denn das wäre ja eigentlich das, woraus die Opposition die Substanz für eine Debatte zieht, ist nicht realistisch. Meine Damen und Herren, der Erfolg wäre sicherlich gering, zumal diese Effizienzauseinandersetzungen bei uns permanent im Rahmen der Haushaltsaufstellung stattfinden, wo der Finanzminister sich mit den Ressortkollegen kritisch über einzelne Haushaltsansätze verständigt. Lassen Sie uns einen solchen Bericht vorlegen und lassen Sie uns die politische Bewertung dort machen, wo sie hingehört, im Parlament und in den Ausschüssen und ich freue mich auf die Auseinandersetzungen, wenn wir den ersten Subventionsbericht vorlegen werden.
Es liegen keine weiteren Redewünsche mehr vor. Damit kann ich die Aussprache schließen. Wir kommen zur Abstimmung. Als Erstes stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3/960. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Die Gegenstimmen sind in der Mehrheit und der Antrag der SPD ist abgelehnt.
Wir stimmen als Nächstes über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 3/950 ab, die eine Neufassung des Antrags empfiehlt. Wer diesem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das ist die Mehrheit. Gegenstimmen? Eine Reihe Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Einige Stimmenthaltungen gibt es auch. Mit Mehrheit ist die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses angenommen und ich kann den Tagesordnungspunkt 7 schließen.
Es ist der Sofortbericht der Landesregierung signalisiert worden und ich gehe davon aus, dass es keine Begründung gibt. Der parlamentarische Geschäftsführer signalisiert mir keine Begründung für den Antrag. Das ist richtig. Dann bitte ich um den Sofortbericht, Minister Dr. Pietzsch.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, es ist nicht mehr als recht und billig, dass die Fraktion, die damals auf ihre Fahnen geschrieben hatte, diese Stiftung zu gründen, und dass der Landtag, der ja mit einem Beschluss 1996 aufgefordert hat, diese Stiftung einzurichten, nun noch mal einen Bericht darüber haben möchte, wie die Stiftung gelaufen ist, wie der Inhalt, der Zweck dieser Stiftung realisiert wurden.
Zwangsaussiedlungen, meine Damen und Herren, stellen einen besonders deutlichen Fall politischer Verfolgung durch das SED-Regime dar. Das muss man sich immer wieder mal vergegenwärtigen. Davon betroffen waren Menschen, deren einziges Vergehen darin bestand, dass sie im damaligen Grenzgebiet der DDR wohnten und aus irgendeinem Grunde unliebsam geworden sind und deshalb der von der SED geplanten Abschottung der DDR und ihrer Bevölkerung im Wege standen und sozusagen zum Opfer fielen.
Meine Damen und Herren, "unliebsam" - da denke ich, und die Älteren unter Ihnen werden sich daran erinnern, an 1961 "Lieber Bürger sei kein Tropf, entferne Deinen Ochsenkopf".
Da gab es - und ich hoffe, dass niemand der Abgeordneten als FDJ-Sekretär oder Funktionär dabei gewesen ist
FDJ-Gruppen, die den Leuten aufs Dach gestiegen sind, wie es hieß. Das reichte beispielsweise als Grund dafür aus, dass jemand aus dem Grenzgebiet zwangsausgesiedelt wurde. Diese Zwangsaussiedlungen fanden 1952 unter dem bezeichnenden Namen "Ungeziefer" und 1961 als "Aktion Kornblume" statt.
Meine Damen und Herren, der Hintergrund ist beide Male der gleiche. Für den Landwirt ist die Kornblume nicht die schöne blaue Blume, sondern für den Landwirt ist die Kornblume im Feld Unkraut. Und das sollte auch damit ausgedrückt werden. Allein in Thüringen wurden nach vorliegenden Schätzungen 1952 ca. 3.500 und 1961 ca. 1.700 Betroffene aus ihrem Zuhause und aus ihrer Heimat ausgesiedelt - zwangsdeportiert sozusagen.
Das am 1. Juli 1994 in Kraft getretene verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz stellt ausdrücklich fest, dass Zwangsaussiedlungen mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaats unvereinbar und demzufolge als Akt individueller politischer Verfolgung aufzuheben sind. Es ist nicht zuletzt auch dem Engagement Thüringens im Gesetzgebungsverfahren zu verdanken, dass in Bezug auf die Zwangsausgesiedelten der historischen Wahrheit zum Durchbruch verholfen werden und diese gesetzliche Festlegung erfolgen konnte. Thüringen hatte immerhin zur damaligen alten Bundesrepublik die längste Grenze. Als Rechtsfolge dieses Gesetzes wird den Zwangsausgesiedelten die Rückübertragung enteigneter Vermögenswerte durch Verweis auf das Vermögensgesetz gewährt, zum Zweiten die Versorgung wegen einer erlittenen gesundheitlichen Schädigung unter Verweis auf das Bundesversorgungsgesetz und drittens Wiedergutmachung von beruflichen Benachteiligungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Es wurde allerdings sehr schnell deutlich, dass diese Gesetzlichkeiten nur allmählich griffen, und deswegen ist diese Überlegung ergriffen worden, eine Entschädigung, eine Anerkennung für das erlittene Leid und oftmals jahrelang wirkendes Unrecht von 4.000 DM zu gewähren.
Ich erwähnte den Beschluss des Thüringer Landtags vom 14.11.1996 schon, wo die Landesregierung aufgefordert wurde, "eine Stiftung bürgerlichen Rechts zum Zweck der flexiblen Vergabe von Zuwendungen und Hilfen an Zwangsausgesiedelte zu errichten bzw. die Errichtung einer Stiftung zu unterstützen", so der Wortlaut damals. Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde am 24.03.1997 die Stiftung "Zwangsausgesiedeltenhilfe Thüringen" errichtet. Ziel der Stiftung war es, den von der deutschen Teilung und von Unrechtsmaßnahmen besonders betroffenen Zwangsausgesiedelten aus dem Thüringer Grenzgebiet eine einmalige Zuwendung in Höhe von 4.000 DM zu gewähren. Übrigens, daran darf auch noch mal erinnert werden: Eine solche Stiftung, die die Gruppe der Zwangsausgesiedelten über das vom Bundesgesetzgeber vorgesehene Maß entschädigt, ist einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Aber ich denke, wir können darauf stolz sein, dass wir dieses 1997 eingerichtet haben.
Drei Jahre nach der Errichtung der Stiftung "Zwangsausgesiedeltenhilfe Thüringen" ist nunmehr der Stiftungszweck erfüllt. Fristablauf für die Antragstellung war der 31.12.1999 und mit Ablauf des 30.06.2000, also dieses Jahres, sind alle in der Stiftung eingegangenen 2.430 Anträge bearbeitet gewesen. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand der Stiftung "Zwangsausgesiedeltenhilfe" entsprechend der Satzung am 30.05.2000 mit Zweidrittelmehrheit die Aufhebung der Stiftung zum 30.06.2000 beschlossen.
Ich denke, insgesamt kann eine positive Bilanz gezogen werden, was die Arbeit und was die Geschwindigkeit der Entschädigung angeht. Von den 2.430 eingegangenen Anträgen konnten 2.044 Anträge bewilligt und den betroffenen Zwangsausgesiedelten die einmalige Zuwendung in Höhe von 4.000 DM ausgezahlt werden. Damit wurden für den Stiftungszweck Mittel in Höhe von ca. 8,2 Mio. DM aufgewendet. Lediglich 386 Anträge waren aus unterschiedlichen Gründen abzulehnen, insbesondere weil sie von Zwangsausgesiedelten kamen, die eben nicht Thüringer Zwangsausgesiedelte waren - wir haben ja dieses Gesetz allein nur hier in Thüringen gehabt. Insgesamt wurden für die Stiftung "Zwangsausgesiedeltenhilfe Thüringen" Landesmittel in Höhe von knapp 9 Mio. DM eingesetzt, genau 8,8 Mio. DM, es sind ja auch gewisse Verwaltungskosten gewesen.
An dieser Stelle möchte ich auch Dank sagen an die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder für die geleistete Arbeit.
Es waren unsere ehemaligen Abgeordnetenkollegen Abgeordneter Adalbert Bauch und Klaus Borck, es waren Christina Lusal, Herr Georg Wagner, der Vorsitzende des Bundes der Zwangsausgesiedelten, Herr Theodor Müller und Frau Eva-Maria Weppler-Rommelfanger, die die Vorstandsmitglieder waren. Darüber hinaus, denke ich, soll man auch und darf man auch den hauptamtlichen Mitarbeitern Frau Mertins und Frau Wenzel danken.
Durch diese gute und engagierte Arbeit während der letzten Jahre konnte den Betroffenen schnell und unbürokratisch geholfen werden. Das Grundstockvermögen in Höhe von 100.000 DM und die Restmittel fallen nun nach Erfüllung des Stiftungszwecks an das Land; das Grundstockvermögen ist entsprechend der Satzung im Sinne des Stiftungszwecks oder für sonstige gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Wir sind im Augenblick noch an der Überlegung, inwieweit die Unterlagen und die Aussagen über das, was passiert ist, was unterdessen bei der Stiftung angelaufen ist, zusammen mit anderen Unterlagen des Verbandes der Zwangsausgesiedelten wissenschaftlich ausgewertet werden sollte und dafür eventuell dieses Geld eingesetzt wird. Die zwei Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle der Stiftung "Zwangsausgesiedeltenhilfe" haben zum 30.06.2000 ebenfalls ihre Tätigkeit beendet.
Meine Damen und Herren, es ist uns klar, Ihnen allen, mir auch, dass es damit nicht gelingen kann, das Leid, das die Betroffenen erlitten haben, etwa gutzumachen oder gar ungeschehen zu machen; man kann dieses damit nur würdigen, es kann nur eine Anerkennung des schweren Schicksals sein und eine moralische Wiedergutmachung. Aber ich denke, dass wir in Thüringen dieses gemacht haben, das ist etwas, worauf wir stolz sein können und wofür ich den Abgeordneten danke, die diese Initiative ergriffen haben, denen danke, die es umgesetzt haben. Ich
Mit der Anmeldung von Redebeiträgen dürfte der Antrag auf Aussprache zu dem Bericht gestellt worden sein und ich rufe in dieser Aussprache Frau Abgeordnete Heß, SPDFraktion, auf.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Thüringer Landtag forderte die Landesregierung mit seinem Beschluss vom 14.11.1996 auf, eine Stiftung bürgerlichen Rechts zum Zwecke der flexiblen Vergabe von Zuwendungen und Hilfen an Zwangsausgesiedelte zu gründen. Wie bereits gesagt, Thüringen ist damit das einzige Land, das eine Entschädigungsregelung für die Opfer der Zwangsaussiedlung beschloss. Wir alle wissen, dass es sich bei der Entschädigung um eine moralische Wiedergutmachung handelt. In menschenverachtender und menschenunwürdiger Weise wurde ganzen Familien die Heimat und Existenz, die Hoffnung und Zukunft genommen. Das tatsächliche Leid und Unrecht wurde mit dieser Regelung nicht ausgeräumt. Trotzdem war es ein deutliches Zeichen für die Betroffenen. Der Beschluss, eine Stiftung zu gründen, war eine gute und mit großer Einmütigkeit getroffene Entscheidung.
Schon im Dezember 1997 lagen im Büro der Stiftung ca. 1.500 Anträge vor, von denen zu diesem Zeitpunkt schon 325 Fälle abgearbeitet und zur Auszahlung gekommen waren. Vorrang bei dieser Bearbeitung hatten in den ersten Jahren zu Recht die älteren Bürgerinnen und Bürger. Härtefälle oder Anträge mit fehlenden Unterlagen brauchten eine längere Bearbeitungszeit. Konnten keine Listen der Ausgesiedelten gefunden werden oder waren die Gerichtsurteile nicht aussagekräftig genug, wurden auch Rehabilitierungsbescheinigungen vom Landesamt Hildburghausen als Nachweis anerkannt oder die Vorlage anderer Dokumente, wie z.B. Meldebescheinigungen und Zeugenaussagen. Auch das spricht für ein deutliches und unbürokratisches Handeln. Eine aus einigen Stiftungsmitgliedern bestehende Kommission hatte sehr viel Beratungsbedarf, um Härtefälle zu untersuchen und diese den Stiftungsmitgliedern zur Entscheidung vorzulegen. Diese Stiftungsmitglieder erfuhren in ihrer dreijährigen ehrenamtlichen Arbeit von dem unendlichen Leid, das den Menschen durch die Aussiedlungsaktionen der SED-Machthaber zugefügt wurde. Auch ich bedanke mich namens meiner Fraktion bei den ehrenamtlichen Stiftungsmitgliedern und hauptamtlichen Mitarbeitern für deren sensible und engagierte Arbeit. Der Beschluss der CDU/SPD-Koalition und die konsequente Umsetzung durch die damalige
Sozialministerin Irene Ellenberger kann heute als gelungener Versuch bezeichnet werden, den Zwangsausgesiedelten geholfen zu haben. Die Auszahlung des Geldes war die eine Sache; wichtiger ist den meisten Betroffenen aber die Anerkennung des ihnen angetanen Leids und das Wachhalten dieses menschenunwürdigen Kapitels in der DDR-Geschichte. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich erlaube mir zu dem heutigen Tagesordnungspunkt 8 einige historische, aber auch einige Bemerkungen zu machen, die uns als Bundesland Thüringen mit der "Stiftung Zwangsausgesiedeltenhilfe Thüringen" in ein besonderes Licht gestellt hat. Thüringer Arbeitsgruppen der Vergangenheitsbewältigung, Bürgerrechtler und Betroffene sorgten in den bewegten Tagen der Wende dafür, dass die Zwangsaussiedlungen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze aus dem Tabubereich ins Licht der Öffentlichkeit gerückt worden sind und damit eine der schlimmsten Hinterlassenschaften von 40 Jahren DDRHerrschaft bekannt wurde. Ich erlaube mir, aus einem Brief zu zitieren, den Zwangsausgesiedelte erhalten haben, die gegen ihre Aussiedlung Widerspruch eingelegt haben, die sich gegen diese Unrechtsmaßnahme zur Wehr gesetzt haben. Ich darf zitieren, Frau Präsidentin: "Aufgrund Ihres antidemokratischen Verhaltens gegenüber der DDR fallen Sie unter den Personenkreis, der nach der Regierungsverordnung auszusiedeln ist. Ihre Aussiedlung ist somit zu Recht erfolgt. Der Einspruch wird abgelehnt. Die Entscheidung wird Ihnen schriftlich zugestellt und ist endgültig. gez. Gebhardt, Minister des Innern". Ich bitte Sie, verehrte Damen und Herren, sich gedanklich in den Inhalt dieses Schreibens zu versetzen und jene Phase des Entsetzens der Betroffenen nachzuvollziehen und nachzuerleben. Die historischen Hintergründe der Zwangsaussiedlungen betreffen in den Jahren 1952 und 1961 unter den Tarnbezeichnungen "Ungeziefer" und "Kornblume" vorbereitete Nacht- und Nebelaktionen, wobei Tausende unschuldige Familien aus der ehemaligen 5-km-Sperrzone unter Gewaltanwendung und Zurücklassung ihrer Habe evakuiert worden sind. Die Betroffenen mussten ultimativ, d.h. in nur wenigen Stunden, Haus und Hof verlassen, ihre Heimat zurücklassen und wurden mit unbekanntem Ziel in das Landesinnere umgesiedelt. Sie hatten keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, hatten keine Möglichkeit der Verteidigung vor Gericht mit Anwälten gegen das ihnen zugefügte Unrecht vorzugehen. Die willkürliche und rigorose Vorgehensweise gegen unschuldige Bürgerinnen und Bürger, das waren umgeschulte Antifakader nach sowjetischem Vorbild. Das muss man heute feststellen.
Das waren Funktionäre mit höchster Parteibildung, die sich durch bedingungslose Treue zur damaligen SED als Stützen des DDR-Systems auszeichneten, die Zuträger und Helfer von Schild und Schwert für die Staatssicherheit waren, die skrupellos jede kritische Meinung im Grenzgebiet verfolgten und unterdrückten und letztlich und endlich das Primat der Ideologie über das der Menschenrechte gestellt haben. Somit waren die Zwangsaussiedlungen, Herr Minister Dr. Pietzsch, wie Sie sagten, ein besonders prägnanter und eklatanter Fall der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und darüber hinaus auch ein Verstoß gegen damalig geltende Rechte, internationale Völkerrechte, gegen die Konvention der Vereinten Nationen; ja sogar gegen das eigene in der DDR-Verfassung garantierte Recht von Ausreise und Heimkehr, von Wohnsitzwahl wurde verstoßen.
In Thüringen, meine Damen und Herren, mit der längsten innerdeutschen Grenze zu Bayern, Hessen und Niedersachsen, sind, wie gesagt, 6.000 Menschen zwangsausgesiedelt worden. Vielen, die diesem grausamen Schicksal entgehen wollten und entgangen sind, blieb lediglich die Flucht übrig über die innerdeutsche Grenze oder wie damals über Westberlin. Mit der Einheit Deutschlands und mit dem Einigungsvertrag und hier im Artikel 17 wurde bekräftigt, Opfern von politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahmen sowie anderen Opfern des DDRUnrechts eine Wiedergutmachung und Lastenausgleich zu gewähren. Das führte zur Inkraftsetzung des ersten und zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes. Hier muss man mit großer Freude auch konstatieren, dass der Bund der Zwangsausgesiedelten Thüringen die Föderative Vereinigung Zwangsausgesiedelter in Mecklenburg-Vorpommern und viele Thüringer Opferverbände den Mut hatten zu fordern, den Sondertatbestand von Zwangsaussiedlung in das Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen und es zu berücksichtigen. Ich kann mich noch entsinnen, als auf dem Kongress der Zwangsausgesiedelten in der Stadthalle Magdeburg der damalige Justizminister Klaus Kinkel in seiner Abschlussansprache an die Zwangsausgesiedelten den Tatbestand der Zwangsausgesiedelten anerkannte und es in die Gesetzgebung einfließen ließ. Die Rechtsnachfolge war wie für andere Opfer der Strafjustiz nach Vermögensrecht, Gesundheitsschäden nach dem Bundesversorgungsrecht, berufliche Nachteile nach dem beruflichen Rehabilitierungsgesetz geregelt. Jedoch gab es auch zahlreiche Ausgesiedelte, die diesen Rechtsfolgen nicht entsprechen konnten. Um denen eine angemessene Entschädigung als Ausgleich für ihr erlittenes und oftmals - wie es im Gesetz heißt - "langjährig fortwirkendes Unrecht" zu gewähren, wurde die für Thüringen einmalige Stiftung "Hilfe Zwangsausgesiedelter für Thüringen" gegründet. Die Zielstellung der Stiftung war, den vom Teilungsunrecht Deutschlands und den zu DDR-Zeiten verordneten Unrechtsmaßnahmen besonders betroffenen Zwangsausgesiedelten aus dem Grenzgebiet jene 4.000 DM zuzuerkennen, um ihrer Entwurzelung, ihrer Ausweisung, ihrer unrechtmäßigen Ausweisung zu entsprechen. Damit haben Sie, verehrte Abgeordnete der damali
gen großen Koalition zwischen der CDU und SPD der 2. Legislaturperiode und die Landesregierung, sich dem besonders schweren Schicksal der Thüringer Zwangsausgesiedelten zugewandt und eine nach Möglichkeiten des Haushalts und des Landes angemessene finanzielle Regelung zur Entschädigung getroffen.
Man muss es heute auch im Zusammenhang sehen, wie andere Länder mit diesem Problem verfahren sind. Während in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern die Betroffenen gleichen Unrechts leidenschaftlich und bisher leider vergeblich für eine gleichartige Regelung kämpfen, hat der Freistaat Thüringen seine große Verantwortung gegenüber den Opfern, auch anderen Opfergruppen, wahrgenommen. Die in den zurückliegenden Jahren beantragten Anträge auf Zuweisung sind von Herrn Dr. Pietzsch benannt worden: 2.430 Anträge mit einem Mittelaufwand von 8,2 Mio. DM als ausgezahlte Mittel für die Betroffenen. Ich kann mich noch an einen besonderen Höhepunkt für die Zwangsausgesiedelten in Thüringen entsinnen. Das war der Festakt der Landesregierung in der Staatskanzlei am 30. September 1997, an dem durch den Thüringer Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Vogel, und Sie, Frau Ellenberger, als damalige Sozialministerin, den ältesten Zwangsausgesiedelten die ersten Bescheide ausgehändigt worden sind. Damit haben Sie die großen persönlichen Opfer für Demokratie und Freiheit gegen politische Gewalt im Allgemeinen und das Schicksal der Entwurzelung und Vertreibung im Besonderen anerkannt und gewürdigt. Ich möchte jedoch sagen, bei so einem schweren Lebensschicksal, wie es die Betroffenen hinnehmen mussten sowie den seelischen und moralischen Folgen sind weder Gut und Geld geeignet, einen Ausgleich zu finden. Sie, die ehemalige SED und heutige PDS, verleugnen bis heute auch jene Verbrechen der Zwangsaussiedlung und damit auch einen Teil Ihrer eigenen Geschichte. Es fehlt bei Ihnen ein generelles Schuldeingeständnis
und der Wille zur Mitwirkung an einer notwendigen Wiedergutmachung gegenüber all denen, die Sie und Ihre Vorgänger im Besonderen in 40-jähriger Diktatur unerbittlich verfolgten, ihnen Freiheit, Leben und Gesundheit und wie bei den Zwangsausgesiedelten Existenz und Heimat geraubt haben.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle eine für mich sehr angenehme Feststellung, dass die in Thüringen für diese Dinge zuständigen Ämter, wie das Amt zur Rehabilitierung und Wiedergutmachung in Hildburghausen, das Sozialministerium, die Vermögensämter und auch die Gauck-Behörde und der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, kooperativ und für die Betroffenen zusammengewirkt haben. Mein Dank geht auch an die haupt- und ehrenamtlichen Stiftungsmitglieder. Sie haben in der kurzen Zeit den Betroffenen viel Hilfe zuteil werden lassen und ih
nen in vielen schwierigen Fragen geholfen, gerade was die Grenzfälle und die etwas unklaren Fälle betraf.
In der ehemaligen DDR, meine Damen und Herren, zum Schweigen verurteilt, hatten die Betroffenen Mühe, in die sich zum Teil abweisende Gesellschaft nach der Wende wieder einzugliedern. Deshalb sind die historischen Leistungen der Stiftung bei der Überwindung des Unrechts der Zwangsaussiedlungen und der DDR-Diktatur bleibend. Trotz des bisher Erreichten darf das Schicksal der in DDR-Zeiten Zwangsausgesiedelten nicht in Vergessenheit geraten. Gerade in Anbetracht der in diesen Tagen wiederkehrenden Wiedervereinigung unseres Vaterlands ist es bedeutungsvoll, auch auf die Vorreiterrolle Thüringens bei der Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung von SED-Unrecht mit Nachdruck zu verweisen.
Ich erlaube mir, an dieser Stelle ein paar kurze Beispiele zu nennen. So wurde für die Opfer der sowjetischen Militärjustiz des NKWD eine Mahn- und Gedenkstätte im Speziallager 2 in Buchenwald errichtet, eine gemeinsame Initiative des Thüringer und Sächsischen Landtags im Rahmen einer Bundesratsinitiative zur Fortschreibung der Verjährungsfristen für mittelschweres SED-Unrecht wurde erfolgreich auf den Weg gebracht, diese Stiftung errichtet und mit Erfolg vollzogen. Es wurden vielfältige Initiativen des Landes Thüringen im Rahmen der Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze mit dem Ziel umfassender Verbesserungen der bisherigen Rehabilitierungsleistungen in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Es wurde die Förderung der Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen sowie des Grenzlandmuseums im Rahmen der institutionellen Förderung durch den Freistaat Thüringen gewährleistet und durch Herrn Minister Dr. Pietzsch und Herrn Dr. Krapp am vergangenen Freitag vollzogen, das Betreuungs- und Informationszentrum für die Opfer des Stalinismus hier in Erfurt eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe mich auch zu Wort gemeldet mit diesem Beitrag, weil für zukünftige Generationen die Stiftung und ihr Wirken sehr wichtig wird und ist, weil sich aus dem Erlebten eine große Verantwortung ableitet, Erfahrungen, Erlebnisse auch anderen Menschen weiterzugeben und jene, die nur wenig von der Vergangenheit wissen, auch aufzuklären. Dieses historische Ereignis der rechtswidrigen Zwangsaussiedlung sollte allen eine ständige Mahnung und Verpflichtung sein, sich für unsere freiheitliche Ordnung und Demokratie und für Menschenrechte nachhaltig und dauerhaft einzusetzen.
Es liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Ich stelle damit fest, dass das Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfüllt ist, falls es keinen Wider
spruch gibt. Es gibt keinen Widerspruch und das Berichtsersuchen ist erfüllt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 9