Protocol of the Session on June 8, 2000

Meine Damen und Herren, aber viel mehr, und das ist das Wunderliche, was der Abgeordnete Höhn gesagt hat, wird es mit der rotgrünen Bundesregierung eine Belastung für die Thüringer Kommunen in den nächsten Jahren geben, wenn die geplanten Steuerrechtsänderungen tatsächlich in Kraft treten. Ich will Ihnen das anhand von wenigen Zahlen nennen, denn nach dem Gesetzentwurf, der derzeit im Bundestag beraten wird, gibt es für die geplanten Ausfälle keine Kompensation. Neben diesen Direktausfällen hat der Gesetzentwurf noch weitere Auswirkungen auf den Kommunalen Finanzausgleich direkt, da die Länder Steuermindereinnahmen hinnehmen müssen und sich für die Kommunen auf der Grundlage der derzeitigen Verbundquoten eine geringere Finanzausgleichsmasse berechnet. Für die Jahre 2001 ergibt sich deswegen allein eine Verringerung der Finanzausgleichsmasse nach den Berechnungen, wenn die Gesetze so in Kraft treten würden, von 690 Mio. DM und in den Folgejahren 2003 und 2004 noch einmal 116 und 143 Mio. DM. Dagegen, und das ist das Wunderliche, wenn Sie meinen, dass wir unsere Thüringer Gemeinden und Städte stiefmütterlich behandeln würden, würde man nach den gegenwärtigen Ausgleichsregelungen im Finanzausgleichsgesetz und den Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung für die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2001 um 28 Mio. DM erhöhen können, im Jahr 2002 um 60 Mio. DM und im Jahr 2003 um weitere 131 Mio. DM. Das zeigt, dass es gut ist, dass es den Vermittlungsausschuss gibt, und dass es gut ist, dass wir den kooperativen Föderalismus in Deutschland haben. Deshalb ist es auch gut, wenn auch der Abgeordnete Höhn meint, dass er mit Freude dem Vermittlungsausschuss entgegensieht, und wir als Thüringer müssen auch mit Freude dem Vermittlungsausschuss entgegensehen, denn nur dann haben wir die Möglichkeit, tatsächlich für unsere Städte und Gemeinden in Thüringen auch Einfluss darauf zu nehmen, dass die Finanzausgleichsmasse sich nicht so dramatisch verschlechtert, wie sie sich verschlechtern würde, wenn wir den Steuerrechtsänderungsgesetzen so im Bundesrat und im Bundestag Mehrheiten geben würden, wie sie geplant sind.

Meine Damen und Herren, noch ein ganz anderer wichtiger Punkt ist an dieser Stelle genannt, und da will ich Bezug darauf nehmen, was der Abgeordnete Höhn noch weiter gesagt hat. Auf dem Weg zur Partei der Mitte, wie sich die SPD 1998 vor allen Dingen bezeichnet hat, hat sie ganz offensichtlich die Arbeiterklasse aus dem Blick verloren. Ich will das deshalb nennen, weil es mir so etwas von verwunderlich ist, wie man sich hier hinstellen kann und meint, mit der geplanten Senkung der Spitzensteuersätze gäbe es keine Auswirkungen auf die Beschäftigten und Bürgerinnen hier in Thüringen. Wer dabei außer Acht lässt, dass mit den geplanten Steuersenkungen aber auch

die Eingangssteuersätze, und das sind die Eingangssteuersätze für die Geringverdiener und für die weniger verdienenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, wenn wir diese außer Acht lassen, dann gehen wir tatsächlich weg davon, dass wir die Arbeiter in diesem Land außer Acht lassen.

Meine Damen und Herren, es ist ein nicht wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Entwürfen, die sowohl die Union und die Bundesregierung vorgelegt haben. Der wesentliche Unterschied bei den Senkungen vor allen Dingen auch der Eingangssteuersätze liegt nämlich darin, dass der Unionsentwurf auf Bundesebene vorsieht, dass wir mit den Steuersenkungsmodellen schon im Jahre 2003 so weit sind, dass wir tatsächlich Steuerentlastungen in Deutschland haben, während Ihr Entwurf von Rotgrün weitere Stufen vorsieht, die erst im Jahr 2005 abschließend greifen. Wenn wir nämlich hier darüber reden, dass wir Einfluss nehmen wollen auf Bundesebene und vor allen Dingen im Vermittlungsausschuss über unsere Regierungsvertreter, dann kann der Einfluss nur dahin gehen, erstens die Steuern tatsächlich so zu senken, dass für die Bürger was am Ende übrig bleibt, zweitens, dass die Kommunen nicht mehr belastet sind, als ihre Entwürfe das vorsehen, und dass vor allen Dingen Steuersenkungen so schnell wie möglich kommen, nämlich nur dann springt auch der Konjunkturmotor an. Das, was derzeit läuft, und Ihre Debatte um die Verzögerung der Gesetzmäßigkeiten zeigt sich nämlich ganz allein schon in der Dollarstärke und in der Euroschwäche, das ist doch ein ganz eindeutiges Signal dafür, dass hier schnell entschieden werden muss und dass wir niedrige Steuern brauchen und wenig Belastung für unsere Kommunen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Aus der Mitte des Hauses werden keine weiteren Redebeiträge signalisiert, der Finanzminister noch einmal bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu einigen Aussagen hier noch einmal Stellung nehmen. Kollege Ramelow, was der Finanzminister von Sachsen-Anhalt veröffentlicht hat, das ist gar nicht im Widerspruch zu unseren Zahlen. Ich gehe davon aus, dass er auch nur von den berechneten Zahlen des BMF regionalisiert ausgegangen ist und die in Magdeburg genannt hat, in Sachsen-Anhalt runde 600 Mio., die BMF-Zahlen des vorgesehenen Steuersenkungsgesetzes für Thüringen 590 Mio. Als solches stimmen die Zahlen sehr wohl überein. Nicht hineingerechnet in diese Zahlen ist ja, da haben wir gar keine unterschiedliche Meinung Bundesregierung und die Union, dass wir von diesem Steuersenkungsgesetz wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung erwarten, so dass ein Teil der Steuerausfälle, die jetzt nach dem Modell berechnet werden,

natürlich durch mehr Beschäftigung und mehr Steuereinnahmen dann wieder kompensiert werden.

(Beifall bei der CDU)

Dass wir trotzdem zu anderen Zahlen kommen in Thüringen als in Sachsen-Anhalt, liegt vielleicht auch an unserer wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn ich mal die Industriezahlen vom März nennen kann:

(Beifall bei der CDU)

Im März haben wir gegenüber dem März des Vorjahres einen Beschäftigungszuwachs in der Industrie von 6,5 Prozent und einen Umsatzzuwachs von 17,6 Prozent. Das wirkt sich natürlich in der Mai-Steuerschätzung aus, so dass die Einnahmenausfälle in der Mai-Steuerschätzung natürlich auf der Basis der wirtschaftlichen Entwicklung in den jeweiligen Ländern bei uns nicht die Ausfälle ergeben wie in manchen anderen Ländern. Wenn Zahlen vorhin nicht ganz zur Kenntnis genommen worden sind: Bei der jetzigen Rechtslage, ohne die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes zu berücksichtigen, würde die Landesregierung des Freistaats Thüringen einen Doppelhaushalt erarbeiten auf der Basis von Steuereinnahmen 2001 in Höhe von 13,068 Mrd. und 2002 von 13,344 Mrd. Das sind unsere jetzigen Zahlen, so wie sie in der Mai-Mteuerschätzung vorhanden sind. Ich gehe davon aus, dass sich diese ändern. Bis wir den Haushalt verabschieden, wird das Steuersenkungsgesetz beschlossen sein, in welcher Form auch immer, aber es wird kommen, so dass wir diese Zahlen noch reduzieren müssen.

Herr Höhn, Sie haben sehr genau beschrieben die unterschiedliche Herangehensweise unserer Analyse und was Modellrechnungen der Bundesregierung sind. Ich sage heute ganz offen, ich habe die gleiche Analyse auch bei den Petersberger Vorschlägen gemacht, ich habe sie damals nicht veröffentlicht, weil auch die Petersberger Vorschläge den Mittelstand benachteiligt hätten. Wahrscheinlich wegen der unterschiedlichen politischen Konstellation ist man heute etwas einfacher mit Veröffentlichungen von reellen Zahlen. Aber das ist genau die unterschiedliche Herangehensweise; ich halte nichts von Modellrechnungen und von Planspielen, weil die Realität eine andere ist. Deswegen haben wir diese Stichprobe gemacht von 1.400 Steuerfällen, die der reellen Einkommenssituation bei Personen und Unternehmen entsprechen und wir haben die Steuererklärungen gezogen, so dass wir auch genau gewusst haben, welche Steuersubventionen nehmen die Unternehmen in Anspruch und welche nicht und wie entwickeln sich diese Steuersubventionen. Daraus ergeben sich diese Änderungen für Thüringen. Natürlich können wir die Auswirkungen im Länderfinanzausgleich nicht mit berücksichtigen. Ich komme nicht an die Steuererklärungen in Baden-Württemberg und in Bayern ran. Ich könnte mein Rechenmodell natürlich sofort den Baden-Württembergern zur Verfügung stellen, die könnten das für sich ausrechnen. Wir wissen ja ganz genau, die größten Steuer

ausfälle hat Hessen zu verkraften wegen des Bankenplatzes Frankfurt. Nur eins wird aus der Analyse sichtbar und das wundert mich eben bei sozialdemokratischer Steuerpolitik: Der Mittelstand wird vernachlässigt und bevorteilt werden Einkommensgruppen ab 240.000 DM aufwärts. Das kann man zumindest nachweisen.

(Beifall bei der CDU)

Da werden wir noch viele Debatten haben im Vermittlungsausschuss, nur bei einem können Sie sicher sein und da muss ich auch sagen, das, was Herr Mohring gesagt hat, der hat in einem Punkt vollkommen Recht...

(Zwischenruf aus der SPD-Fraktion: Nur in einem?)

Nein, nein, wenn Sie sagen, wir haben doch schon entlastet, ja wie haben sie denn entlastet mit dem ersten Steuersenkungsgesetz? Die Familien haben sie entlastet, das stimmt. Und wer hat es bezahlt?

(Zwischenruf Dr. Botz, SPD: Die Oberen!)

Die Wirtschaft hat es bezahlt, der Mittelstand hat es bezahlt, indem sie nämlich aus den Petersberger Beschlüssen die Gegenfinanzierungsvorschläge auf die Unternehmen als Gegenfinanzierungsvorschläge in das Steuersenkungsgesetz hineingebaut haben. Wenn wir heute die Zahlen sehen und wenn Frau Dr. Wildauer sagt, die kommunalen Einkommen stagnieren, dann ist das genau die Folge des Steuersenkungsgesetzes, was die rotgrüne Bundesregierung beschlossen hat, weil nämlich die Auswirkungen die mittelständischen Unternehmen zu tragen haben und deswegen z.B. weniger Gewerbesteuer zahlen. Dort sind nämlich die Stagnationen und die Rückgänge im Jahre 1999 und im Jahre 2000.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich ja, dass die Frau Dr. Wildauer hier so eine vorgezogene Haushaltsdebatte zum Einzelplan 17 begonnen hat. Das werden wir im Oktober/November machen. Nur, woran will ich das Defizit messen, wenn nicht an der Kreditaufnahme und an der Kredittilgung? Und da ist die Situation so: 1999 haben die Kommunen 574 Mio. DM Kredite aufgenommen und 578 Mio. DM Kredite getilgt und kameral buchende kommunale Zweckverbände haben 14 Mio. DM Kredite aufgenommen und 20 Mio. DM getilgt. Das ist unterschiedlich zu kreisfreien Städten, Landkreisen. Ich kann die Zahlen genau nennen: kreisfreie Städte 83 Mio. DM Schuldenzugang und 65 Mio. DM Tilgung, kreisangehörige Gemeinden 360 Mio. DM Schuldenzugang, 363 Mio. DM Tilgung, Verwaltungsgemeinschaften 2,7 Mio. DM Zugang, 2,9 Mio. DM Tilgung, Landkreise 129 Mio. DM Schuldenzugang und 147 Mio. DM Tilgung. Die Landkreise haben zu Lasten der Kommunen die höchsten Rücklagen erzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Auch darüber muss man einmal reden, wenn man über einen Kommunalen Finanzausgleich redet. Und nur um mal das Land zu nennen, 3,188 Mrd. DM Schuldenzugang und 1,418 Mrd. DM Schuldentilgung. Wir sind eine Solidargemeinschaft, Land und Kommunen, und diese Solidargemeinschaft funktioniert nicht, wenn der eine ausgeglichene Haushalte hat und der andere mit 1 bis 2 Mrd. DM Nettoneuverschuldung jedes Jahr leben muss. Darüber muss im Haushalt und in der Vorbereitung des Doppelhaushalts 2001/2002 geredet werden. Ich bedanke mich, dass das heute angesprochen worden ist, da konnte ich auch gleich diese Zahlen hier mal richtig veröffentlichen. Wir sollten schon einmal einen Blick nach Sachsen richten. Wenn ich den Thüringer Kommunalen Finanzausgleich auf sächsische Höhe reduzieren würde, wären das 450 Mio. DM weniger. Seltsamerweise wird in den sächsischen Kommunen mehr investiert als in den Thüringer Kommunen. Die müssen doch irgendetwas, mit weniger Geld mehr Investitionen, besser machen und sind auch nicht wesentlich höher verschuldet als die Thüringer Kommunen. Auch das ist ein Thema, was uns sicherlich bei der Beratung des Doppelhaushalts 2001/2002 beschäftigen wird. Aber für das Thema, was heute auf der Tagesordnung steht - und deswegen werden wir trotz der kritischen Finanzlage das Steuersenkungsgesetz durch den Vermittlungsausschuss bringen und dort in einer entsprechenden Form beschließen, damit die Wirtschaft unterstützt wird und damit in Deutschland Wirtschaftswachstum und zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Für uns bleibt die schwer wiegende Aufgabe der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Die Rednerliste in der Aussprache zum Bericht ist damit abgeschlossen. Ich stelle fest, dass das Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfüllt ist, wenn keiner widerspricht. Widerspruch wird nicht angezeigt, damit ist das Berichtsersuchen erfüllt. Ich kann den Tagesordnungspunkt 10 schließen.

Für die bevorstehenden Pfingstfeiertage möchte ich Ihnen im Namen des gesamten Präsidiums des Thüringer Landtags eine gute Zeit wünschen. Erholen Sie sich gut, damit Sie mit gestärkter Kraft die letzten Plenartage vor der Sommerpause noch bearbeiten können. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die nächsten planmäßigen Plenarsitzungen am 6. und 7. Juli dieses Jahres stattfinden. Der Reservetermin - beachten Sie das bitte - ist der 5. Juli und die Tagesordnung könnte umfangreich sein. Eine feierliche Sondersitzung aus Anlass des 80. Jahrestags der Wahl des Thüringischen Landtags von 1920 findet am Dienstag, dem 20. Juni dieses Jahres um 17.00 Uhr statt. Ich wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg.

E n d e d e r S i t z u n g: 18.48 Uhr