Protocol of the Session on June 7, 2000

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das haben wir doch immer.)

Es liegen keine weiteren Redemeldungen vor und es ist Überweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Über die auswärtige Sitzung ist dann zu gegebener Zeit zu entscheiden. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist in beiden Fällen nicht der Fall. Ich schieße den Tagesordnungspunkt 2 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Thüringer Gesetz über die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand an das Bau- und Dienstleistungsgewerbe Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/713 ERSTE BERATUNG

Es ist beantragt worden, dass der Abgeordnete Lippmann, SPD-Fraktion, den Antrag begründet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die soziale Marktwirtschaft verzichtet - zu Recht im Übrigen - auf staatliche Lohnregelung. Das tun die, die das viel besser können - das soll auch dabei bleiben -, nämlich die Tarifvertragsparteien. Das ist gut, solange sich alle an die Ergebnisse halten. Nun gibt es Fälle, wo man sich nicht immer und in jedem Fall daran halten kann. Und es gibt Fälle, wo man sich nicht daran halten will. Wir denken mit unserem, wenn auch kurzen Gesetzentwurf nicht nur an die Arbeitnehmer, die es natürlich berührt, sondern auch an die Unternehmen. Und wir denken auch nicht an den privatgeschäftlichen Rechtsverkehr und an private Geschäftspraktiken, sondern wir denken an die Aufträge der öffentlichen Hand, die dann letzten Endes zu Vertragsbeziehungen zwischen der öffentlichen Hand, sei es das Land oder die kommunalen Gebietskörperschaften, und den Unternehmen erwachsen. Die Europäisierung der Märkte und brutaler Leistungsdruck haben Bedingungen, in Sonderheit in der Bauwirtschaft, entstehen lassen, die einen fairen Wettbewerb der Unternehmen um Aufträge der öffentlichen Hand, aber auch um Privataufträge oftmals nicht mehr möglich machen. Faire Wettbewerbsbedingungen sind jedoch, ich glaube, darüber sind wir uns auch einig, die Voraussetzung für Qualitätsarbeit. Schon seit geraumer Zeit beschäftigen sich der Bund und auch die Länder, vor allen Dingen die Länder, also wir alle zusammen, mit dieser Problematik, wie man mit dieser Konkurrenz von außen, dieser schmutzigen Konkurrenz von außen umgeht. In den Ländern gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Regelungen.

Das wirtschaftspolitische Ziel dieses Gesetzentwurfs besteht darin, Lohndumping zumindest im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe zu vermeiden und damit Aufträge in der heimischen Bauwirtschaft und im heimischen Dienstleistungsgewerbe zu belassen und zu sichern. Dies

ist das wirtschaftspolitische Ziel dieses Gesetzentwurfs. Der vorgelegte Gesetzentwurf regelt die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand bei Hochbauleistungen und im Dienstleistungsbereich, und zwar für alle öffentlichen Hände, sowohl die des Landes als aber auch der kommunalen Gebietskörperschaften. Ausgenommen sind ausdrücklich Tiefbauleistungen, weil wir gezwungen waren, das Urteil des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar dieses Jahres, das zurzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, zu berücksichtigen. Vergabegrundsatz ist, dass die in Rede stehenden Bau- und Dienstleistungen nur an die Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe verpflichten, die Arbeitnehmer nach den jeweils in Thüringen für Tarifvertragsparteien geltenden Lohntarifen zu entlohnen und dies auch von ihren Nachauftragnehmern verlangen, und zwar unterhalb als auch oberhalb des EG-Schwellenwerts von 10 Mio. DM. Bisher wurden derartige Regelungen in unterschiedlichen Formen in einer ganzen Reihe von Bundesländern durchgeführt, meistens in der Form von Tariftreueerklärungen nach dem bayerischen Muster. Andere haben Gesetze, wie beispielsweise Berlin, ausgesetzt für die Tiefbauleistungen jetzt mittlerweile durch das Bundesgerichtsurteil, allerdings nicht ausgesetzt für die Hochbauleistungen, andere haben also Gesetze oder bereiten sie vor, z.B. Bayern, das Saarland - mit weiter gehenden Forderungen als das die Bayern tun - und Sachsen-Anhalt. Ein gewisser...

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Er hat gesagt, wir warten auf die Bundesregelung.)

Ja, ich komme schon noch dazu. Wir hatten ja gesagt, diese Regelungen sind sowohl durch den Bund möglich als auch durch die Länder; dass das aber durch die Länder verlangt worden ist im Bundesrat, das wissen Sie auch, Herr Kretschmer. Die Länder haben sich damals übereinstimmend ausbedungen, derartige gesetzliche Regelungen auch für ihr eigenes Land machen zu können. Zeitdruck ergibt sich ganz einfach aus zwei Gründen:

Wir sind gehalten, EU-Recht oder EG-Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu berücksichtigen und zweitens durch das Vergaberechtsänderungsgesetz, das ab dem 01.07.2000 eine Tariferklärung, also eine weiter gehende Regelung oberhalb des EG-Schwellenwerts von 10 Mio. DM, dass sich dafür eine gesetzliche Regelung sowohl des Bundes als aber auch der Länder erforderlich machen. Zu diesem Recht hat sich ja der Bundesrat verständigt, das hatten wir gerade besprochen, Herr Kretschmer. Damit wird die Richtlinie vom 04.12.1996, die wir zur Mindestlohnerklärung bei Bauvorhaben in Thüringen haben, im Grunde genommen rechtsunwirksam. Wir wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, keinen Schnellschuss in dieser Frage, sondern wir wollen gemeinsam eine solide Lösung dieser Problematik herbeiführen, selbstverständlich unter Anhörung der Betroffenen, also der Tarifparteien. Wir wollen nicht mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber auch nicht we

niger. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Zu Wort hat sich gemeldet der Abgeordnete Kretschmer, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Kollege Lippmann, in der Zustandsbeschreibung, insbesondere in der Bauwirtschaft, da teilen wir die gemeinsame Beobachtung, wohin dieser Wettbewerb und Lohndumping und insbesondere natürlich auch das Auftreten billiger Auslandskräfte führt. Diese Zustandsbeschreibung zieht sich auch wie ein roter Faden durch Diskussionen, beispielsweise im Bündnis für Arbeit, sei es auf Bundesebene oder auf lokaler oder regionaler Ebene und in anderen Gesprächen. Einer der Lösungsvorschläge, der insbesondere von der Gewerkschaft präjudiziert wird, ist ein Vergabegesetz, sage ich mal, nicht dieses, sondern ein Vergabegesetz, das öffentliche Aufträge an die Zahlung von Tariflöhnen zu koppeln sind und dass damit die Aufträge verteuert werden und man damit ausländische Unternehmen abschotten kann. Ich will an dieser Stelle etwas ausführlicher in die bisherigen Gesetzeswerke eintreten, weil ich meine, es ist wichtig, dass man nicht wie am Stammtisch diskutiert, auf deutschen Baustellen dürfen nur deutsche Bauarbeiter sein, weil das nicht das Thema ist. Sie haben sehr recht gesagt, in Berlin ist ein erster Versuch unternommen worden, mit einem Vergabegesetz in diese Richtung tätig zu werden. Es ist verfassungswidrig, das ist festgestellt worden, aber nicht nur das, sondern es ist auch festgestellt worden, Sie können das in dem Urteil nachlesen, dass im Bereich "Tarifrechte" die gesetzgeberische Zuständigkeit nicht gegeben ist und dass im Bereich des Arbeitsrechts die konkurrierende Zuständigkeit zwischen Bund und Land letztendlich geregelt ist, weil der Bund durch das Tarifvertragsgesetz abschließend Gebrauch gemacht hat von seiner Kompetenz.

Und nun kommt die Frage noch mit dem Grundgesetz, dass man sagt, es verstößt gegen die negative Koalitionsfreiheit, d.h., es werden Unternehmen zur Zahlung von Tariflöhnen gezwungen, obwohl sie nicht tarifgebunden sind. Eigentlich ist nur dieser Teil der Verstoß gegen das Grundgesetz, der dort gesehen wird. Sie haben es zu Recht gesagt, dass in Bayern versucht wurde zu reagieren, und nicht nur erst durch die bayerische Staatsregierung, sondern schon im Februar hatte ja die SPD einen Antrag eingebracht in den bayerischen Landtag, zu reagieren. Dieser Antrag wird, wenn ich das so richtig sehe, wahrscheinlich in den Ausschüssen schon hängen bleiben, während die Staatsregierung mit ihrem Entwurf versucht hat, so ein bisschen Lehren zu ziehen aus dem Berliner Urteil, indem man sagt, die Marktbeherrschung nehmen wir weg und wir gehen dann mit dem Tiefbau aus der kommunalen Ebe

ne weg und bleiben dann mit dem Hochbau auf der kommunalen Ebene. Herr Lippmann, ich sehe das ja ein, die SPD hat ja jetzt mit Ihrem Entwurf versucht, noch ein Stückchen abzumindern in der Frage der Bauwirtschaft, indem man nur noch den Hochbau hat.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Ja!)

Aber Sie finden mit dieser gesetzlichen Regelung zumindest keine Antwort auf die Frage, die aus den gesetzlichen Wettbewerbsbeschränkungen heraus kommt, also die Frage der Diskriminierung. Was passiert denn mit dem Thüringer Bauunternehmer, der in Bayern bauen will? Das ist Diskriminierung und das ist auch der Blick aus Bayern heraus, das ist eine ganz andere Situation. Die wollen sehr wohl verhindern, dass Thüringer Bauunternehmen in Bayern bauen und den Wettbewerbsvorteil, den sie jetzt durch die Mindestentlohnung haben und durch die Tarife, dort wahrnehmen können. Das Diskriminierungsverbots ist damit nicht aus der Welt geschafft, es könnte aus der Welt geschafft werden, wenn es eine bundeseinheitliche Regelung gibt. Da hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt gesagt, er tut gar nichts im Augenblick, sondern er wartet auf die bundeseinheitliche Regelung. Was ich nun etwas bemerkenswert finde, ist, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf in der etwas schwierigen Rechtssituation noch einen Schritt vorwärts gehen in den Dienstleistungsbereich. Das kompliziert die Sache so total, dass es zunächst erst mal für meine Fraktion Grund genug ist zu sagen, schon allein aus diesen rechtlich sehr schwierigen Dingen diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Aber ich will an dieser Stelle noch ein Stückchen weitergehen, weil Herr Kollege Gentzel uns ja sagte und zitiert und auch Herr Ramelow hat auf seiner Internetseite gesagt, die CDU in Thüringen versteht offensichtlich ihre bayerischen Kollegen nicht und bayerische Verhältnisse müssten dort ja sein. Wissen Sie, der Versuch der bayerischen Kollegen, die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen, ist anerkennenswert, aber, wie gesagt, mit der Frage des Diskriminierungsverbots aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung kommen sie meines Erachtens auch nicht zurecht.

Die Bedenken, die wir haben, kann man auch nicht einfach vom Tisch wischen, denn Sie wissen, erfolgt die Vergabe aufgrund rechtswidriger Kriterien, kann das unterbunden werden und es können Schadenersatzforderungen erhoben werden. Meines Erachtens gibt es auch in Bayern schon Klagefälle gegen die Tariftreueerklärung. In Thüringen ist es etwas anders geregelt worden. Mit der Mindestlohnerklärung haben wir sogar vor dem Europäischen Recht bestanden. Das ist der feine Unterschied auch zur bayerischen Situation, indem mit der Tariftreueerklärung gegen Europäisches Recht verstoßen wird und deshalb läuft die aus, während wir, Herr Minister Schuster, mit unserer Mindestlohnrichtlinie auch weiterhin Bestand haben. Das ist ein wesentlicher Unterschied dazu. Deshalb sage ich, auch die bayerischen Verhältnisse sind, so gerne Ihnen das passen würde hier zu sagen, wenn die das in Bayern machen, dann müsst ihr das auch machen, hier nicht

übernehmbar.

Es gibt aber auch weitere Bedenken und ich bin der PDS und Ihnen, Herrn Ramelow, insbesondere dankbar, dass Sie an dieser Stelle klipp und klar gesagt haben, was Sie wollen. Es geht eben nicht nur um die Tariftreue und das ist die Sorge der Wirtschaft gemeinhin, sondern dieses Vergabegesetz soll von interessierten Kreisen genutzt werden als Vehikel, um weiter gehende sozialpolitische oder frauenpolitische oder was weiß ich für politische Forderungen mit einzubringen, also vergabefremde Kriterien mit hineinzunehmen. Der Frauenanteil - wir hatten hier schon mal so eine spannende Diskussion - soll...

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Das stimmt doch nicht.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Hier geht es um unseren Gesetzentwurf.)

Meine Damen und Herren, jetzt habe ich hier nicht die SPD angesprochen, sondern die PDS und dort steht in ihren entsprechenden Unterlagen, dass das ein Ziel auch von ihrer Seite ist und dass das die Sorge der Wirtschaft ist, dass das nicht kommen soll. Herr Schuchardt, das müssen Sie schon zur Kenntnis nehmen.

Ja ja gut, wir sitzen ja nun hier, um, Herr Ramelow hat gesagt, mit Ihnen gemeinsam da was voranzubringen, lassen Sie mich das mal schon noch mit sagen. Diese Sorge gibt es für das Vergabegesetz oder die Beschäftigung von Behinderten oder was weiß ich, was man sich vorstellen kann, was noch alles an öffentliche Aufträge gekoppelt werden kann, weil der öffentliche Auftraggeber derjenige ist, der da einwirken kann über seine entsprechenden Dinge. Das heißt also, wir sprechen uns ganz eindeutig dagegen aus, vergabefremde Kriterien auch an diese Sache zu koppeln.

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Schuchardt, auch wenn das Gesetz, so wie Sie es vorgelegt haben, so ein Stückchen mit heißer Nadel gestrickt ist, und ich sage Ihnen auch gleich warum mir das aufgefallen ist, insbesondere bei der Frage Dienstleistungsanteil ist das schon klar, sie nehmen den einfach hinten dran, ohne zu überlegen, was sich da in den rechtlichen Rahmen bringt. Aber auch mit dieser Gesetzgebung sind folgende Fragen überhaupt nicht beantwortet und die will ich Ihnen schon sagen. Ist es sinnvoll, eine generelle Entlohnung auf Tarifniveau zu verlangen, solange es nicht gelungen ist, die echte Schwarzarbeit in den Griff zu bekommen? Oder meine Damen und Herren, was geschieht mit den Betrieben in den Regionen, und damit meine ich insbesondere Thüringen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit gerade dadurch noch erhalten, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, aber bei den Löhnen auf Tarifniveau keine konkurrenzfähigen Angebote abgeben können? Das ist doch Realität in Thüringen. Meine Damen und Herren, kann Thüringer Bauwirt

schaft stabilisiert werden, wenn bei öffentlichen Aufträgen Löhne auf Tarifniveau gefordert werden, nicht aber bei privaten Aufträgen. Das muss man doch mal deutlich sagen, die öffentlichen Aufträge machen doch nur einen Bruchteil des gesamten Bauvolumens aus. Meine Damen und Herren, ich hatte es vorhin schon mal gesagt, ist die Verpflichtung, Tariflöhne zu zahlen, auch wenn ein Unternehmen nicht tarifgebunden ist, mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der negativen Koalitionsfreiheit und dem Kartellrecht vereinbar? Und meine Damen und Herren, werden die Vorschriften des Europäischen Rechts beachtet? Das sind die Fragen, die auch mit dem Gesetzentwurf, den die SPD hier vorgelegt hat, nicht beantwortet werden können.

Jetzt lassen Sie mich nur sagen: Auch bei der ablehnenden Position, denke ich, weil es eine Frage ist, die ja im Raum steht, ist das für uns eine Möglichkeit, darüber zu diskutieren, indem wir sehr wohl vorschlagen, das Gesetz an den Ausschuss zu überweisen, insbesondere natürlich an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik, aber auch an den Justizausschuss wegen der von mir angesprochenen rechtlichen Fragen.

Da Herr Botz das Gesetz bei der Einbringung unterschrieben hat, will ich Ihnen nur kurz sagen, wie das mit der heißen Nadel ist. Wenn Sie mal auf das Deckblatt schauen und den ersten Satz bei Lösung Punkt b), ich bin da kein Germanist aber ich lese den Satz so, wie ich ihn jetzt interpretiere.

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Da braucht man kein Germanist zu sein.)

Da steht: "um die Arbeitsplätze bei seriös agierenden, insbesondere mittelständischen Unternehmen zu sichern," das bedeutet, wenn ich also rückwärts lese, dass die großen Unternehmen nicht seriös agierend sind. Wenn Sie also damit sagen, dass Philipp Holzmann z.B. nicht seriös agierend ist, ist das eine interessante Feststellung, aber ich vermute, Sie wollten das damit nicht ausdrücken.

Meine Damen und Herren, ich beantrage für meine Fraktion - ja ja, wir reden ja so ein Stückchen über den Mittelstand - die Überweisung des Gesetzentwurfs der SPD an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik federführend und an den Justizausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Im Weiteren hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Ramelow, PDS-Fraktion.

Kollege Kretschmer, das war sachlich völlig richtig, was Sie festgestellt haben, die Unterschiede zwischen der Be

wertung der SPD-Fraktion und PDS-Fraktion. Ich will auch richtig stellen und klarstellen, wir hatten nicht vorgeschlagen, mit der SPD alles gemeinsam zu machen, sondern ich hatte nur angeregt, dass wir als Oppositionsparteien öfters mal miteinander reden, damit bei Ihnen die Pferde nicht so ins Kraut schießen, ach nein, die Pferde schießen, glaube ich, nicht.

(Heiterkeit im Hause)

Dass Sie sich nicht so ganz unkontrolliert fühlen, dass wir von links und rechts von der Seite mal ein bisschen Ihnen zeigen, dass Opposition in diesem Landtag auch eine Rolle spielt. Aber Anlass der Debatte ist eine sehr ernst zu nehmende Angelegenheit und - ich denke, auch da haben Sie Recht, Kollege Kretschmer - man muss die Frage der wirtschaftspolitischen Betrachtung einerseits beleuchten, aber die sozialpolitische Betrachtung nicht völlig außer Acht lassen. Da würde ich dann gerne mit Kollegen Gustav Bergemann sozusagen in die Diskussion eintreten. Richtig ist auch, dass die Frage Tarifpolitik ein Stück weit von uns im Kopf bewegt werden muss, aber eben nicht nur die Frage Tarifpolitik, sondern auch die Frage Wirtschaftspolitik und beides miteinander ins Verhältnis zu setzen. Tarifpolitik in der Lehrart der Gewerkschaften von vor hundert Jahren ist eigentlich der Abschluss eines Tarifvertrags mit dem Sinn und Zweck, dass die Arbeitskraft nicht auf dem freien Markt zum billigsten Objekt wird und dass die Konkurrenz der Arbeitnehmer untereinander aufgehoben wird. Das Problem eines Tarifvertrags funktioniert so lange, solange alle Arbeitnehmer sich daran halten, in einer Wirtschaft, in der der Tarifvertrag durch die Arbeitnehmer auch durchgesetzt wird und auch durchgesetzt werden kann, so dass die Kalkulation für alle gleich ist. Ich glaube, wenn wir uns mit dem Thema "Bau in Deutschland" beschäftigen, funktioniert es schon seit einigen Jahren nicht mehr. Insoweit ist die Frage sicherlich an die Tarifvertragsparteien zu stellen; aber insbesondere in den neuen Bundesländern, nachdem der Boom vorbei ist, haben wir das Problem, dass die Arbeitnehmer und die kleineren und mittelständischen Firmen gemeinsam die Verlierer dieser Entwicklung sind. Es sind eben nicht nur der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz verliert und das Risiko einbringt, sondern, wie viele Handwerksbetriebe lehren, die Beispiele die in den Konkurs gehen, geht hier eine Abwärtsspirale rum. Ich denke, es ist gut und richtig, wenn alle drei Fraktionen sagen, lasst und dieses Gesetz in die Ausschüsse nehmen, damit wir in Ruhe darüber reden. Ich glaube, wir müssen viel mehr Kreativität einsetzen, um in einem absterbenden Markt zu schauen, wie man das begleitet. Da gibt es eine Erwartung der Bevölkerung, der betroffenen Beschäftigten und der betroffenen Firmen, ob es möglich ist, mit den bestehenden Gesetzen die Begleitung zu organisieren. Ich will ein paar Zahlen nennen: 1995 hatten wir in Thüringen noch 923 Baubetriebe, 1996 918, 1997 873, 1998 804 und im Januar 2000 738. Die Beschäftigtenzahlen sind gesunken: 53.000, 48.000, 43.000, 38.000, 32.000. Und, Kollege Lippmann, vorhin

war die Rede von schmutziger Konkurrenz. Konkurrenz an und für sich ist nicht schmutzig, aber wir haben es mit einem schmutzigen Wettbewerb zu tun, bei dem alle Marktkräfte außer Rand und Band geraten sind und bei dem die Frage der Auftragsvergeber, ob wirklich das billigste Angebot das beste Angebot ist, weil unter dem Kriterium der preiswerten Bewertung nur gesagt wird, wer am billigsten auftritt, heißt das, dass mittlerweile auch Firmen anbieten müssen, die weit unter ihrer eigenen Substanz die Kalkulation gemacht haben. Ich glaube, da kann Politik nicht einfach tatenlos zuschauen.

Ich will noch etwas anderes anmerken. Unser Ministerpräsident spricht immer davon, dass wir in Thüringen, oder Ihre Partei sagt es auch immer, Top Thüringen, dass wir sozusagen führend in den neuen Ländern sind. Das heißt, ich habe mir einmal erlaubt, die These aufzustellen, wenn Thüringen der Westen vom Osten ist, dann könnten wir ja mal die durchschnittliche Arbeitslosigkeit der Bauarbeiter Thüringens vergleichen mit der durchschnittlichen der Bauarbeiter in Westdeutschland, und zwar nur den Abstand. Und da wird es interessant. Im September 1999, und das scheint ja die These dann zu stützen, ist der Abstand zwischen durchschnittlicher Bauarbeitslosigkeit West zu Thüringen 1,9 Prozent - das heißt, wir liegen weit vor dem Feld der anderen neuen Länder -, im Oktober 1,9 Prozent, im November 2,5 Prozent, im Dezember 4 Prozent. Im Januar 2000 steigt der Abstand auf 9 Prozent, im Februar 2000 auf 11 Prozent und stabilisiert sich zurzeit auf einer Größenordnung von 11 Prozent. Das heißt, die Schere ist auseinander gegangen. Thüringen fällt radikal zurück im Verhältnis mit dem Ergebnis, dass immer mehr Menschen in die Dauerarbeitslosigkeit gehen. Der Wirtschaftsminister hat ja mehrfach darauf hingewiesen, dass die Baubranche am Zusammenbrechen ist, weil natürlich die Auftragsvergabe nicht mehr da ist. Auch das kann man in Zahlen sagen. Die Quadratmeter-Baugenehmigung von 1995 ist in Nicht-Wohngebäuden von 227.000 m² auf 215.000 m², 1997 auf 205.000 m², 1998 auf 177.000 m² zurückgegangen, für Nutzfläche von 167 auf 178 auf 156 und jetzt auf 109.000 m². Das heißt, die Baugenehmigungen, nicht alles davon wird realisiert, aber das Bauvolumen nimmt stetig ab. Und, Kollege Kretschmer, Sie haben ja einen besonderen Namen genannt, da gebe ich Ihnen nur Recht bei dem Namen, wenn es um die Großbetriebe geht, kann ich nur sagen, auch da habe ich meine Zweifel, ob man diesem Großen wirklich hätte helfen sollen in der Art und Weise.

(Beifall Abg. Ketschmer, CDU)

Ich habe das damals für ordnungspolitisch, aber auch tarifpolitisch falsch gefunden. Die arbeitslosen Bauarbeiter, die es jetzt mit ihren Jobs bezahlen müssen, sind ein beredtes Beispiel dafür, dass ein großer Marktführer, der den Markt schon negativ beeinflusst hat, wenn man dem weiter hilft, dann wird man den Schweinewettbewerb auf dem eigenen Markt noch weiter verschärfen. Und damit sind es eben nicht nur die ausländischen Konkurrenten,

das will ich auch klar sagen. Wir sollten aufpassen, dass wir keine Diskussion bekommen, Inländer gegen Ausländer. Wir haben dieselbe Diskussion der Dumpingunterbietung im eigenen Land und jeder, der zum Unterbieten gezwungen wird, ist ein Stück weit Totengräber an einem Sozialsystem, bei dem zum Schluss, und da haben Sie wieder Recht, das Ganze irgendwann in der Schwarzarbeit mündet. Und von daher, sage ich, sollten wir mehr Kreativität aufwenden und sagen, wenn landeseigene Aufträge, wenn kommunale Aufträge, und darum geht es bei diesem Gesetz, vergeben werden, sollten wir klug überlegen, wie es gelingt mit dem europäischen Recht trotzdem Qualitätsstandards einzuführen. Ich will Ihnen sagen, ob es unbedingt die Frage der Frauenförderung ist. Das ist ein Stichwort, dazu stehe ich, dass meine Partei das beschlossen hat. Ich selbst gebe aber zu erkennen, dass die Frage der Frauenförderung auf dem Hochbau nicht sonderlich spannend ist.

(Zwischenruf Abg. Kölbel, CDU: Das stimmt!)

Aber ein anderes Kriterium will ich benennen, über das ich gern mit Ihnen diskutieren möchte, das ist die Frage der regionalwirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Welche Bedeutung hat dieser regionalwirtschaftliche Betrieb in der Region und wie verantwortlich verhält er sich in der Region? Wenn wir also Regionen stärken wollen und regionale Wirtschaft stärken wollen, dann wäre es mir sehr lieb und sehr recht, wenn wir alles tun würden, dass Betriebe in der Region auch weiterhin in der Region verankert bleiben können. Ich glaube, da sollten wir ein bisschen Gehirnschmalz drauf anwenden. Ob dann der Entwurf, den die Kollegen der SPD eingebracht haben, wo ich ja gestehe, er ist von der CSU abgeschrieben und das finde ich ganz pfiffig, ich war auch mal ein bisschen am Überlegen, ob wir es auch abschreiben, er unterscheidet sich nur unwesentlich von dem CSU-Antrag. In Übereinstimmung mit den noch viel weiter gehenden Vorstellungen Ihrer Kollegin Frau Görnert aus dem Saarland, deren Einbringungsrede ist ganz spannend, die kann ich Ihnen zur Verfügung stellen, da kann man mal nachlesen, was im Saarland zurzeit von Ihrer Partei diskutiert wird, und wenn wir uns von dem Geist leiten lassen und sagen, was können wir eigentlich tun, damit Thüringer Betriebe eine Chance haben, in der Region verankert zu bleiben, Aufträge bekommen und nachhaltig wirtschaften können. Jetzt nehme ich einmal Bezug auf unseren Finanzminister, der am Beispiel der Autobahn, des Autobahntunnels einmal gesagt hat, also Milliarden, die man dort einsetzt, fließen ja direkt in die Wirtschaft ein. Da kann ich sagen, gut, die Aufträge, die das Land und die Kommunen vergeben, sollten sich leiten lassen, dass wir damit tatsächlich unsere heimischen Betriebe stärken und stützen. Wenn wir uns davon leiten lassen, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der PDS)

dann erspare ich mir meine vorgefertigte Rede vorzulesen

(Beifall Abg. Schemmel, SPD)

und sage: Lassen Sie es uns gemeinsam in den Ausschüssen beraten. Ich wäre daran interessiert, dass wir uns mit Ideen überschütten, dass wir mehr Ideen einbringen, dass wir uns nicht leiten lassen von der ordnungspolitischen Frage, dass der Tarifvertrag an sich weg muss. Kollege Kretschmer, das sagen Sie sonst nämlich immer ganz gerne. Da sage ich mal, der Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist eben auch geregelt über das Tarifvertragsgesetz. Sie haben eben zu Recht auf den Mindestlohn hingewiesen. Der Mindestlohn funktioniert nur deswegen, weil er allgemein verbindlich ist, das heißt, weil wir von der Seite der Politik gesagt haben: Es ist ordnungspolitisch notwendig, dass Schmutzkonkurrenz nach unten begrenzt sein muss. Unter diesem Aspekt sagt das Grundgesetz auch, Kollege Kretschmer, Eigentum verpflichtet. In dem Sinne bitte ich um Überweisung und Behandlung und auf mögliche Lösungen, die unseren Menschen in diesem Land helfen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS; Abg. Dr. Botz, SPD)

Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Lippmann, SPD-Fraktion.