Protocol of the Session on October 23, 2019

wie Sie so vieles, was auf den Attentäter von Halle zutrifft, bei der AfD nicht finden werden. Dennoch geben Sie der AfD eine Mitschuld am Attentat von Halle. Das ist grotesk. Das ist verwerflich und widerwärtig. Leider fallen mir dazu keine anderen Worte ein.

(Zuruf von der AfD: Das ist richtig!)

Sie geben einer demokratischen Partei, die im Bund, in den Ländern, in vielen Kommunen und im Europäischen Parlament durch viele Tausend Wähler legitimiert ist und täglich für die Belange aller Bürger streitet, die Mitschuld an

einem Attentat, das sich aus einer abzulehnenden Fantasie heraus gezielt gegen Einzelne richtete.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Der Täter ist aus Ihrem Vogelschiss gekrochen! Aus Ih- rem Vogelschiss!)

Hören Sie auf damit! Hass- und Hetzreden stehen Ihnen nicht gut zu Gesicht - Ihnen schon, Herr Striegel.

Hören Sie auf damit, Ihren in diesem Fall erbärmlichen Machterhaltungswahlkampf auf dem Rücken von 30 000 AfD-Mitgliedern und zig Millionen Wählern auszutragen.

(Beifall bei der AfD)

In Deutschland ist etwa jeder 500. Mensch ein Jude. Aktuell leben ca. 83 Millionen Menschen in unserem Land. Somit ist davon auszugehen, dass etwa 160 000 Juden in der BRD ein Zuhause haben. Eine klare Minderheit, aber eine bedeutende. Ich bin froh, dass es nach 1945 wieder Juden gab und gibt, die in unserem Land ihre Heimat haben und die, wie bereits in preußischer Zeit, unsere Gesellschaft bereichern.

(Beifall bei der AfD)

Heute ist davon auszugehen, dass viele unserer jüdischen Mitbürger staatstragender sind als manch ein Landsmann, der mit seinem Konsumismus oder falsch verstandenen Individualismus den Tag verlebt.

Auf der Frankfurter Buchmesse am vergangenen Wochenende stellten Frau Dr. Vera Kosova und Herr Artur Abramovych auf dem Messestand ihren neuerschienenen Sammelband „Was Juden zur AfD treibt“ vor. Beide sind Juden, die als Kontingentflüchtlinge in den 90er-Jahren nach Deutschland kamen und angekommen sind. Kosova und Abramovych forderten auf der Buchmesse insbesondere, dass sich die Politik - also wir hier und unsere Kollegen in den Ländern und im Bund - endlich einmal offen und ehrlich mit dem Problem der Juden im Land auseinandersetzt. Es ist schlimm genug, dass dies in Deutschland im Jahr 2019 überhaupt noch gefordert werden muss und nicht schon längst passiert.

Sieht man das Attentat von Halle als eine Art Zäsur, dann wäre es spätestens jetzt an der Zeit, sich dem Thema endlich aufgeschlossen und ehrlich zu widmen - allein mir fehlt der Glaube daran. Denn die Grundvoraussetzung für eine offene und ehrliche Debatte zu dem Thema „die BRD und ihre Juden“ ist: Sie müssten sich selbst und den Bürgern unseres Landes gegenüber erst einmal ehrlich sein und zugeben, woher die große Gefahr für die Sicherheit, die Unversehrtheit und die Freiheit der Juden in unserem Land kommt. Ich sage es klar und deutlich: Die große Gefahr,

das große Problem des Antisemitismus kommt zu einem großen Teil auch aus dem muslimischen Kulturkreis.

(Beifall bei der AfD)

Das ist Punkt 1. Punkt 2 ist: Wenn wir dahin gehend einen Konsens haben, sollten wir schauen, wie wir damit umgehen und welche Maßnahmen zu folgen haben. Leider sind wir vom Punkt 2 noch sehr, sehr weit entfernt. Denn außer uns, der AfD, gibt es fast niemanden in der Politik, der das Grundproblem erkannt hat oder erkennen will und auch tatsächlich benennt.

Eine Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2017 macht das Problem deutlich. Die Studie stellt klar heraus, dass der ganz große Teil der Angriffe auf Juden in Deutschland durch Muslime begangen wird und sich der Rest auf rechts und links aufteilt. Das hat vor einiger Zeit auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in der Staatskanzlei klargestellt. Das ist die Realität im Jahr 2019 in der BRD. Eben dieser Realität müssen wir uns alle bewusst werden, erst dann können wir wirklich in die weiterführende Debatte einsteigen.

Möchten Sie ein Beispiel erfahren, das meine These untermauert, wie weit einige noch von der Realität entfernt sind? - Ich gebe es Ihnen: Nach dem Attentat von Halle besuchte Bundeskanzlerin Merkel eine Solidaritätskundgebung vor der neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin, eine Kundgebung vor eben jener Synagoge, welche am Freitag zuvor von einem 23-jährigen Ausländer mit einem Messer angegriffen worden war. Glücklicherweise konnte dieser Täter überwältigt werden, bevor er irgendwelchen Menschen Schaden zufügen konnte.

Dass der Attentäter von Berlin bereits kurz nach der Tat wieder auf freien Fuß kam und sein Angriff auf ein jüdisches Gotteshaus zunächst nicht durch Solidaritätskundgebungen flankiert wurde, ist beispielhaft. Dass unser Innenminister danach keinen Anlass sah, die Synagogen in SachsenAnhalt zu schützen, ist mehr als nur fehlerhaft.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Mein Kollege Gauland bezeichnete so etwas im Deutschen Bundestag als die selektive Betroffenheit der Altparteien, die den Eindruck erweckt, dass die Mahnwachen nicht jüdischen Opfern gelten, sondern eher den passenden Tätern, wenn sie politisch in den Kram passen, um sie gegen den politischen Gegner in Stellung zu bringen.

Den Juden im Land hilft all das nicht, genauso wenig wie es unserem ganzen Land hilft. Vielleicht ist an dieser Stelle, damit wir zumindest hier in Sachsen-Anhalt bei einer grundsätzlichen Pro

blemlösung vorankommen, eine Enquete-Kommission ratsam. Herr Striegel schlug zuletzt schon eine zum Thema Kirchenstaatsverträge für die kommende Legislaturperiode vor. Parallel sollten wir uns dann auch mit den Juden im Land, mit deren Ängsten, Sorgen und Problemen befassen.

Wir als AfD, die wir bereits vor mehr als einem Jahr in Kontakt mit dem Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt traten, behalten das im Hinterkopf.

Es braucht, wie ich eben sagte, die gemeinsame Debatte der Fraktionen hier im Landtag mit den Juden und ihren Organisationen im Land. Einzelne, unabgesprochene, reaktive Vorstöße sind an dieser Stelle völlig unangebracht - und doch gibt es sie: Die Fraktion der SPD veröffentlichte ihren Fünfpunkteplan - ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus -, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Aktionsplan gegen Antisemitismus und Hasskriminalität - immerhin zwölf Seiten -, die Sonderinnenministerkonferenz eine Abschlusserklärung mit zehn Forderungen und das hiesige Innenministerium ein Zehnpunktemaßnahmenpaket. - Alles gut und schön. So weit, so gut.

Aber, meine Damen und Herren, warum kocht hier jeder sein eigenes Süppchen? Warum geht das - wenn man das schreckliche Attentat von Halle als Zäsur betrachtet - nicht auch im Konsensverfahren?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Weil es in der Demokratie Aushandlungsprozesse gibt!)

Vielleicht - ich muss mich leider wiederholen - weil Sie dann erst das Hauptproblem beim Namen nennen müssten, und das wollen oder können einige hier leider nicht.

Sie werden sehen, dass Ihre eilig zusammengeschriebenen Maßnahmen wieder nicht viel mehr sind als geduldiges Papier - geduldiges Papier zum Leidwesen der Menschen, die einem leider zu erwartenden nächsten Anschlag irgendwie zum Opfer fallen könnten.

Meine Damen und Herren! Solide, nüchterne und zielführende Innenpolitik sieht für mich bei Weitem anders aus. Insbesondere das Papier der GRÜNEN-Fraktion kann vor dem Hintergrund der aktuellen Einlassungen ihrer Parteikollegin und Bundestagsvizepräsidentin Roth nur als Schaufensteraktionismus betrachtet werden. Einerseits fordert die hiesige Landtagsfraktion der GRÜNEN die rigorose Bekämpfung des Antisemitismus im Land, macht uns als AfD als geistige Brandstifter für Halle mitverantwortlich,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Völlig zu Recht!)

andererseits herzt ihre Parteigenossin die größten Judenhasser und macht Antisemitismus in Deutschland wieder salonfähig.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Wäre so etwas moralisch - was es nicht ist -, wäre es Doppelmoral. Aber eigentlich ist es nur zynisch und ein Hohn gegenüber allen Opfern des Antisemitismus.

(Robert Farle, AfD: Richtig! - Tobias Rausch, AfD: Schämen sollten Sie sich!)

Denn wie kann man es anders interpretieren, wenn sich Frau Roth auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem iranischen Botschafter Ali Reza Sheikh Attar abklatscht, der persönlich für Hunderte Todesurteile gegen Kurden verantwortlich war.

Noch schlimmer die LINKE-Politikerin Inge Höger, die gemeinsam mit militanten Islamisten auf einem Schiff in Richtung Gaza fuhr und einen Schal mit einer Landkarte trug, auf der der Staat Israel fehlte.

Im Jahr 2014 rief Höger, die mittlerweile Sprecherin des Landesvorstands NRW der LINKEN ist, zu einer Anti-Israel-Demo in Essen auf. Auf dieser Demo wurde dann in Parolen der Holocaust geleugnet und „Tod den Juden“ geschrien sowie mehrfach der Hitlergruß gezeigt. Deswegen sollten die GRÜNEN und die LINKEN noch einmal überdenken, was sie hier äußern.

(Lebhafter Beifall bei der AfD)

Werter Herr Innenminister, eingangs kam ich bereits auf Sie zu sprechen. Das, was Sie als politisch Verantwortlicher am 9. Oktober 2019 lieferten, war und ist für uns nicht zu akzeptieren. Bereits bei der Vorbereitung des Versöhnungsfestes haben Sie versagt, zumindest an der Stelle, als die Jüdische Gemeinde Halle Sie um verstärkten Schutz bat und Sie diesen ablehnten. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen, ob die zwei Todesopfer heute noch leben könnten, hätten Sie entsprechende Sicherheitsmaßnahmen rund um die hallesche Synagoge angeordnet, insbesondere nach dem im Vorfeld passierten Anschlag in Berlin.

Wie diversen Berichterstattungen zu entnehmen ist, sicherten die Innenminister anderer Länder jüdische Einrichtungen an diesem Tag verstärkt. Warum geschah das nicht auch in SachsenAnhalt?

Ja, Herr Innenminister, Sie haben rund um den 9. Oktober versagt und sollten Ihre persönlichen und ministeriellen Konsequenzen ziehen. Da Sie das augenscheinlich nicht von selbst tun, werden

wir uns mit diesem Thema morgen nochmals zu beschäftigen haben.

Die heutige Regierungserklärung und die Aussprache dazu sind flankiert von zwei Anträgen. „Entschließung in Reaktion auf den antisemitischen und rassistischen Terrorakt vom 9. Oktober 2019 in Halle“, so lautet der Titel des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Der Antrag der KeniaKoalition trägt den Titel „Halle mahnt. Rechten Terrorismus stoppen. Antisemitismus, Rassismus und der Verbreitung von Hassideologien mit allen Mittel des Rechtsstaates entgegentreten“.

Solche Anträge waren zu erwarten; das meine ich absolut nicht negativ. Den elf Forderungen des Kenia-Antrags kann man nicht grundsätzlich widersprechen, da diese zu einem sehr großen Teil ausformulierte Selbstverständlichkeiten sind. Nun gut, hinsichtlich einer noch weiter zu verstärkenden politischen Bildung habe ich Vorbehalte. Wir müssen sehen, was daraus wird: tatsächlich weitergehende Aufklärung oder doch wieder nur ideologische Verklärung?

Schlichtweg irreführend ist der Titel des Antrags; denn es gab, wie ich eben zu dem Attentäter von Halle, Stephan B., ausführte, in Halle keinen rechten Terrorismus. Antijüdisch - ja, antisemitisch - ja, rechtsextrem oder gar rechts motiviert - nein.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie erkennen den rechten Terror nicht einmal, wenn Sie vor ihm stehen! Das ist echt bezeichnend!)

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE geht, wie zu erwarten, einige Schritte weiter als der KeniaAntrag. Dass auch Sie, werte Kollegen von der LINKEN, eine Enquete-Kommission in Betracht ziehen, verbindet schon einmal unsere Fraktionen im Kampf gegen den Antisemitismus im Land. Das freut mich. Sicherlich werden wir nicht in allen Punkten hinsichtlich der Aufgaben und Fragestellungen für diese Kommission übereinkommen, das zeigt schon Ihr vorliegender Antrag, welcher sich zu sehr auf Nebenschauplätze konzentriert. Aber darüber kann man bestimmt sprechen. Das zu behandelnde Problem ist nämlich zu wichtig, als dass man hierbei ideologische Scheuklappen aufsetzen sollten.

Dass wir, werte LINKE, Ihre Forderung nach Mittelaufstockung für Miteinander usw. ablehnen, sollte Sie nicht überraschen; denn wir stellen kein Steuergeld für Ideologen und Antidemokraten zur Verfügung.

(Beifall bei der AfD)