Protocol of the Session on February 23, 2023

Wenn man ein Jahr zugrunde legt, in dem Intel realisiert wird, in dem eine Reihe weiterer Investitionen realisiert werden, in dem alle Radwege gebaut werden, die Sie immer haben wollen, in dem Fotovoltaikanlagen im Land gebaut werden, in dem die Windenergie ausgebaut wird usw., dann würde man das Flächenversiegelungs- und Nutzungsziel in diesem Jahr reißen.

Das gilt für eine Reihe weiterer Ziele. Der Bericht bezieht sich nicht nur auf das, worauf Sie jetzt fokussiert haben, sondern es gibt eine Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Ziele, die darin dargestellt sind. Auch dort gibt es ähnliche Punkte, bei denen man sagen kann, in dem einen Jahr geht das eine und in dem anderen Jahr nicht. Es werden auch immer wieder einmal Widersprüche auftauchen.

Deshalb ist das Thema Landesentwicklungsplanung insgesamt, wenn man sich die Flächen anschaut. wichtig; denn es gibt immer wieder unterschiedliche Interessen, die auf die gleiche Fläche zielen. Dann muss schlicht und ergreifend ein Konsens gefunden werden und dies wird nicht immer ohne Diskussion gehen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Somit kommen wir jetzt zu der Debatte. Als erste Debattenrednerin ist Frau Hietel-Heuer angekündigt.

(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Nein!)

Frau Simon-Kuch. - Frau Simon-Kuch kommt nach vorn. Wir zeigen eine vierminütige Redezeit an, weil es der Apparat nicht anders kann, aber Sie können gern vier Minuten und 50 Sekunden sprechen. - Frau Simon-Kuch, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachhaltigkeit ist in aller Munde und sollte keine Floskel sein oder gar der Deckmantel für ideologische Verbote. Es gilt, unsere Ressourcen so zu nutzen, dass die Regenerationsfähigkeit aller beteiligten Systeme gewährleistet ist.

(Unruhe)

Das ist ganz klar in der Nachhaltigkeitsstrategie unseres Landes festgelegt. Es ist also das Ziel, unseren Kindern und Enkeln ein lebenswertes Land übergeben zu können.

(Unruhe)

Frau Simon-Kuch, einen Augenblick bitte. - Es ist nicht so richtig praktisch, wenn in mehreren Fraktionen Abstimmungsgespräche über die Bänke hinweg geführt werden. - Die beiden haben es schon zur Kenntnis genommen. Vielen Dank. - Frau Simon-Kuch, bitte.

Es ist alles gut. - Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir dafür angetreten sind, unseren Kindern und Enkeln ein Land übergeben zu können, in dem man gern gut leben und arbeiten kann.

(Zustimmung bei der CDU und von Dr. Falko Grube, SPD)

In den kommenden Jahren ist es unsere Aufgabe, in allen Bereichen die Rahmenbedingung dafür zu schaffen, dass das möglich ist, an- gefangen vom weiteren Ausbau des schnellen Internets bis hin zum gezielten Ausbau und zur Förderung der Wirtschaft und der Wissenschaft.

Für die zukunftsfähige Entwicklung ist der Klimaschutz natürlich unverzichtbar, aber nicht mit blindem Aktionismus, sondern mit Augenmaß und vor allem mit den Menschen vor Ort. Damit sind wir beim Punkt, bei den Menschen vor Ort. Gerade bei dem Flächenverbrauch müssen wir sie mitnehmen; denn der Traum vom Eigenheim darf nicht durch eine restriktive Vorgabe beim Flächenverbrauch platzen.

Unbestritten: Unser Boden ist eine endliche Ressource und es konkurrieren die unterschiedlichsten Ansprüche um dieses hohe Gut. Ministerin Hüskens hat dazu gerade sehr deutlich ausgeführt.

Dies alles muss in einen nachhaltigen Landesentwicklungsplan einfließen, genauso wie die Entwicklungschancen für unsere Wirtschaft und gut bezahlte Arbeitsplätze - erst recht mit Blick auf den gelingenden Strukturwandel, den wir gemeinsam meistern wollen; denn insbesondere im ländlichen Raum sollten doch junge Familien ein Zuhause finden können. Das bietet uns allen die einmalige Chance, strukturschwächere Regionen rasch voranzubringen.

Die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes sieht die Reduzierung des Flächenverbrauchs vor. Deshalb wird zum Vorhalten und zur Weiterentwicklung des Indikators Siedlungs- und Verkehrsfläche die kontinuierliche Überprüfung der Flächeninanspruchnahme mittels der Raumbeobachtungs-App im ARIS gewährleistet. Darüber hinaus - wir haben es gerade gehört - ist das landesweite Kataster für Potenzialflächen in Arbeit. Wir freuen uns, dass wir damit ein intelligentes Informations- und Flächenmanagementinstrument haben. Wenn ich unsere Ministerin richtig verstanden habe, dann sind wir dabei tatsächlich mit vorn dran. Das heißt, wir haben auch hierbei bewiesen: Wir stehen früher auf in Sachsen-Anhalt. Ich denke, das sollte ein gutes Instrument sein.

Abschließend stelle ich fest, dass es darum geht, geeignete Anreize für die Entsiegelung zu schaffen. Hierzu sei z. B. das Stichwort Schwammstadt genannt. Ich denke, die ersten Redebeiträge haben gezeigt, dass das ein spannendes Thema wird, das wir in den Ausschüssen gemeinsam diskutieren sollten. Deshalb bitte ich Sie um Überweisung des Antrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Infrastruktur und Digitales und zur Mitberatung in den Ausschuss für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Simon-Kuch. Ich sehe keine Fragen. - Als nächste Rednerin spricht Frau Koppehel für die AfD-Fraktion. - Frau Koppehel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! In der hier vorliegenden Drs. 8/2213 wird seitens der GRÜNEN-Fraktion eine Arbeitsüberschrift zur Diskussion gestellt. Die Begründung dazu, die durch ihre Schlichtheit besticht, soll offenbar hier im Parlament erarbeitet werden; denn die Bodenversiegelung speziell ist nur annäherungsweise messbar. Das heißt, die vorhandenen statistischen Fakten sind durchaus mit Vorsicht zu genießen, da einheitliche Mess- bzw. Berechnungsmethoden erst in den letzten zehn Jahren entwickelt wurden.

Die GRÜNEN beziehen sich bei ihrer Idee zum Flächenkreislauf ausschließlich und wertungslos auf einen Zielwert aus dem aktuellen Koalitionsvertrag. Die Flächenversiegelung soll bis 2030 unter 1 ha pro Tag liegen. Die Bodenschutzinformationssysteme des Landesamtes für Umweltschutz im WWW mit Stand Dezember 2020 fokussieren noch auf die durchschnittliche Flächeninanspruchnahme von 9,2 ha pro Tag von 1993 bis 2010. Im Zeitraum von 2009 bis 2011 ist der Flächenverbrauch zum Stillstand gekommen. Das ehemals grün geführte Umweltministerium hatte offenbar keinen Bedarf, vom LAU aktuelle Zahlen erfassen zu lassen oder zu veröffentlichen, das neue Umweltministerium offenbar ebenso wenig. Immerhin führt das LAU wörtlich aus:

„Die versiegelte Fläche ist der Flächenbereich, welcher am stärksten anthropogen

überformt ist und bereits irreversible Schäden an den Bodenfunktionen aufweist.“

Seit 2007 wird der Anteil der versiegelten Fläche innerhalb der Siedlung- und Verkehrsfläche auch statistisch erfasst. Er beträgt für SachsenAnhalt derzeit 40 %.

Beschäftigen wir uns mit der genauesten Messung und dem Monitoring der Siedlungs- und Freiraumentwicklung. Lag der Bodenversiegelungsgrad bei der letzten hochauflösenden Messung im Jahr 2018 in Sachsen- Anhalt bei 3,8 %, so lag er in Deutschland bei 5,2 %.

Hierin kann man auch nachlesen, welche Flächen in Sachsen-Anhalt durch Windenergie- und Fotovoltaikanlagen belegt sind und dass wir uns damit deutlich über dem bundes- deutschen Durchschnitt bewegen. So beträgt die Windparkfläche 1,82 % an der Gebietsfläche; im Bundesdurchschnitt sind es nur 0,97 %. Die Windkraftanlagendichte beträgt 0,14 %, bezogen auf 1 km²; im Bundesdurchschnitt sind es 0,08 %.

Hier, liebe GRÜNE, haben wir also ein wunderbares Entsiegelungskataster mit konkreten Zielmarken. Da die Standorte der Windenergieanlagen bekannt sind, können Sie also einen konkreten Antrag zur Entsiegelung von ehemals wertvollen landwirtschaftlichen Flächen stellen, die nun für Windenergie- und Fotovoltaikanlagen genutzt werden.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)

Bereits jetzt führt das LAU dazu aus:

„Besonders wertvolle und ertragreiche Böden sind hinsichtlich ihrer bisherigen Nutzung zu erhalten.“

Spannend wird, wie der Verlust von 1 000 ha wertvollsten landwirtschaftlichen Bodens mit nach oben offenen weiteren Bodenverlusten für Zulieferer und Wohnbebauung in die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes eingepreist werden soll.

Wir halten fest: Es gibt viel für die Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen zu tun, um die Versäumnisse und Datenlücken der grünen Amtsführung zu beheben. Der Antragsentwurf ist daher abzulehnen.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Koppehel. - Als nächster Redner folgt Herr Dr. Grube für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden den Antrag überweisen, weil wir Diskussionsbedarf haben, aber nicht, was das Thema Flächenkataster betrifft. Wenn ich Flächen habe, die versiegelt sind, die ich für etwas Neues nutzen kann, dann macht es Sinn, sie zu entsiegeln, vielleicht noch von Altlasten zu befreien und für eine neue Ansiedlungen - Wohnungsbau oder was auch immer gerade an Bedarf vorhanden ist - zu nutzen.

Wir haben Diskussionsbedarf hinsichtlich des Flächenziels in der Nachhaltigkeitsstrategie,

(Guido Kosmehl, FDP: Ja! - Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

und ich sage Ihnen auch, warum: Wir haben in den letzten 30 Jahren erlebt, dass wir im Osten

Arbeitskräfte ausgebildet haben, die dann in den Westen gegangen sind. Dort sind dann Gewerbegebiete entstanden - das ist kein Perfekt, sondern es ist nach wie vor so, dort entstehen Gewerbegebiete. Dann sind noch mehr Menschen dorthin gezogen, und hier sind Wohnungen frei geworden. Und dann dürfen wir uns auch noch anhören, dass wir ein Nehmerland sind. Ich denke, in unserer Arbeitsplatzbeschreibung hier im Landtag steht, das zu ändern. Mein Anspruch wäre, dass Sachsen- Anhalt irgendwann wenigstens die Chance hat, einmal Geberland zu werden.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ich hätte gern, dass der Finanzminister irgendwann einmal sagt: So, ich drücke auf den Knopf und Bayern und Berlin bekommen Kohle aus Sachsen-Anhalt. - Ich finde, das ist ein lohnenswertes Ziel.

(Guido Kosmehl, FDP: Bei Berlin schaffen wir das auf jeden Fall!)

Wie komme ich dann auf das Flächenziel? - Wenn Sie sich die Seite 135 in der Nachhaltigkeitsstrategie anschauen, dann sehen Sie die in Zahlen gegossene Ungleichheit zwischen Ost und West. Sie haben die linke Spalte - das ist das, was in Sachsen-Anhalt versiegelt wurde - und Sie haben die rechte Spalte - das ist zwar deutschlandweit, aber der überwiegende Teil ist im Westen versiegelt worden.

Das bedeutet: Diese Zahlen manifestieren wie fast nichts anderes den Entwicklungsunterschied zwischen Ost und West. Das IWH sagt nicht umsonst seit einigen Jahren: Die Schere schließt sich nicht mehr; die Schere öffnet sich. Deshalb finde ich, dass sich die Landesregierung - die Ministerin hat ja bereits gesagt, dass

man das noch einmal neu gewichten müsse - auf den Weg machen muss, aus der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Was ist die richtige Schlussfolgerung dort, wo lange versiegelt wurde? Man kann sich das statistisch anschauen: In den alten Bundesländern sind insgesamt 50 % mehr versiegelt. Was bedeutet es, wenn man nun als Landesregierung sagt, das bleibt so und es wird noch schlimmer? - 0,75 % der Landesfläche von Sachsen-Anhalt würden nicht einmal dem eigentlichen Anteil an den 30 ha entsprechen; das wären nämlich 1,71 %. Das heißt, dies festzuschreiben und zu manifestieren bedeutet jetzt und in alle Ewigkeit: Mein Traum wird nicht Wirklichkeit. Der Finanzminister dieses Landes - egal wie er heißt - wird niemals Geld nach Baden-Württemberg, Bayern oder sonst wohin überweisen, wenn wir es niemals schaffen, diese Entwicklung ohne die Flächen hinzubekommen.

(Zustimmung von Thomas Krüger, CDU)

Im Übrigen ist das Thema Flächenkreislauf etwas total Sinnvolles, keine Frage. Wenn wir ab 2050 bundesweit überhaupt nicht mehr versiegeln, auch dann sind wir strukturell im Nachteil, und „wir“ meint den Osten. Denn wenn ich wenig versiegelte Fläche habe, habe ich auch wenig für die Kreislaufwirtschaft. Das heißt, wenn dann neue Ansiedlungen kommen: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass sie dann wieder in den Osten kommen? Nein, sie gehen dann auch wieder in den Westen, wo wir Flächen haben, die wir nehmen können. Das kann nicht so bleiben, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)