Protocol of the Session on September 29, 2016

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Die ist wichtig!)

und einer damit einhergehenden Sprunghaftigkeit. Die ständig sinkende Attraktivität ländlicher Lebensräume verbunden mit Landflucht sind auch Ursachen dafür, dass Ausbildungsverhältnisse aufgrund empfundener - ich richte das sehr an die Fraktion DIE LINKE - zu großer Belastung oder Umorientierung auf das zukünftige Leben in der Stadt abgebrochen werden.

Weiterhin ist festzustellen, dass einige Handwerksberufe, bei denen körperlich schwer gearbeitet wird oder bei denen ungünstige Arbeitszeiten anstehen, als immer unattraktiver angesehen werden. Das Bäckerhandwerk zum Beispiel sucht händeringend Lehrlinge und auch hier ist eine sehr hohe Abbrecherquote festzustellen.

Auf den hier genannten Feldern sind konstruktive Lösungsansätze zu suchen. Die fehlende Eignung von Ausbildungsstätten ist dagegen kein relevanter Faktor.

Die AfD-Fraktion kann den Antrag der Linksfraktion daher nicht unterstützen. Sie wird allerdings aufgrund der Wichtigkeit des aufgeworfenen Themas eine Ausschussüberweisung zur weiteren Behandlung beantragen oder - da ich das schon gehört habe - unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Poggenburg. - Der nächste Debattenredner ist Herr Meister von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Meister, Sie haben das Wort.

Danke schön. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer die Berufsbildungsberichte der letzten Jahre kennt, der wird von den aktuellen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nicht überrascht gewesen sein; denn seit Jahren steigt die Zahl der Vertragsauflösungen im Bereich der Ausbildung kontinuierlich. Im Jahr 2005 lag der Anteil bei etwa 22 % und heute sind wir, wie bereits gehört, schon bei mehr als 33 %.

Ich denke, es ist wichtig, korrekterweise von Vertragsauflösungen zu sprechen. Denn die Zahlen verweisen eben nicht nur auf junge Menschen, die ihre Ausbildung generell abbrechen; vielmehr führen die meisten ihre Ausbildung in einem an

deren Betrieb weiter oder wechseln den Ausbildungsberuf oder fangen an zu studieren. Wir haben es also nur in der Minderzahl der Fälle mit einem wirklichen Ausbildungsabbruch zu tun. Es verhält sich also gänzlich anders als etwa im Bereich der Schule. Wenn wir dort von 9 % Schulabbrechern sprechen, dann ist sicher, dass diese tatsächlich mittel- oder langfristig keinen Schulabschluss erhalten werden. Die Ausbildungsabbrecher werden in der Regel einen Berufsabschluss erlangen, wenn auch später.

Trotzdem kann man natürlich nicht Entwarnung geben. Es muss unser Ziel sein, den Anteil derjenigen, die am Ende ganz ohne Berufsabschluss dastehen, so weit wie möglich zu senken.

Ich möchte im Weiteren stärker auf die Intention des Antrags der LINKEN eingehen und diese in Kontrast setzen zu den Vorhaben, die wir im Koalitionsvertrag aufgeführt haben.

Ja, es ist richtig, wir müssen stärker auch die Unternehmen in den Blick nehmen. Aber ich meine schon, dass man sagen kann, dass diese Steigerung von 22 % auf 33 %, die Kontinuität, die wir sehen, nicht damit erklärt werden kann, dass die Qualität der betrieblichen Ausbildung kontinuierlich schlechter geworden ist. Auch antiautoritäre Erziehung und Kreativität sind, meine ich, nicht das Problem. Wenn Kreativität das Problem wäre, dann müsste man mit den Zahlen irgendwie leben; denn Kreativität bringt unsere Gesellschaft weiter.

Die Zeiten, in denen sich Betriebe ihre Azubis aus einem quasi unerschöpflichen Reservoir an potenziellen Fachkräften aussuchen konnten, sind lange vorbei. Mittlerweile haben wir einen rechnerisch beinahe ausgeglichenen Ausbildungsmarkt. Entsprechend wählerisch können die jungen Menschen sein. Oder anders gesagt: Entsprechend stark ist ihre Position, Ausbildungsbetriebe auswählen zu können. Demnach sind die Unternehmen noch stärker gefordert, eine qualitativ hochwertige Ausbildung anzubieten.

Im Koalitionsvertrag finden sich daher verschiedene Punkte, um Unternehmen im Rahmen der Ausbildung zu beraten und zu begleiten; denn ausbildungsfähig müssen beide sein: der oder die Azubi und der Betrieb. Daher wollen wir die assistierte Ausbildung flächendeckend ausbauen. Diese ist von uns explizit auch als Unterstützung für die Unternehmen gedacht. Nicht nur junge Menschen sollen bei Bedarf auf sozialpädagogische Begleitung setzen können, auch den Unternehmen wollen wir dies anbieten.

Gerade im Bereich der Konfliktregelung scheint uns das sinnvoll; denn das IAB zeigt in seiner Studie auf: Konflikte zwischen Azubi und Betrieb, wie ein schlechtes Betriebsklima, führen oftmals

zur Vertragsauflösung. Hierbei können wir durch Ausbildungsbegleitung sicherlich vielfach Abhilfe schaffen.

Des Weiteren setzen wir auf Verbundausbildung. Ein Kleinstunternehmen muss die Ausbildung nicht allein stemmen, sondern es kann dies in einem Verbund mit anderen Betrieben tun. Diese Möglichkeit, die bereits durch das Berufsbildungsgesetz eröffnet worden ist, wollen wir stärker fördern. Ob dazu eine Modularisierung der Ausbildungsinhalte beitragen kann, wollen wir prüfen.

Die Regierungsfraktionen setzen also auf Beratung und Begleitung der Unternehmen, auf die Etablierung von Unterstützungsangeboten. DIE LINKE setzt in ihrem Antrag demgegenüber - zumindest unter Punkt 1 a - auf mehr Kontrollen. Es ist sicherlich nie falsch, bestehende Regelungen angemessen zu kontrollieren und, ja, auch zu sanktionieren, damit sie nicht zahnlose Tiger werden. Nur in diesem Fall verspreche ich mir davon nicht sonderlich viel.

Die gesetzlichen Anforderungen zur Erlangung einer Ausbildungsberechtigung sind ganz bewusst relativ niedrig und größtenteils formaler Natur: ein entsprechender Berufsabschluss des Ausbilders, keine schweren Vorstrafen und dergleichen. Ein Unternehmen kann diese Bedingungen ohne Probleme erfüllen und trotzdem große Schwierigkeiten damit haben, Konflikte zu schlichten oder ein vertrauensvolles Betriebsklima zu fördern. Diese Formalien jetzt stärker zu kontrollieren wird nicht zu einer besseren Qualität der Ausbildung und des Ausbildungsklimas führen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Eher das Ge- genteil!)

- Möglicherweise das Gegenteil.

Die von mir eingangs dargelegten Ansätze haben hingegen dieses Potenzial und eröffnen dafür einen Weg. Es sind also nicht mehr Restriktionen, sondern mehr Unterstützung nötig.

Punkt 1 b des Antrags fragt nach Kriterien dafür, wie man Mängel feststellen und an deren Behebung arbeiten kann. Das geht dann schon eher in die Richtung, die, meine ich, die richtige ist.

Das Thema ist ein gewichtiges; das ist richtig. Deshalb sollte der Antrag in die Ausschüsse überwiesen werden. Dort werden wir Zeit haben, differenzierter über diese Fragestellungen zu diskutieren. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Silke Schindler, SPD, und von Andreas Steppuhn, SPD)

Vielen Dank, Herr Meister. Ich sehe keine Anfrage. - Damit ist Herr Abg. Steppuhn für die SPD

Fraktion der nächsten Debattenredner. Sie haben das Wort, Herr Steppuhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ausbildung hat bekanntlich auch etwas mit Arbeitsmarkt zu tun. Dieses Parlament neigt ja manchmal dazu - nicht alle, aber insbesondere die Opposition -, vieles sehr kritisch zu sehen und manchmal vielleicht auch schlechtzureden.

Deshalb möchte ich eine Botschaft des heutigen Tages hier loswerden: Wir haben heute die neuesten Arbeitsmarktzahlen für unser Land bekommen: eine Arbeitslosenquote von 8,8 %, die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wende.

(Zustimmung von Ministerin Anne-Marie Ke- ding)

Ich denke, das ist ein Anlass, auch einmal stolz darauf zu sein,

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und von der Regierungsbank)

was wir hier im Land mit Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik erreicht haben. Und das sollte man auch einmal so sagen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Wenn das ein Gewerkschafter sagt, ist das höchstes Lob! - Minister Marco Tullner: Zehn Jahre CDU- Ministerium!)

- Ich bin ja noch nicht fertig.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU)

Man kann Dinge durchaus auch kritisch sehen, aber man muss schon sagen, was ist. Ich glaube, wir können durchaus auch auf eine erfolgreiche Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zurückblicken.

(Minister Marco Tullner: Genau!)

All das wäre nicht möglich gewesen, wenn wir in diesem Land nicht sehr viele junge Menschen gut ausgebildet hätten, die heute die Arbeitsplätze als Fachkräfte besetzen.

Natürlich ist es richtig, meine Damen und Herren, dass es in diesem Land noch viel zu tun gibt. Wir müssen uns mit der Langzeitarbeitslosigkeit beschäftigen. Dafür machen wir jetzt einen sozialen Arbeitsmarkt. Dafür haben wir Arbeitsmarktprogramme.

Wenn uns die Zahl erreicht, dass 33 % unserer jungen Menschen die Ausbildung abbrechen, dann ist es, glaube ich, gut, dass dieses Parlament sich damit beschäftigt. Wir als Sozialdemokraten haben schon sehr früh angeregt, dass sich auch der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration sowie der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung im Rahmen der Selbstbefassung mit diesem Thema beschäftigen.

Heute liegt ein Antrag vor. Es ist schon gesagt worden, dass er in die Ausschüsse überwiesen werden soll. Ich freue mich darauf, dass wir dort diese Diskussion führen; denn - damit bin ich sehr nah bei Herrn Keindorf - wir müssen bei jedem, der eine Ausbildung abgebrochen hat, darüber reden, warum das so war.

Ich glaube, die Gründe dafür sind sehr vielschichtig. Natürlich wissen wir, dass wir uns, wenn wir eine große Anzahl junger Menschen haben, die nicht den Hauptschulabschluss erreichen, anschauen müssen, woran das liegt, und dass wir hier gegensteuern müssen. Aber genauso ist es richtig, sich die Vielschichtigkeit - die Ministerin hat es gesagt - dieser Ausbildungsabbrüche näher anzuschauen. Natürlich gibt es auch bei uns eine Menge junger Menschen - zumindest lerne ich diese kennen -, die vielleicht eine falsche Vorstellung von dem Berufsbild hatten und daher für sich die berufliche Perspektive nicht dort sehen.

Ich sage aber auch: Es gibt auch eine Menge junger Leute, die brechen deshalb die Ausbildung ab - das gehört auch zur Vielschichtigkeit -, weil sie mit den Arbeitsbedingungen nicht zufrieden sind. Wenn man junge Menschen gleich zu Beginn ihrer Ausbildungskarriere zwölf Stunden lang irgendwo in einem Gastronomiebetrieb beschäftigt, wenn man sie zu schlechten Ausbildungsvergütungen beschäftigt, dann müssen wir auch über die Attraktivität von Ausbildungsplätzen nachdenken.

Dabei geht es nicht nur darum, einen Ausbildungsplatz zu haben. Es geht auch darum, darüber nachzudenken, wie ein Auszubildender entlohnt wird, was er für Arbeitsbedingungen hat. Deshalb, glaube ich, lohnt es sich, auch in den Ausschüssen über diese Vielschichtigkeit zu reden und dann auch zu Schlussfolgerungen zu kommen. Wir sollten darüber nachdenken: Was können wir als Politik, was kann die Landesregierung tun, was können andere tun, damit wir zukünftig nicht mehr eine so hohe Abbrecherquote haben?

Wobei man sich - die Frau Ministerin hat es gesagt - die Abbrecherquote auch noch einmal daraufhin anschauen muss, was davon real ist und was davon nicht real ist. Aber ich denke, es ist zumindest ein Alarmzeichen, bei dem wir sagen sollten: Wir beschäftigen uns in den Ausschüssen damit. Ich bin sehr gespannt auf diese Diskussion, ich halte diese Diskussion auch für notwendig. Wir sollten sie auch kritisch führen. Es geht hierbei um die Zukunft unseres Landes. Es geht um die jungen Menschen,

(Minister Marco Tullner: Genau!)

die zukünftig als Fachkräfte in den Unternehmen tätig sind. Wir werden die Fachkräfte für die Zukunft brauchen. Deshalb brauchen wir eine gute

Berufsausbildung im Land. Wir brauchen gute Ausbildungsplätze. Deshalb empfehle ich, diese Diskussion in den genannten Ausschüssen weiterzuführen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von der Re- gierungsbank - Minister Marco Tullner: Sehr gut!)