Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werter Herr Ministerpräsident, liebe Gemeindemitglieder der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, sehr geehrter Herr Vorsitzender Nossen, auch heute noch, mit Abstand betrachtet, fallen einem die Worte mit Blick auf die jüngste deutsche Geschichte zum schmählichen und verabscheuungswürdigen Brandanschlag auf Ihr Gotteshaus sehr schwer. Aber wie müssen sich erst jene Gemeindemitglieder, die den Holocaust überlebten und hier in Erfurt entweder ihre Heimat behalten haben oder auch wieder gefunden haben, bei dem Gedanken fühlen: "Und wieder versucht man - wie 1938 - Synagogen anzubrennen." Wie müssen sich jene neuen Gemeindemitglieder, die mit Lebensmut, Tatendrang und Vertrauen in diese Gesellschaft nach Deutschland gekommen sind, bei dem Gedanken fühlen: "Sind wir doch nicht so willkommen in diesem Land?" Wie müssen Sie sich, Herr Vorsitzender Nossen, der Sie mit Durchsetzungsvermögen, mit Aufopferung und Engagement nicht nur das religiöse Leben der Jüdischen Landesgemeinde weiter mit aufgebaut haben, bei dem Gedanken fühlen, dass es wieder blindwütige nationalistische Demagogen und bereitwillige Handlanger sind, die Gewalt gegen Andersdenkende, Anderslebende, Andersaussehende anwenden? Was müssen gerade die Menschen in Israel, aber auch alle anderen jüdischen Menschen auf dieser Welt bei diesem Gedanken fühlen, dass es die Bundesrepublik Deutschland als so genannter Eckpfeiler der demokratischen und zivilisatorischen Entwicklung auf der Welt auch im 21. Jahrhundert nicht schafft, jene geistigen Wurzeln, jene damit verbundene Ideologie und Vorstellung aus den Köpfen auch junger Menschen zu verbannen und gleichzeitig mit aller Konsequenz und Kraft in der Gesellschaft ein Klima der Aufklärung, der Toleranz, der Mitmenschlichkeit entstehen zu lassen?
Der Brandanschlag gegen die Erfurter Synagoge am vergangenen Karfreitag hat die Öffentlichkeit in Thüringen und darüber hinaus weit erschüttert und aufgewühlt. Namens der PDS-Fraktion möchte ich Ihnen, Herr Nossen, als Repräsentant der in Thüringen lebenden Jüdischen Gemeinde unser tiefstes Entsetzen über die abscheuliche Tat zum Ausdruck bringen. Der Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge ist ein Brandanschlag auf uns alle. Er ist ein Angriff nicht nur auf die jüdische Kultur, sondern auf die Kultur in unserer Gesellschaft, deren Bestandteil jüdischer Glauben und Lebensweise sind. Er ist zugleich ein Anschlag auf die Mahnung und Erinnerung an deutsche Verantwortung für millionenfaches Leid und Sterben jüdischer Menschen. Intoleranz und Gewaltbereitschaft, Antisemitismus und Rassismus, sie sind nicht zu übersehen, sie sind mitten in unserer Gesellschaft. Sie sind präsent in vielen Stammtischrunden, in nicht wenigen Familien und sie äußern sich in bewussten und organisierten Aktionen von Initiatoren und Anhängern der neonazistischen und faschistischen Szene, auch in Thüringen. Das Anzünden von Häusern, das Jagen und Zu
sammenschlagen von Menschen, Aufmärsche von NPD und Thüringer Heimatschutz, anonyme Drohungen und unverblümte direkte Einschüchterungsversuche erzeugen eine Atmosphäre von Angst und Duckmäusertum, wenn sich die Mehrheit der Gesellschaft nicht dagegen zur Wehr setzt. 55 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus, nach dem Ende des Holocaust an den europäischen Juden werden in Deutschland wieder und noch immer jüdische Einrichtungen angegriffen, finden sich Nazisymbole an jüdischen, aber auch an christlichen Einrichtungen, an Ausländerwohnheimen und überall dort wieder, wo mit diesen Symbolen öffentliche Aufmerksamkeit provoziert und zugleich Menschen gedemütigt werden. Hier gibt es keine Hemmungen mehr, es sei denn, die Mehrheit steht auf und setzt ein deutliches Gegenzeichen.
Rechtsextremismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit sind inzwischen zum Problem unserer heutigen Gesellschaft geworden. Dieses Problem wird nicht kleiner, indem es weggeredet, geleugnet oder indem gar weggesehen wird. Es lässt sich auch nicht verharmlosen oder einfach ignorieren. Mit Sorge ist zur Kenntnis zu nehmen, dass der Anteil der Bevölkerung, die über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild verfügen, inzwischen immer mehr steigt. Darauf machen viele Menschen in der Öffentlichkeit aufmerksam.
Und, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist inzwischen unser Problem, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Dieser Verantwortung haben wir uns zu stellen oder wir machen uns mitschuldig daran, dass Intoleranz und Menschenverachtung, Hass und Gewalt die Atmosphäre vergiften und das Zusammenleben von Menschen bedrohen und in absehbarer Zeit die geistige und kulturelle Hegemonie in dieser Gesellschaft erringen.
Die heutige Landtagssitzung ist auf Vorschlag der SPD vor allem deshalb zustande gekommen, weil alle drei Fraktionen heute in der Verantwortung stehen, ein deutliches und ein sichtbares Zeichen zu setzen, dass sie bei allen vorhandenen Unterschieden, die auch, glaube ich, hier in diesem Saal niemand wegleugnen wird, sich wenigstens noch auf dem untersten Level zu einer gemeinsamen politischen Erklärung durchringen können. Wir sollten nicht jenen den Triumph gönnen, die händereibend davon ausgehen, dass der politische Eigennutz der Parteien, das Ringen um die Deutungsmacht zwischen ihnen, ein solches Signal gegen alle jene, die meinen, mit Gewalt gegen Andersdenkende, Anderslebende und Andersaussehende vorgehen zu müssen, ein solches Signal verhindert, dass Parteien unfähig sind, sich dieser Situation an diesem heutigen Tage zu stellen und sich entsprechend auch zu verhalten. Das wäre eine Niederlage am heutigen Tag. Es ist nicht die Frage, wer sich bei der Erklärung, zu der wir uns nachher zu verhalten haben, letztendlich in allen Positionen durchgesetzt hat oder nicht durchgesetzt hat. Es ist die Frage, ob die drei Fraktionen in diesem Thüringer Landtag der Aufforderung, auch des Vorsitzenden der Jüdischen Landesge
meinde z.B. nachkommen und ihr gerecht werden, dass ein deutliches Zeichen parteienübergreifend gegen Rechtsextremismus in diesem Landtag gesetzt werden kann.
Meine Damen und Herren, ich verhehle nicht, dass für die PDS-Fraktion die Hürde hoch ist, einer Erklärung zuzustimmen, in der ausgehend vom Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge der vielfältig interpretierbare Begriff des Extremismus mehrfach auftaucht. Ein Begriff, der in den letzten Jahren immer wieder benutzt wurde, um die Gleichsetzung von Links und Rechts zu betreiben, ja darunter auch die PDS zu fassen bzw. von vornherein all jene mit aufzunehmen, die für demokratische Veränderungen in diesem Land streiten. Ein Begriff, der durchaus nicht nur auf Gewalttäter angewandt wird. Die Mehrheit der PDS-Fraktion wird dieser Erklärung heute zustimmen. Wenn sie das tut, dann vor allem aus den von mir genannten Gründen. Wir nehmen mit der Zustimmung zu dem Antrag keine unserer politischen Positionen, die wir in den letzten Plenarsitzungen zu diesem Thema geäußert haben, zurück. Und ich erkläre hier auch, gerichtet gerade an jene junge Menschen, die oftmals auch unter den Begriff des Extremismus gefasst werden, dass wir weiterhin an ihrer Seite stehen werden, wenn es darum geht, Rechtsextremen entgegenzutreten. Wir bleiben bei unseren politischen Grundhaltungen und meinen dennoch, dass es politische Situationen geben kann, wo man sich so weit zurücknehmen muss. Es geht nicht darum, die eigene politische Grundhaltung vorneweg zu tragen, um zu sagen, andere haben sich der untergeordnet. Wir sind bereit, zu diesem Punkt zu kommen und diesen hier auch eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Das ist auch der Grund, warum wir den Bericht der Landesregierung zum Hergang, zum Zustandekommen, zu den Maßnahmen, die die Landesregierung in Aufklärung des Brandanschlags auf die Synagoge hier gegeben hat, zwar zur Kenntnis nehmen, ihn aber hier heute an dieser Stelle nicht diskutieren wollen. Wir kündigen aber auch an, dass es in nachfolgenden Plenarsitzungen sicher die von allen Fraktionen gewünschte parlamentarische Debatte und parlamentarische Auseinandersetzung dazu geben wird. Es sind viele Fragen offen, das sollte man hier ganz deutlich sagen. Wir meinen, dass wir uns heute hier in dieser Erklärung deutlich gegen den Rechtsextremismus, gegen den Brandanschlag gegen die Erfurter Synagoge wenden wollen. Wir machen auch deutlich, dass aus unserer Sicht natürlich vieles noch getan werden müsste und letztendlich auch nicht mit einem polizeilichen Handlungskonzept zu fassen ist, um wirklich den Kampf gegen Rechtsextremismus weiter zu treiben. Wir machen deutlich, dass wir uns auf ein gesellschaftliches Gesamtkonzept konzentrieren. Wir meinen, wenn eine Gefahr aus der Gesellschaft kommt, kann sie auch nur durch breite gesellschaftliche Gegenwirkungen gebannt werden. Deshalb setzen wir weiter darauf, dass Intoleranz, Antisemitismus, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt auch als gesellschaftliches Problem betrachtet werden und nicht verniedlicht werden. Und wir setzen darauf, dass die
Gegenwirkung, die zu erzielen ist und die unbedingt notwendig ist, sich an solchen Formen orientiert wie an der Menschenkette um die Erfurter Synagoge herum, wo Vertreter aller Fraktionen, Gewerkschafter, insbesondere junge Menschen, sehr viele junge Menschen, auch jene, die sich an anderen Formen beteiligt haben, sich an anderen vorherigen Auseinandersetzungen gegen Neonazis beteiligt haben. Diese Form ist eine dieser Widerstandsformen, die wir für sehr wichtig und notwendig halten. Wir verweisen auch darauf, dass es unser Anliegen sein muss, all jene zu bestärken, zu ermutigen und zu unterstützen, die Aktionen, wie beispielsweise "Unser buntes Haus Weimar", mit der sehr wirkungsvoll der Aufzug der NPD in Weimar am 1. Mai verhindert werden konnte, unterstützen und initiieren und die mit sehr viel Ideenreichtum, mit sehr viel Engagement dazu beitragen, dass nicht logischerweise dem Auftreten von Gewalt Gewalt wieder folgen muss. Ich möchte mich auch bei all jenen bedanken, die über die Medien in den letzten Tagen und Wochen doch für eine ganz klare deutliche Sprache in diesem Land Thüringen mit gesorgt haben, die mit dazu beigetragen haben, eine klare Zurückweisung des Brandanschlags auf die Synagoge zu erreichen, aber damit auch gleichzeitig weitere Anschläge auf die Demokratie in diesem Land entweder verhindert oder auch deutlich abgelehnt worden sind.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass der Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge wiederum nur der traurige Höhepunkt einer Kette bewusster, zielgerichteter und geplanter Vorgänge in jüngster Zeit ist. Ob die Schändung der jüdischen Friedhöfe, die Schmierereien an Wahlkreisbüros von Landtagsabgeordneten, die Hakenkreuze am Erfurter Dom und auch besonders die Naziaufmärsche in den letzten Tagen und Wochen - all das sind aufkommende Zeichen eines nicht vorhandenen oder eines verfallenden Wertesystems, eingeschlossen des Antifaschismus in unserem Land. Wir sollten in aller Öffentlichkeit und mit aller Deutlichkeit diese Aktionen und Handlungsweisen anprangern, sie nicht dulden. Wir sollten die geistigen Urheber jener Taten verurteilen und geschlossen und gemeinsam, und da setze ich auf alle drei Fraktionen und weit darüber hinaus auf die Menschen in diesem Land, Widerstand gegen jeglichen Fremdenhass, Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung leisten. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, am 9. November 1938, der so genannten Reichspogromnacht, brannte die jüdische Synagoge in Erfurt. Die
SA hatte sie umstellt, die Türen aufgebrochen und Feuer gelegt. Gleichzeitig zogen SA und SS durch die Erfurter Innenstadt und verhafteten nach vorhandenen Listen jüdische Bürger. 197 von ihnen wurden am 10. November nach Buchenwald abtransportiert. So viel zur Erinnerung zunächst an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte auch hier in Erfurt. Unzählige Erfurter, Thüringer, unzählige deutsche Mitbürger haben in der wechselvollen deutschen Geschichte seit diesem Datum dafür gelebt und gearbeitet, dass sich solches nicht wiederholt. Mit dem verabscheuungswürdigen Brandanschlag auf die jüdische Synagoge vom 20. April dieses Jahres wurde deren Hoffnung und deren Arbeit nachhaltig zerstört. Von vielen hört man jetzt, man ist erschüttert und man schämt sich, das gilt auch für die Thüringer SPD. Doch können Erschüttern und Schämen das ausdrücken, was wir wirklich empfinden? Ich sage, bei weitem nicht. Genau wie die feige Tat von 1938 eine Vorgeschichte hat, hat die feige Tat vom 20. April 2000 eine Vorgeschichte. Bereits am 01.04.1933 wurden von SA und SS jüdische Geschäfte kontrolliert und ein Boykott von jüdischen Ärzten und Rechtsanwälten durch die NSDAP durchgesetzt. Die Vorgeschichte des 20. April ist eine andere. Sie macht sich an solchen Orten fest wie Schorba, wie Gera, wie Erfurt. Sie hat aber auch einen Nachspann, der hier ausdrücklich genannt werden sollte, weil er genauso unvorstellbar, genauso verabscheuungswürdig ist. So wurde an dem Wochenende nach dem Synagogenanschlag ein Türke von Skinheads durch Erfurt gejagt und verprügelt und es erhielten die, die sich in Thüringer Zeitungen gegen den rechten Mob artikulierten, Morddrohungen. Das LKA in Thüringen sagte dazu, man nehme dieses sehr ernst. Es gibt aber auch die antifaschistische Demonstration vom 11. März 2000, die Mahnwachen und die Menschenkette rings um die jüdische Synagoge und es gibt den bunten Protest der 15.000 bis 20.000 Demokraten in Weimar vom 1. Mai. Das gibt uns die Hoffnung und die Berechtigung zu sagen, die große Mehrheit der Thüringer lehnt rechte Ideologien und rechte Gewalttaten ab.
Die Mehrheit der Thüringer will, dass mit diesem braunen Spuk endlich Schluss gemacht wird. Mich stört an der Betrachtung - z.B. der Mahnwachen und der Menschenkette rings um die jüdische Gemeinde -, dass zu wenig in den Vordergrund gestellt wird, dass die übergroße Zahl der Teilnehmer eben nicht in ein LinksRechts-Spektrum passt. Es sind die so genannten ganz normalen Thüringer, die die Nase von dem voll haben, was sich die Neonazis in Thüringen erlauben dürfen. Und so ist es heute, und so möchte ich es auch nennen, unsere gemeinsame Aufgabe, ein gemeinsames Zeichen im Thüringer Landtag zu setzen, dass die große Mehrheit der Thüringer Bevölkerung den gesamten Thüringer Landtag hinter sich wissen darf. Wir im Thüringer Landtag sagen gemeinsam: Es reicht! Und wir machen all denen Mut, die eben nicht aus exponierter Stellung mutig
sagen: Und uns reicht es auch! In Anbetracht all dieser Dinge hat die SPD-Landtagsfraktion für den heutigen Tag eine Sondersitzung des Landtags gefordert. Unser Ziel war es, denen, die sich so klar gegen rechte Gewalt geäußert haben, mit einer gemeinsame Erklärung aller Fraktionen in diesem Haus Mut zu machen, ihnen zu sagen, ihr seid nicht allein und ihr habt die Unterstützung aller Fraktionen und der Thüringer Landesregierung. Dass dieses gelungen ist, ist in der neuen fast 10jährigen Geschichte dieses Thüringer Landtags mehr als nur ein Achtungszeichen. Wir haben das Ideologische im Wesentlichen abgeschüttelt, um an einem eminent wichtigen Punkt Gemeinsamkeit zu demonstrieren.
Ich bedanke mich bei den vielen Thüringern, die mit ihrer Vorarbeit dieses hoffnungsvolle Zeichen aus dem Thüringer Landtag erst ermöglicht haben, und natürlich der ausdrückliche Dank an alle Abgeordneten und an alle Mitglieder der Thüringer Landesregierung. Dass uns dies trotz aller Schwierigkeiten, ich sage es noch einmal, in der Drucksache 3/627 gelungen ist, ist ein hoffnungsvolles Zeichen. Nichtsdestotrotz ist jetzt bei weitem nicht alles in Ordnung. Es ist bei weitem nicht alles da, wo es sein muss. Konsequente Aufarbeitung des Vergangenen durch die Politik steht als Erstes auf der Tagesordnung. Der 1. Mai in Weimar mit dem Verbot der NPD-Demonstration und den 15.000 bis 20.000 Demokraten, die sich mit Kreativität und Phantasie gegen den braunen Einfall gewehrt haben, kann und muss der Wendepunkt sein.
Meine Damen und Herren, der gemeinsame Antrag aller Fraktionen in diesem Haus ist selbstverständlich auch ein Kompromiss. Wer anderes gehofft und erwartet hat, darf sich nicht Realist nennen. Trotz der Auffassung, dass dieser Kompromiss ein guter für dieses Haus und für Thüringen ist, möchte ich den ungefilterten und klaren Standpunkt der Thüringer SPD zu dieser Thematik noch mal klar aussprechen. Die Thüringer SPD steht an der Seite der Antifaschisten, der Antirassisten, an der Seite der Thüringer Demokraten. Die Thüringer SPD ist die Partei des Antifaschismus und des Antirassismus. Sie wendet sich gegen jede Art von Extremismus. Diese Haltung ist auch in der Geschichte der Sozialdemokratie geboren und von uns durchlebt worden. Keine deutsche Partei hat unter den Diktaturen, egal welcher Couleur, so gelitten wie die Sozialdemokraten; verhaftet, drangsaliert, gefoltert, ermordet. Sozialdemokraten stehen für diesen Teil unseres Widerstands. Die Geschichte und die sich daraus ergebende Politik der SPD ist selbstverständlich auch die Geschichte und die Politik der Thüringer SPD. Wir haben bei vielen Aktionen gegen Neofaschismus und Rassismus in der ersten Reihe gestanden. Wir haben zu solchen Aktionen aufgerufen und haben sie aktiv unterstützt. Genau dieses werden wir weiter tun.
Wir lassen uns von niemandem vorschreiben, unter welchen Bedingungen eine Demonstration gegen Rechts eine richtige oder eine falsche ist.
Meine Damen und Herren, was die zukünftigen Aufgaben der Politik in diesem Haus betrifft, möchte ich mich wohl auf einen der angesehensten Thüringer in dieser Frage zurückziehen. Ich rede von dem Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Herrn Knigge, der viel Gutes für den Ruf der Thüringer in Deutschland, aber auch für den internationalen Ruf der Deutschen getan hat. Er schreibt in einem TLZ-Interview, das vor dem Synagogenanschlag stattgefunden hat und das für mich persönlich eine der bemerkenswertesten Meinungsäußerungen der letzten Wochen und Monate zu diesem Thema ist. Herr Knigge sagt Folgendes: "Ich glaube, man muss den historisch richtigen Befund, dass die NS-Diktatur stark geworden ist auch durch die Indifferenz, durch die Gleichgültigkeit, durch das Schweigen, ernst nehmen. Wer schweigt, stimmt objektiv zu." Auf die Frage, wie man nun gegen Rechts die Massen sensibilisieren kann, antwortete er Folgendes: "Die Masse ist nie zu sensibilisieren. Ich denke, es wäre schon viel erreicht, wenn - und auch das lehrt der Nationalsozialismus - die, die hellsichtig, sensibel und geschichtsbewusst sind, sich nicht verstecken. Das bedeutet auch, dass die politischen Eliten, die Funktionseliten, die Eliten der Wirtschaft, also die wirklich wichtigen Bürger dieses Landes ein Zeichen setzen, auch in Erinnerung dessen, dass der Nationalsozialismus aus der Mitte gekommen ist. Wenn es gelingt, 20 bis 30 Prozent einer Gesellschaft geschichtsbewusst und demokratisch hellwach zu halten, hat man schon vieles erreicht. Die Spitzen der Polizei, die Spitzen der Verwaltung, die demokratischen Kreise des einflussreichen Bürgertums, Kultureinrichtungen, die Politik, die jungen Menschen, die dürfen sich nicht verstecken; die Masse wird man nie erreichen."
Meine Damen und Herren, verabschieden wir den gemeinsamen Antrag in der Drucksache 3/627 nicht nur, sondern machen wir ihn zum Maßstab unseres Handelns und unseres Auftretens hier und außerhalb dieses Hauses. Seien wir, den Worten Knigges folgend, die politische Elite, die nicht schweigt. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die CDU-Fraktion verurteilt den Anschlag auf die Erfurter Synagoge am 20. April auf das Schärfste. Nicht nur, dass diese Tat dem Ansehen Thüringens schweren Schaden zugefügt hat, nein, der
Versuch, die Synagoge in Brand zu stecken, ist ein barbarischer Akt, der von Intoleranz und Verblendung zeugt. Wir teilen mit allen demokratischen Kräften im Land und der übergroßen Mehrheit der Thüringer Bürger die Auffassung, dass es sich um eine feige und verabscheuungswürdige Tat krimineller Rechtsextremisten handelt. Als Partei, die den christlichen Grundwerten verpflichtet ist, fühlt sich die CDU den Bürgern jüdischen Glaubens in Thüringen im Besonderen verbunden. Deshalb gilt aus unserer Fraktion der Jüdischen Landesgemeinde und den Mitbürgern jüdischen Glaubens unsere uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung.
Die Sicherheit Ihrer Einrichtung, die freie Ausübung Ihrer Religion, das Dasein in Thüringen, die Mitbürgerschaft mit Ihnen, das ist uns ein Wert, der aus der Geschichte betrachtet besonders hoch zu schätzen ist. Wir wollen ihn auch in Zukunft schützen und wollen nie wieder zulassen, dass ein solcher Anschlag möglich wird. Trotz aller Bemühungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hinterhältige Anschläge politischer Extremisten zu verhindern, werden wir auch in Zukunft solche Taten nicht vollkommen ausschließen können. Und genau deshalb müssen wir die Wachsamkeit gegenüber extremistischen Tendenzen in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Die CDU-Fraktion möchte der Thüringer Polizei und allen an der Ermittlung Beteiligten den ganz besonderen Dank und die Anerkennung aussprechen, dass sie so zügig, so zielgerichtet ermittelt haben und dass die schnelle Ergreifung der Täter auch dazu führen kann, dass nach dem schnellen Fahndungserfolg eine harte Verurteilung hoffentlich auch eine abschreckende Wirkung ausüben wird.
Der Freistaat Thüringen macht damit deutlich, dass der Staat in der Lage ist, sowohl durch Konzepte als auch konkrete Taten in dieser Situation zu handeln. Das macht deutlich, dass Thüringen nicht das Land rechtsextremer Aufmärsche und nicht das Land rechtsextremer Anschläge ist. Das muss auch in Zukunft so bleiben, deshalb steht die CDU für einen harten Kurs gegen Extremisten. Wir sind uns jedoch bewusst, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass polizeiliche und juristische Maßnahmen allein den politischen Extremismus leider nicht verhindern können. Der Schutz der Demokratie vor extremistischen Gefahren beginnt mit der geistigen Auseinandersetzung. Geschichtskenntnis, den Wert der Demokratie zum Handlungswert zu machen, die Freiheit in Verantwortung und mit Zivilcourage nutzen und verteidigen; hier liegen wichtige Aufgabenfelder für diese geistige Auseinandersetzung. Sie muss vor allem in den Familien, in den Medien, in den Schulen geführt werden; sie muss dort geführt werden, wo junge Menschen nach Orientierung suchen. Junge Menschen müssen Demokratie als sinnvolle Lebensform erleben.
Sie müssen Erfahrungen sammeln mit Teilhabe und Teilnahme. Sie müssen spüren, dass sie angenommen sind, auch mit ihren Fehlern, dass sie Perspektiven haben. Extremistische Taten sind häufig Schreie auswegloser junger Menschen, die eben diese Geborgenheit nicht erfahren und leider in extremistischen Gruppierungen diese vermeintliche Geborgenheit erfahren. Seit Jahren wird in diesem Zusammenhang staatliches Handeln in Thüringen koordiniert und auch immer, und das ist notwendig, auf neue Entwicklungen ausgerichtet. Zum Beispiel hat sich die Thüringer Bildungspolitik in der Vergangenheit der geistigen Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus, mit Gewalt und Fremdenfeindlichkeit sehr intensiv gewidmet. Die Lehrpläne sind in diesem Bezug weiterentwickelt. Es gibt Förderprogramme, es gibt Aktivitäten einzelner Schulen, die gefördert werden, gefordert werden und auch verbreitet werden. Dieser eingeschlagene Weg, so denke ich, muss konsequent weiter verfolgt werden und ich erinnere auch an die Initiative "Demokratisch handeln", die gerade in Thüringen eine sehr rege Mitarbeit erfährt. Das sind vielfältige Beispiele, die durch vielfältige Beispiele couragierter Bürgerschaft in Thüringen zu ergänzen sind, die auch in den letzten Tagen hier in Erfurt und in Weimar im Besonderen erfreulich für Thüringen und den Kampf gegen Extremismus erlebbar wurden. Trotzdem, unverzichtbar bleibt der Einsatz jedes Einzelnen, das heißt, die Zivilcourage im alltäglichen Leben, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit, in der Freizeit. Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Extremismus und Antisemitismus haben vielfältige Wurzeln. Hier beginnt die Arbeit, denn die extremistischen Taten, auch der rechtsextreme Anschlag auf die Synagoge in den letzten Tagen, sind häufig das verbrecherische Ende einer Persönlichkeitsentwicklung, die scheinbar in einer Sackgasse zu enden droht. Hier müssen wir ansetzen und hier ist jeder Einzelne gefordert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Freiheit und Demokratie müssen täglich erstritten und verteidigt werden; sie sind keine Selbstverständlichkeit, wie die Geschichte, insbesondere die des 20. Jahrhunderts, leidvoll gezeigt hat. Der Kampf gegen Extremismus ist keine kurzfristige Aufgabe der Politik. Der Verfassungsauftrag ist klar und wir stellen uns der Verantwortung, dass Politik in der Lage sein muss, diesen Verfassungsauftrag zu erfüllen, um die Verfassung zur Verfassungswirklichkeit werden zu lassen. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Feld kein Feld für parteitaktische Spiele ist, auch kein Feld für Instrumentalisierungen dieser grausamen Taten. Die Zusammenarbeit aller Demokraten ist für uns zwingend. Auch das lehrt die Geschichte. Die Haltung der Thüringer und die Stimmung in Thüringen ist eindeutig. Jede Form des Extremismus, insbesondere die rechtsextremen Ausschreitungen werden strikt abgelehnt. Politischer Extremismus, das heißt nicht, dass Rechts- und Linksextremismus gleichgesetzt werden, bei weitem nicht. Nur beide stellen eine Gefahr für die Demokratie, für Freiheit und Leben der Demokratie dar und deshalb müssen beide als verabscheuungswürdige Extremismus
formen vom Staat und von der Politik ganz unerbittlich bekämpft werden. Demokratie darf an dieser Stelle auch nicht nachlässig sein, denn die Gefahren gehen vom politischen Extremismus aus. Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat lebt, indem er die unveräußerlichen Rechte jedes einzelnen Bürgers sichert, aber, auch das ist in unserer Verfassung grundgelegt, er regelt die Verfahrensregeln für das Zusammenleben und damit auch die Zuständigkeiten. Die drei Säulen Legislative, Exekutive und Judikative tragen unsere Demokratie und nur so und nicht durch andere Versprechungen kann die plurale Gesellschaft, gerade die plurale Gesellschaft, die in die globalisierte Welt eintritt, Zukunft in Freiheit und Demokratie haben. Genau deshalb wird die CDU-Fraktion auch zukünftig den gesamten politischen Extremismus in den Mittelpunkt der Arbeit stellen, denn wenn und ich darf zitieren - die Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus Thüringen in ihrem Heft schreibt: "Das erste Ziel politischer Arbeit muss die Schaffung eines Konsenses gegen Rechts sein. Erst auf der Grundlage eines solchen Konsenses lassen sich eigene Gesellschaftsideen umsetzen und dann ist das ein klarer Angriff auf unsere Verfassungsdemokratie und dann muss dieser Angriff abgewehrt werden, weil wir die Demokratie nicht gefährden lassen wollen, weil wir die Säulen der Demokratie sichern müssen, damit wir eine plurale Gesellschaft mit Toleranz, mit Fremdenfreundlichkeit und Mitmenschlichkeit auch zukünftig in Thüringen leben können."
Die CDU-Fraktion kennt das Handlungskonzept der 1. und 2. Legislaturperiode, das fortgesetzt wird, das weiterentwickelt wird, weil sich immer neue Entwicklungen zeigen: Hartes Durchgreifen gegen Verfassungsfeinde von Rechts und Links, konsequente Verfolgung von extremistischen Straftaten, Aufklärung extremistischer Strukturen mit Hilfe des Verfassungsschutzes, Information und Prävention in den Schulen, zu Hause, in der Politik, in den Medien, über die Landeszentrale für politische Bildung - weiteres wäre zu nennen. Die jüngsten rechtsextremistischen Gewalttaten fordern natürlich ganz selbstverständlich alle demokratischen Kräfte im Besonderen, und das politisch und moralisch.
Der vorliegende Entschließungsantrag, die gemeinsame Erklärung aller Fraktionen des Thüringer Landtags, macht diese Haltung für den Landtag deutlich und die CDUFraktion unterstützt den Inhalt dieses Antrags nachdrücklich in allen seinen Passagen. Er soll Orientierung für unsere Arbeit sein. Vorfälle wie der Anschlag auf die Erfurter Synagoge dürfen sich nicht wiederholen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, um es auch für die Thüringer Landesregierung ganz deutlich zu sagen: Der Anschlag auf die Erfurter Synagoge ist eine verabscheuungswürdige Tat. Sie ist umso widerwärtiger, weil sie an diesem Tag, weil sie am 20. April geschehen ist, und sie ist widerwärtig, weil sie an einem Ort 20 km von Buchenwald entfernt geschehen ist. Es ist empörend, dass es in einem Land, in dem am 9. November 1938 Synagogen gebrannt haben, nach 62 Jahren wieder irregeleitete Menschen gibt, die mit einem solchen Anschlag auf ein jüdisches Gotteshaus auffallen wollen. Wir verurteilen diese Untat auf das Schärfste.
Bei den Mitgliedern der Landesregierung und bei mir persönlich hat die Tat große Betroffenheit ausgelöst. Unser Mitgefühl und unsere besondere Sorge gelten den Angehörigen der Jüdischen Gemeinde in Thüringen. Unseren jüdischen Mitbürgern und Mitbürgerinnen sei versichert, wir werden alles daran setzen, um eine Wiederholung einer solchen Tat zu verhindern, und wir werden gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde in Thüringen alles dafür tun, um den Schutz der Gemeinde und des Gotteshauses in Erfurt zu verbessern. Ein absoluter Schutz ist nicht möglich, aber das Menschenmögliche soll geschehen.
Ich möchte aber auch der Thüringer Polizei danken, die den Anschlag auf die Erfurter Synagoge zügig und erfolgreich aufgeklärt hat. Dieser schnelle Fahndungserfolg ist ein Zeichen dafür, dass die Thüringer Sicherheitsorgane gut arbeiten. Und ich bin sicher, die rasche Aufklärung dieser abscheulichen Tat und die zu erwartende Strafe haben eine abschreckende Wirkung auf andere Rechtsextremisten in Deutschland.
Aber natürlich können wir nach diesem Ereignis nicht zur Tagesordnung übergehen. Natürlich müssen die Landesregierung und müssen wir gemeinsam darüber nachdenken, wie es zu dieser Tat kommen konnte und was geschehen muss, damit sich solche Taten in Thüringen nicht wiederholen. Natürlich müssen wir wachsam bleiben. "Das Ritual der Betroffenheit allein reicht nicht mehr.", ein Satz von Johannes Rau, dem ich ausdrücklich zustimme. Die Tat steht im krassen Gegensatz zum geistigen Klima in Thüringen. Sie steht im krassen Gegensatz zu allem, worum sich dieses hohe Haus, worum sich die Landesregierung, die Parteien, die Kirchen, viele Institutionen und Verbände, viele Jugendorganisationen, die Hochschulen und Schulen und viele gesellschaftliche Gruppen, das heißt, die ganz große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, seit Jahren intensiv bemühen. 1938 haben die Menschen weggeschaut, als die Synagogen brannten. Die vielen spontanen Solidaritätsbekundungen der Bürgerinnen und Bürger in Erfurt und in ganz Thüringen unmittelbar nach der Tat haben gezeigt, dass sich die Bevölkerung Thüringens eindeutig von extremistischen Gewalttaten distanziert. Gerade weil wir zutiefst bestürzt und betroffen sind, warne ich vor falscher Aufge
regtheit und vor unbedachten Schnellschüssen. Auch hier bin ich mir mit einer ähnlichen Äußerung des Herrn Bundespräsidenten aus diesen Tagen völlig einig. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein rechtsradikales Klima im Lande herbeigeredet wird - ein Klima, das es in Wahrheit in Thüringen nicht gibt. Das haben die Bürgerinnen und Bürger Thüringens nicht verdient.
Gegen einen solchen Vorwurf nehmen wir sie ausdrücklich in Schutz. Wir dürfen uns als überzeugte Demokraten nicht auseinander dividieren lassen. Die Ablehnung dessen, was passiert ist, geht durch alle demokratischen Gruppen und durch die ganze Gesellschaft in Thüringen. Es gibt keinen Grund und es macht keinen Sinn, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen.
Meine Damen und Herren, Thüringen ist kein Aufmarschgebiet der Rechtsradikalen und wird es auch nicht werden, genauso wenig wie Schleswig-Holstein nach den verbrecherischen Anschlägen auf die Lübecker Synagoge in den Jahren 1994 und 1995 zu einem Tummelplatz der Rechtsextremisten geworden ist. Ich bin dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, ich bin Michel Friedman dankbar dafür, dass er klargestellt hat, man dürfe den Rechtsradikalismus nicht in Ostdeutschland entsorgen. Es war ein ermutigendes Zeichen, dass sich nach den Geschehnissen in Lübeck so viele Menschen in ganz Deutschland empört haben; es darf jetzt nicht heißen, das ist eben Ostdeutschland.
Meine Damen und Herren, wenn rechtsextremistisch motivierte Straftaten in den vergangenen Jahren in Thüringen leider angestiegen sind, dann ist das schlimm und bedauerlich und wir werden das hart bekämpfen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass in Thüringen im Vergleich zu den übrigen jungen Ländern die wenigsten rechtsextremistischen Gewalttaten passieren. Was Gewalttaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund betrifft, hat Thüringen sogar die absolut und relativ niedrigsten Werte unter allen 16 Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Man darf es doch wohl erfreulich finden, dass die Zahl der fremdenfeindlich motivierten Straftaten in Thüringen 1999 um fast ein Viertel zurückgegangen ist. Nein Thüringen ist kein Aufmarschgebiet von Rechtsradikalen. Schauen Sie sich doch in diesem hohen Hause hier um. Anders als in den Landtagen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg und Baden-Württemberg sind hier keine rechtsradikalen Parteien vertreten. Und bei keiner der vielen Wahlen der letzten Jahre erreichte eine rechtsradikale Partei in Thüringen auch nur annähernd 5 Prozent. Und unter den rund 460 Kandidatinnen und Kandidaten für die Bürgermeister- und Landratswahlen in wenigen Tagen hier in Thüringen befindet sich kein rechtsradikaler Bewerber. Es ist natürlich Besorgnis erregend, wenn eine Studie der Jenaer Universität berichtet, dass über 40 Prozent der Jugendlichen im Freistaat in mehr oder weniger starkem Maße ausländerfeindlich eingestellt seien.
Aber es spricht für den Initiator dieser Studie, dass er seine eigenen Ergebnisse differenziert betrachtet. Ich zitiere den Autor, Herrn Prof. Wolfgang Frindte: "Wir haben es mit einer Besorgnis erregenden Tendenz zu tun, aber zur Panikmache besteht kein Grund. Wir müssen sehr umsichtig mit diesen empirisch-sozialwissenschaftlichen Statistiken umgehen", sagt er, "weil die Gefahr bewusst provozierender, verfälschender Angaben bei den Befragten sehr hoch ist." An anderer Stelle spricht sich Prof. Frindte nochmals für einen umsichtigen Umgang aus, denn sonst entstehe der Eindruck bei den Jugendlichen, es entspräche der sozialen Norm, ausländerfeindlich zu sein. Ich bedauere, dass viele die Studie zitieren und ihren Inhalt nicht lesen, bevor sie sie zitieren. Die Studie untersucht im Übrigen nicht den Rechtsextremismus unter Jugendlichen, sondern sie untersucht Fremdenfeindlichkeit. Nicht jede Fremdenfeindlichkeit ist aber, wie wir wissen, rechtsextremistisch motiviert. Ich wiederhole, solche Umfrageergebnisse sind Besorgnis erregende Zeichen, die wir nicht übersehen dürfen und auf die wir gemeinsam reagieren müssen. Frindte hat in seiner Studie festgestellt, dass die Familie und die bereits in der Schule gelebte Demokratie im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit eine wichtige Rolle spielt. Auch hier müssen wir ansetzen und es ist richtig, was die Thüringer Wissenschaftsministerin gesagt hat: "Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Toleranz und Freiheit müssen in der öffentlichen Debatte einen größeren Stellenwert erhalten." Es ist in der Tat eine besonders wichtige Aufgabe, intensiv mit den Jugendlichen zu sprechen und sie auch außerhalb der Schule mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und anderer totalitärer Systeme und mit den Motiven der Ausländerfeindlichkeit zu erreichen.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass es ein Land in Deutschland gibt, das sich mit dem Erbe des Nationalsozialismus in den letzten zehn Jahren intensiver auseinander gesetzt hat als wir hier in Thüringen. Natürlich wird das nach den jüngsten Geschehnissen erst recht in Zukunft so sein.
Meine Damen und Herren, wir ergreifen nicht erst jetzt Maßnahmen gegen fremdenfeindliche Gewalt und gegen Extremismus. Ich verweise z.B. - es hat vorhin schon einmal eine Rolle gespielt - auf die vorbildliche Arbeit, die in den Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora geleistet wird. Die Leiter dieser Gedenkstätten, Herr Knigge und Frau Klose, leisten mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit Jahren Beispielgebendes und Vorbildliches für andere Länder.