Kommen wir jetzt zum Antrag zurück, zum Thema Nachhaltigkeitsstrategie Bereich Boden. Die Landesregierung hat sich vorgenommen, bis 2030 die Flächenversiegelung pro Tag auf unter 1 ha zu reduzieren. So haben wir es der Pressemitteilung entnommen und dieses Wording haben wir in unseren Antrag übernommen. Wir finden das auch sehr gut und sehr in Ordnung.
In der Nachhaltigkeitsstrategie selbst geht es um Flächeninanspruchnahme, wobei diese Flächen nur zu ca. 50 % tatsächlich vollständig versiegelt sind. In der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung wird sogar eine Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf möglichst 0,75 ha pro Tag bis 2030 in Aussicht gestellt. Das ist ein hohes Ziel. Das ist ambitioniert. Im Moment haben wir laut Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung einen Wert von 0,9 ha pro Tag, der in Anspruch genommen wird.
Um das ein bisschen bildlich zu machen: In jeder Werkwoche wird die Grundfläche rund um die Burg Tangermünde - die kennen ja vielleicht viele von Ihnen - versiegelt. In den Zahlen der Landesregierung in der Nachhaltigkeitsstrategie war es vor 15 Jahren kurz ein
negativer Wert. Vorher war der Wert deutlich höher. Dann stagnierte es wieder. Aber wir können festhalten: Es ist rund 1 ha.
Wenn wir uns jetzt - darüber haben wir heute auch schon gesprochen - die kommende IntelAnsiedlung vorstellen und die Gewerbegebiete, die im Süden des Landes geplant sind, die Straßen, die im Zuge des Strukturwandels oder von Autobahnbauten gebaut werden, dann werden wir sicherlich deutlich über diesen Wert von rund 1 ha pro Tag kommen.
Ich möchte Sie heute namens meiner Fraktion motivieren, größer zu denken, was im Konkreten natürlich kleiner heißt. Denn auch 0,9 ha pro Tag bedeuten, dass wir Sachsen-Anhalt zupflastern, zubetonieren und versiegeln. Und wofür? Flächenversiegelung ist nämlich in keiner Weise mit wirtschaftlicher Entwicklung gleichzusetzen.
Wir wollen die Entwicklung des Landes vom Flächenverbrauch entkoppeln. Wir GRÜNE streben eine Flächenkreislaufwirtschaft an. Das ermöglicht - das will ich ausdrücklich sagen - durchaus neue und sinnvolle Bauprojekte. Aber wir wollen als Zielvision Folgendes erreichen: Wenn an einer Stelle versiegelt wird, soll an einer anderen Stelle entsiegelt werden.
Ich finde, das ist ein sehr einfacher Beitrag zu Klimaschutz, Klimaanpassung, Artenschutz und Wasserverfügbarkeit. Wenn ich noch einmal etwas zum Thema Wasserverfügbarkeit sagen darf; das andere mag sich von selbst erklären. Ohne Versiegelung kann das Regenwasser im Boden versickern. Mit Versiegelung wird es abgeführt, meistens durch ein Rohrsystem, und landet nach neun Tagen in der Nordsee. Das können wir hier nicht wollen.
Wir unterbreiten einen ganz konkreten Lösungsvorschlag. Wenn wir uns diesen Vorschlag anschauen - ich gehe davon aus, Sie haben den Antrag gelesen -, dann sehen Sie, dass es ein relativ kleines Projekt, ein sehr schlichtes Projekt ist. Im Grunde genommen geht es darum, dass wir eine onlinegestützte Datenbank wollen, in der die Flächen, die zur Entsiegelung anstehen, einsehbar sind.
Wir glauben auch, dass unsere Forderung relativ leicht umsetzbar ist. Wir haben nämlich im Haushaltsplan im Einzelplan 14 einen Posten von 70 000 € gefunden. Dieser ist unter dem Stichwort „Dienstleistungen Außenstehender“ unter dem Punkt „Umsetzung Potenzialflächenkataster“ aufgeführt. Wir glauben, das wäre ein Betrag, der reichen würde, um den Start dieser Datenbank und ein Entsiegelungskataster auf den Weg zu bringen. Dieses soll, wie gesagt, onlinegestützt erfolgen, nicht mit Ordnern oder irgendetwas Kompliziertem. Das müsste der FDP als Digitalisierungspartei entgegenkommen.
Ein weiteres inhaltliches Argument scheint mir der Gesundheitsschutz zu sein. Wer im Hochsommer - und wir haben ja immer mehr solcher Hitzetage - einmal in seinem Bett gelegen hat und am Schwitzen war, weil die Temperatur nicht unter 20° C fiel, der hat nicht nur gemerkt, dass es nicht so attraktiv ist, wie wir das vielleicht noch vor 15 Jahren dachten, wenn wir Tropennächte haben. Derjenige wird auch Frischluftschneisen vermisst haben.
Mittels Entsiegelung lässt sich nicht nur die Wasserhaltung in der Fläche besser darstellen, sondern es lassen sich auch Frischluftschneisen herstellen, was ein deutliches Mehr an Lebensqualität bietet.
sich möglicherweise daran erinnern, dass es dort - natürlich territorial begrenzt - in den 90er-Jahren ein solches Kataster gab. In der Stadt Darmstadt gibt es ein solches Kataster bereits in digitaler Form. Wir glauben, dies lässt sich ebenso in Sachsen-Anhalt als Land umsetzen.
Ganz konkret heißt das, wenn ich dazu noch kurz ausführen darf, für einen Bauherrn oder eine Bauherrin, der oder die etwas bauen will, dass etwas versiegelt wird. Gestern war ich z. B. im Digitalisierungszentrum Bau. Kollege Pott war, glaube ich, ebenfalls zugegen. Dort wurde sehr viel über ökologisches Bauen und über Niedrig- oder Positivenergiehäuser gesprochen. In einem solchen Fall sind Bauherren auf der Suche nach Flächen, die sie entsprechend entsiegeln können, nach Flächen, die sie begrünen können, auf denen Pflanzen wachsen und auf denen es wieder kreucht und fleucht.
Es gibt bereits nach heutiger Gesetzeslage die Möglichkeit, dass Bauherren von den Behörden die Auflage bekommen, etwas zu entsiegeln, bspw. auf der Grundlage des Wassergesetzes. Die Koalition im Bund, die Ampelregierung, hat sich zudem zusätzlich vorgenommen, über Änderungen im Bundesbodenschutzgesetz und im Baugesetzbuch des Bundes weitere Möglichkeiten zu schaffen, um die Beauflagung von Entsiegelung zu erleichtern.
Dann sind sie auf der Suche. Dann muss eine Fläche gefunden werden, die entsiegelt wer- den kann. Diese Fläche muss halbwegs in der Nähe sein, es muss logistisch passen, die Fläche muss die richtige Größe haben, sie muss entsiegelbar sein. Dann muss man schauen, wem die Fläche gehört und wie dies alles geregelt werden kann. Um dies zu erleichtern und den Einstieg in diesen Prozess zu erleichtern, würde
es dem Bauherrn sicherlich helfen - das ist sicherlich leicht vorstellbar -, wenn er die digitale Möglichkeit hätte, zu schauen, an welcher Stelle mit welcher Größe eine solche Fläche in Sachsen-Anhalt angeboten wird. Danach lassen sich die Kontaktaufnahme und alles Weitere sicherlich organisieren.
Das verbindet, wie bereits erwähnt, die Digitalisierung und den Umweltschutz, und die Entbürokratisierung und die Wirtschaftsförderung hat man im selben Zug ebenfalls erledigt. Das wäre zudem das Herzstück für einen Bodenschutzplan. Das ist natürlich ein sehr viel umfangreicheres Werk und es braucht einen längeren Vorlauf.
Ich glaube, so wie wir es uns vorstellen, könnte ein schlichtes onlinegestütztes Entsieglungskataster ein Anfang sein, ein relativ unaufwendiger Beitrag zu dem Ziel, Flächenverbräuche zu reduzieren, ein Beitrag zum Klimaschutz und ein Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung. - Vielen Dank.
Frau Lüddemann, vielen Dank für die Einbringung und Vorstellung dieses Antrages. - Für die Landesregierung spricht Frau Dr. Hüskens.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich ist es im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie eine der Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, zu entscheiden, wie mit
Auch in Sachsen-Anhalt diskutieren wir dar- über, wofür wir unsere Flächen in Zukunft nutzen wollen. Aber, Frau Lüddemann, zur Einordnung Ihres Antrages muss ich auf zwei Punkte hinweisen.
Erstens. Die Nachhaltigkeitsstrategie, auf die Sie hier rekurrieren, umfasst eine Vielzahl von Zielen. Der Flächenverbrauch ist eines davon. Die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie sind nicht immer alle gleichzeitig und auch nicht widerspruchsfrei zu realisieren.
Wir nehmen aktuell wahr - ich glaube, die meisten von uns im Raum finden das gut -, dass Sachsen-Anhalt immer attraktiver wird, etwa für Unternehmensansiedlungen. Farasis, Daimler, Florida Eis - ich finde, das ist eine besonders schöne Ansiedlung -, aber auch Intel sind nur einige Beispiele.
Wir nehmen wahr, dass dies zu mehr Nachfrage etwa im Wohnungsbau führt. Wir nehmen wahr, dass aktuell beinahe jeder Bürgermeister einen Radweg bauen will. Das ist sicherlich eine Investition, die Sie sofort unterstützen werden. Wir nehmen wahr, dass auch PV-Anlagen versiegeln. Wir nehmen wahr, dass für Windkraftanlagen entsprechende Flächen benötigt werden.
Wir, meine Damen und Herren, wollen die Wirtschaftskraft in unserem Land weiter verbessern. Wir wollen gut bezahlte Arbeitsplätze für die Menschen im Land schaffen. Wir wollen Mobilität sichern und wir wollen Energiesicherheit garantieren. All das sind ebenso wichtige Ziele
wie etwa der Bodenschutz. Wir nehmen deshalb alle Ziele ernst. Wir nehmen sie verantwortungsvoll an und wir werden dabei den Zielwert des Flächenverbrauchs fest im Auge behalten.
Zweitens. Die zusätzliche Flächennutzung für Siedlungs- und Verkehrsflächen in Sachsen- Anhalt liegt seit vielen Jahren bei etwa 1 ha pro Tag, wobei Grünanlagen einbezogen sind. Wir sprechen also nicht über versiegelte Flächen, sondern über zusätzliche Siedlungs- und Verkehrsflächen insgesamt.
Sachsen-Anhalt hat, wenn man das mit Deutschland insgesamt vergleicht, wenig versiegelte Flächen und wenig Siedlungs- und Verkehrsflächen. Wenn man in das Bundesland Baden-Württemberg schaut - Sie nannten gerade Darmstadt -, dann stellt man fest, dass der Versiegelungsgrad dort ganz anders ist. Dort sind die Flächen deutlich stärker versiegelt und es besteht eine größere Handlungsnotwendigkeit.
Da wir in Deutschland insgesamt schauen, wie wir mit dem Thema umgehen, würde ich es fair finden, wenn in den Bundesländern, die in der Vergangenheit einen deutlich höheren Flächenverbrauch hatten, jetzt eine deutlich höhere Verantwortung gesehen wird, mit der Aufgabe umzugehen.
Wir stehen zu unserer Verantwortung, aber ich werde mit Interesse beobachten, wie etwa Länder wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen - übrigens sind das Länder, in denen die GRÜNEN an der Regierung beteiligt sind - mit ihrer Verantwortung umgehen.
Ich danke Ihnen für den Hinweis. - Eine andere Herausforderung sehe ich in der Nachnutzung bereits versiegelter Flächen. Ich mache es jetzt ganz kurz: Das MID hat bereits gemeinsam mit den Kammern, mit den landeseigenen Gesellschaften und der Wissenschaft begonnen, eine praxistaugliche Möglichkeit zu suchen, wie entsprechende Flächen reduziert werden können.
Wir haben mit dem amtlichen Raumordnungsinformationssystem ein Instrument entwickelt, das zur Überwachung der Entwicklung aller relevanten Parameter zur Verfügung steht. Und wir haben auf der Grundlage des Landesentwicklungsgesetzes ein Potenzialflächenkataster entwickelt, das noch in diesem Jahr - das haben Sie richtig festgestellt - zur Verfügung stehen soll. Das heißt, wir haben uns bereits auf der Basis von Luftbildern auf den Weg gemacht, um ein entsprechendes Kataster zur Verfügung zu stellen.
Um dem Wunsch der Präsidentin nachzukommen, schlage ich vor, alles Weitere - der Antrag soll an die Ausschüsse überwiesen werden - in den Ausschüssen intensiv vorzustellen.
Ich sage abschließend: Wir als Ministerium sind durchaus stolz auf das, was wir in diesem Bereich entwickelt haben; denn es ist deutschlandweit vorweg. So etwas gibt es in vielen anderen Bundesländern noch nicht. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle ein gutes Instrument finden. - In diesem Sinne danke ich Ihnen.
Es gibt eine Frage, aber ich stelle schon jetzt fest, dass Sie die Redezeit um eine Minute und 50 Sekunden überzogen haben. Damit steht jeder Fraktion in diesem Haus eine entsprechend verlängerte Redezeit zu.
Alle haben Glück. Eine Frage ist schon beantwortet worden. Ich befinde mich jetzt in der Erwartung - wenn das falsch ist, können Sie mich in Ihrer Antwort korrigieren -, dass dieses Potenzialkataster in diesem Jahr kommen wird. Ich erwarte, dass sich darin die Ziele, die ich beschrieben habe, wiederfinden. Sie haben in Ihrem Redebeitrag sehr viel über den Flächenverbrauch an sich gesprochen; dies war mehr die Illustration, die Sache an sich - das habe ich selbst gesagt - ist das schlichte Kataster, in dem
sich Bauherren informieren können. - Ich sehe ein Nicken, also wird das so kommen. Sie kennen mich, ich werde gucken, wenn im November noch nichts vorliegt.
Sie haben auf die Nachhaltigkeitsstrategie insgesamt abgestellt. Diese wird, vermute ich, vom Kollegen Willingmann als Klimaschutzminister in Gänze verantwortet, aber jeder, so meine Vermutung, ist für seinen Bereich zuständig. Wenn Sie sagen, nicht alle Ziele, die darin niedergeschrieben sind, sind widerspruchsfrei zu realisieren, könnten Sie dann Beispiele für die Ziele nennen, die nicht widerspruchsfrei sind? Meinen Sie damit, dass es diesbezüglich Widerspruch innerhalb der Landesregierung gibt? Ich bitte um eine Erläuterung.
Wenn man ein Jahr zugrunde legt, in dem Intel realisiert wird, in dem eine Reihe weiterer Investitionen realisiert werden, in dem alle Radwege gebaut werden, die Sie immer haben wollen, in dem Fotovoltaikanlagen im Land gebaut werden, in dem die Windenergie ausgebaut wird usw., dann würde man das Flächenversiegelungs- und Nutzungsziel in diesem Jahr reißen.