Protocol of the Session on January 31, 2020

Vielen Dank. - Sie haben das Wort.

Das war eine Intervention. Das Wirtschaftsministerium und der Wirtschaftsminister, den ich hier vertrete, haben eine andere Auffassung.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Danke. - Damit sind wir am Ende dieses Debattenbeitrages angelangt und wir können in die Debatte der Fraktionen eintreten. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Thomas. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wenn man den Gründungstag der Bundesrepublik Deutschland zugrunde legt, dann können wir aktuell auf fast 72 Jahre soziale Marktwirtschaft zurückblicken. Meine Damen und Herren! Es waren 72 erfolgreiche Jahre.

Ich gebe gern zu, dass es heute auch ein guter Moment ist, über diese Marktwirtschaft hier zu debattieren. Denn angesichts zahlreicher aktueller gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen ist es wichtig und richtig, offen über den Ursprung unseres Wohlstandes zu reden, eines Wohlstandes, an den wir uns hierzulande gewöhnt haben, wo es Menschen gibt, die glauben, dieser Wohlstand war immer da, und wo es vor allem junge Menschen gibt, die glauben, der Wohlstand wird immer bleiben.

Meine Damen und Herren! Als nach dem Krieg Deutschland in Trümmern lag, gab es zunächst andere Probleme zu lösen. Viele Städte waren zerstört, Wohnraum und Nahrung waren knapp. Da lag es nah, viele existenzielle Sorgen über eine staatliche Lenkung zu organisieren.

Genau in dieser Zeit setzten die Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft auf fairen Wettbewerb, Leistungswillen, Freiheit und sozialen Ausgleich. Das war seinerzeit durchaus mutig, denn die dringendsten Probleme ließen sich damit zunächst nicht beseitigen.

Im Jahr 1948 gab es in der amerikanischen und in der britischen Zone einen Generalstreik, der sich gegen explodierende Preise und für die Wiedereinführung der Preisvorschriften richtete. Der Ausspruch „Wohlstand für alle“ galt zu dieser Zeit als reine Worthülse.

Walter Eucken gilt als einer der Vordenker der sozialen Marktwirtschaft. Seine Prinzipien von Freiheit, Wettbewerb, von Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und freien Märkten setzten jene Kräfte frei, die in den 1950er- und 1960erJahren in der Bundesrepublik zunächst für ein Wirtschaftswunder und bis heute für ein stetiges Wachstum sorgen.

Die Prinzipien allein waren es jedoch nicht, die Deutschland trotz zweier Weltkriege innerhalb von nur zwei Jahrzehnten wieder an die ökonomische Spitze der Welt beförderten.

Meine Damen und Herren! Es bedurfte hier zunächst einer entschiedenen Umsetzung. Kein anderer als Ludwig Erhard hatte den Mut dazu. Als Bundesminister für Wirtschaft war er es, der von 1949 bis 1963 die ökonomische Gesundung verantwortete.

Während die ökonomische Lage in der DDR stagnierte, entfesselten seine Vorstellungen von

Ökonomie und sozialem Ausgleich in der Bundesrepublik neue und ungeahnte Kräfte.

Ludwig Erhard hatte in der Zeit des Nationalsozialismus erlebt, wie sich Diktatur, Protektionismus und eine Wirtschaft, die ausschließlich auf die Kriegsproduktion ausgerichtet war, auf die Gesellschaft auswirkten.

Aus seiner Sicht konnte ein demokratisches System damals nur funktionieren, wenn die Wirtschaft für den Wohlstand der Menschen sorgt. Erhard wusste sehr genau, dass der individuelle Egoismus in einem Markt zu höchstem Wohlstand führt, der gesellschaftliche Nutzen jedoch auf der Strecke bleibt. Daher war es folgerichtig, dass er die Ideen von Markt und sozialem Schutz miteinander verknüpfte.

Die soziale Marktwirtschaft bejaht ausdrücklich das Recht auf Privateigentum und sie stärkt die individuelle sowie die persönliche Verantwortung. Der Staat sollte von Anfang an nur für die Rahmenbedingungen zuständig sein. Dazu gehören auch der Schutz vor Kartellen und eine zweckmäßige Wettbewerbsordnung.

Das Gegenteil davon, meine Damen und Herren, haben wir in der DDR erlebt: eine zentralistisch gesteuerte Planwirtschaft, die keinen Raum für Individualität und unternehmerische Freiheit ließ, eine Wirtschaft, die sehr schnell zur Mangelwirtschaft wurde und an deren Ende nicht nur der gesellschaftliche, sondern auch der ökonomische Kollaps gestanden haben.

Insofern stellt sich die Frage zwischen marktwirtschaftlicher Ordnung und ökosozialistischer Planwirtschaft eigentlich nicht. Vielmehr brauchen wir in diesen Tagen eine Renaissance der sozialen Marktwirtschaft.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Wir müssen wieder anfangen, uns offensiv mit der Herkunft unseres Wohlstandes auseinanderzusetzen. Dazu gehört auch, dass wir dem schleichenden Ausbau unseres Sozialstaates Einhalt gebieten.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Dieser hat in den zurückliegenden Jahrzehnten zu immer mehr Detailregulierungen und Bürokratisierungen geführt.

Meine Damen und Herren! Wir müssen offen ansprechen, dass das Adjektiv „sozial“ kein Mandat für mehr staatliche Eingriffe und für mehr Umverteilung ist.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU - Thomas Lippmann, DIE LINKE: Doch, das ist es sehr wohl!)

Diese engt den Handlungsspielraum der Wirtschaft, aber auch der Tarif- und Sozialpartner zu

nehmend ein. Wir müssen deutlich machen, dass Wohlstand, Freiheit und Demokratie unmittelbar miteinander verknüpft sind.

Leider erleben wir in jüngster Zeit, dass gesellschaftspolitische Fragen wie der Klimaschutz Teile unserer Volkswirtschaft gefährden.

Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass es für unsere Wirtschaftskraft und den Sozialstaat keinen Automatismus gibt. Die Welt verändert sich rasant. Die ökonomischen Grundordnungen verschieben sich. Wenn Sie sich ansehen, in welcher Geschwindigkeit sich Berufsbilder durch die Digitalisierung verändern, wenn Sie sich ansehen, welchen Einfluss die Globalisierung auf die Wettbewerbsbedingungen der Unternehmen hat, dann müssen wir verstehen, dass wir dringend handeln müssen. Das gilt für die Bereiche der Bildung, aber vor allem für große Teile unserer Volkswirtschaft. Diese ist es nämlich, die unsere Sozialsysteme trägt und durch Forschung und Innovation Arbeitsplätze schafft. Es ist nicht gottgegeben, dass Deutschland auch in Zukunft eines der innovativsten und wohlhabendsten Länder der Welt bleibt.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Bereits heute haben wir in einer Vielzahl von Branchen den Anschluss verloren. Beispiele sind die Bio- und die Gentechnik, der Kraftwerksbau, die Digitalisierung oder die Bereiche der künstlichen Intelligenz. Das macht vielen Menschen gerade auch in diesem Teil Deutschlands, welche schon einmal von einem beispiellosen Strukturwandel betroffen waren, große Sorgen.

Meine Damen und Herren! Die soziale Marktwirtschaft ist ein Erfolgsmodell. Müller-Armack, ein weiterer Architekt der Idee der sozialen Marktwirtschaft, bezeichnete sie einst als nicht perfekt, aber alternativlos. Er sagte dies seinerzeit auch mit dem Hinweis auf planwirtschaftliche Wirtschaftssysteme, die, wie wir heute wissen, weltweit nahezu komplett politisch und ökonomisch gescheitert sind.

Wichtig für die soziale Marktwirtschaft ist und bleibt das Vertrauen in der Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen. Unsere Unternehmen wollen keine Fördermittel. Sie wollen sich darauf verlassen können, dass die Investitionen, die sie heute tätigen, auch in zehn Jahren ein gutes Umfeld finden und wirtschaftlich tragen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir müssen an unseren Schulen wieder stärker dafür werben, dass dort der Stolz auf unser Land und auf seine soziale Marktwirtschaft vermittelt und auch verstanden wird. Ein Unternehmer, der Verantwortung für seine Mitarbeiter und deren Familien übernimmt

und der persönlich haftet, der seine Beschäftigten ordentlich entlohnt, der ist kein ManchesterKapitalist. Dieser Unternehmer leistet einen wichtigen Beitrag für unser Gemeinwohl und unser aller Wohlstand. Das müssen wir endlich wieder stärker deutlich machen. Dazu haben wir uns ja auch im Koalitionsvertrag verpflichtet.

Sozialromantik, Umverteilungsgedanken oder

Gleichmacherei stammen aus der sozialistischen Mottenkiste. Sie haben überall auf der Welt zu Diktaturen, Unfreiheit und Mangel geführt und sind genau das Gegenteil von sozialer Marktwirtschaft und sozialem Ausgleich; denn auch die soziale Teilhabe ist Teil unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ethisches Handeln und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich genauso wenig aus wie Ökonomie und Ökologie. Gerechtigkeit und Wohlstand weltweit sind nicht gegen, sondern nur mit einem fairen Wettbewerb und in einer fairen Marktwirtschaft möglich. In einer freien Gesellschaft, wie der sozialen Marktwirtschaft, ist verantwortungsvolles Handeln von allen gefragt; in dieser Zeit vor allen Dingen von uns, die hier Verantwortung tragen. Wir sollten und müssen uns davor hüten, eine Gesellschaft der Neider und Verhinderer zu werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Unsere Gesellschaft besteht nicht nur aus Gesetzen, sondern auch aus Bürgerpflichten und persönlicher Verantwortung. Dafür standen und stehen die soziale Marktwirtschaft und unsere demokratische Grundordnung.

Es gibt keinen Grund, pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Vielmehr müssen wir uns wieder stärker auf die Kernaufgaben konzentrieren. Unser Wohlstand ist keine Einbahnstraße des Erfolgs; dafür verändern sich die Rahmenbedingungen zu rasant. Bei den Prinzipien der Marktwirtschaft bleiben sie aber gleich.

Meine Damen und Herren, ich lade Sie alle ein, mit an den Rahmenbedingungen zu arbeiten, die das Wirtschaften erleichtern und nicht erschweren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Thomas, es gibt eine Frage, und zwar von Herrn Striegel.

(Oliver Kirchner, AfD: Das wird einfach!)

Herr Kollege Thomas, ich habe eine Frage. Sie haben zu Recht auf das Thema Innovationsnotwendigkeit verwiesen, darauf, dass die Wirtschaft

tatsächlich innovationsfreundliche Bedingungen braucht. Ein Thema, das Innovationen in der Bundesrepublik Deutschland gerade hemmt, ist der Fachkräftemangel, jedenfalls gerade dann, wenn man zum Beispiel Herrn Keindorf oder vielen anderen glauben darf, die aus der Perspektive der Wirtschaft sprechen.

Meine Frage an Sie ist: Was tut die CDU auf der Bundes- und auf der Landesebene dafür, dass wir dem Fachkräftemangel begegnen können und Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt sinnvoll ermöglichen?

(Jens Kolze, CDU: Am besten aus der ein- heimischen Bevölkerung!)

Kollege Striegel, wir diskutieren heute über die soziale Marktwirtschaft. Wenn ein Unternehmer weiß, dass für sein Produkt nicht genügend Fachkräfte auf dem Markt verfügbar sind, dann muss er innovativ sein und seine Arbeiten beispielsweise automatisieren. Was Sie als Mangel beklagen, ist ein Grund für eine Innovation.