Protocol of the Session on April 13, 2000

... besteht ein flächendeckendes Netz an Beratungsstellen in freier Trägerschaft, die sich in ihrer gemeinnützigen Tätigkeit auf die unterschiedlichen Bereiche der Behindertenhilfe spezialisiert haben. Wenn ich zum Ende kommen muss, muss ich Ihnen noch ein paar Beispiele nennen, die Sie vielleicht auch kennen, Herr Nothnagel. Ich bin als Sozialdezernent bei Einweihung von Behindertenwerkstätten oft dabei gewesen, auch da hing mein Herz dran. Und wenn wir sehen, vor allen Dingen vor zwei Wochen waren wir in Wutha-Farnroda und haben dort eine Wohnstätte für Behinderte eingeweiht, auch einige von Ihnen waren dabei, auch da wurde wieder vieles geleistet für die Behinderten und dann kann ich Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, wer die Chancen für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen vergrößern will, muss den Willen haben, Behinderte zu akzeptieren und mit Behinderten leben zu wollen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Oktober 1999 schlossen sich 15 Thüringer Behindertenverbände und Behinderteninitiativen mit dem Ziel zusammen, sich für die grundlegende Regelung zur Verbesserung der Le

benssituation von behinderten Menschen zu engagieren. Die Fraktionen haben alle Schreiben dazu erhalten.

Meine Damen und Herren, jede und jeder Abgeordnete, die oder der in der Familie oder im unmittelbaren Bekanntenkreis einen behinderten Menschen hatte oder hat, kann nachvollziehen, wie viel Positives sich gerade in den Jahren nach der Wende für behinderte Menschen getan hat. Ich kann es an meiner Familie auch nachvollziehen. Ein wichtiger Schritt war, dass in Thüringen im Juli 1992 ein Förderschulgesetz in Kraft trat, das für Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung eine Schulpflicht auf 12 Jahre festsetzte. Und der Initiative der SPD-Fraktion, insbesondere hier Herrn Döring, 1998 war es nach intensiven Gesprächen mit Elternvertretern, Fachgruppe Schule, Behindertenbeihilfe in Thüringen an der Christophorusschule - ich erinnere mich noch sehr gut - zu verdanken, dass ein Recht auf 12 Schulbesuchsjahre unabhängig vom Schuleintrittsalter durchgesetzt wurde, um behinderten Menschen die Möglichkeit einer Schulbildung zu geben. Ein Stück DDR-Unrecht wurde damit gutgemacht.

Die Behindertenpolitik, wie sie meine Fraktion auch von 1995 bis 1999 mitgestalten konnte, hatte einen hohen Stellenwert. Im Vordergrund stand immer, behinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, sie auf ein selbständiges Leben vorzubereiten, in die Familien zu integrieren und auch die Familien in die Gesellschaft zu integrieren. Die Förderung des betreuten Wohnens, eine der zukunftsweisenden Formen der Behindertenhilfe, wie auch der Suchthilfe wurde durch die CDU gekürzt, obwohl schon 1999 die Mittel hier nicht ausreichten. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum das geschehen ist. Dass der Sportbereich ebenfalls einen hohen Stellenwert für Behinderte hat, wird in dem Regelungsbedarf des Bündnisses nicht erwähnt. Es gibt ja auch viel Positives. Für den Thüringer Behinderten- und Thüringer Gehörlosensportverband ist bereits vor Jahren ein eigener Haushaltstitel eingeführt worden, was bundesweit einmalig ist. Damit wurde beiden Verbänden die Grundlage für selbständiges Handeln im Interesse ihrer Mitglieder gegeben. Es ist zu wünschen, dass hier keine Streichungen vorgenommen werden. Die Situation für Gehörlose ist unbefriedigend. Bereits in der 1. Legislaturperiode befasste sich die SPD-Fraktion mit der schwierigen Lebenssituation, sie setzte sich für die Anerkennung der Gebärdensprache als vollwertige Sprache ein. Sie wissen es noch genau, 1994 fand eine Anhörung statt, die unbefriedigend für die Gehörlosen ausging. Im März dieses Jahres hat die SPD-Fraktion eine Große Anfrage an die Landesregierung gestellt, um auf diese Situation aufmerksam zu machen und Auskunft zu bekommen. Aber wenn es um grundsätzliche gesetzliche Regelungen für Menschen mit Behinderungen geht, ist in erster Linie die Bundesebene und auch die Europaebene gefragt. Es müsste doch möglich sein, gleiche Chancen innerhalb der Europäischen Union festzuschreiben. Bisher hat noch jedes Land seine eigenen Standards. Und der Bundestag setzte sich aus Anlass des Welttages der Behinderten am 3. Dezember 1999 in ei

ner Debatte mit der Situation behinderter Menschen auseinander, mit den Schlussfolgerungen aus der vom Deutschen Bundestag vor fünf Jahren beschlossenen Ergänzung des Grundgesetzes, mit dem Benachteiligungsverbot behinderter Menschen. Das Ermöglichen eines selbstbestimmten Lebens von Menschen mit Behinderung ist eines der zentralen Ziele der Bundesregierung. Derzeit werden die Vorschriften zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Rechtsgebieten überprüft und ergänzt. In einem Gleichstellungsgesetz soll das Benachteiligungsverbot umgesetzt werden. Der Gesetzentwurf ist für Sommer 2000 vorgesehen. Auch das IX. Sozialgesetzbuch, das viele Lücken ausfüllen wird, soll zum 1. Januar 2001 in Kraft treten. Eine Reihe von Regelungen, die das Leben behinderter Menschen berühren, liegt in Landeshoheit. Und gefordert wird, Landesgleichstellungsvorschriften hierzu zu entwickeln. Damit sollte sich der Landtag tatsächlich auch intensiv befassen.

Zum Abschluss möchte ich betonen, Gesetze und Verordnungen, Rechtsvorschriften sind richtig und Grundlage, aber noch wichtiger ist das Sensibilisieren der Menschen füreinander und das Integrieren, wo es nur irgendwie möglich ist. Die "Aktion Mensch", sie wurde ja schon mehrmals genannt, ist ein großartiger Schritt dorthin. Die Behindertenverbände selbst bemühen sich hier sehr erfolgreich. Zum Beispiel das Christophorus-Werk Erfurt mit dem Verein "Lebenshilfe" hatte ein Bildungsprogramm für Menschen mit geistiger Behinderung für 1999 erstellt. Sie werden sich bestimmt erinnern. Eine Veranstaltung innerhalb dieses Programms fand hier im Landtag in allen Fraktionen statt. Auch viele gute Ideen, die in den Kommunen selbst erdacht und auch umgesetzt werden, ist hier wirklich als sehr, sehr positiv zu sehen, wie z.B. auch in Ilmenau unter dem Titel "Barrierefreie Stadt, an Behinderte denken, einander verstehen, miteinander leben". Und zum Schluss, was mir auch ganz besonders am Herzen liegt, im Rahmen der Volkssolidarität haben wir am 1. März 2000 für mich war es das erste Wohnprojekt - "Barrierefreies soziales Wohnen" feierlich eröffnet. Unter einem Dach wohnen Senioren, Seniorinnen, Behinderte und nicht behinderte Menschen. Das sind zumeist geförderte Wohnungen. Von den 7 Mio. DM, die es gekostet hat, hatten noch in der 2. Legislaturperiode 4 Mio. DM das Sozialministerium und das Wirtschaftsministerium übernommen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, fahren Sie zu dieser Begegnungsstätte "Am Ringelberg" ins Kaffee, führen Sie Gespräche, erkundigen Sie sich, wie es den Menschen dort geht, also auch ein Lichtblick, und in dieser Richtung kann ich mir das auch weiter vorstellen. Danke für die Aufmerksamkeit.

Danke schön, Frau Abgeordnete Bechthum. Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Arenhövel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Nothnagel, wenn es darum geht, Behinderte zu stärken, damit sie ihr Leben in freier Selbstbestimmung führen können, glaube ich, dieses Anliegen stößt bei der CDU-Fraktion mehr als auf offene Ohren. Und Frau Abgeordnete Bechthum hat hier schon dankenswerterweise einmal dargetan, was seit der Wende, seit 1990, geschehen ist. Es war eigentlich für die Behinderten eine Befreiung und es hat sich hier unheimlich viel entwickelt. Die Einrichtungen, wo Behinderte an Betten angebunden waren, wo sie mit Beruhigungsmitteln vollgestopft wurden, die sind Gott sei Dank vorbei. Darüber sind wir froh und Sie selbst haben ja schon die Landesverfassung zitiert, Herr Nothnagel. Ich weiß nur nicht, ob wir mit zusätzlichen Gesetzen auch eines erreichen, nämlich dass wir die Haltung der Menschen gegenüber Behinderten verändern können. Behinderte sind zwar anders, aber sie sind eigentlich ganz normal wie du und ich und wir haben damit eigentlich überhaupt gar keine Berührungsängste, im Gegenteil. Die Wohlfahrtsverbände sind nun mal Träger der Wohlfahrtshilfe, der Hilfe für Behinderte und ich glaube, wir sollten sie nicht beschimpfen, sondern wir sollten mit ihnen zusammenarbeiten. Das ist, denke ich, wichtig. Was den Grundsatz "ambulant vor stationär" anbetrifft, da sind wir auch der Meinung, das haben wir hier des Öfteren schon gesagt, wir werden dieses Thema einbetten in eine Strukturdebatte, damit hier auch noch mal ein Schub passiert nach vorn, damit Behinderte selbständig zu Hause wohnen können und dann eben nur Assistenz in Anspruch nehmen müssen, soweit das erforderlich ist. Auch die Medizin hat sich unheimlich weit entwickelt und es gibt heute sehr viele Hilfsmöglichkeiten für Behinderte. Wissen Sie, Herr Kultusminister ist ja verantwortlich für die Bildung im Allgemeinen und Besonderen und ich glaube, das wäre schon einmal eines eigenen Themas wert, darüber zu sprechen, wo brauchen wir Integration und wo brauchen wir Sonderschulen. Denn ich glaube nicht, dass man hier mit maximalen Forderungen das Problem löst, sondern das hängt sehr stark von der Art und vom Grad der Behinderung der Kinder ab, wie man sie beschult, und es lohnt sich aber, sich damit auch einmal zu beschäftigen. Schauen Sie, wir haben den Landesbehindertenbeirat neu gegründet hier in Thüringen und es ist unser Ziel, die Zusammenarbeit mit diesem Beirat so zu verbessern, dass für die Behinderten dabei auch etwas herauskommt. Das ist, denke ich, ganz wichtig und die CDU-Landtagsfraktion hat zwei Betroffene an die erste Stelle in diesen Behindertenbeirat gesandt und ich glaube, so bewegen wir hier auch etwas in der Politik. Insgesamt gesehen muss man natürlich sagen, es gibt immer noch Dinge, die offen sind, wo man noch etwas mehr tun kann, und ich bin auch der Meinung, wir sollten das Behindertenrecht zusammenfassen in einem Sozialgesetzbuch IX. Da, denke ich, gibt es einen weit gehenden Konsens aller Parteien, aber nach dem, was man so hört aus Berlin, was die rotgrüne Bundesregierung vorhat, darf ich stark bezweifeln, ob Leistungsverbesserungen damit verknüpft sein wer

den, meine Damen und Herren, und auch das wird uns hier zu Auseinandersetzungen führen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Abgeordnete Arenhövel. Als Nächster hat Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, natürlich ist das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes, natürlich ist der Schutz- und Förderungsgrundsatz der Thüringer Landesverfassung ein Erfolg, ein Erfolg nicht nur der Politik, sondern auch ein Erfolg des Engagements der Menschen mit Behinderung selbst. Aber Sie wissen, wir wissen und die Behinderten wissen, das ist nur die halbe Miete und Loben des Bestehenden und Hilfe suchendes Schauen nach Berlin oder Brüssel hilft da wenig. Wir haben es mit einer genormten Betrachtung des Menschen in dieser Gesellschaft zu tun, inzwischen auch schon mit einer genormten Betrachtung der Behinderten. Ich entdecke immer wieder im Umgang mit Behinderten und beim Denken über Behinderte zwei Grundströmungen. Die eine ist die separative, das ist die Betrachtung der Entwicklung von Behinderten in geschützten Sphären und die andere ist die integrative. Und die Fortschritte, Frau Arenhövel, im separativen Bereich, die Erfolge, die da erzielt sind, nicht nur in Bezug auf DDR-Zeiten, sondern insgesamt, die sind unstrittig und Mängel in diesem Bereich sind heute hier nicht mein Gegenstand. Das lässt auch die Zeit nicht zu. Ich mache mir Sorgen um den integrativen Bereich des Umgangs mit Behinderten. Ich bin selbst Vater einer behinderten Tochter und die Schwierigkeiten der Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung von Menschen mit Behinderungen außerhalb der geschützten Sphären, die sind mir wohl vertraut. Insofern, denke ich, ist es dankenswert, dass der Vorschlag gemacht wird, dass wir angesichts des 5. Mai unser Bewusstsein schärfen für die Probleme in diesem Bereich, dass wir uns bewusst machen, dass es auf Bundes- und auf Landesebene so etwas wie ein Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen oder ein Antidiskriminierungsgesetz oder ein Nachteilsausgleichsgesetz - oder wie immer das auch heißen mag - wird geben müssen. Es muss eine solche Gesetzgebung geben, damit die hehren Verfassungsgrundsätze mit Leben erfüllt werden können und damit von Sonntagsreden weggekommen werden kann.

(Beifall bei der PDS)

Dabei muss es um solche Gegenstände gehen wie Benachteiligungen im Arbeitsbereich, Benachteiligungen im Schulrecht, konsequenterer Umgang mit dem bestehenden Baurecht und behindertenfreundlichere Umgestaltung des Baurechts, weitere Regelungen im Nahverkehrsrecht

und, meine Damen und Herren, auch menschenwürdiges Versicherungsrecht,

(Beifall bei der PDS)

um nur einige dieser Bereiche, die da angegangen werden müssen, zu nennen. Und ich möchte, dass das am Ende dazu führt, dass man einen Satz in den Verträgen von Versicherungsgesellschaften nicht mehr findet - ich zitiere: "Grundsätzlich besteht kein Versicherungsschutz für dauernd pflegebedürftige Personen sowie Geisteskranke." Und, meine Damen und Herren, ich möchte nicht nur, dass dieser Satz verschwindet, weil die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen verschwunden ist, ich möchte auch, dass der diskriminierende Terminus "Geisteskranke" verschwindet, weil das ein Zeichen dafür wäre,

(Beifall bei der PDS)

dass wir in der Behindertenpolitik wirklich etwas erreicht haben in den Köpfen der Mitglieder dieser Gesellschaft. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke schön, Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann. Als Nächster hat sich Herr Minister Dr. Krapp zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich kurz reagiere auf eine Bemerkung von Herrn Abgeordneten Nothnagel bezüglich der Veranstaltung "Aktion Mensch" am 11. März 2000.

Ich hatte in der Tat die Ehre, den Ministerpräsidenten zu vertreten und habe dort die "Aktion Mensch" für dieses Jahr in Thüringen eröffnet. Herr Nothnagel, Sie haben offensichtlich festgestellt - so haben Sie sich geäußert -, dass ich mich dort nicht im Sinne der Integration von Behinderten in Schulen, in normalen Schulen, insbesondere geäußert habe, und Sie haben das vermisst. Ich widerspreche dem und ich empfehle, die Rede nachzulesen. Sie ist im Internet abgelegt unter der Webseite des Thüringer Kultusministeriums. Jedermann kann diese Rede nachlesen und kann Ihre Vorhaltung prüfen. Aber abgesehen davon möchte ich als Thüringer Kultusminister feststellen, dass wir außerordentliche Anstrengungen unternehmen, um Behinderte im normalen Schulalltag zu integrieren. Ich glaube, dass wir hier sehr weit fortgeschritten sind. Auch das wäre, wie es eben schon von Frau Abgeordneten Arenhövel, glaube ich, gesagt wurde, einmal wert für ein spezielles Thema in diesem Haus. Und, ich möchte noch eines hinzusetzen, Integration funktioniert sogar in Thüringen auch umgekehrt. Damit meine ich Folgendes: Ich habe vor kurzem das Marienstift-Förderzentrum besucht. Dort

gehen nicht behinderte Kinder mit in die Klassen von behinderten auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern. Und das funktioniert sehr gut. Ich habe mich sehr darüber gefreut und glaube, dass wir hier einen sehr guten Stand der Integration Behinderter erreicht haben. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister Dr. Krapp. Als Nächster hat sich Herrr Minister Dr. Pietzsch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, eines müssen wir auch bei der so genannten Behindertenpolitik berücksichtigen: Behinderter ist nicht gleich Behinderter, so wie Senior nicht gleich Senior ist. Bei den Senioren gibt es die 50- oder 60-Jährigen und es gibt die 80- und 90-Jährigen. Bei den Behinderten gibt es die geistig Behinderten und gibt es die körperlich Behinderten und es gibt die Behinderten, denen man es überhaupt nicht ansieht, dass sie behindert sind. Es gibt auch durchaus gewisse Spannungen zwischen den Gruppen, auch innerhalb der Behindertengruppen ist noch ein Ausgleich erforderlich. Es ist als sehr positiv gewertet worden, dass es eine Trennung zwischen dem Behindertensportverband, Gehörlosensportverband und dem Landessportbund gibt. Es hat auch etwas mit dem Zusammengehen der Behinderten zu tun. Es ist keine Trennung, die etwa von der Politik gegeben worden ist.

Meine Damen und Herren, wenn ich dieses sage, man muss sorgfältig trennen zwischen Behinderten und Behinderten, dann auch deshalb, um auch differenziert an unsere Vergangenheit heranzugehen. Es gab geschützte Abteilungen, geschützte Werkstätten in den Betrieben, wo Behinderte auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig gewesen sind. Hier ist viel zusammengebrochen und hier ist einiges noch nachzuholen. Aber, meine Damen und Herren, der Rest, die geistig Behinderten, die psychisch Behinderten, die Schulbildungsunfähigen oder Förderunfähigen, wie es hieß in der Kategorie der DDR, die waren so weit abgeschoben, um die durfte sich sogar die Kirche kümmern. Die anderen, die noch förderfähig waren, hat dann lieber der Staat gefördert. Meine Damen und Herren, ich denke, dieses müssen wir berücksichtigen. Ich sage hier, wir haben einen Riesenfortschritt gemacht in den letzten zehn Jahren. Und, Herr Nothnagel, ich denke, wenn wir uns zuallererst um das Klientel gekümmert haben, was Frau Arenhövel hier aufgezeigt hat, die schwerst geistig Behinderten und schwerst körperlich Behinderten, die in einer Situation waren, wo sie eigentlich nur abgeschoben waren, dann hat das auch gute Gründe. Ich denke auch durchaus, es hat eine deutliche Verbesserung gegeben durch die technischen Möglichkeiten. Ich habe zu Zeiten der DDR nie so viele Rollstuhlfahrer auf der Straße gesehen. Wer

einen mit Hand betriebenen Rollstuhl hatte, der hatte schon das große Los gezogen, und wer einen elektrischen hatte, der hatte ein so großes Los gezogen, der konnte es gar nicht glauben.

Meine Damen und Herren, wenn ich heute unsere Behinderten sehe, dann sage ich, ich bin froh, dass wir so weit sind,

(Beifall bei der CDU)

aber damit ist noch längst nicht alles getan. Es ist auch nicht damit getan, dass wir in der Thüringer Verfassung bereits bei der ersten Erarbeitung die gleichwertige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft für die Behinderten festgeschrieben haben, und es ist auch nicht mit der Novellierung des Grundgesetzes 1994 getan. Meine Damen und Herren, und es wird auch nicht damit getan sein, dass man ein neues Gesetz verabschiedet. Umsetzung der Behindertenpolitik beginnt in den Köpfen und beginnt nicht im Gesetz.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn ich mich recht entsinne, steht die Gleichheit von Mann und Frau bereits in der Weimarer Reichsverfassung und es ist keineswegs so, dass dieses heute bereits vollständig umgesetzt ist.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ach Quatsch!)

Wir werden noch einen langen Weg zu gehen haben, um diesem Verfassungsauftrag in unserer Landesverfassung, aber auch im Grundgesetz gerecht zu werden. In der Umsetzung der Verfassungsbestimmungen bestehen allerdings zahlreiche Regelungen zum Schutz und zur Förderung Behinderter. Ich denke, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zum Beispiel, dass Behinderten ein Betreuer an die Seite gestellt wird. Schutzgesetze für Menschen mit Behinderungen wirken flankierend bei der Integration, das Schwerbehindertengesetz, Beschäftigungspflichten, Kündigungsschutzvorschriften, aber hier müssen wir auch abwägen, dass nicht zu scharfe Gesetze wiederum den Behinderten eher zum Nachteil werden, eher zu einer Barriere, auch das ist nicht auszuschließen.

Meine Damen und Herren, auch bei der kommunalen Bauleitplanung, die für den Lebensalltag von wesentlicher Bedeutung ist, sind neben anderen Belangen die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Behinderten zu berücksichtigen. Ich halte es durchaus für einen Schritt im Umdenken, wenn heute bei einer Planung in den Städten und Dörfern nicht mehr erst dringend auf die Absenkung der Bordsteine hingewiesen werden muss, sondern wenn das unterdessen fast zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist.

Meine Damen und Herren, es ist schön, dass das zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, vor 10 Jahren ist es noch keine Selbstverständlichkeit gewesen. Ich denke, da sind wir doch ein kleines Stückchen zumindest weitergekommen. Die Eingliederungshilfe, aus der die laufenden Kosten für die Wohnheime für Behinderte, die Werkstätten für teilstationäre Einrichtungen gedeckt werden meine Damen und Herren, ich will ja hier nicht nur vom Geld reden, aber es ist schon auch ein Zeichen, wie der Freistaat sich dafür einsetzt -, ist von 100 Mio. DM 1992 auf 360 Mio. DM im Haushalt dieses Jahres gestiegen. Ich meine, dass wir gerade im ambulanten Bereich weiter dafür sorgen müssen, dass eine flächendeckende Versorgung stattfindet. Hier sind die Kommunen auch in die Verantwortung genommen und müssen in Zukunft noch stärker in die Verantwortung genommen werden.

Meine Damen und Herren, die Lebenssituation Behinderter ist nach wie vor durch Vorurteile ihrer Umwelt geprägt, das gebe ich durchaus zu, aber ich freue mich doch, dass mehr und mehr der Umgang mit Behinderten auch zu einer ganz normalen Selbstverständlichkeit geworden ist.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Dafür müssen wir, denke ich, noch mehr sorgen und wir haben spezielle Integrationsfachdienste, die im Arbeitsamt und in der Hauptfürsorgestelle unterstützen sollen bei der Suche nach Arbeit. Für Thüringen beteiligen sich hier Reha-Aktiv und die Integrationsfachdienste am Bundesmodellprojekt Integrationsfachdienst. Damit ein gleichgestelltes Miteinanderleben von Behinderten und nicht Behinderten zum Alltag gehört, sollen im Bereich der Erziehung und Bildung Integrationskonzepte möglichst früh greifen. Der Kultusminister hat etwas dazu gesagt, ich muss Ihnen sagen, ich bin froh, dass wir damals mit dem Kindertagesstättengesetz die integrativen Kindergärten geschaffen haben. Allein in Thüringen arbeiten über 50 dieser integrativen Kindertageseinrichtungen. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen und ich würde das nicht so abtun mit den Schulen, es kommt auch darauf an, meine Damen und Herren, hier bessere Zuwendungen zu geben. Deswegen haben wir diese Förderschulen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist nicht, um die Behinderten auszugrenzen, sondern um ihnen bessere Chancen im weiteren Leben zu eröffnen. Wir sollten sie ausdrücklich nicht ausgrenzen, sondern wir sollten sie ausdrücklich frühzeitig mit auf den normalen Lebensweg führen. Aber dort, wo es nötig ist, sollten wir ihnen insbesondere bessere Chancen geben. Es ergibt sich, denke ich, noch ein großes Betätigungsfeld zur Verbesserung und zur Vervollständigung der Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben und dieses selbstbestimmte Leben, meine Damen und Herren, ich glaube, das ist unser Ziel für alle Behinderten, soweit es denn möglich ist. Daran lassen Sie uns gemeinsam weiterarbeiten. Ich danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister Pietzsch. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind am Ende des Tagesordnungspunkts 17 angelangt. Ich schließe ihn damit und bitte einen Wechsel vorzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit kommen wir zurück zu dem Punkt, mit dem wir vor der Mittagspause aufgehört haben, nämlich Fortsetzung des Tagesordnungspunkts 3 von unserer durchaus recht langen Tagesordnung. Wir waren dort mitten in der Aussprache. Zu Wort hatte sich gemeldet Frau Abgeordnete Arenhövel; ich bitte Sie, jetzt das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu Beginn meiner Rede möchte ich zunächst feststellen, dass die Bundespolitik für die gesetzlichen Grundlagen und die Festsetzung der Geldmengen, auch Budgets genannt, zuständig und damit in vollem Umfang verantwortlich ist. Sofort nach der Landtagswahl hat der Freistaat Thüringen im Bundesrat die Initiative ergriffen und es schließlich mit allen anderen Ländern erreicht, dass das Globalbudget verhindert werden konnte. Dieser zustimmungspflichtige Teil der so genannten Gesundheitsreform 2000 ist mit dem Nein aller 16 Länder im Bundesrat so kläglich gescheitert, wie es schlimmer eigentlich nicht mehr kommen kann.