Protocol of the Session on September 29, 2016

Wenn heutzutage ein zugegebenermaßen kostengünstiger Zweiwochenkurs bei irgendeinem privaten Bildungsträger zur Vorbereitung auf die Prüfung in der Ausbildung der Ausbilder ausreicht und kein Nachweis erfolgen muss, ob ein zukünftiger Ausbilder selbst ausreichend Fachwissen und Berufserfahrung hat, muss man sich doch über Qualitätsmängel in manchen Betrieben nicht wundern.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit Sie mich nicht missverstehen: Natürlich bieten viele Betriebe eine tolle Ausbildung an. Aber müssten nicht gerade deshalb, um den Ruf einer Branche zu wahren, die schwarzen Schafe, die gegen die Regeln verstoßen, zur Verantwortung gezogen werden? Unter Jugendlichen spricht sich doch ganz schnell herum, wenn bei einem von ihnen die Ausbildung nicht läuft. Aber dann heißt es doch nicht: Im Hotel XY darf ich nur putzen. Sondern es heißt: Werd bloß nicht Hotelfachmann. - So bedingen sich doch Missstände in der Ausbildung und der Fachkräftemangel.

(Beifall bei der LINKEN)

Die bisherigen Ansätze in Bezug auf die Jugendlichen begrüße ich. Besonders die verstärkte Berufsorientierung, die an den Gymnasien natürlich ausbaufähig ist, führt dazu, dass Jugendliche genau über Berufsbilder, Arbeitsbedingungen und Vergütungen Bescheid wissen. Die Berufseinstiegsbegleiter, die bei der Ausbildungssuche helfen, sind mittlerweile zu einer festen Institution für die Hauptschüler geworden. Auch in diesem Zusammenhang ist es wünschenswert, dass jede Sekundarschule in einem vernünftigen Rahmen gefördert wird.

Auch das Projekt „Zukunftschance assistierte Ausbildung“, das ich kritisch sehe, weil es mit ausbildungsbegleitenden Hilfen und der kooperativen Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen konkurriert, geht schon in die richtige Richtung. Aber all diese Programme greifen zu kurz, weil sie nur die Seite der Ausbildungsuchenden stützen. Wenn wir ernsthaft gegen die vielen Vertragslösungen vorgehen wollen, reicht dieser Ansatz nicht aus, egal, wie viele ESF-Programme noch aufgelegt werden.

(Zustimmung von Swen Knöchel, DIE LIN- KE)

Wir müssen die zuständigen Stellen in die Pflicht nehmen, damit endlich alle Betriebe damit beginnen, Auszubildende als zukünftige Fachkräfte zu sehen und auch so zu behandeln. Ansonsten heißt es in Zukunft: Augen auf bei der Berufswahl und ganz besonders bei der Betriebswahl. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung, Frau Hildebrandt. - Zunächst wird die Ministerin Frau Grimm-Benne das Wort ergreifen. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin zunächst dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dankbar für die detaillierte und differenzierte Untersuchung der Entwicklung vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge in Sachsen-Anhalt. Hieraus können wir Anhaltspunkte ableiten, worauf wir bei zukünftigen politischen Handlungsempfehlungen und vor allem bei der Erreichung des Ziels, zu besseren Quoten zu gelangen, achten müssen.

Das sage ich aber insbesondere auch vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung zu dieser Studie. Es sind medial vordergründig zwei Botschaften transportiert worden: erstens dass es sich bei dem Anteil von 33,5 % an vorzeitigen

Vertragslösungen durchweg um Abbrüche von beruflichen Ausbildungen handelt, zweitens dass sich der Zusammenhang zwischen Ausbildungsabbrüchen und schlechten bzw. keinen Schulabschlüssen weiter zugespitzt habe. Wir haben es im Haus überprüft: Das trifft so nicht zu.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich die sehr hohe Quote vorzeitiger Vertragslösungen in unserem Land sehr ernst nehme und bereits Vorkehrungen getroffen habe, um die Situation zu verbessern. Die Statistik zu den vorzeitigen Vertragslösungen nimmt im Gegensatz zur Studienabbruchstatistik keine Differenzierung nach echten Ausbildungsabbrüchen und anderen Gründen vor. Das heißt, dass in der Quote von 33,5 % auch alle Wechsel eines Ausbildungsvertrages, beispielsweise infolge einer Betriebsschließung, und - das ist ein ganz neuer Aspekt - gar nicht angetretene Ausbildungsverträge enthalten sind.

Das zuständige Bundesinstitut für Berufsbildung sieht sich bisher nicht in der Lage, unserer Bitte nachzukommen, diese dringend notwendige Differenzierung vorzunehmen. Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration hat daher zu Beginn des Jahres mit den zuständigen Stellen vereinbart, die Anzahl der nicht angetretenen Ausbildungsverhältnisse gesondert auszuweisen.

Da das Ausbildungsjahr gerade erst begonnen hat, liegen allerdings erst vorläufige Erkenntnisse vor. Eines kann ich jedoch bereits vorwegnehmen: Die Anzahl gar nicht erst angetretener Ausbildungsverhältnisse ist beträchtlich. Würden diese aus der Vertragslösungsquote herausgerechnet, würde diese deutlich auf unter 30 % absinken.

Was bedeutet das für unser Land? - 72 % der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber haben einen Sekundarschulabschluss oder eine Hochschulreife.

Der Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Das Zahlenverhältnis zwischen Bewerberinnen und Bewerbern und Ausbildungsstellen ist statistisch nahezu ausgewogen und beträgt 1 : 1. Das hat auch das Bewertungs- und Auswahlverfahren insbesondere der leistungsstärkeren Ausbildungsuchenden grundlegend beeinflusst. Diese schließen oftmals, teilweise bereits im Vorjahr, mehrere Verträge ab und entscheiden sich dann für das beste Angebot.

Darüber hinaus liegen aus Bundesstudien Erkenntnisse darüber vor, nach welchen Kriterien die Jugendlichen auswählen und dass auch hierbei soziale Netzwerke bzw. das Internet wichtige Informationsquellen sind. Frau Hildebrandt, Sie

haben es bereits gesagt: Die jungen Menschen sind sehr gut informiert.

Es ist also richtig, dass nicht mehr allein Unterstützungsmaßnahmen vorgehalten werden sollen, um die Ausbildungsreife leistungsschwächerer und benachteiligter Jugendlicher zu fördern, was selbstverständlich weiterhin nötig ist; das machen wir auch. Gleichermaßen muss man sich der Ausbildungsreife von Betrieben - wenn ich es einmal so nennen darf - zuwenden,

(Beifall bei der LINKEN)

also der Qualität der Ausbildung und der Attraktivität der Ausbildungsbedingungen. Frau Hildebrandt, dazu möchte ich aber keine Art Bashing von Unternehmen betreiben; das klang bei Ihnen an. Die IAB-Studie hat dazu gutes Material geliefert.

Sie haben insbesondere aufgelistet, was von den Jugendlichen an Kündigungs- oder Wechselgründen genannt worden ist. Das war das Betriebsklima. Das war auch - was Sie angesprochen haben - die ausbildungsfremde Beschäftigung und es waren insbesondere auch viele Kommunikationsprobleme.

Auffällig ist auch, wenn man die Daten auswertet, dass es zwischen den Branchen und einzelnen Berufen sehr große Unterschiede gibt, in welchen Branchen sehr frühzeitig Ausbildungsverträge gelöst werden.

Deswegen sind wir der Auffassung - und das werden wir auch machen -, dass der Dialog notwendig ist mit den Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft auf der einen Seite - dazu haben wir heute Abend auf dem parlamentarischen Abend noch Gelegenheit - und den Sozialpartnern auf der anderen Seite - die brauchen wir nämlich auch -, um dann zu gucken: Wie kann man es mit einer Konzeption hinbekommen, diese Lösungsquote noch wirksamer abzusenken.

Wir sagen, dass in diesem Sinne das Anliegen einer Reduzierung der Zahl der Ausbildungsabbrüche auch ein wichtiger thematischer Schwerpunkt der Arbeit des Fachkräftesicherungspaktes sein wird. Das werden wir alsbald anstreben. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Anfragen. - Wir steigen somit in eine Fünfminutendebatte ein. Der erste Debattenredner ist Abg. Herr Keindorf für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition hat eine aktuelle

Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu der vorzeitigen Lösung von Ausbildungsverträgen in Sachsen-Anhalt zum Anlass genommen, um über dieses Thema hier zu sprechen. Das ist gut. Der eingebrachte Antrag der Linksfraktion ist es aus meiner Sicht leider etwas weniger.

(André Poggenburg, AfD: Totaler Blödsinn ist das!)

Denn dieser Antrag suggeriert, dass einzig und allein die Betriebe in unserem Land für die Abbrüche verantwortlich sein sollen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Das halte ich für unredlich,

(Zustimmung von Bernhard Daldrup, CDU)

da zentrale Ursachen, die der Bericht nur zum Teil benennt, völlig ausgeblendet werden. Der Antrag ist aus meiner Sicht auch ein Beleg für veraltetes Denken, noch dazu in einer Zeit, in der sich Auszubildende das Unternehmen immer häufiger aussuchen können.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Das ist gut so!)

Erst vorige Woche beim Aktionstag „Hände hoch fürs Handwerk“ in Halle habe ich einige Abgeordnete, selbst unseren Ministerpräsidenten bei uns in der Handwerkskammer begrüßen dürfen. Auch aus Ihrer Fraktion waren es vier Vertreter. Sie waren zahlenmäßig sehr stark vertreten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber genau das macht mich auch ein bisschen traurig, weil ich mir erhofft hätte, dass auf dieser Veranstaltung vielleicht ein differenzierter Blick auf die Ausbildung im Handwerk entstanden wäre.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Den hatten sie doch!)

Damit ich nicht missverstanden werde:

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Er hat Sie ge- lobt!)

Jeder Abbruch ist ein Abbruch zu viel. Das habe ich auch in der letzten Wahlperiode an dieser Stelle bereits gesagt. Denn jede Vertragslösung erschwert jungen Menschen den erfolgreichen Start ins Berufsleben mit einer ganzheitlichen dualen Berufsausbildung und verzögert die Fachkräftesicherung in den Unternehmen.

Allerdings muss bereits das Zustandekommen der Zahlen hinterfragt werden. Diese basieren zum Teil auf einer fragwürdigen Berechnungsgrundlage. Niemand kann mir bisher seriös erklären, warum zum Beispiel eine Vertragslösung im zweiten Ausbildungsjahr doppelt, im dritten Jahr dreifach und im vierten Jahr vierfach in der Berechnungsformel gewertet wird. Die vielen anderen Gründe, die Einfluss auf diese Statistik haben,

ohne dass ein tatsächlicher Abbruch vorliegt, hat die Frau Ministerin eben auch schon genannt.

Ein Beispiel: Laut IAB-Studie liegt die Lösungsquote im Handwerk im Jahr 2014 bei 46,5 %. Sie haben es gesagt, Frau Hildebrandt. Ich habe mir in beiden Kammern die tatsächlichen Zahlen ziehen lassen. Tatsächlich haben im Jahr 2014 in Sachsen-Anhalt in der Kammer Magdeburg 17,2 % und in der Kammer Halle 18,4 % der Auszubildenden das Ausbildungsverhältnis beendet.

Im Vergleich - das wollte ich noch sagen - liegt die Lösungsquote bei unseren Hochschulen zwischen 18 % und 55 %. Das sollte man an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. 18 % bei der Burg Giebichenstein, 25 % bei Fachschulen und Fachhochschulen und bis über 50 % bei den Universitäten unseres Landes.

Niemand bestreitet, dass vereinzelt schwarze Schafe unter den Betrieben die Qualität der Ausbildung untergraben können.

(Zustimmung bei der LINKEN)