dies auch noch in der öffentlichen Diskussion zu vertreten. Es ist nicht so, dass - Sie haben es doch selber gesagt, Herr Fiedler - der Thüringer, die Thüringerin Angst haben muss, Opfer einer Straftat zu werden. Wir müssen sachlich über die tatsächliche Gefährdungslage informieren und nicht eine Gefährdungslage herbeireden, die Kriminalitätsangst, die Kriminalitätsfurcht erzeugt, auf deren nicht reeller Grundlage wir dann hier weit reichende Einflussbefugnisse von Sicherheitsbehörden beschließen, die letztendlich zum Grundrechtsabbau führen.
Herr Schemmel, Ihnen und Ihrer Partei streitet doch keiner großartige historische Leistungen ab; da gibt es positive wie auch sehr negative.
Aber wir können doch nicht jeden Fehltritt der SPD in den letzten 15 Jahren damit rechtfertigen, dass Sie vor 100 Jahren einen sehr wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung geleistet hat.
Es war doch auch Ihre Fraktion in der 1. Legislaturperiode dieses Thüringer Landtags, die in ihrem Entwurf zum Polizeiaufgabengesetz einen großen Lauschangriff tatsächlich formuliert und vorgesehen hat. Dann lassen Sie uns doch auch mal feststellen, dass wir es begrüßen, dass Sie sich dort einer anderen Rechtsauffassung, einer anderen Position angenähert haben. Dies einfach festzustellen, können Sie uns doch selbst nicht zum Vorwurf machen. Es ist doch tatsächlich richtig, dass das, was Otto Schily machen konnte, ein Manfred Kanther unter Regierungsbeteiligung der FDP nie im Leben hätte durchsetzen können.
Es war diese besondere Koalition notwendig, um tatsächlich diese weit reichenden Änderungen zu vollziehen.
Diese Kritik muss auch an die SPD - natürlich im Rahmen und vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Neugewichtung des Verhältnisses von Grundrechten und Eingriffsbefugnissen - formuliert werden.
Herr Fiedler und auch Herr Schemmel, Ihre Einlassungen bezüglich des Kollegen Hahnemann diskreditieren Sie eigentlich, nicht als Abgeordneten vielleicht, aber als Menschen.
Aber ich will Ihnen abschließend auch eines sagen: Ich hoffe für Sie, dass Sie, auch wenn ich nicht mehr Mitglied im Landtag bin, noch oft genug von mir hören werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Hahnemann, zu Ihren Ausführungen "parlamentarische Kontrolle": Ich akzeptiere ja, dass Sie eine politische Meinung haben, dass Sie den Verfassungsschutz nicht wollen und bestimmte Gremien ablehnen, aber dann sollten Sie wenigstens so fair und so ehrlich sein, die Arbeit der Gremien, die Sie ja gar nicht kennen, hier nicht öffentlich zu diskreditieren.
Doch, das haben Sie vorhin sehr konkret gemacht. Über das, was ich nicht weiß, wie ein Gremium arbeitet, gebe ich auch keine Bewertung ab.
Ich weiß nicht, was Otto Schily Ihnen heute antworten würde, wenn er hier stünde. Auf jeden Fall ließe er sich von Ihnen mit Sicherheit nicht als "Fatzke" beschimpfen.
Ich fühle mich mit meinen schwarzen Brüdern Beckstein und Schönbohm und den anderen sehr wohl. Ich fühle mich auch sehr wohl mit den Herren Buß und Zuber und Behrends und Timm, weil wir da
natürlich mit Otto Schily - gemeinsam Erhebliches auf den Weg gebracht haben in den letzten Jahren zugunsten der Sicherheit in Deutschland.
Ich habe bei aller unterschiedlichen politischen Bewertung, wenn ich jetzt nur mal Grundgesetzänderung ja oder Grundgesetzänderung nein nenne, große Hochachtung davor, was Otto Schily in den letzten Jahren für die innere Sicherheit in Deutschland getan hat.
Meine Damen und Herren, wenn man heute über Sicherheitsgesetze und deren Änderung diskutiert, dann tun wir dies vor einem anderen Hintergrund als vor einigen Monaten und Jahren. Die Sicherheitslage in Deutschland, in Europa ist durch die Anschläge am 11. September und am 11. März in Madrid grundlegend verändert worden. Es ist eben heute nicht mehr ausgeschlossen, dass auch Deutschland für islamistische Attentäter zum Angriffsziel werden kann. Wenn man in dem Zusammenhang über europäische Rasterfahndung redet, dann ist das doch eine gute Gesprächsgrundlage. Ich weiß, dass das gar nicht so einfach geht. Wir haben unterschiedliche Gesetzsysteme. Wir müssten die ganzen Gesetze innerhalb der Europäischen Union angleichen, damit das überhaupt möglich wird. Das geht gar nicht von heute auf morgen und in einer Hauruck-Aktion, aber man muss doch über so etwas mal nachdenken können, um Terroristen auf die Schliche zu kommen.
Herr Hahnemann, ich wäre ja schon froh, wenn wir in Deutschland endlich mal so weit wären, dass alle Sicherheitsbehörden ihre Informationen gegenseitig so austauschen, dass eigentlich auch alle Sicherheitsbehörden über die Informationen der anderen Sicherheitsbehörden befinden können. Das steht zuallererst auf der Tagesordnung, und darum geht es momentan aktuell in Deutschland.
Nur, meine Damen und Herren, schon allein wegen der aktuellen Sicherheitslage ist die von der SPD-Fraktion erstrebte sofortige Aufhebung des § 35 Thüringer Polizeiaufgabengesetz und § 7 Abs. 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz weder rechtlich geboten noch in der Sache sinnvoll.
Ich will noch mal etwas zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts sagen, weil man es sehr genau lesen muss: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die im Jahre 1998 vorgenommene Änderung des Artikel 13 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden und damit die akustische Wohnraumüberwachung grundsätzlich verfassungsgemäß ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht als allererstes entschieden. Demgegenüber werden die Regelungen der Strafprozessordnung, die die Grundgesetzänderung konkret umsetzen, teilweise für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung betraf damit unmittelbar nur den Bereich der Strafverfolgung, nicht aber die Gefahrenabwehr und die Vorfeldtätigkeit, die Gegenstand des Polizeiaufgabengesetzes und des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes sind. Die Landesregierung des Freistaats Thüringen hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich begrüßt und nimmt die Vorgaben des Gerichts sehr ernst. Nach einer in der Kürze der Zeit möglichen Prüfung hat diese Entscheidung Auswirkungen auf die präventive Wohnraumüberwachung in § 35 Polizeiaufgabengesetz und § 7 Abs. 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz, auch wenn diese Regelungen nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts waren. Wie diese Auswirkungen dann aussehen, das kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, sowohl zum Kernbereich privater Lebensgestaltung als auch zu den Anforderungen an die Art und Weise der Überwachung und an die zu treffenden Verfahrensvorkehrungen, die auch für die verfahrensrechtlichen Regelungen der Thüringer Gesetze von Bedeutung sind, müssen exakt anhand der Vorgaben des Gerichts überprüft werden. Dies ist bereits in die Wege geleitet worden, und wir prüfen daher derzeit die Darlegungen, die das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil zum Schutz der Men
schenwürde gemacht hat. Daneben haben die Innenminister und -senatoren der Länder Mitte März eine gemeinsame Projektgruppe ins Leben gerufen, die Folgerungen aus dem Urteil untersuchen soll. Diese Prüfungen müssen mit der notwendigen Sorgfalt unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Zulässigkeit der Wohnraumüberwachung durchgeführt werden. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist aber auch nicht sinnvoll. Aufgrund der eingangs beschriebenen Sicherheitslage dürften den Sicherheitsbehörden ohne zwingenden Grund keine Befugnisse genommen werden, denn der Bundesinnenminister fordert vor diesem Hintergrund in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 21. März sogar eine verstärkte Nutzbarmachung der polizeilichen Vorfeldaufklärung.
Dazu gehört in unverzichtbarer Weise auch die präventive Wohnraumüberwachung. Die von der SPD-Fraktion geforderte Abschaffung der Regelung wäre ein unnötiger und übereilter Schnellschuss, der das notwendige Nachdenken über diesen Bereich vermissen lässt. Es wird auch nicht die Rechtsklarheit dadurch hergestellt, dass Normen gestrichen werden. Für die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebenen Änderungen der Strafprozessordnung würde im Bundestag niemand auf die Idee kommen, ganze Paragraphen aus dem Gesetz zu streichen und im nächsten Jahr wieder einzuführen.
Das macht man erfahrungsgemäß immer so, dass man ordentlich überprüft und dann ein Gesetz ändert. Der Gesetzentwurf übersieht zudem, dass die Verfassungsrichter selbst die Anwendung der für verfassungswidrig erklärten Normen bis Ende Juni 2005 für zulässig erklärt haben. Vor diesem Hintergrund ist eine sofortige Aufhebung der entsprechenden Paragraphen weder geboten noch erforderlich. Wenn die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts der Meinung sind, dem Bundesgesetzgeber müsse so viel Zeit zur gründlichen Prüfung gegeben werden, dann muss dem Landesgesetzgeber, der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unmittelbar betroffen ist und nur teilweise von den bundesrechtlichen Vorgaben in der Strafprozessordnung abhängig ist, erst recht Zeit für gründliche Prüfung gelassen werden.
Vielleicht einige Anmerkungen zum PDS-Antrag: Lassen Sie mich aus den Aufzählungen des zweiten Punkts des Antrags nur die dort angesprochene Telekommunikationsüberwachung herausgreifen. Diese hat Thüringen als erstes