Protocol of the Session on June 7, 2000

Meine Damen und Herren, entscheidend für die Beurteilung des Kompromisses von Meinungen ist aus unserer Sicht die Tatsache: Auch zukünftig können unsere Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern ein Studium aufnehmen und bis zum berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei zu Ende bringen, selbst wenn es, durch welche Ursachen auch immer, dabei zu Verzögerungen kommt, die sicher - das wissen wir alle, das brauchen wir hier nicht weiter ausführen - akzeptabel sind und auch immer wieder vorkommen werden.

Meine Damen und Herren, es lohnt sich in diesem Zusammenhang aber wirklich, die sehr kurzen und schlüssigen Beschlüsse der KMK zu lesen. In Punkt 6 des Beschlusses wird völlig zu Recht eine Berücksichtigung der konkreten Lebensverhältnisse der Studierenden und der Studienbedingungen vor Ort eingefordert. Außerdem sind Ausnahmetatbestände analog der Bafög-Regelung vorzuse

hen, wo sich die Bundesländer zu derartigen Gebühren entscheiden. Ohne einen erhöhten Verwaltungsaufwand kann eine solche Vorgehensweise sicher nicht garantiert werden. Auch das sollte vor einer solchen Gebühreneinführung überdacht werden. Eine Überlegung, die diejenigen Länder, die sich dazu entscheiden, wirklich vorher auch rechnerisch realisieren sollten. Punkt 2 des Beschlusses weist auf die generelle Dringlichkeit der Verbesserung der Studienverhältnisse an den Hochschulen hin. Da sind wir uns doch sicher einig, meine Damen und Herren, nur dort, wo die Rahmenbedingungen akzeptabel sind, können Studenten auch in den angedachten Zeiträumen ihre Studien abschließen. Es wird deshalb in den kommenden Jahren noch dringlicher sein, günstige Rahmenbedingungen für die Studierenden zu schaffen.

Meine Damen und Herren, was wir in den letzten Wochen und Monaten an Debatten über die so genannten ITAbsolventen und -Studiengänge erlebt haben, war, das können wir auch parteiübergreifend sagen, durchaus hilfreich und zeigt, dass wir auch in Thüringen hier natürlich Handlungsbedarf haben. Da wir auch weiterhin großen Wert auf die Freizügigkeit der Studierenden legen, muss unbedingt auf eine ausreichende Kompatibilität der entsprechenden zu erwartenden Länderregelung geachtet werden. Die Landesregierung sollte ihre Aufmerksamkeit darauf richten.

Meine Damen und Herren, abschließend nach einer sicher viel zu lange geführten Debatte über die Frage der Einführung von Studiengebühren, die jetzt hoffentlich beendet ist, sollten wir unsere Kräfte, unser Geld und die gesamten Aufwendungen, die wir betreiben, wieder stärker darauf konzentrieren, unsere Hochschulen zu modernisieren und auch die Studiengänge, besonders die Studiengänge, in die wesentlich mehr Jugendliche hineindrängen, weil die vielleicht schneller als die Politik verstanden haben, welche Zeichen die Zeit setzt. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt die Abgeordnete Katja Wolf, PDS-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich mich zuerst an die SPD mit einem kurzen Zitat wende.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ja.)

"Wir werden das Hochschulrahmengesetz im Einvernehmen mit dem Bundesrat weiterentwickeln und dabei die Erhebung von Studiengebühren ausschließen."

(Beifall bei der SPD)

Herr Gentzel, ich finde es wunderbar, dass Sie hier klatschen. Ich hoffe, dass Sie sich demnächst in Berlin stärker dafür einsetzen, dass Ihre Koalitionsvereinbarung mit den Grünen auch durchgesetzt wird.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Stärker für Sie in jedem Fall, so nehmen wir Ihre Interes- sen wahr.)

Das ist beruhigend. Herr Schwäblein hat angedeutet, dass es ganz Klasse war, dass die KMK sich endlich in Meiningen bewegt hat. Aber, Herr Schwäblein, nicht jede Bewegung ist positiv. Ich denke, wenn man zwei Schritte zurück tut, muss man das nicht unbedingt gutheißen.

(Beifall bei der PDS)

Vor ungefähr zwei Wochen wurde eine Studie der OECD veröffentlicht - Frau Dr. Kaschuba hat es schon angedeutet -, dabei hat das deutsche Bildungssystem mehr als mäßig abgeschnitten. Europaweit ist inzwischen die Quote der Studienanfänger bei ungefähr 40 Prozent. In Deutschland liegt sie bei 28 Prozent. Die Probleme, die damit verbunden sind, kennen wir inzwischen alle hinlänglich. Ich denke, genau das ist nicht der Weg, hier von einer Überlastung der Hochschulen zu sprechen und davon zu sprechen, dass man Hochschulen und die Elite wieder verkleinern muss. Der Weg muss genau der andere sein, es muss wieder ein breiterer Hochschulzugang möglich sein und es müssen wieder mehr junge Leute dazu gebracht werden, an Hochschulen zu gehen. Es scheint mir, als würde, anstatt für die Zukunftsfähigkeit der Hochschulen etwas zu tun, gerade rückwärts geschaut und somit Chancen verbaut.

Kurz zu den Beschlüssen der KMK: Das Erststudium soll nach der Meinung der Kultusminister gebührenfrei sein. Das ist im Prinzip erst einmal zu begrüßen. Doch damit ist natürlich auch immer wieder die Diskussion um Bachelor, Master und Ähnliches verbunden. Ich möchte Ihnen ganz kurz ein Zitat von dem Rektor der Uni Jena, Prof. Karl-Ulrich Meyn, vom 31.05.2000 - also noch relativ frisch - zitieren: "In den USA werden inzwischen erhebliche Zweifel formuliert, ob die Bachelor-Abschlüsse nach drei Jahren junge Menschen hinreichend für die moderne Zeit qualifizieren. Wir haben in Jena bereits Bachelor-Studiengänge, die Erfahrung sagt aber bisher, die Studenten bleiben in der Universität vermutlich deshalb, weil die Wirtschaft diese Bachelor gar nicht abnimmt. Die Wirtschaft kennt diesen Abschluss nicht oder aber sie hat inzwischen den Verdacht, dass andere Absolventen zwar älter, aber auch besser seien." Nun, gerade diese ist die Feststellung eines Menschen, den ich als hoch qualifiziert anschaue und den ich als sehr praxisnah ansehen kann, weil, ein Rektor, denke ich einmal, ist ganz nahe dran. Gerade hier zeigt sich, dass doch in Meiningen der falsche Weg gegangen wurde.

Zur Problematik der Langzeitstudie's stellt Prof. Meyn fest: Es gibt eine Reihe von Studierenden an Hochschulen, die über das Fach hinaus Fragen haben und die Zeit brauchen. Diese würden von der Wirtschaft als Spezialisten im bisherigen Maße hervorragend angenommen. Ich zitiere seine Worte: "Gesucht wird nach Besonderheiten abseits der Note. Gefragt sind junge Leute, die sich in der Welt bewegen, statt sich nur schieben zu lassen." Herr Schwäblein, ich weiß nicht, ob uns diese 4 Prozent Langzeitstudenten in Thüringen nun wirklich in den Ruin stürzen. Ich denke, die machen es dann auch nicht mehr.

Ein Wort noch: "In Oxford oder Cambridge gilt es inzwischen als vollkommen klar: Wer länger bleibt, ist besser." Das ist das Zitat des Prof. Meyn.

(Heiterkeit im Hause)

Mich freut Ihre Erheiterung, aber ich denke, Sie sollten vielleicht auch über den Ansatz einmal nachdenken. Man kann nicht alle in einen Topf werfen und sagen, alle Langzeitstudierenden seien faul und seien nur die Unbegabten und die Dummen. Ich denke, gerade das ist nicht der Fall.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Die sollen aber zahlen.)

Aber warum sollen denn gerade die, die besonders begabt sind, zahlen, Herr Kretschmer? Das ist dann für mich unlogisch.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wo steht denn das eigentlich?)

Die Überschrift des Professors lautet: "Wir brauchen die besten Wissenschaftler für Forschung und Lehre." Ich füge an dieser Stelle hinzu: Wir brauchen die besten und nicht die reichsten.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Frau Abgeordnete Wolf, die Redezeit ist auch gleich zu Ende.

Gut. Ganz kurz nur noch ein Argument, was mich immer wieder in besonderem Maße stört: Langzeitstudierende müssten Gebühren zahlen, weil die Hochschulen unterfinanziert sind. Gerade damit würden doch aber Hochschulen die Langzeitstudierenden ganz lange an ihren Hochschulen halten und dementsprechend nicht daran interessiert sein, sie schnell rauszubringen; sie würden doch sozusagen plötzlich an einem besonderen Geldfluss leiden. Es kann doch nicht sein, dass die belohnt werden, die Studie's nicht dazu befähigen, relativ schnell dann aus

der Hochschule auch auszusteigen in der Masse - wieder abgesehen von den Langzeitstudierenden.

Sie müssen jetzt wirklich Schluss machen.

Kurz und gut - ich denke, die Argumente, die Sie gebracht haben, waren hier an dem Punkt einfach nicht überzeugend und es gibt keine Alternative zur vollen Gebührenfreiheit des Studiums. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Jetzt kommt der Abgeordnete Carius, CDU-Fraktion.

Werte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Wolf, ich frage mich doch tatsächlich angesichts so hoher Studentenzahlen, wie wir sie bislang noch nicht in Deutschland hatten, wie Sie dann meinen können, dass wir endlich wieder für noch mehr Studenten öffnen sollten; es waren doch nie mehr Studenten als heutzutage da.

(Zwischenruf Abg. Wolf, PDS: Das habe ich nicht gesagt.)

Es ist ein Gemeingut schlechthin, dass Bildung zugleich auch den Schlüssel zu künftigem Erfolg und Wohlstand darstellt. Es ist ebenfalls Gemeingut, dass Bildung - insbesondere die Hochschulbildung - eine unserer wichtigsten Ressourcen ist, die wir hier in Deutschland haben. Doch, meine Damen und Herren, bergen diese beiden Botschaften durchaus mehr als man vermutet, zum einen nämlich sichert Bildung nicht nur den Erfolg und wachsenden Wohlstand einer Gesellschaft, sondern vor allem sichert sie individuellen Erfolg und individuellen Wohlstand. Zum anderen bringt der Abbau von Ressourcen nicht nur einen Vorteil gegenüber dem Wettbewerber - in diesem Fall also anderen Ländern -, wenn es dabei gilt, die größere nationale Wohlfahrt zu erreichen, sondern dieser Vorteil, der im Abbau von Ressourcen besteht, kostet auch Geld, denn der Abbau oder - weil es schließlich um Bildung geht - der Aufbau einer Ressource macht gewaltige Investitionen nötig, die - mögen sie im Bau von Hochschulen, in der Bezahlung von Hochschullehrern oder aber in der Vorhaltung großer wissenschaftlicher Bibliotheken bestehen -, dem Staat ihren Tribut abverlangen. Kurz zusammengefasst bleiben zwei Dinge festzustellen:

1. Bildung, zumal ein Studium, bringt vor allem dem Einzelnen kulturelle, karrieretypische und natürlich auch pekuniäre Vorteile und

2. Bildung kostet vor allem der Allgemeinheit viel Geld.

Nun ist es zwar so, dass Bildung - in Sonderheit hier die akademische Bildung - in der Regel mehr Wert ist, als sie kostet, doch bleibt es in Deutschland nach wie vor einer der fragwürdigen Vorzüge, dass, je teurer eine Ausbildung ausfällt, umso geringer der Grad der finanziellen Eigenbeteiligung ist. Ich erinnere hier nur einmal an das Verhältnis zwischen den Kosten für den Meisterlehrgang und dem Studium.

Meine Damen und Herren, an diesem Paradoxon können und werden wir unter den gegebenen Umständen nichts ändern wollen. Ich habe die Umstände bereits einmal skizziert, als die PDS diesen Antrag auf generelles Studiengebührenverbot gestellt hat. Es fehlt uns an den steuerrechtlichen Veränderungen. Es gibt keine volle Hochschulautonomie und die soziale Chancengleichheit ist bei den gegenwärtigen Entwürfen nicht abgesichert. Doch meine Damen und Herren, was die Kultusministerkonferenz kürzlich in Meiningen einstimmig beschlossen hat, nämlich ab dem 4. Semester überschrittener Regelstudienzeit Studiengebühren zuzulassen - Härtefallregelungen übrigens, Frau Dr. Kaschuba, sind mit einbezogen -, das ist erst der Anfang des Endes eines Grundsatzes, der vor allem für das Hochschulwesen der alten Bundesrepublik zu gelten scheint. Der Grundsatz heißt: Zeit und Geld spielen keine Rolle. Mit diesem grundlegenden Beschluss wird nun die Studienzeit und auch Geld für so manchen 20. Semester in Göttingen anfangen, eine Rolle zu spielen. Dies, meine Damen und Herren, ist vor allem aber auch deshalb begrüßenswert, weil damit eine besondere Spitze oder auch Härte, nennen Sie es wie Sie wollen, des oben beschriebenen Bildungsparadoxons gekappt wird. Wenngleich ich natürlich anmerken muss, dass diese Entscheidung für Thüringen in unmittelbarer Zukunft, wie wir von Herrn Schwäblein und auch von Dr. Botz schon hörten, keinerlei Auswirkungen haben wird, denn in Thüringen haben wir das Problem der Langzeitstudenten bislang nicht. Zu guter Letzt möchte ich dennoch eine Frage an Frau Dr. Kaschuba richten. Sie haben vorhin das Schreckgespenst aufgezeigt, die Hochschulen könnten darauf hinwirken, dass die Langzeitstudenten mehr würden an der Hochschule, um mehr Gebühren eintreiben zu können, da frage ich mich doch tatsächlich, wie sollen das die Hochschulen machen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung Frau Ministerin Schipanski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nachdem ich jetzt diese Diskussion gehört habe, möchte ich Ihnen eigentlich erst einmal den

Beschluss der Kultusministerkonferenz vorstellen, damit Sie wissen, worüber wir jetzt geredet haben.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Auf ihrer 290. Plenarsitzung am 25. Mai 2000 in Meiningen hat die Kultusministerkonferenz einen gemeinsamen Beschluss über die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums gefasst. Ich betrachte diesen Beschluss als außerordentlich erfreulich. Während der Regelstudienzeit werden Studenten nicht mit Gebühren belastet, während der Regelstudienzeit können die Studenten beliebig die Hochschulen wechseln innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, ohne Studiengebühren irgendwo zahlen zu müssen. Ich finde das eine hervorragende Ausgangsposition für unsere jungen Leute.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb noch einmal auszugsweise diesen Beschluss der KMK:

1. Die Länder vereinbaren, das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu halten.

2. Es müssen weitere Anreize geschaffen werden, damit die Hochschulen den Abschluss eines grundständigen Studiums in der Regelstudienzeit ermöglichen und damit ein verantwortungsvoller Umgang der Studierenden mit dem Studienangebot gefördert wird.

3. Um dieses sicherzustellen, können die Länder Guthaben oder Studienkonten für ein gebührenfreies Studium einführen. Das Guthaben kann in Form von Semestern, das Konto in Form von Semesterwochenstunden vergeben werden. Nach deutlicher Überschreitung des Guthabens - Regelstudienzeit zuzüglich mindestens vier Semester oder Semesterwochenstunden gemäß Prüfungsordnung zuzüglich 30 Prozent - bleibt es den einzelnen Ländern überlassen, Studiengebühren zu erheben. Die Länder sichern die Kompatibilität entsprechender Regelungen, um die Freizügigkeit der Studierenden in ganz Deutschland zu gewährleisten.