Es gehört auch zur Wahrheit, dass die seit nunmehr zwei Jahren nicht immer auf rationaler Bewertung basierte US-amerikanische Außenpolitik ganz wesentlich Verantwortung für diese Entwicklung trägt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen den Geschehnissen in Syrien nicht tatenlos zuschauen. Wir dürfen auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Unabhängig davon, dass uns bewusst ist, dass deutsche Außenpolitik im Bundestag und durch die Bundesregierung realisiert wird und die Kompetenz nicht bei uns im Landesparlament liegt, ist es doch richtig und wichtig, dass wir uns heute mit diesem Thema auseinandersetzen. Ich danke den LINKEN, dass sie dieses Thema zur Sprache gebracht haben.
Auch wenn wir uns heute wahrlich nicht in allen Punkten einig sein werden, hoffe ich trotzdem, dass es ein deutliches Signal dieses Landtages gibt, dass wir diesen völkerrechtswidrigen Akt auch so benennen und verurteilen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten ist klar: Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türkei auf das Schärfste. Wir unterstützen die Forderung, Präsident Erdoğan vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen der türkischen Offensive in Nordsyrien anzuklagen.
Wir erwarten die Durchsetzung eines europäischen Waffenembargos gegenüber der Türkei, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erwarten die Durchsetzung von nationalen und europäischen Wirtschaftssanktionen. Die Türkei muss, unabhängig von weiteren diplomatischen Verhandlungen zur Beendigung der Krise, auch massiv erfahren, dass ihr völkerrechtswidriges Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleibt.
Der Vergleich liegt doch auf der Hand: Wie haben die europäische und die internationale Staatengemeinschaft reagiert, als Russland den völkerrechtswidrigen Akt zur Annexion der Krim vollzogen hat? Wenn man diesen Maßstab anlegt, dann
Welche Rolle zur Beendigung der Krise die von der Bundesverteidigungsministerin in die Diskussion gebrachte Sicherheitszone spielen wird, werden wir sehen. Es ist noch vieles an Fragen offen. Auch dies kann ohnehin nur durch die Vereinten Nationen entschieden werden. Der politische Alleingang jedenfalls wirkt, mit Verlaub, etwas undurchdacht und ist offenkundig auch unabgestimmt. Für mich gibt es dabei zahlreiche offene Fragen, die zu klären sind.
Die jetzt bekannt gewordene Vereinbarung zwischen Erdoğan und Putin lässt jedenfalls für die Zukunft der kurdischen Gemeinschaft nichts Gutes erhoffen - wenig für Frieden, wenig für Demokratie und wenig für Menschenrechte. Entscheidend ist nach meiner festen Überzeugung deshalb, dass wir die Diplomatie wieder siegen lassen.
Es ist auch unerträglich, dass das NATO-Mitgliedsland Türkei offensichtlich und offen gegen das Völkerrecht verstößt. Auch innerhalb der NATO muss das diskutiert und sanktioniert werden. Ich hoffe, wir haben die Gelegenheit, den Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt in der NATO PV, der Parlamentarischen Versammlung der NATO - wir haben ja einen Vertreter,
das will ich gern tun - Herrn Staatsminister Robra -, zu den Diskussionen in der Parlamentarischen Versammlung der NATO zu befragen, um uns ein Bild davon zu machen, wie das politisch diskutiert wird.
Ich bitte darum, den Antrag in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Hövelmann. Ich sehe keine Fragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Rausch junior, Herr Tobias Rausch. Sie haben das Wort. Bitte.
mit dem Titel „Verurteilung der völkerrechtswidrigen militärischen Invasion in Syrien“. Auch ich danke der Antragstellerin, dass sie diesen Antrag heute ins Plenum gebracht hat. Wir von der AfDFraktion sehen die Situation in Syrien und die damit verbundenen Ereignisse ebenso mit Sorge, daher haben wir einen ähnlichen Antrag ins Plenum gebracht.
Wie es zu den Ereignissen kam und welche Mächte ihre Interessen dort ausspielen, werde ich in meiner Rede heute Abend darlegen, daher sei mir kurz erlaubt, etwas zum Antrag und zu den Ereignissen zu sagen. Das NATO-Mitglied Türkei ist in Kampfhandlungen mit Syrien getreten, um eine Schutzzone einzurichten. Die Türkei selbst spricht von einer Friedensmission. Nur: Wie passt das mit dem Völkerrecht oder mit den Menschenrechten zusammen? Die Antwort ist einfach: überhaupt nicht.
In der Türkei wurden und werden kritische Stimmen zum Konflikt in Gefängnisse gesperrt, in jener Türkei, die die EU mit ihrem Flüchtlingsdeal erpresst, in jener Türkei, die immer noch EU-Mitgliedsstaat werden will. Ich denke, dass jedem klar sein sollte, dass dieses Vorgehen zu verurteilen ist, meine Damen und Herren; denn die Leidtragenden der türkischen Invasionsbestrebungen und, damit einhergehend, der von der türkischen Regierung zu verantwortenden Gräueltaten ist insbesondere die kurdische Zivilbevölkerung.
Aber wie ist das möglich geworden? Der Norden Syriens wurde von der YPG kontrolliert. Dort haben die Kurden einen autonomen Staat errichten wollen. Nach dem Abzug der kriegsmüden USA werden die Karten nun in Syrien neu gemischt zwischen den Kurden, der Türkei, der Assad-Regierung und Russland.
Es sind die Szenen eines überstürzten Abzuges. Mühevoll drängt sich ein US-Konvoi durch die Straßen von Kamischli in Syrien, vorbei an der aufgebrachten Menge, die wütend und verzweifelt versucht, die Soldaten aufzuhalten. Die Kurden haben an der Seite der USA gegen den Islamischen Staat gekämpft. Nun, da die USA das Feld für die türkische Offensive gegen die Einheiten der YPG räumt, fühlen sie sich im Stich gelassen. Ein kurdischer Sprecher wird wie folgt zitiert:
Nach jahrzehntelangen Kriegen im Nahen Osten sind die Amerikaner kriegsmüde, die USA geben den Sheriffstern in Syrien ab. Es sieht so aus, als ob der Interventionismus der Großmacht, die die Nachkriegsordnung so wie keine andere geprägt hat, zu Ende geht. Zitat: „Jeder, der in Syrien helfen will, die Kurden zu beschützen, ist mir recht
- ob Russland, China oder Napoleon Bonaparte. Ich hoffe, sie machen das gut, wir sind 7 000 Meilen entfernt.“, twitterte Donald Trump.
Was die Türkei will: Erdoğan wollte entlang der gesamten syrischen Grenze auf einer Breite von 35 km eine Schutzzone errichten, das heißt im Grunde eine Besatzungszone. Dort befinden sich aber alle wichtigen Städte, die die Kurden haben, auch Teile der Öl- und Gasfelder liegen dort, und es ist ein sehr wichtiges strategisches Gebiet. Was die Türkei eigentlich verhindern wollte, ist, dass in Syrien ein kurdisches Autonomiegebiet entwickelt und etabliert wird. Deshalb spricht die Türkei auch von Antiterroraktionen, die sie durchführt; denn dieses Gebiet wurde von der Organisation YPG kontrolliert, die der PKK nahesteht und in der Türkei schon seit mehr als 40 Jahren einen Guerillakrieg führt.
Neue Ereignisse gab es in Sotschi. Russland und die Türkei trafen sich dort und vereinbarten nach sechseinhalbstündigen Verhandlungen zwischen Putin und Erdoğan eine Feuerpause. Am Längsten aber hat man darum gerungen, wie groß die Sicherheitszone sein soll und wer sie kontrolliert. Putin - ich zitiere -: In sehr langen, angespannten Gesprächen ist es uns gelungen, eine Lösung zu finden, die meiner Meinung nach sehr wichtig und schicksalsträchtig ist. Sie ist die Lösung für die sehr komplizierte Situation an der syrisch-türkischen Grenze.
Russische Militärpolizisten und syrische Armee sollen nun dafür Sorge tragen, dass sich die kurdische YPG aus diesem Sicherheitsstreifen bzw. -zonen zurückzieht. Danach soll es türkischrussische Patrouillen in einer 10 km breiten Pufferzone geben, Erdoğan hatte 35 km gefordert; und es scheint, als ob die Russen auf dieses Abkommen abzielen. Sie wollen die Normalität zwischen Ankara und Damaskus herstellen; denn es gab schon einmal eine Vereinbarung zwischen beiden Staaten.
Die Schutzzone wird jetzt wohl voraussichtlich auf den Gebieten zwischen Akçakale und Ras al-Ain auf einer Breite von 10 km gezogen, und Erdoğan sagt dazu - Zitat -: In das Gebiet, das von Terroristen gesäubert werden soll, sollen Flüchtlinge ziehen, die aus Syrien stammen. Es geht um Millionen Menschen. Bei der Umsiedlung hoffen wir auf internationale Hilfe. Der Vorschlag aus Deutschland von Annegret Kramp-Karrenbauer, eine internationale Schutzzone einzurichten, spielt derweil keine Rolle.
Und was ist das Ende? Erdoğan hat mit seinem Instinkt, die Situation auszunutzen und die Schwächen der Amerikaner zu nutzen, seine politischen Ziele erreicht. Er hat die Opposition im eigenen Land, die ihn angreifen wollte, gespalten und Teile hinter sich gebracht. Er hat - -
(Sebastian Striegel, GRÜNE: Weniger re- den, mehr sagen! - Gegenruf von der AfD: Das sagt der Richtige! - Heiterkeit bei der AfD)
Auf jeden Fall, um es kurz zu machen - ich habe ja heute Abend noch einmal Zeit -: Dem Ansinnen der Fraktion DIE LINKE stimmen wir zu. Die Handlungen lehnen wir strikt ab und sind auch ein wenig darüber besorgt, wie die Äußerungen mancher Vertreter der Regierungsparteien waren.
Vielen Dank, Herr Abg. Rausch. - Wir kommen zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Frederking. Sie haben das Wort. Bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Weit weg - und dennoch sind wir Zeugen der schrecklichen Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien. Auf Veranlassung des türkischen Präsidenten Erdoğan ist die Kurdenmiliz angegriffen worden. Wir verurteilen das Agieren Erdoğans und seines Militärs. Diese Position wollen wir als deutliches Signal senden. Unsere Solidarität gilt den syrischen Kurdinnen und Kurden, die dort nicht mehr in Sicherheit leben können. Sie sind die Leidtragenden und müssen schon wieder Tote beklagen. Es ist eine humanitäre Katastrophe.
Wie ohnmächtig sehen wir einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Es gibt keinerlei Legitimation für die Türkei zu dieser völkerrechtswidrigen Invasion; denn es gab keine Angriffssituation seitens der Kurden auf die Türkei und keine Selbstverteidigungssituation für die Türkei.
Wenn Erdoğan von „Schutzzone“ spricht und vorgibt, sein Land vor den Kurdinnen und Kurden schützen zu wollen, dann ist das zynisch und menschenverachtend. Erdoğan geht es um die Erlangung der Hoheit über eine Region außerhalb des eigenen Staatsgebietes, und dort sind ethnische Säuberungen zu befürchten. Die erfolgte militärische Eroberung wird die Region hingegen leider weiter destabilisieren und Fluchtbewegungen auslösen. Neue Folgekonflikte drohen.
Was kann Deutschland tun, was kann die EU tun, um das traurige Schicksal der Kurdinnen und Kurden zu beenden, um die Sicherheit wiederherzustellen, die gerade durch die aus den Gefängnissen geflüchteten Kämpferinnen und Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat bedroht ist?
Um es klarzustellen: Der richtige Ort für die Diskussion dieser Fragen ist der Deutsche Bundestag, und auch wenn entsprechende Entscheidungen nicht beim Landtag von Sachsen-Anhalt liegen, können wir Fragen nach dem Engagement und der Verantwortung Deutschlands und der EU stellen, auch Fragen nach der Betroffenheit von Sachsen-Anhalt.
Als GRÜNEN-Landtagsfraktion meinen wir, es gehört auch zur Verantwortung, in Syrien inhaftierte deutsche IS-Kämpferinnen und -Kämpfer und ihre Angehörigen mit deutscher Staatsbürgerschaft zu übernehmen, um diese für ihre Straftaten hier strafrechtlich zu belangen. Nicht zuletzt, um sie weiter hinter Gittern zu halten und ihr Fliehen oder auch unbemerktes Rückkehren und damit die Fortführung ihrer Gefährdungen und im schlimmsten Fall ihrer Massaker zu verhindern, egal ob in Syrien, in anderen Ländern des Nahen Ostens oder in Europa.
Ein wesentlicher Aspekt ist dabei auch, im Sinne des Kindeswohls die Kinder der Täterinnen und Täter in Deutschland aufzunehmen.
Mindestens ein Fall einer IS-Kämpferin aus Sachsen-Anhalt ist bekannt. Vor dem Hintergrund des Präventionsansatzes wird die Landeszentrale für politische Bildung beim „Fachtag Islamismus“ die Fragen stellen: Welche Probleme werden sich bei rückkehrenden Familien von IS-Kämpferinnen und -Kämpfern ergeben? Auf welche sozialen Herausforderungen müssen sich Kindergarten, Schule und Gesellschaft angesichts traumatisierender Erfahrungen einstellen?
Um einen weiteren furchtbaren Konflikt mit Gewalt, Tod, Vertreibung und Flucht in einer ohnehin schon krisengeschüttelten Region abzuwenden, bedarf es einer klaren Haltung des Bundes und der EU. Die Entscheidungen liegen beim Bund und müssen schnell getroffen werden, denn täglich werden neue Tatsachen geschaffen, wie gestern durch die ins Grenzgebiet eingezogene russische Militärpolizei. Dennoch: Alleingänge und Schnellschüsse verbieten sich. Wir Europäerinnen und Europäer haben es bislang den USA überlassen, für Sicherheit zu sorgen. Nachdem das USMilitär weg war, ist eine Kettenreaktion ausgelöst worden. Diejenigen, die gegen den IS gekämpft haben, werden im Stich gelassen.
Ja, es ist wünschenswert, dass Deutschland und die EU mehr Verantwortung übernehmen und sich mehr einsetzen. Und Ideen stehen im Raum: neu der NATO-Einsatz mit Beteiligung von europäischen Kräften als neutrale Schutzmacht, Wirtschaftssanktionen, keine Waffen mehr in die Türkei, keine Hermes-Bürgschaften, EU-Sonderbotschafter, Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, Unterstützung der demokratischen Kräfte in der Türkei.