Protocol of the Session on October 11, 2000

Das war nur der Vorspann. Die eigentlichen Fragen von Herrn Wolf, beantworten Sie die auch noch oder sollen sie kurz wiederholt werden?

Er soll mir sagen, was er meint, welche nicht beantwortet sind.

Ich wiederhole die Frage auch gern noch einmal. Ist Ihnen als Jurist bekannt, wem die Prozessunterlagen alles zugänglich gemacht werden? Ist Ihnen auch bekannt, wie in den vergangenen Wochen und Monaten mit solchen Akten umgegangen wurde in den Medien?

Herr Wolf, es gibt ein rechtsstaatliches Verfahren, das ist in der Strafprozessordnung in diesem Fall geregelt und im Gerichtsverfassungsgesetz, dort sind die Rechte der Beteiligten geregelt mit allen Risiken, die die Herausgabe dieser Akten beinhaltet. Aber das ist Rechtsstaat und dies ist schlicht und ergreifend Anwendung deutschen Rechts.

(Beifall bei der SPD)

Das ist Rechtsstaat und macht ihn aus und nicht die Bewertung durch Sie oder durch die Landesregierung.

Frau Abgeordnete Vopel, bitte.

Herr Kollege Dewes, Sie haben vorhin gehört, dass sich die Bundesregierung, sprich der Bundesfinanzminister, vorbehält, auch Akten im Moment nicht herauszugeben mit einer ähnlichen oder mit der gleichen Begründung wie die Thüringer Landesregierung. Unterstellen Sie Herrn Eichel auch, dass er ein zerrüttetes Verhältnis zur Justiz hat?

Die Thüringer Landesregierung hat genauso wie die Bundesregierung auf der Grundlage des § 96 der Strafprozessordnung die Möglichkeit, im Hinblick auf bestimmte Akten und deren Herausgabe eine Sperrerklärung abzugeben. Wenn Herr Eichel dies tut, dann kann das anfordernde Gericht dies gerichtlich durch die Verwaltungsgerichte überprüfen lassen. Genauso hätte die Staatskanzlei, Herr Vogel, Herr Gnauck dies tun können, eine Sperrerklärung abgeben, und die Verwaltungsgerichte hätten dann zu prüfen gehabt, ob die Gründe, die zu dieser Sperrerklärung geführt haben, gewichtig genug sind, um die Aktenherausgabe an das Strafgericht zu verweigern. Ein simples und einleuchtendes Verfahren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident Dr. Vogel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist selbstverständlich, dass ich mich in dieser Debatte zu Wort melde und dass ich für die Regierung Position beziehe. Ich habe nicht die Absicht, auf die 12 Redner, wenn ich recht gezählt habe, im Einzelnen einzugehen, sondern ich möchte die Position der Landesregierung darstellen. Ich will zwei Ausnahmen machen. Herr Kollege Dewes: Natürlich, Bekämpfung oder Behinderung der Justiz steht auf der Tagesordnung, aber es gibt Leute, die haben den Verdacht, dass der Landesregierung der Vorwurf gemacht werden soll, sie behindere die Justiz, um davon abzulenken, dass die Politik der Landesregierung der letzten Jahre wirtschaftspolitisch überdurchschnittlich erfolgreich war,

(Beifall bei der CDU)

und darum gehören beide Dinge zusammen.

(Beifall bei der CDU)

Hinsichtlich Ihrer letzten Aussage irren Sie. Der Bundesfinanzminister behält sich ausdrücklich die weitere Verwendung von Verwaltungsprotokollen, die im Zusammenhang mit der Strafsache stehen, der Strafsache Pilz, eine Prüfung vor und bezüglich aller anderen beschlagnahmten Unterlagen, die im Strafverfahren letztlich keine Verwendung fanden. Der Bundesfinanzminister vertritt, vielleicht mit einem etwas kurialerem Stil, im Kern genau die Position von Herrn Gnauck und verfährt mit den Unterlagen genau, wie wir von der Staatskanzlei verfahren wollen. Die Gewaltenteilung ist voll gewahrt. Vom Bundesjustizminister gibt es keinen Einspruch und von uns hier auch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Den Versprecher vom Althaus zu Gnauck will ich Ihnen gerne nachsehen. Da Sie allerdings zum ersten Mal in diesem Hause gesagt haben, dass Sie auch im Namen der PDS-Fraktion sprechen, das muss man für die Zukunft festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Zu den Äußerungen des Herrn Kollegen Gentzel möchte ich mich betont nicht äußern, bevor ich sie gelesen habe. Sie klangen mir teilweise möglicherweise in der Tat in einem Ausmaß verdachtweckend, dass ich mir vorbehalte entschieden zu widersprechen. Herr Gentzel, so kann man nicht miteinander umgehen:

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Doch.)

Erwecke nur einen Verdacht, es wird schon irgendetwas hängen bleiben; so geht das nicht.

(Beifall bei der CDU)

Und nun meine Position: Zunächst einmal, ich bin der Überzeugung, die Minister Dr. Birkmann und Gnauck haben richtig gehandelt.

(Beifall bei der CDU)

Es war richtig, dass Herr Minister Birkmann seinen Kollegen Schuster angerufen hat, nicht um die Durchsuchung zu verhindern, sondern um ihn zu bitten, alles zu tun, um die ergänzende Akteneinsicht zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU)

Wer daraus, wie Herr Gentzel, einen Anschlag auf den Rechtsstaat macht oder meint, wie Herr Buse, Anrufe von Ministern seien nichts Alltägliches - meine Damen und Herren, es ist weltfremd zu meinen, dass Mitglieder eines Kabinetts, die nach Landesverfassung und Geschäftsordnung zur Kooperation verpflichtet sind, sich eine solche Information nicht geben. Und ich weise darauf hin, dass in der Amtszeit von Herrn Justizminister Kretschmer genau so verfahren worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Justizministerium hat den Staatssekretär im Finanzministerium davon unterrichtet im November 1995, dass eine Untersuchung bevorstehe, dass man entsprechend die Akten vorbereiten möge. Im Übrigen, Herr Kollege Otto Kretschmer, mir sind außerhalb des Freistaats, ich betone, außerhalb des Freistaats Thüringen Fälle bekannt, wo der Justizminister Anweisung an den Staatsanwalt gegeben hat, eine Durchsuchung von Ministerien zu unterlassen. Das hat Herr Kollege Birkmann zu Recht nicht getan. Aber, meine Damen und Herren, anderswo hat man staatsanwaltschaftliche Anweisungen erlassen und Sie führen sich hier auf, als ob der Freistaat in Gefahr sei, weil

Herr Birkmann Herrn Schuster angerufen hat

(Beifall bei der CDU)

und, meine Damen und Herren, im Beisein eines Beamten. Wenn Herr Birkmann sich bewusst gewesen wäre, dass er da etwas täte, was den Freistaat ins Beben bringt, dann hätte er doch nicht den Beamten bei dem Telefongespräch anwesend sein lassen. Haben Sie schon mal ein Telefongespräch in einer delikaten Frage geführt, wo sie noch extra einen Beamten hinzugezogen haben? Meine Damen und Herren, das glauben Sie doch selber nicht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto Kretschmer?

Nicht grundsätzlich allen, aber Herrn Kretschmer, ja.

Ich bedanke mich. Ist Ihnen bewusst, Herr Ministerpräsident, dass es Unterschiede gab zwischen den Fällen, die Sie eben zitiert haben, wo das Justizministerium 1995 zum Beispiel unterrichtet hat, und dem jetzt in Rede stehenden Fall, dass in den Fällen - es gab zwei -, in denen ich unterrichtet habe, nicht die Bitte des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft vorlag, nicht zu unterrichten?

Herr Kretschmer, der Herr Dr. Birkmann hat vorhin ausführlich den Brief zitiert, dass dort keine Bitte enthalten ist, sondern am Schluss des Satzes eine Aufforderung, von der noch nicht mal bekannt ist, ob sie Herr Birkmann gekannt hat. Faktum ist: Herr Kretschmer und Herr Birkmann haben zugelassen, dass ein zu untersuchendes Ministerium vorher informiert worden ist. Darauf kommt es an.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, darf ich eine Zusatzfrage stellen?

Auch das mache ich gern.

Stimmen Sie mit mir überein, dass es reine Rabulistik ist?

Ja, Ihre Ausführungen sind reine Rabulistik, das ist in der Tat wahr, Herr Kretschmer.

(Beifall bei der CDU)

Ich verstehe ja, dass Sie heute eine Rede in Ihre Partei hinein halten wollten. Dafür habe ich viel Verständnis. Nur haben sie halt auch ein paar gehört, die nicht Ihrer Partei angehören und die haben Anstoß daran genommen und dazu gehöre ich.

(Beifall bei der CDU)

Herr Buse hat davon gesprochen, man müsse gegen Herrn Birkmann ein Ermittlungsverfahren eröffnen, obwohl, Herr Buse, die Staatsanwaltschaft ausdrücklich eingestellt hat. Und, meine Damen und Herren, der Redner heute hier, Herr Kollege Kretschmer, der besonders stolz auf die Justiz von Thüringen ist, spricht dann von einem Gefälligkeitsattest eines Mitglieds der Thüringer Justiz. Herr Kretschmer, entweder sind wir stolz auf die Unabhängigkeit der Justiz oder wir nutzen dieses Podium, um Richter oder Staatsanwälte anzuschwärzen - eines von beiden.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Gnauck hat immer die Bereitschaft erklärt, alle Unterlagen, die etwas mit dem Prozess in Mühlhausen zu tun haben, den Richtern oder der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen. Er hat das auch bereitwillig und freiwillig getan. Von einer Behinderung der Justiz kann keine Rede sein.

(Beifall bei der CDU)

Richtig ist allerdings auch, dass Herr Minister Gnauck nicht nur an den Prozess in Mühlhausen zu denken hat, sondern dass Herr Gnauck eine Gesamtverantwortung wahrzunehmen hat. Er hat auch den Schutz der Rechte Dritter und den Schutz des Kernbereichs des Regierungshandelns zu beachten. Ich komme auf diesen Punkt noch zurück. Ich bin der Meinung, die beiden Minister haben richtig gehandelt.