Protocol of the Session on April 1, 2004

Herr Abgeordneter...

Am Ende. Der Frage, ob die innere Sicherheit in der Zwischenzeit gesichert ist, wenden wir uns so lange nicht zu, bis diese Fragen entschieden sind. Dabei haben Sie natürlich, glaube ich, viel Arbeit gespart, weil Sie ja sowieso und jetzt komme ich auf das, was ich eingangs sagte das Landesamt für Verfassungsschutz schon immer abschaffen wollen. Das haben wir in dem Haus schon, ich weiß nicht wie oft, besprochen. Zwei Hände reichen nicht, wo das immer wieder kam, dass Sie das einfach sowieso ignorieren und meinen, Sie brauchen es nicht. Dazu einschlägige Gesetze können damit von vornherein entfallen.

Nein, meine Damen und Herren der PDS, wir werden Ihrem populistischen Ansinnen zu dieser Frage nicht auf den Leim gehen. Aber die in Ihrer Drucksache vorgetragenen weiteren Anträge sind mit uns ebenfalls nicht zu machen. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen. Wir werden zu Gunsten unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Bevölkerung, die gesetzgeberischen Möglichkeiten der inneren Sicherheit im Rahmen des rechtlich Zulässigen weiterhin nutzen. Ich verweise ganz ausdrücklich noch einmal darauf, dass wir das im Interesse hier auch weiter nutzen werden.

Herr Dittes, ich weiß nicht, ich glaube, Sie waren es, oder war es der Herr Kollege Schemmel, Sie sprachen, es gibt kein Grundrecht auf innere Sicherheit. Also, ich bedauere das ausdrücklich...

(Zwischenruf aus dem Hause)

Ja, das ist ja egal, wer es nun gesagt hat. Ich bedauere es ausdrücklich, dass es dieses Grundrecht auf innere Sicher

heit nicht gibt. Natürlich, darüber muss man im Bundestag reden und gegebenenfalls auch zur Verfassungsänderung kommen, um so etwas zu verankern. Wo sind wir denn nur hingekommen? Wir haben New York hinter uns, wir haben Madrid hinter uns, es ist schon vor der Haustür und wir streiten uns hier über Datenschutz und ähnliche Dinge. Wir müssen auch mal an die Bevölkerung denken und da sollte man auch mal neue Wege gehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke auch, Sie verkennen einfach, dass die Kriminalität und all das, was ich geschildert habe, schon vor unserer Haustür steht. Egal, welche von beiden Varianten Sie sich zu Eigen machen, beides offenbart Ihre irrationalen Vorstellungen zu dem Thema innere Sicherheit. Ich denke, wir werden und können dem nicht folgen. Wir lassen uns auch von Ihnen nicht einlullen. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben einen, wie ich meine, gerechtfertigten Anspruch darauf, in einem sicheren Land zu leben. Die Zahlen der aktuellen Kriminalstatistik stellen einen guten Beweis dafür dar, dass die Landesregierung dieser Erwartung Rechnung trägt. Wenn man zur Frage der inneren Sicherheit jüngste Umfragen verfolgt, ist der durch die PDS aufgebaute Popanz nur eine blanke Luftnummer, denn wenn sich 80 Prozent der Beteiligten dazu bekennen, zur Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit in Kauf zu nehmen, so ist dies Grund genug, sich - anders als Sie - ernsthaft damit zu befassen.

(Beifall bei der CDU)

Das möchte ich im Namen meiner Fraktion ganz klar sagen: Die Menschen - da muss man vielleicht auch unterscheiden, die Begriffspaare "öffentliche und veröffentlichte Meinung" zu verwechseln - im Land wissen ganz genau, was los ist. Sie sagen, wir wollen uns dieser Kriminalität und gerade dem islamistischen Terror, was dort alles passiert, nicht beugen, dem müssen wir entgegentreten. Unter diesen Begriffen sind wir auch bereit, dass man Einschränkungen hinnimmt. Wenn Sie sich mal umtun, es kommt ja immer wieder die ganze Frage Kennzeichenerfassung, Datenschutz, auch wenn da hinten die Frau Datenschutzbeauftragte sitzt, natürlich ist das wichtig, dass der Datenschutz eingehalten wird. Wir bleiben dabei, in der neuen Legislatur werden wir uns auch weiter mit Videoüberwachung befassen. Wir haben die EU-Osterweiterung, wir müssen uns damit befassen und müssen die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass Videoüberwachung genutzt werden kann und muss, gerade wenn die EU-Osterweiterung weiter fortschreitet. Oder wenn ich an die Erfurter Synagoge denke, dort haben wir schon seit langem, Gott sei Dank, die Videoüberwachung. Ich will das Geschrei von der rechten Seite hier schon hören, wenn dort wieder was passieren sollte, ich hoffe es nicht, aber alle Minuten kommt wieder eine Forderung, da muss die Kamera mal ein Stückchen nach so gedreht werden und ein Stückchen nach so, weil sie vielleicht wieder irgendwo noch ein

Auto mit erfasst. Die Leute, die vor Ort wohnen, die wollen, dass dort Ordnung und Sicherheit herrscht und auch die jüdische Landesgemeinde. Das sind solche Dinge, wo wir uns dem einfach stellen müssen und wir werden uns dem stellen, auch wenn in der Vergangenheit da und dort Fehler passiert sind. Das hindert uns doch nicht daran, dass wir den guten Weg weitergehen und dass wir auch entsprechend diese Dinge im Landesgesetz neu umsetzen.

Herr Dittes, das Einzige, wo ich Ihnen zustimme - das habe ich vorhin versucht, Ihnen zu sagen -, natürlich wenn man jetzt einen Gesetzentwurf auf den Tisch bringt, das ist reiner Populismus, das muss in der neuen Legislatur nach Prüfung durch die Landesregierung und natürlich unsere eigenen Prüfungen weiter behandelt werden. Ich denke auch, dass wir uns dann damit auseinander setzen und ich hoffe nur eins, meine Damen und Herren, dass die PDS in dem Land keine Verantwortung bekommt. Das hoffe ich ganz sehr, denn dann wäre es mir schwummerig um die innere Sicherheit in unserem Freistaat. Ich beantrage namens meiner Fraktion, den Gesetzentwurf der SPD in Drucksache 3/4105 nicht an die Ausschüsse zu überweisen und den Antrag der PDS in Drucksache 3/4117 abzulehnen.

Gestatten Sie mir abschließend noch eins, ich weiß nicht, ob ich das sagen darf, Herr Minister, gerade weil immer wieder der große Lauschangriff so dargestellt wird, als ob da vielleicht jeden Tag irgendwo der so genannte große Lauschangriff stattfindet. Das ist eine so verschwindend geringe Anzahl - ich weiß nicht, ob sie der Minister nennen kann oder darf, weil das aus dem Sicherheitsgefüge heraus ist -, die geht gegen null. Wenn man da den Leuten irgendwo suggerieren will, im Lande wird nichts anderes gemacht als die Wohnung unbescholtener Bürger abzulauschen, ist das ein Irrweg und stimmt nicht.

(Beifall bei der CDU)

Der Abgeordnete Dittes möchte Ihnen eine Frage stellen.

Ja, ich bin ja noch da.

Sie gestatten das. Bitte, Herr Abgeordneter Dittes.

Herr Fiedler, können Sie mir sagen, welchen Antrag der PDS Sie vorliegen haben? Sie müssen vorhin über einen anderen gesprochen haben als den, den ich eingebracht habe.

Herr Kollege Dittes, mir liegt - ich habe ihn extra mitgenommen - der Antrag der Fraktion der PDS, Verfassungsmäßigkeit Sicherheitsgesetze, Drucksache 3/4117, vor. Ich habe ihn aufmerksam gelesen. Ich kann nur sagen, das meiste, was da drin steht, ist vollkommener Quatsch.

Dann kann ich nur feststellen für mich, Ihre Erwiderung auf den Antrag war es ebenso.

Sie können feststellen, was Sie wollen, das ist ja Ihr gutes Recht, aber der Öffentlichkeit muss dargestellt werden, was Sie für einen Quatsch ins Parlament einbringen.

Herr Fiedler und Herr Abgeordneter Dittes, Sie sollten in Ihrer Wortwahl etwas sorgfältiger werden.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Ich habe nicht einmal "Quatsch" gesagt.)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Das gibt eine Rüge.)

Ich möchte jetzt den Abgeordneten Pohl, SPD-Fraktion, aufrufen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Wolfgang Fiedler, zu einer Sache muss ich erst einmal sagen, gegenwärtige Realität, aber auch Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit gehören zusammen, meine erste Feststellung.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Natürlich.)

Meine zweite Feststellung, die ich auch unterstütze, ohne eine Zahl zu nennen: Sicher ist, das, worüber wir uns heute unterhalten, die Frage des so genannten großen Lauschangriffes, spielt natürlich in Thüringen keine Rolle, aber deshalb können wir das hier nicht einfach negieren. Das muss man auch sagen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: 2005.)

Meine Damen und Herren, die Angst vor einer Bedrohung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit ist seit den Anschlägen von Madrid nun auch in Europa eingekehrt. Waren in der Vergangenheit Konflikte dieser Art mehr oder weniger regional begrenzt und die Konfliktparteien klar umrissen, wie z.B. Nordirland oder in Spanien im Zusammenhang mit den Basken, sind sie heute

global und auch in der internationalen Politik zu finden und die Konfliktparteien deshalb diffus. An dieser Stelle möchte ich auch sagen, so verständlich dieser reflexartige Aufschrei ist, so sind wir bei allen Einzelheiten in Maßnahmen immer an die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit gebunden. An dieser Stelle möchte ich auch eine gewisse Nüchternheit anmahnen. Wir alle wissen hier in diesem Hause und in diesem Land, es gibt keinen absoluten Schutz gegen diese unklare Bedrohung, ob durch Gesetze oder durch polizeiliche Maßnahmen. Auch opulenteste Handlungsbefugnisse für unsere Sicherheitsbehörden werden unsere Angst nicht mindern, wenn irgendwo vielleicht noch näher vor unserer Haustür die nächste Bombe hoch geht. Wir müssen wachsam sein. Wir müssen alles versuchen, uns zu schützen. Das ist unbestritten. Wir müssen unsere Polizei, wir müssen auch den Katastrophenschutz stärken, aber darüber werden wir ja noch in der Aktuellen Stunde eingehender beraten.

Meine Damen und Herren, mit seinem Urteil zum so genannten großen Lauschangriff hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass zur Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung gehört. In diesem Kernbereich muss eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen der Unverletzlichkeit der Wohnung und dem Strafverfolgungsinteresse stattfinden.

Meine Damen und Herren, Karlsruhe reduziert damit den großen Lauschangriff auf die Fälle schwerer und schwerster Kriminalität. Eine Überwachung ins Blaue schließt dieses Urteil auch aus. Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, was notwendig ist, muss auch in Zukunft getan werden, auch bei schwerer und schwerster Kriminalität.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass die Bedeutung dieses Urteils weit über den Lauschangriff hinausgeht. An diesen Maßstäben sind z.B. auch die gesetzlichen Regelungen über die Telefon- und Internetüberwachung zu messen.

Meine Damen und Herren, und vor allen Dingen an die Adresse der PDS gerichtet, das ist für uns selbstverständlich und dazu brauchen wir auch Ihren Antrag nicht, denn unser Antrag hat Ihren Antrag eigentlich schon mit eingefangen, überholt,

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie haben überhaupt nichts gelesen.)

weil unser Gesetzesantrag eine Überprüfung aller Sicherheitsregelungen mit einschließt. Großspurig hat Ihr Fraktionsvorsitzender damals unmittelbar nach der Urteilsverkündung auch eine Gesetzesinitiative angekündigt, gekommen ist aber nichts, nur im Nachtrag ein Antrag, den wir hier noch behandeln sollen, der aber im Grunde genommen nicht viel Neues bringt.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Die Land- tagsverwaltung muss den falschen Antrag verteilt haben.)

Das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung aufgetragen, bis zum 30.06.2005 einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herzustellen. Das, meine Damen und Herren, bedeutet natürlich auch im Umkehrschluss, dass die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze auch bei der Beurteilung landesgesetzlicher Normen beachtet werden müssen. Da, meine Damen und Herren, stimmen wir natürlich auch mit der Landesbeauftragten für Datenschutz überein. Bei der Novellierung des PAG haben wir damals Teile der Änderungen mitgetragen. Wir haben aber auch damals bereits angemahnt, dass die von der Landesregierung eingebrachten und hier angesprochenen Problemfelder die Bürgerrechte im starken Maße beeinträchtigen, und gerade diese Teile wurden damals bei der Novellierung des PAG von uns abgelehnt. Fakt ist, die Regelungen des § 35 PAG und des § 7 Abs. 2 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes sind gemessen am Karlsruher Urteil nicht verfassungskonform. Sie widersprechen dem vom BVG aufgestellten Grundsatz. Ob es uns passt oder nicht passt, das ist Recht, zumal die Thüringer Regelungen teilweise auch über die Bundesregelung - ich denke jetzt gerade an das Verwertungsverbot - noch hinausgehen. Deshalb beantragen wir, diese Paragraphen ersatzlos zu streichen. Sicher, auch wenn der Thüringer Innenminister zugesichert hat, dass es bis zu einer gesetzlichen Regelung von Seiten des Bundes in Thüringen keine Maßnahmen der Wohnraumüberwachung geben wird,

(Beifall bei der CDU)

sind wir dennoch skeptisch. Die Erfahrungen nach Weimar und im Rennsteigtunnel haben gezeigt, dass man den Belangen des Datenschutzes nicht immer die ihnen zugemessene Bedeutung gibt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir als Landesgesetzgeber sollen uns die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts als Verpflichtung auferlegen und die notwendigen Veränderungen herbeiführen. Wir sind auch in diesem Hause verpflichtet, eine verfassungsgemäße Lage herzustellen. Ich denke, die Überarbeitung des Polizei- und Sicherheitsrechts sollte deshalb eine der ersten Aufgaben sein, die sich der neue Landtag stellen muss. Wir können ihm durch unsere Entscheidung heute und durch diese Debatte am heutigen Tage nur einen deutlichen Hinweis geben. Ich beantrage deshalb, entgegen meinem Vorredner, eine Überweisung unseres Gesetzentwurfs - ich betone, unseres Gesetzentwurfs - an den Innenausschuss. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Fiedler möchte Ihnen eine Frage stellen. Bitte schön.

Wenn das verehrte Präsidium nicht herschaut, muss ich mich ja bemerkbar machen.

Ich habe Sie gesehen, Kollege Fiedler.

Danke, Herr Kollege Pohl, für die freundliche Aufnahme. Kollege Pohl, wir sind ja gar nicht so weit auseinander. Ich will noch einmal darauf verweisen,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD)

Ja, Vorsicht, ruhig Blut, Herr Kollege. Mit Ihnen das ist wieder etwas anderes. Ich will noch einmal den Satz deutlich wiederholen, den ich auch gesagt habe, ob Sie mir da zustimmen können. Wir werden zu Gunsten unserer Bürgerinnen und Bürger die gesetzgeberischen Möglichkeiten der inneren Sicherheit im Rahmen des rechtlich Zulässigen nutzen. Das habe ich klipp und klar gesagt. Da stimmen Sie mir doch zu?