(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Herr Ber- gemann, wollen Sie Ihre Behauptungen nicht einmal mit Zahlen untersetzen?)
Ich bin schon dazu in der Lage. Zudem hat der Arbeitgeber natürlich hier einen erhöhten bürokratischen Aufwand, ohne Frage, er muss sich z.B. von jedem Arbeitnehmer schriftlich bestätigen lassen...
Entschuldigung, ich ziehe Ihnen das nicht von Ihrer Zeit ab. Ich bitte, diese zweiseitigen Dialoge zu unterlassen und dem Vortragenden in Ruhe zuzuhören.
Der bürokratische Aufwand - ich will nur anführen, dass er sich hier z.B. zwischen den Lohnbezugszeiträumen von dem Arbeitnehmer schriftlich vorlegen lassen muss, ob und in welcher Höhe er zusätzliche Einkünfte hat, damit er weiß, ob und in welcher Höhe er Sozialversicherungsabgaben/Steuern bezahlen kann. Er muss eine Lohnsteuerkarte besorgen, muss Freistellungsbescheinigungen vom Finanzamt holen und muss unter anderem aufwendige Erfüllung der Meldepflicht bei Sozialversicherungsbeiträgen vornehmen. Es ist ein Aufwand für viele kleine Unternehmen, der an Bürokratie kaum noch zu überbieten ist.
Ich will trotzdem noch ein paar Dinge sagen, dass gerade die Entlastungen, die von den finanziellen und bürokratischen Neuregelungen für die gemeinnützigen Vereine erfolgen sollten, auch die sind kompliziert. Wir haben ja hier noch Leute sitzen. Beispiel ist nur, wenn die Feuerwehrleute - einer, der eine 100-Mark-Pauschale bisher für seine Tätigkeit bekommen hat, der wird jetzt in dieser "Nebentätigkeit" sozialversicherungspflichtig. Dann wird nach bestimmten Fallgruppen entschieden, unterteilt von 20 bis 80 Prozent. Das sind komplizierte Regelungen, die nie dazu beitragen können, dass hier Gerechtigkeit geschaffen wird, dass hier Rechtssicherheit entsteht. Ich denke, die Vereine - gerade die brauchen wir -, die in solchen Positionen sind, ob sie jetzt Geschäftsstellenleiter, ob sie Schatzmeister oder Vereinsvorsitzender sind,...
Genau, der Herr Lippmann hat es gesagt, es ist abenteuerlich, dass manche - vielleicht schauen Sie einmal in das Gesetz rein, damit Sie wissen, was drinsteht. Je höher die Verantwortung in solch einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist, desto weniger begünstigt ist sie. Das schafft schon diese von mir genannte Rechtsunsicherheit. Die Erwartungen des Gesetzgebers - das will ich auch sagen - hinsichtlich der zusätzlichen Beitragseinnahmen bei der Renten- und Krankenversicherung wurden erfüllt. Keine Frage, war einer der wesentlichen Punkte,
ich sage aber auch, weil die Zahl genannt worden ist, es ist natürlich weniger als 1 Prozent der Gesamtausgaben der Renten- und der Krankenversicherung. Das darf man an der Stelle vielleicht auch noch einmal erwähnen. Für die eingangs erwähnten Unternehmen, die kleineren und mittleren Unternehmen, die mit zahlreichen geringfügig Beschäftigten jeden Tag zu kämpfen haben, die im Wettbewerb stehen, vor allen Dingen die kleinen, ist es
ja, ich komme sofort zum Ende - kompliziert. Letzter Satz: Ich und auch andere sind davon überzeugt, dass sich durch diese Regelung vor allen Dingen die Schere zwischen Brutto- und Nettoeinkommen vergrößert und sie beschleunigt ganz klar die Zunahme der Schwarzarbeit. Jeder weiß, dass wir gerade in Bezug auf die Schwarzarbeit in Deutschland inzwischen schon fast 600 Mrd. DM jährlich zu verbuchen haben. Danke.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, man hört beim Kollegen Bergemann ja doch den Gewerkschafter heraus, wenn er sagt, dass der Missbrauch bekämpft werden sollte und auch bekämpft werden muss. Es ist schon richtig, daran zu erinnern, dass zum Schluss 6 bis 7 Mio. geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in der Bundesrepublik gezählt worden sind. Und, Kollege Bergemann, ich erinnere einmal daran, das war in der Zeit, als eure Partei noch die Bundesregierung gestellt hat und das Thema immer vor sich hergeschoben worden ist.
Auch für den Thüringer Einzelhandel, den ich ziemlich gut kenne, kann man sagen, dass wir in den vergangenen Jahren eine Größenordnung von rund 65.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hatten. In der Phase der letzten 10 Jahre hat sich ein gleichsolches für geringfügig Beschäftigte aufgebaut, also noch einmal in der Größenordnung, wobei es eben nicht - Gustav, es sind nicht die kleinen Betriebe, es sind die großen, die den Missbrauch immer weiter perfektioniert haben.
Die METRO hat eine eigene Unternehmensgruppe gegründet. Ich gebe dir ja Recht, was den Missbrauch zu bekämpfen angeht, ich will nur einmal die Wirkungsweise sagen. Die Kassiererin, die korrekt teilzeitbeschäftigt ist, der hat man angeboten, ab Nachmittag darf sie für die Firma XY Kartons auspacken. Das ist legalisierte Schwarzarbeit gewesen, das war der Missbrauch pur.
Das Ergebnis, auch darauf will ich einmal hinweisen, wer denn aus so einem regulären Arbeitsverhältnis entlassen worden ist und dann abgedrängt worden ist in die Pauschalkarriere mit einem, später dann zwei, möglicherweise sogar drei solchen Beschäftigungsverhältnissen, hat keine Rentenversicherungsansprüche gehabt. Wenn die fünf Jahre herum waren, war auch der Invaliditätsschutz kaputt. Insoweit, Kollege Lippmann, die Kassandra, die ist weiblich, genau dieses Gesetz ist ein frauenfeindliches Gesetz gewesen, die Regelung so, wie es praktiziert worden ist.
Trotzdem will ich sagen, war es erstens dringend notwendig, dass der Missbrauch begrenzt und beendet wird. Dagegen ist nichts einzuwenden und da gibt es offenkundig im hohen Haus gemeinschaftliche Ansicht. Es gab ein paar Jahre, da hättet ihr es tun können und habt es nicht gemacht. Warum dann rotgrün allerdings ein - und in der Tat, da teile ich genau den eben genannten Vortrag - so bürokratisches Gesetz erlassen hat, das muss ich sagen, habe ich als Gewerkschafter damals überhaupt nicht verstanden. Ich dachte, dass man mit einem pragmatischen Schnitt auch wieder auf den Punkt zurückgekommen wäre, der einmal ursprünglich bestanden hat, nämlich ein Ausnahmetatbestand aus der Sozialversicherungspflicht für Hand- und Spanntätigkeiten, für Zeitung austragen und Ähnliches. Das Unglückselige war ja, dass es angebunden war an die automatische jährliche Beitragsbemessungsgrenzensteigerung. Ursprünglich war das Gesetz ja bei 400 DM und zum Schluss bei 630 DM und da war es dann für die Konzerne schon interessant, statt einer Vollbeschäftigten fünf solcher Beschäftigungsarten ohne Sozialversicherungsbeitrag, ohne Rentenversicherungsbeitrag und mit all den Nachteilen für die Betroffenen. Die Konzerne haben profitiert, die Betriebsräte waren außen vor, weil die sind nicht angestellt worden von METRO, REWE oder sonst etwas, sondern waren bei der Firma Meyer-Zettel-Austeil GmbH & Co. KG oder wie immer diese einzelnen Firmen hießen, die dann in die Firmen gekommen sind und die Waren und die Kartons ausgepackt haben; insoweit eine in der Tendenz immer zunehmende, sich gegen Frauen richtende Erwerbsform. Ich denke aber, das war ja die Frage vom Kollegen Lippmann, was müsste man reformieren? Man könnte es entbürokratisieren, aber mit der Zielstellung, den Missbrauch tatsächlich weiterhin zu verhindern. Genau das ist nämlich eingetreten und das finde ich auch gut so. Die Bürokra
tisierung mit den Freistellungsbescheiden und anderen Geschichten finde ich eine wirklich in der Tat lästige Pflicht, bei denen die Kleinen es nicht machen können. Die Großkonzerne haben da wieder ihre entsprechenden Stabsstellen, die das locker hinbekommen. Die Kleinen bekommen es nicht hin und ich plädiere dafür, das wäre ein Weg, den man tatsächlich in einer Reformierung hinbekommen könnte, dass man eine Summe, vielleicht von 200 DM, wiederum pauschaliert als Freistellung hat, aber nicht automatisch anbindet, dass diese Summe jährlich wieder größer wird. Dass man wirklich sagt, für das, was ursprünglich einmal war, den Parkplatz sauber zu machen, die Zeitung auszutragen oder ein Schüler, der eine Kleinigkeit als Handleistung macht, und ich rede nicht von der Kinderarbeit, die wir zunehmend in Thüringen feststellen müssen, was ich noch viel schlimmer finde...
In diese Richtung, denke ich, hätte auch das jetzige Gesetz eine Reform dringend notwendig und wir sollten nicht so tun, als wenn die Überbürokratisierung nicht da wäre. Da wäre etwas weniger Staat hilfreich. Um tatsächlich aber wirkungsvoll den Missbrauch zu begrenzen, sollten wir an der Zielrichtung, die eingelegt worden ist, weiter festhalten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Lippmann, selbstverständlich ist es auch Ihr Recht, dieses auf die Tagesordnung zu setzen. Sie versuchen ein mißlungenes Gesetz im Nachhinein schön zu reden; es wird Ihnen nicht gelingen. Ich sage es einmal ganz einfach. Natürlich hätte man es einfacher haben können. Es gab ja Unmengen von Vorschlägen, wenn man beispielsweise nur das, was an Pauschalsteuer eingenommen wurde, an die Sozialkassen weitergereicht hätte.
Im Juni vergangenen Jahres haben wir in unserer Fraktion eine Anhörung mit den Betroffenen gemacht, sie ist damals von der SPD furchtbar beschimpft worden - das war ja nun kurz nach der Einführung - und wir haben uns jetzt erlaubt, einmal bei den Leuten, die wir damals angehört haben, bei einem Teil der Personen nachzufra
gen, wie sie denn jetzt dazu stehen. Genau das möchte ich Ihnen jetzt einmal sagen, das sind nämlich wirklich Thüringer Ergebnisse.
Der Landessportbund, Herr Beilschmidt, hat im Juni darauf aufmerksam gemacht, dass bei sportlichen Großveranstaltungen für die Bezahlung von Organisationen, Kampfrichtern und Helfern ein gewaltiger Verwaltungsaufwand notwendig wird. Das beläuft sich in der Größenordnung von 15 bis 20 D-Mark pro Person. Das Ergebnis jetzt ist nach Aussagen des Landessportbundes, der Verwaltungsaufwand ist da, es betreibt ihn keiner, den Rest können Sie sich denken. Man hofft, dass es nicht überprüft wird.
Der Kanzler der Friedrich-Schiller-Universität hat darauf aufmerksam gemacht, dass die studentischen Hilfskräfte auf 630-Mark-Basis bezahlt werden. Es gab zwei Möglichkeiten, entweder man musste die Gelder aufstocken oder man konnte die Hilfskräfte nicht mehr haben. Das Land, der Freistaat Thüringen hat den Haushaltsansatz für die Hilfskräfte um 20 Prozent angehoben, also sprich zu gut Deutsch, das Land Thüringen bezahlt die 630-MarkJobs mit. Wenn das nun so ein toller Erfolg ist, ich weiß es nicht. Das Druckhaus Erfurt: Bei den Zeitungszustellern wurden erwartungsgemäß keine Stelle in Vollzeitarbeit umgewandelt. Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse bewegen sich weiterhin in der Größenordnung wie vor der gesetzlichen Neuregelung. Bei 5.000 Zeitungszustellern sind Mehrkosten in Millionenhöhe aufgetreten. Das Ergebnis: Die Mehrkosten wurden in die Preiserhöhung für die Zeitung im letzten Juli integriert, sprich, derjenige, der die Zeitung liest, hat das Nachsehen, der hat die Kosten zu tragen. Dann gab es Äußerungen, die bekommt man immer wieder zu hören, kein Mensch möchte seinen eigenen Berufsstand anschwärzen, aber es wird halt mehr schwarz gearbeitet.
Herr Pohl, Sie sind am Dienstagabend mit bei dieser Veranstaltung zur Schwarzarbeit gewesen. Sie mussten leider vorzeitig weg.
Das war dann auch noch ein Thema. Dieses Gesetz hat nicht dazu beigetragen, Schwarzarbeit einzudämmen. Natürlich kann man dann nicht Zahlen nennen, wie es erhöht worden ist.
Im Bereich des Einzelhandelsverbandes haben 15 Prozent der geringfügig Beschäftigten in Thüringen gekündigt. Es ist davon auszugehen, dass es durch das Gesetz zu einem Anstieg der Schwarzarbeit in diesem Bereich gekommen ist. Besonders kritisiert wird der bürokratische Mehraufwand. Das hat für viele eine abschreckende Wirkung. Wer da meint, es sind so viele neue Stellen geschaffen worden, ich weiß nicht, wo er das her hat, die Leute
in Thüringen vor Ort sagen, dass nur ein verschwindend geringer Anteil an Festeinstellungen erfolgt ist.
Ja, ich möchte auf den deutschen Hotel- und Gaststättenverband gar nicht eingehen, ich möchte in Thüringen bleiben. Die Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Handwerkskammern haben uns das noch einmal extra mit auf den Weg gegeben, dass auch hier heute zu sagen, es ist ja gestern auf der Messe schon festgestellt worden. Generell bleibt festzustellen, dass das neue Gesetz im Handwerk beschäftigungspolitisch eine negative Entwicklung bewirkt hat. Besonders betroffen sind die arbeitsintensiven Handwerksbranchen, in denen aus Gründen der Arbeitsflexibilisierung eine Vielzahl von Teilzeitkräften beschäftigt ist, wie z.B. Gebäudereiniger, Fleischer und Bäcker. Ich denke, da wissen wir alle, was gemeint ist.
Diese negativen beschäftigungspolitischen Auswirkungen haben einen weiteren unerfreulichen Nebeneffekt in Form des Ansteigens der Schwarzarbeit: Die mit der Neuregelung verbundenen erhöhten Abgaben waren das Signal für viele Minijober in die Schattenwirtschaft abzutauchen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Neuregelung eine mittelstandsfeindliche Wirkung zeigt.