Protocol of the Session on March 30, 2020

Erstens. 141 Millionen € entstammen dem Restbetrag der Steuerschwankungsreserve.

Wir setzen zweitens die Altschuldentilgung in diesem Jahr aus. Das bringt uns weitere 100 Millionen €.

Drittens nehmen wir neue Kredite im Umfang von rund 259 Millionen € auf. Das ist zwar nicht erfreulich, aber in solchen Krisenzeiten schon allein mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung geboten.

Unsere Wirtschaft steht durch die Coronapandemie vor einer gewaltigen Bewährungsprobe. Für viele Betriebe und Unternehmen in SachsenAnhalt stellt sich in diesen Tagen die Existenzfrage. Die Landesregierung hat sich deshalb auf ein Hilfspaket verständigt. Es sieht insbesondere Zuschüsse für Soloselbstständige und für kleinere Unternehmen mit elf bis 50 Mitarbeitern vor und schließt damit die Lücke bei der Bundesförderung.

Das Bundesprogramm sieht demgegenüber nur Zuschüsse für Unternehmen bis zehn Mitarbeitern und Darlehen für größere Betriebe vor. Mit dem zusätzlichen Landesprogramm sollen Insolvenzen vermieden und Arbeitsplätze gesichert werden.

In Anlehnung an das Hilfspaket des Bundes hat das Wirtschaftsministerium eine Richtlinie zur Coronasoforthilfe erlassen. Das Volumen der Zuschüsse wird insgesamt 150 Millionen € betragen. Diese werden gestaffelt ausgezahlt. Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern erhalten bis zu 9 000 €. Bei sechs bis zehn Mitarbeitern sind es bis zu 15 000 €, bei elf bis 25 Mitarbeitern sind es bis zu 20 000 € und bei 26 bis 50 Mitarbeitern sind es bis zu 25 000 €.

Ausgereicht werden die Zuschüsse über die Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Ab heute steht

die Homepage zur Verfügung. Anträge können nun gestellt werden, da wir am Wochenende die Bund-Länder-Vereinbarung abschließen konnten.

Ab heute können sich Unternehmer und Soloselbstständige den Antrag auf der Internetseite der Bank herunterladen. Um die beantragten Hilfen schnellstmöglich auszuzahlen, bündelt die Investitionsbank ihre Kapazitäten. Ziel ist es, die Hilfen innerhalb von wenigen Tagen nach Antragseingang auszuzahlen.

Wir können Unternehmen auch mit Bürgschaften helfen. Bisher sind im Haushalt 10 Millionen € für den Fall der Inanspruchnahme von Bürgschaften etatisiert worden. Das Ausfallrisiko wird aber steigen. Von den 500 Millionen € des Nachtragshaushaltes sind daher 20 Millionen € für die Verstärkung des Bürgschaftstitels vorgesehen. Wir verdreifachen die Vorsorge.

Auch im Bereich Soziales wird das Nötige getan. 60 Millionen € stellen wir für den Ausgleich des Verdienstausfalls von Eltern bei behördlich angeordneter Kita- und Schulschließung bereit.

Darüber hinaus werden den Kommunen die Einnahmeausfälle für nicht erhobene Kita-Beiträge zunächst für den Monat April erstattet. Dafür stehen 15 Millionen € zur Verfügung. Die Kommunen sind durch einen gemeinsamen Erlass des Sozial- und des Innenministeriums am vergangenen Freitag hierüber informiert worden.

Damit haben wir sozialverträgliche und unkomplizierte Regelungen geschaffen. Erstens unterstützt das Land Eltern, deren Kinder nicht in Kita bzw. Hort betreut werden können und die durch Kinderbetreuung oder Kurzarbeit Einkommenseinbußen haben. Zweitens greifen wir aufgrund der Finanzierungssystematik den Kommunen im Land unter die Arme, die vor dem Hintergrund von angeordneten Kita- und Hortschließungen Eltern die Beiträge erstatten.

Das Ministerium für Inneres und Sport ist zudem gebeten, durch geeignete Maßnahmen, wie die Anpassung der Obergrenzen für Liquiditätskredite, für kontinuierliche Liquidität der Kommunen zu sorgen.

Der Bund hat die Mehrkosten für die Änderungen nach dem SGB II insgesamt auf eine Höhe von 9,6 Milliarden € geschätzt. Davon entfallen 7,5 Milliarden € auf den Bund und 2,1 Milliarden € auf die Kommunen. Bricht man diese 2,1 Milliarden € auf der Basis der Kosten für Unterkunft und Heizung aller Bundesländer in 2018 auf unser Land herunter, so lassen sich hieraus zu erwartende Mehrausgaben für unsere Landkreise und kreisfreien Städte in Höhe von ca. 70 Millionen € ableiten. Diese 70 Millionen € wollen wir ihnen pauschaliert erstatten.

Nicht auszuschließen ist, dass die Gemeinden im weiteren Jahresverlauf mit geringeren Gewerbesteuereinnahmen und geringeren Anteilen an der Einkommensteuer und Umsatzsteuer rechnen müssen. Das kann bei Gemeinden, die ihre Kassenkredite schon heute ausschöpfen müssen, zu Liquiditätsproblemen führen. Auch an dieser Stelle wollen wir helfen. Deshalb verdoppeln wir den Ausgleichsstock. Hierfür setzen wir 40 Millionen € aus dem Volumen des Nachtrags ein.

Zur Bekämpfung der Pandemie im engeren Sinne, wie der Unterstützung der kommunalen Gesundheitsämter oder der bestmöglichen Ausstattung von Polizei und Feuerwehren, sollen weitere 20 Millionen € zur Verfügung gestellt werden.

Bereits im Vorgriff auf die von uns mit dem Haushaltsplan 2020/2021 für die Krankenhausinvestitionen getätigten Weichenstellungen sollen zusätzlich 25 Millionen € im Wege der Pauschalförderung verfügbar sein.

In den nächsten Wochen werden auch viele auf Landesförderung angewiesene Vereine und Verbände massive Probleme bekommen. Bereits am Freitag hat der Finanzminister per Erlass Erleichterungen im Zuwendungsrecht geschaffen. Das wird aber nicht reichen. Für die vielfältigen auf uns zukommenden Fallkonstellationen und für Billigkeitsleistungen sind noch einmal 15 Millionen € reserviert. Und schließlich behalten wir von den 500 Millionen € rund 85 Millionen € für weitere Maßnahmen zurück.

Erinnern möchte ich auch an die Soforthilfe für Künstlerinnen und Künstler. Sie kann maximal für zwei Monate beantragt werden und beträgt bundesweit einmalig pro Person und Monat 400 €. Wir werden alles tun, um die Folgen der Coronakrise zu mildern und die Gesundheit unserer Menschen zu schützen. Dabei sind wir auf die Mithilfe vieler Menschen angewiesen. Nur gemeinsam sind wir stark.

Deshalb möchte ich abschließend noch etwas Persönliches sagen. Es beeindruckt mich zu sehen, wie viele Menschen in diesen Tagen Gesten der Mitmenschlichkeit zeigen. Es zeigt sich eindrucksvoll: Unsere Gesellschaft ist nicht kalt und egoistisch.

Die vielen unbekannten Helferinnen und Helfer, die sich in der Krise uneigennützig in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen, geben unserer Gesellschaft ein menschliches Antlitz. Das verdient unser aller Anerkennung.

Mein großer Dank gilt allen Menschen, die in dieser schweren Zeit unser Land am Laufen halten und die Grundversorgung sichern. Frau Präsidentin hat dies bereits auf ihre Art gesagt.

Ich denke an die Menschen, die in Krankenhäusern, in Pflege- und Altersheimen oft bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehen. Ihnen, den Ärztinnen und Ärzten, den Krankenschwestern, dem Pflegepersonal, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Krankenhäuser gilt mein tief empfundener Respekt. Dank ihrer Hilfe und ihrer Kompetenz sind wir im Notfall gut versorgt.

Für viele andere Berufsgruppen gilt das Gleiche. Sie sorgen dafür, dass unsere Gesellschaft nicht zusammenbricht und unsere Grundbedürfnisse erfüllt werden. Das gilt für die vielen Selbstständigen, den Bäcker, den Metzger und den Landwirt, das gilt für die Verkäuferin im Supermarkt ebenso wie für den Lkw-Fahrer, die Erzieherin, den Paketboten, den Mitarbeiter der Abfallentsorgung oder die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die Bundeswehrangehörigen und die Feuerwehrleute.

Ihnen wird wie vielen anderen Menschen, die in systemrelevanten Berufen tätig sind, in diesen Tagen und Wochen sehr viel abverlangt. Sie meistern ihre schwierigen Aufgaben mit großer Hingabe und Bravour.

Ich danke dem Pandemiestab und all denjenigen, die daran mitwirken, den Mitarbeitern in den Ämtern, vor allen Dingen in den Gesundheitsämtern, in den Landkreisen, in den Städten und Gemeinden. Diese überall gezeigte Menschlichkeit darf uns auch nach der Coronakrise nicht verloren gehen. Dann können wir gestärkt aus dieser existenziellen Krise hervorgehen, darin bin ich mir sicher. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Herr Ministerpräsident, es gibt eine Frage. - Frau Abg. Heiß, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Ministerpräsident, ich habe zwei Fragen zum Nachtragshaushalt. Zum einen sagten Sie, dass das Land einen Kredit in Höhe von 259 Millionen € aufnehmen muss. Herr Richter hat das in der Pressekonferenz in der vergangenen Woche bereits angekündigt. Dort sagte er auch, dass der Tilgungszeitraum bei drei Jahren liegt; der Kredit soll also innerhalb von drei Jahren getilgt werden.

Andere Länder, wie Beispiel Nordrhein-Westfalen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und auch der Bund haben deutlich längere Tilgungsfristen, nämlich von zehn bis 50 Jahren. Darum meine Frage: Warum tilgt Sachsen-Anhalt nur drei Jahre? - Das belastet den kommenden Haushalt zusätzlich.

Zweite Frage. Das Land bekommt in diesem Jahr Konsolidierungshilfe in Höhe von 80 Millionen €. In der Verwaltungsvereinbarung ist festgelegt, dass diese nur unter bestimmten Bedingungen gewährt werden. Zum Beispiel können wir keine Kredite, noch dazu in der Höhe von 259 Millionen €, aufnehmen.

Es gibt Ausnahmetatbestände. Diese sind in § 6 der Verwaltungsvereinbarung geregelt. Hat das Land mit Blick auf diese Ausnahmeregelungen bereits mit dem Stabilitätsrat gesprochen oder hat der Stabilitätsrat vielleicht schon Ausnahmen beschlossen?

Herr Ministerpräsident.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff:

Danke schön, Frau Präsidentin. - Zu der letzten Frage kann ich nur so viel sagen: Die ganzen Vereinbarungen, einschließlich der Dinge, die das Wirtschaftsministerium unter der Leitung von Herrn Willingmann auf den Weg gebracht hat, sind erst jetzt, in den letzten Tagen, in den letzten Stunden abgefasst worden bzw. zur Unterschrift gekommen, einschließlich der Bund

Länder-Vereinbarungen für die Wirtschaftshilfen. Parallel laufen die Gespräche in verschiedenen Runden in den Fachministerkonferenzen, aber auch in den Runden mit der Kanzlerin. Dort geht es sozusagen im Rahmen der aktuellen Situation neben dem ganzen Prozedere, das zur Eindämmung der Pandemie notwendig ist, natürlich auch um diese rechtlichen Fragen. Dazu werden wir Lösungen finden.

Grundsätzlich gibt es aber die politische Bereitschaft, all die Maßnahmen sicherzustellen, die dazu dienen, die finanziellen Voraussetzungen, zum Beispiel diesen Nachtragshaushalt, zu realisieren.

Zur Frage der Laufzeit der Rückzahlung. Natürlich kann man sich darüber unterhalten, inwieweit man das über Jahre oder Jahrzehnte streckt. Wir haben aber jetzt erst einmal ein überschaubares Paket in Höhe von 500 Millionen €, von dem wir genau sagen können, wie die Ausgabepositionen, die sich daraus ableiten lassen, in den Nachtragshaushalt eingebucht und Ihnen als Haushaltsgesetzgeber zur Diskussion vorgelegt werden.

Ich bin mir aber sicher, das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir sind noch ganz am Anfang der Verfahren, die notwendig sind. Wer glaubt, dass diese Gesellschaft aus den Konsequenzen, also nicht nur der aktuellen Bewältigung, sondern auch der wirtschaftlichen und

finanziellen Bewältigung, in kürzester absehbarer Zeit herauskommt, der irrt sich.

Es ist eine Sache, die sich in Statistiken noch in zehn, 20, 30 Jahren abbilden wird. Darüber, welche Wege wir gehen und was notwendig ist, werden wir auch in diesem Hohen Hause reden müssen. Das, was wir jetzt mit diesem Nachtragshaushalt vorgelegt haben, ist mit dem Prozedere, auch in Absprache mit den Koalitionsfraktionen, denke ich, zu bewältigen, unabhängig davon, welche weiteren Maßnahmen nachgeschaltet werden müssen.

Wir werden uns jetzt auch auf der Bundesebene mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer und der Kanzlerin unterhalten. Wir haben in dieser Woche eine weitere Telefonschaltkonferenz, bei der wir all diese Themenblöcke abarbeiten werden. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir uns dieser Aufgabe Schritt für Schritt stellen, und versuchen, diese gemeinsam zu bewältigen.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Wir steigen nunmehr in die Debatte durch die Fraktionen ein. Die Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Der erste Debattenredner wird für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Herr Lippmann sein. Herr Lippmann, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war richtig, das Parlament kurzfristig zu den Sondersitzungen in dieser Woche einzuberufen. Wir beginnen ja erst nach und nach zu erfassen, wie tief die Maßnahmen gegen die Coronapandemie in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens eingreifen.

Wir sind in dieser Situation als Parlament gefordert und müssen arbeitsfähig bleiben. Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle bereits bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung bedanken, die mit umfangreichen Vorkehrungen für die bestmögliche Sicherheit für uns Abgeordnete sorgen und hier im Haus oder im Homeoffice die Stellung halten.

(Beifall)

Wir sind froh, dass die Landesregierung so schnell unserer Forderung nach einem Nachtragshaushalt nachkommt. Wir stimmen der Landesregierung darin zu, dass das Land jetzt selbst zusätzliche Mittel in erheblichem Umfang zur Verfügung stellen muss. Auch wir Abgeordnete sollten dabei mindestens diesen kleinen Solidarbeitrag leisten und auf unsere nächste Diätenerhöhung verzichten.

(Beifall)

Einen Nachtragshaushalt zur Bewältigung der finanziellen und wirtschaftlichen Folgen aus der Coronakrise im Umfang von zumindest anfänglich 500 Millionen € haben wir ja bereits vor zehn Tagen gefordert. Wir erwarten an dieser Stelle größtmögliche Transparenz, damit auch wir Abgeordnete die Fragen der Menschen im Land beantworten können, was das für den Einzelnen konkret bedeutet und wann mit finanzieller Hilfe zu rechnen ist.

Uns alle erreichen in diesen Tagen umfangreiche E-Mails mit konkreten Forderungen und Hilferufen aus immer mehr Branchen, verständlicherweise vor allem aus dem Bereich Tourismus, Hotellerie und Gastgewerbe.