Protocol of the Session on December 19, 2019

Als wir die Anfrage bearbeitet haben, gab es die Kriminalstatistik noch nicht, die jetzt erst vom Innenministerium vorgelegt wurde. Auch diese müssen wir erst noch auswerten, denke ich, bevor Sie mir eine solche Aufgabe auferlegen, dass meine Verwaltung damit anfängt, in dem Bereich etwas zu machen.

Ich möchte auch, dass die Mitarbeiter in den Krankenhäusern geschützt sind. Ich möchte auch, dass die Rettungssanitäter nicht solcher Gewalt ausgesetzt sind. Wir müssen aber, glaube ich, gemeinsam mit dem Innenministerium schauen, wie wir eine Gewaltprävention hinbekommen. Das hat nicht nur allein mit sachlichen Gütern zu tun, die in den Krankenhäusern vergeben werden.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Somit treten wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner wird für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Kurze sein. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir dieses Thema heute im Plenum bearbeiten, darüber diskutieren, wie wir dem Respektverfall, dem Anstandsverfall und der Verrohung in unserem Land entgegentreten können, gerade in einem Bereich, der so sensibel ist, in dem es darum geht, Menschen zu retten, Menschen zu pflegen.

Von daher haben wir uns intensiv mit diesem Antrag beschäftigt und auch einen Alternativantrag der Koalition erarbeitet, der sich auf Maßnahmen und Konzepte stützt, die wir im Rahmen der Prävention erarbeiten wollen, die wir von der Landesregierung erwarten.

Wenn man sich mit in der Pflege oder im Rettungsdienst Tätigen unterhält - viele wissen, dass ich schon viele Jahre lang beim Roten Kreuz ehrenamtlich als Katastrophenschützer tätig bin -, dann hört man von ihnen schon, dass die psychische Belastung dramatisch gestiegen ist, wenn die Rettungsfahrer zu einem Unfall fahren und dort nicht nur die Verletzten vorfinden, sondern auf Störer, Gaffer, auch Medienvertreter treffen, die sich um alles kümmern, nur nicht um den Verletzten.

Wenn man sich mit in der Pflege Tätigen unterhält, dann kann man erfahren, dass schon bis zu 90 % Erfahrung mit Gewalt gesammelt haben, nicht nur mit verbaler Gewalt, sondern auch mit physischer Gewalt - Demenzkranke, die sich dahin zurückentwickeln, wie man als Kind einmal war: störrisch, aggressiv. Das muss man erst einmal bewältigen. Das ist eine hohe Aufgabe für unsere dort Tätigen. Ich finde es daher gut, dass sich das Hohe Haus mit dieser Frage beschäftigt.

In den Notaufnahmen - das wurde schon gesagt - oder eben bei Unfällen wird bedroht, beschimpft. Bis zu 60 % haben schon Bedrohungen und Beschimpfungen erleben müssen. Aus den Quellen, die wir zitieren, wissen wir, dass bis zu 13 % schon körperlich angegriffen wurden. Dem müssen wir entgegentreten.

Was wünschen sich diejenigen, die dort tätig sind? - Sie wünschen sich Zeit und Anerkennung in Form von Aus- und Fortbildung zu dieser Problematik. Wenn wir Zeit und Anerkennung bei dieser Problematik in einem Maßnahmenpaket verankern wollen, dann geht es natürlich auch darum, wer es bezahlt.

Wir wissen, ohne Geld geht heute nichts. Von daher kann man nicht nur darüber reden und philosophieren. Wir könnten uns vorstellen, dass man aus der Sicht des Ministeriums, des Gesetzgebers sagt, wir holen die Leistungserbringer, die Krankenhäuser, und die Kostenträger einmal zusam

men an einen Tisch und beraten nicht nur darüber, wie wir Maßnahmen entwickeln, sondern auch darüber, wer die Maßnahmen am Ende bezahlt. Nur so können wir den Pflegerinnen und Pflegern, Rettungsfahrerinnen und Rettungsfahrern zur Seite stehen, ihnen helfen in diesen schwierigen Situationen, in denen sie sich tagtäglich für unser aller Wohl befinden, und ihnen etwas anbieten.

Wenn ich mich an die große Flut in den Jahren 2002 und 2013 zurückerinnere, dann stelle ich fest, damals gab es so etwas noch nicht. Ich bin Erste-Hilfe-Ausbilder und Koch und war bei beiden Katastrophen für das Rote Kreuz als Koch unterwegs. Wenn wir an die Deiche zu den vielen fleißigen Helfern, die dort Seite an Seite standen und die Sandsäcke gefüllt haben, gefahren sind und unsere Gulaschsuppe oder Erbsensuppe ausgegeben haben, dann waren die dankbar, haben sich in die Reihe gestellt, ganz nett und höflich. Heute, einige Jahre später, haben wir es mit roher Gewalt zu tun, wenn es um manche Maßnahmen geht. Das ist schon erstaunlich und erschreckend.

Von daher wünsche ich mir, dass wir weiterhin nicht nur tolerant miteinander umgehen, sondern uns zuhören und gemeinsam nach guten Lösungen suchen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Kurze. Auch hierzu sehe ich keine Fragen. - Die nächste Debattenrednerin ist für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Bahlmann. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wie lange mag wohl dieser Antrag in den Schubladen gedümpelt haben, bis er das Licht der Welt erblickte? - Wahrscheinlich, wie in der Antragsbegründung geschrieben, seit dem Jahr 2018.

(Ulrich Siegmund, AfD: Zwei Wochen!)

Das Thema hat zwar grundsätzlich Konjunktur, aber zu dem Inhalt des Antrags brauchen wir uns im Großen und Ganzen nicht auszutauschen, da wir in Erfahrung gebracht haben, dass sich viele Sachen bereits mehrfach erledigt haben.

Es ist unumstritten, dass es Gewalt gegen Pflegende gibt, und das ist schlimm.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt Gewalt gegenüber Rettungsdienstleistenden. Es gibt Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte.

Im Gegenzug gibt es aber auch Gewalt gegen Patientinnen und Patienten, gegen Seniorinnen und Senioren in der Pflege, gegen Polizistinnen und Polizisten. Es ist ein Anstieg von Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem zu erkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, es ist festzustellen, dass die Gewalt in den letzten vier bis fünf Jahren zugenommen hat, ebenso wie die Verrohung der Gesellschaft seit dem Rechtsruck in dieser Gesellschaft zugenommen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Verbal erleben wir das hier im Parlament fast bei jeder Landtagssitzung. Auch darüber sollten wir uns Gedanken machen.

Die sehr angespannte Personalsituation und die Gewaltbereitschaft im Gesundheitsbereich wurden bereits auf Bundesebene deutlich wahrgenommen. Gesundheitsminister Jens Spahn wird ein Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen, nach dem Gewalt gegen Ärzte und Pflegekräfte in Notfallambulanzen härter bestraft werden soll. Im „Ärzteblatt“ vom 29. Oktober dieses Jahres wurde das oben genannte Vorhaben bereits veröffentlicht.

Damit soll medizinisches Personal von ärztlichen Notfalldiensten und Notfallambulanzen unter den gleichen strafrechtlichen Schutz gestellt werden, wie er seit einiger Zeit auch für Rettungskräfte am Unfallort gilt. Tätliche Angriffe gegen Pflegekräfte können mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden, wenn diese zur Anzeige gebracht werden. Das stellt für uns genau die Hürde dar; denn nicht jeder tätliche Angriff wird zur polizeilichen Anzeige gebracht.

Die Bundesärztekammer begrüßt dieses Vorhaben. Allein dieses Vorhaben macht den vorliegenden Antrag in dieser Form obsolet.

In dem uns vorgelegten Antrag wird unter den ersten sechs Punkten ein hohes Maß an Dokumentationsaufwand gefordert, womit die immer wieder beklagte Bürokratie im Gesundheitswesen weiter erhöht und massiv ausgebaut wird. Das Pflegepersonal, das schon heute einen extrem hohen Dokumentationsaufwand zu bewältigen hat, soll noch mehr Dokumentationspflichten bekommen. Das darf nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen auch künftig gewährleisten, dass Pflegende genau das tun, was ihr Berufsbild aussagt. Die Arbeit mit den Menschen soll dabei im Vordergrund stehen. Wenn Ihrer Meinung nach die dokumentierten Vorfälle von Gewalt jedweder Art im Pflegebereich so interessant für die Bevölkerung sind, warum nutzen die Klinikbetreiber in

diesem Land dann nicht die Möglichkeit, genau diese für ihre Häuser zu veröffentlichen? Jede Klinik hat dazu das Recht. Aber warum tun sie es nicht? Das ist die Frage. Sie jedoch von Landesseite her dazu zu zwingen, das geht absolut zu weit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Unter Punkt 8 wird in dem Antrag gefordert, ein ausführliches Konzept zum Umgang mit physischer und psychischer Gewalt in der Ausbildung in den verschiedenen Berufsfeldern der professionellen Pflege zu integrieren. Dies ist ebenso obsolet, da die bisherige Pflegeausbildung und gerade die neue generalisierte Pflegeausbildung genau diesen Part bereits in der Stundenverteilung abbilden. Es werden 280 Stunden, also 14 % der gesamten Ausbildungsdauer, genau für dieses Thema aufgewendet. In der Praxis wurden von den Pflegeschulen bereits in der Vergangenheit 70 Stunden für dieses Thema in der Ausbildung eingeplant. Auch diese haben die Zeichen der Zeit erkannt und werden künftig das Thema Gewalt mit noch mehr Zeitaufwand behandeln, nämlich mit 120 Stunden.

Auch die Dienstleistenden im Rettungsdienst haben bereits auf die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung bei Rettungseinsätzen reagiert und zu Konfliktmanagement und Gewaltprävention hinreichend geschult. Sicherlich wäre es wünschenswert, die Präventionsmaßnahmen der Rettungsdienste als Land finanziell zu unterstützen. Das kann mit Punkt 3 des Alternativantrages der Koalitionsfraktionen durchaus gelingen.

Das alles sind Beispiele, die die richtigen Wege beschreiben, und sie werden bereits beschritten. Dazu braucht es den vorliegenden Antrag nicht. Der Antrag ist also abzulehnen. Die Fraktion DIE LINKE wird sich dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen anschließen, weil auch wir meinen, vorbeugen ist besser als nachsehen. Wir tragen den Präventionsauftrag der Koalition mit. Wir weisen darauf hin, dass das auch Geld kosten wird. Das sollte bei den Haushaltsplanungen Berücksichtigung finden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Bahlmann. Ich sehe eine Wortmeldung. Frau Bahlmann, möchten Sie antworten? Es gibt noch eine Wortmeldung.

(Katja Bahlmann, DIE LINKE: Nein!)

- Nein. - Herr Raue, damit können Sie eine Kurzintervention machen.

Dann würde ich eine Kurzintervention machen.

Bitte.

Ich habe mitbekommen, dass Sie unseren Antrag überhaupt nicht verstanden haben. Der Beweis dafür ist einfach schlichtweg, dass Sie wieder den Rechtsruck in der Gesellschaft

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Ach nee! Hat er gemerkt!)

heranziehen, um zu begründen - Sie jetzt -, dass es mehr Gewalt gegen Rettungskräfte gibt. Das müssen Sie mir einmal erklären, wie Sie diese Verbindung herstellen. Ich kann Ihnen aber sagen,

(Zuruf von Doreen Hildebrandt, DIE LINKE)

es gibt gar keinen Rechtsruck in der Gesellschaft.

(Zuruf von der SPD: Doch, doch! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ha, ha!)

Was es gibt, das ist die Zunahme des zivilen Widerstands

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)