Protocol of the Session on June 8, 2000

(Beifall bei der CDU)

Dabei muss ökologisch vertretbarer Umgang mit Abfällen im Vordergrund stehen. Dies ist nicht nur wegen der anstehenden Entscheidung über die Abfallbehandlung der Zukunft von Bedeutung, sondern auch hinsichtlich der bestehenden kommunalen Anlagen. Die vorhandenen kom

munalen Anlagen dürfen nicht zu Investruinen werden. Ich weiß, dass diese dauerhafte Zuordnung europarechtlich nicht gerade einfach ist.

Wie Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich kein Verfechter von thermischen Behandlungsverfahren, aber auch kein ideologischer Gegner. Unser Ziel ist eine weitgehend nachsorgefreie Deponie für uns und für die künftigen Generationen. Bei allen Überlegungen zur Abfallbehandlung muss gelten, dass prinzipiell alle technischen Verfahren möglich sind, wenn sie die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen.

(Beifall bei der CDU)

Werden diese erfüllt, müssen gleichwertige Verfahren den Wettbewerb der betriebswirtschaftlichen Optimierung über sich ergehen lassen; das dabei zu erzielende Ergebnis muss gelten. Ideologische Entscheidungshintergründe helfen in dieser Frage wahrlich niemandem.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden sehr genau darauf achten, dass es zu keiner Absenkung ökologischer Standards kommt; nicht nur weil es unserer ökologischen Zielsetzung widerspräche, sondern auch weil es sofort im Wettbewerb um die Abfallströme zu eklatanten Ungleichgewichten und zu Verzerrungen käme.

Die Bundesregierung hat nach wie vor die Unschärfen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in der Abgrenzung der so genannten "Abfälle zur Verwertung" gegenüber den "Abfällen zur Beseitigung" nicht zufrieden stellend geklärt. Der Bund ist hier in der Pflicht. Wir werden im Interesse der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, die letztendlich "die Zeche bezahlen müssen", weiterhin auf eine baldige Lösung drängen.

Die Nutzung, meine sehr verehrten Damen und Herren, endlicher Ressourcen muss vernünftigerweise immer stärker durch erneuerbare Ressourcen abgelöst und ersetzt werden. Die erneuerbaren Ressourcen umfassen zunehmend tierische und pflanzliche Erzeugnisse, die als Rohstoffe technisch oder auch als Energieträger genutzt werden. Erneuerbare Ressourcen haben erhebliche ökologische Vorteile:

Erstens sind sie weitestgehend CO2-neutral.

Zweitens lassen sie sich als land- und forstwirtschaftliche Produkte bzw. deren Abfallprodukte relativ einfach und günstig technisch oder energetisch verwerten.

Drittens sind sie z.B. bei Havarien wegen ihrer biologischen Abbaubarkeit besonders umweltschonend.

Die Landesregierung unterstützt und fördert auch den energetischen Einsatz erneuerbarer Ressourcen und will den Einsatz deutlich voranbringen. Seit 1992 wurden mit Förderung des Landes auf Biomasse basierende Heizanlagen mit einer Leistung von fast 150 Megawatt errichtet. Seit über fünf Jahren werden Biokraftstoffe im öffentlichen Personennahverkehr gefördert. Wir erfüllen das in unserer Verfassung in Artikel 31 genannte Ziel, darin heißt es: "Mit Naturgütern und Energie ist sparsam umzugehen. Das Land und seine Gebietskörperschaften fördern eine umweltgerechte Energieversorgung."

Wir wollen die energetische Nutzung erneuerbarer Ressourcen in Thüringen weiter intensivieren und gleichzeitig den zukunftsträchtigen Markt für die technische Nutzung erneuerbarer Ressourcen beleben. Eine große Aufgabe ist dies, bei der wir trotz aller Erfolge noch am Anfang der langen Wegstrecke stehen. Um diesen Weg zu gehen, ist Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit erforderlich, denn sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene sind Rahmenbedingungen zu ändern und anzupassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Verkehrslärm ist inzwischen eine der am stärksten empfundenen Umweltbeeinträchtigungen. Allein durch den Straßenverkehrslärm fühlen sich fast 80 Prozent der Menschen stark belästigt.

Primär kommt es darauf an, den Lärm an den Quellen zu vermeiden bzw. zu mindern. Bei den Fahrzeugen sind da die technischen Potenziale durch die Hersteller noch nicht ausgeschöpft, aber wir werden uns auch der Lärmsanierung im Straßenverkehr stärker zuwenden müssen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Richtig.)

Zunächst wollen wir erfassen, wo die Lärmsituation besonders problematisch ist, wo viele Menschen vom Lärm betroffen sind. Danach werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir diesen Menschen helfen können. Das kann nur schrittweise und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erfolgen. Für die Länder sind jedoch nur partielle Lösungen möglich. Durchgreifende Lösungen sind nur mit Vorgabe und Unterstützung des Bundes realisierbar. Entsprechende Vorstellungen und Konzeptionen des Bundes sind gegenwärtig nicht erkennbar. Solange wie sie nicht formuliert werden, laufen die Bemühungen der Länder ins Leere.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klimaveränderungen kennen keine Grenzen. Klimaschutz ist eine globale Aufgabe und eine der großen umweltpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Daran lassen die Ergebnisse der weltweiten Klimaforschung kaum noch Zweifel. Dem Ziel der Vereinten Nationen, die klimabeeinflussenden Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren, ist bislang kein durchgreifender Erfolg beschieden; im Gegenteil, die Emissionen steigen weltweit weiter an. Wir alle kennen das Klimaschutzziel der Bundesregierung mit der Verminderung der CO2-Emissionen um

25 Prozent bis zum Jahre 2005 gegenüber 1990. Auch hier gibt es Zweifel, ob dies auf nationaler Ebene gelingt. Die Eindämmung der weltweiten CO2-Emissionen zur Stabilisierung des Weltklimas ist die größte umweltpolitische Herausforderung unserer Generation.

(Beifall bei der CDU)

Darüber darf aber die Minimierung der Luftverschmutzung, insbesondere durch Schwefeldioxid und Feinstaub, auch mit ihren klimastabilisierenden Effekten nicht aus dem Blick geraten. Gemessen daran hat Thüringen sein Soll bereits erfüllt; schon bis 1995/96 sind die CO2-Emissionen in Thüringen um mehr als 50 Prozent reduziert worden. Doch auf diesem Stand wollen wir nicht verharren. Angesichts der drohenden tief greifenden Gefahren für Mensch und Umwelt ist Vorsorge zu treffen bzw. entgegenzusteuern. Ziel der Landesregierung ist es daher, alle noch vorhandenen Potenziale zur Senkung der Treibhausgasemissionen zu erschließen. Seitens der Bundesregierung gibt es bisher kein schlüssiges Konzept, aus dem deutlich wird, wie die Zusage Deutschlands in Kyoto bei der CO2-Reduktion erreicht werden soll.

(Beifall bei der CDU)

Es ist beunruhigend zu sehen, wie die Bundesregierung auf diesem Feld agiert. Es gibt weder eine energiepolitische noch eine klimapolitische Konzeption. Der so genannte Energiemix, der die ökologische Antwort auf die angeblich verfehlte Energiepolitik der alten Bundesregierung sein sollte, ist ohne greifbares Konzept bisher nur heiße Luft.

Wenn wenigstens die neue Energieeinsparverordnung, die im Entwurf bereits vorliegt, eingeführt würde und die notwendigen wärmeschutztechnischen Umrüstungen der Gebäude und Häuser gefördert würden, wäre ein bedeutender Schritt nach vorn getan. Visionen vom Drei-Liter-Auto, Herr Trittin, reichen nicht aus. Sie müssen jetzt handeln und vorantreiben.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung selbst wird noch in diesem Jahr ihr Klimaschutzkonzept für Thüringen vorlegen. Darin werden folgende Aspekte ihren Niederschlag finden: Bis zum Jahr 2010 sollen 5 bis 7 Prozent des Primärenergiebedarfs aus erneuerbaren Energieträgern gedeckt werden. Das ist nahezu eine Verdreifachung gegenüber heute. In Thüringen wird die verstärkte Nutzung von Biomasse, an erster Stelle Holz, der Schwerpunktbeitrag sein. Aber auch Wind- und Wasserkraft sowie die Solarenergie haben in Thüringen ihren Stellenwert. Insgesamt hat das Land seit 1991 über 80 Mio. DM in erneuerbare Energien investiert. Wir werden diese Investitionen im Rahmen des Möglichen fortsetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Steigerung der Energieeffizienz, vor allem durch den Einsatz moderner Technik. Die Fortführung der Förderung rationeller umweltfreundlicher Energieverwendung sowie die Förderung von Energieberatung und Energiekonzepten durch das Wirtschaftsministerium trägt hierzu entscheidend bei.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Forstwirtschaft in Thüringen leistet ihren Beitrag zum Klimaschutz.

(Beifall bei der CDU)

Durch die Erhöhung des Laubholzanteils und eine entsprechende Waldpflege werden die Wälder als CO2-Speicher stabilisiert werden.

Im Klimaschutzkonzept wird sich auch die bereits erwähnte Bildung für Nachhaltigkeit wiederfinden. Es wird in Zukunft darauf ankommen, jeden einzelnen Bürger für einen bewussten Umgang mit Energie zu sensibilisieren.

Ein Problembereich des Klimaschutzes ist und bleibt der Verkehrssektor. Alles deutet darauf hin, dass der Mobilitätsbedarf auch in Thüringen weiter steigen wird. Daher kommt es vor allem darauf an, den öffentlichen Personennahverkehr weiter zu stärken und den Einsatz emissionsarmer Fahrzeugtechnik weiter zu steigern. Ich denke da neben dem Einsatz von Erdgas als Kraftstoff auch und gerade an den Einsatz von Biodiesel. Der Fuhrpark des Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt ist übrigens schon darauf umgestellt.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung kann hier mit gutem Beispiel weiter vorangehen. Über eine entsprechende Änderung der Beschaffungsrichtlinie mit dem Ziel, Schritt für Schritt auch den übrigen Fahrzeugpark des Landes auf Biodiesel umzustellen, wird derzeit mit dem Finanzministerium verhandelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachhaltige Entwicklung braucht Maßstäbe, muss messbar und vergleichbar gemacht werden, um sie mit entsprechenden Maßnahmen untersetzen zu können. Wir wollen auch erkennen können, ob und wie Erfolge sich einstellen und wann Maßnahmeprogramme ihren Zweck erreicht haben und deshalb beendet werden können.

Die Umweltpolitik und noch mehr die Politik für Nachhaltigkeit stehen als vergleichsweise junge Politikfelder hier vor einem Problem. Es gibt noch keine vernünftigen Indikatoren zum Zustand der Umwelt oder dem Stand der Nachhaltigkeit, wie z.B. das Bruttosozialprodukt, die Inflationsrate oder die Arbeitslosenquote, und es bleibt fraglich, ob sich breit anwendbare Maßstäbe formulieren lassen. Eine ökonomisch, ökologisch und sozial effiziente Politik für Nachhaltigkeit braucht aber verlässliche In

formationen. Wir müssen daher qualitätssichernde Methoden und Prozesse entwickeln und einführen, um die Verlässlichkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Informationen, Informationsquellen und Informationswegen stetig zu verbessern. Praktisch haben wir daher begonnen, uns zusammen mit Baden-Württemberg, Bayern und Hessen Gedanken darüber zu machen, wie denn auf der lokalen und regionalen Ebene Nachhaltigkeit messbar gemacht werden kann. Aus der Erfahrung der vielen lokalen Agenda-21-Prozesse sollen im Rahmen eines bundesweit einmaligen Forschungsprojekts Indikatoren und Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung auf der lokalen und regionalen Ebene entwickelt werden. Ebenso praxisorientiert hat die Landesanstalt für Landwirtschaft ein Kriteriensystem zur umweltgerechten Landbewirtschaftung entwickelt, das sich bereits in der Erprobung befindet. Das Wirtschaftsministerium prüft gerade für die Anwendung in der Projektförderung, wie denn die Nachhaltigkeit einzelner Projekte bereits auf der Grundlage von Anträgen abgeschätzt werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Unterstützung habe ich bereits vieles gesagt, lassen Sie mich jetzt zur Anerkennung kommen. Anerkennung durch den Staat heißt für mich vor allen Dingen Vertrauen, Vertrauen des Staates in die Akteure, die eigenverantwortlich insbesondere den Schutz der Umwelt berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Es macht für mich keinen Sinn, alle Unternehmer mit der gleichen Intensität zu überwachen, wenn es welche gibt, die eigenverantwortlich und nachvollziehbar die kontinuierliche Verbesserung ihrer Umweltsituation betreiben und auf diesem Sektor mehr leisten als gesetzlich gefordert. Dieses soll sich für das Unternehmen auch lohnen.

(Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grund haben wir bereits 1998 einen ersten Erlass zur Verwaltungserleichterung durch das EG-ÖKOAuditsystem in Kraft gesetzt. In diesem Erlass ist festgelegt, welche Kontrollen, Berichtspflichten und Aufsichtsmaßnahmen bei Betrieben mit Umweltmanagementsystemen nach Öko-Audit entfallen können. Die Landesregierung ist auch künftig bereit, alle erdenklichen Erleichterungen für denjenigen, der nachweislich etwas für den Schutz der Umwelt tut, also Öko-auditierte Betriebe, anzubieten. Konkret heißt das, in Fragen der Genehmigung, in Fragen der Aufsicht und Kontrolle werden landesseitig alle Möglichkeiten für Erleichterungen ausgeschöpft, soweit die Gesetze dies zulassen. In dieser Zielrichtung, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen wir an der Spitze der Bewegung der Bundesrepublik.

(Beifall bei der CDU)

Doch nicht nur im Hinblick auf das Öko-Audit, auch grundsätzlich ist eine Vereinfachung und Harmonisierung des

Umweltrechts dringend erforderlich. Die europäische Rechtsetzung ist immer mehr gekennzeichnet von einer übertriebenen Bürokratie mit zunehmend engerer Überwachung und einer erschlagenden Fülle von Detailregelungen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn europäisches Recht die vierte Stelle hinter dem Komma regelt.

(Beifall bei der CDU)

Es ist allerdings auch nicht zu akzeptieren, wenn EURecht in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich umgesetzt wird und diese unterschiedliche Rechtsqualität zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsstaaten führt.

(Beifall bei der CDU)