wollen, dass der Anteil ausländischer Professoren weiter steigt. Wir wollen mehr ausländische Studenten in Thüringen und mehr Thüringer Studenten im Ausland, meine Damen und Herren.
Zu einem weltoffenen Thüringen leisten die vielfältigen Schulpartnerschaften, die Hochschulpartnerschaften, die Städtepartnerschaften und andere Partnerschaften mit anderen Regionen einen wichtigen Beitrag. Die Thüringer Schulen pflegen immerhin mit 838 Schulen in 43 Ländern der Welt Partnerschaften. Allein die Universitäten von Jena, Ilmenau und Weimar haben insgesamt mit über 100 ausländischen Universitäten und Hochschulen vertragliche Zusammenarbeit vereinbart. Ich nenne in diesem Zusammenhang auch die über 100 Städtepartnerschaften in 24 Ländern der Welt, unsere partnerschaftlichen Beziehungen zu Kleinpolen, zur Picardie, zu Essex, zu Chang-Tsi in China, zu Ungarn, zu Litauen; die Entwicklungshilfe, die wir in Kambodscha leisten, die ungeheuer stark gewachsene Zahl ausländisch-deutscher Gesellschaften hier in Thüringen, die sehr erfolgreich arbeiten und sich fast alle in den letzten Monaten mit den uns heute beschäftigenden Themen beschäftigt haben.