Protocol of the Session on September 26, 2019

(Befall bei der SPD)

Mit der Großen Anfrage, um die es heute geht, wollen wir als SPD-Fraktion die Grundlage für weitere Initiativen wie den ebenfalls vorliegenden Antrag zu einer Engagementstrategie des Landes schaffen. Mit der Antwort der Landesregierung hat sich vieles gezeigt, allem voran, dass SachsenAnhalt eine engagiertes Bundesland ist, aber leider auch, dass im Vergleich zu den anderen Bundesländern noch viel Luft nach oben ist; denn wir sind im Bundesvergleich leider auf dem letzten Platz.

Dennoch: Die Engagementquote in SachsenAnhalt liegt bei 63,7 %. Die Tendenz ist steigend. Mehr als die Hälfte dieser Menschen investiert bis zu zwei Stunden pro Woche für ehrenamtliches Engagement, ein gutes Fünftel sogar drei bis fünf Stunden pro Woche.

Während zwar die Quote der sich engagierenden Menschen insgesamt steigt, sinkt leider der Anteil der langfristig Engagierten. Das ist nicht zwangsläufig eine schlechte Nachricht, sicherlich aber eine Herausforderung für bürgerschaftliches Engagement; denn auch Engagement ist seit vielen Jahren im Wandel vom langfristigen Ehrenamt zum ungebundenen sporadischen Engagement.

Es fällt auf, dass sich die unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung auch unterschiedlich stark engagieren. Es engagieren sich mehr Männer als Frauen. Ich habe die Vermutung, dass die immer noch stärker eingeschränkte Zeitsouveränität der Frauen durch Haushalt und Sorgearbeit hier einfach durchschlägt. Ich vermute auch, dass genau deshalb mehr jüngere Menschen Zeit für bürgerschaftliches Engagement haben als die etwas älteren Semester.

Freiwilliges Engagement hängt auch stark vom Bildungsgrad und vom Einkommen ab. Es ist klar erkennbar: Je höher der Bildungsabschluss oder das Einkommen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, sich zu engagieren.

Das Merkmal Migrationshintergrund zeigt uns, dass sich Menschen mit einem Migrationshintergrund tatsächlich nur zu 31 % ehrenamtlich engagieren, während die Vergleichsgruppe bei 47 % liegt.

Ein weiterer signifikanter Einflussfaktor ist der regionalräumliche Bezug. So haben Regionen mit einer hohen Arbeitslosenquote einen geringen Anteil an Engagierten. Ländlich geprägte Räume haben wiederum einen hohen Zusammenhalt und mehr soziale Integration als Städte. Vielleicht ist auch das ein guter Grund, um eher im ländlichen Raum zu leben.

Wer Engagement stärker fördern will, tut gut daran, sich diese unterschiedlichen Gruppen genau anzuschauen, ihre Bedürfnisse und Zwänge genauer zu betrachten und mitzudenken.

Eine zunehmend wichtige Engagementgruppe sind die Freiwilligendienstleistenden. In SachsenAnhalt haben 2017/2018 ca. ein Fünftel der Schulabgänger und Schulabgängerinnen einen Freiwilligendienst absolviert. Aus ESF-Mitteln werden derzeit jährlich 350 Plätze gefördert, die stets ausgelastet sind.

Freiwilligendienste tragen durch den Erwerb sozialer und fachlicher Kompetenzen und bei dem einen oder anderen auch mit einem Ausblick auf den für sie relevanten Beruf erheblich zur persönlichen Entwicklung bei. Ich glaube, wer im Freiwilligen Sozialen Jahr einen Einblick in Krankenversorgung, Altenversorgung erhält, überlegt sich danach genau, welchen Beruf er ergreift. Es gibt viele, die in diesen Berufsfeldern bleiben und genau wissen, auf welche Herausforderungen sie sich im Beruf einstellen müssen.

Jedoch fehlt es aus der Sicht durchführender Trägerinnen in Sachsen-Anhalt unter anderem an der Anerkennungskultur, zum Beispiel durch die Anrechnung erworbener Kompetenzen für den beruflichen Werdegang. Es fehlt auch an der Ermäßigung im öffentlichen Nahverkehr. Als SPDFraktion hatten wir deshalb den Antrag „Freiwilligendienstleistende in ihrer Mobilität besser finanziell unterstützen“ initiiert; er ist hier auch beschlossen worden.

Entsprechend positiv sehen wir die Verbesserungen, die das BMFSFJ anstrebt, wie ein einheitliches Freiwilligengeld und Zuschüsse für den ÖPNV. Ich glaube, die Zeit dafür ist reif.

Meine Damen und Herren! Bei vielem sind wir in den letzten Jahren in Sachsen-Anhalt weitergekommen, so beim Versicherungsschutz für Ehrenamtliche, bei Kostenerstattungen oder Freistellungen. Wir haben eine Vielzahl engagementfördernder Strukturen, die aber sehr unterschiedlich aufgestellt und oft stark von Projektmitteln abhängig sind.

In trägerübergreifenden Strukturen von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen bis zu einzelnen Trägern und Verbänden wird eine Vielzahl von Projekten durchgeführt, auch von Bund und Land finanziert.

Die Unterstützung durch die Landesregierung ist vielfältig. Sie reicht von Personal- und Sachkosten bis hin zur Unterstützung von Strukturen, Maßnahmen und Projekten. Dafür, glaube ich, dürfen wir uns insgesamt als Haushaltsgesetzgeber, aber auch als Landesregierung loben, dass wir das hinbekommen haben.

Vom Servicelearning über Schülerassistenten bis hin zu Kulturfördervereinen gibt die Antwort auf die Große Anfrage einen umfassenden Überblick über die konkreten Unterstützungen durch die Landesregierung. Es ist sehr positiv, dass in allen Ressorts und auch ressortübergreifend Förderung stattfindet und die Zusammenarbeit weiter gestärkt werden soll.

Man hat richtig erkannt, dass Engagementförderung als zentrale Querschnittsaufgabe zu sehen ist. Es gehören auch Formen der Anerkennungskultur dazu. Wir werden in diesem Jahr im Dezember erneut gemeinsam bei der Veranstaltung „Politik sagt Danke“ Ehrenamtliche im Land wertschätzen. Auch auf einzelne Engagementpreise von Fraktionen sei an dieser Stelle hinzuweisen. Ich glaube, gemeinsam tun wir eine Menge für die Anerkennung.

Aus unserer Sicht fehlt aber eine Engagementstrategie, die Ziele und Prioritäten für die Landesförderung formuliert. Es ist gut, dass die Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage bereits deutlich macht, dass sie die Engagementförderung so ausgestalten möchte, dass mehr Menschen motiviert werden, sich zu engagieren, und die spezielle Förderung unterrepräsentierter Gruppen erwähnt.

Genau hierbei kann eine Engagementstrategie ansetzen. Bei Maßnahmen zur Stärkung und Aktivierung sind aus unserer Sicht Faktoren wie Alter, Geschlecht, Behinderung, Wohnort, Herkunft und Zeitsouveränität dringend zu beachten. Die tiefgreifenden bereits vonstattengehenden gesellschaftlichen Veränderungen wie die Digitalisierung und der demografische Wandel verändern die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens und damit auch das Engagement. Sie müssen deshalb entsprechend mitgedacht werden.

Aus unserer Sicht ist der Prozess der Erarbeitung einer Engagementstrategie am besten bei der bereits bestehenden interministeriellen Arbeitsgruppe „Bürgerschaftliches Engagement“ aufgehoben. Aber es darf auf keinen Fall ein Prozess von oben nach unten initiiert werden.

Die Strategie muss im Dialog und auf Augenhöhe mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren erarbeitet werden. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass das möglich ist. Hierbei lohnt sich insbesondere ein Blick nach Baden-Württemberg.

In die Erarbeitung sollen aber auch die kommunalen Spitzenverbände eingebunden werden. Engagement passiert vor Ort, in unseren Städten und Gemeinden. Der Gewinn des Engagements, der sich auch auf der kommunalen Ebene niederschlägt, muss durch eine gleichlaufende Unterstützung der kommunalen Ebene sichergestellt werden.

Engagement ist und bleibt trotz alledem gelegentlich unbequem und hat einen eigenen Gestaltungswillen. Diesen wollen und dürfen wir nicht einschränken.

Meine Damen und Herren! Eine Engagementstrategie ist gut für die Engagementlandschaft unseres Landes und kann helfen, bestehende Barrieren weiter abzubauen und die Förderung des Engagements auf breitere und verlässlichere Strukturen zu stellen.

Um eine solche Strategie zu erarbeiten, müssen wir nicht bei null anfangen. Das hat die Große Anfrage gezeigt. Es gibt eingespielte Kooperationen zwischen Land, Kommunen und Zivilgesellschaft, aber auch innerhalb der Vereins- und Verbändelandschaft. Es gibt auch jede Menge Knowhow und tolle Ideen. Sie müssen nur in einem offenen Dialog zusammengeführt werden.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Antrag, der gemeinsam mit der Großen Anfrage beraten wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Dr. Pähle für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht jetzt Ministerin Frau GrimmBenne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bürgerinnen und Bürger, die sich in Sportvereinen, in der Nachbarschaft oder im Förderverein der Kita engagieren, setzen sich für den Zusammenhalt und ein lebenswertes Umfeld ein, das wir gemeinsam mitgestalten können.

Laut dem Länderbericht „Bürgerschaftliches Engagement in Sachsen-Anhalt“, der regelmäßig durch die Staatskanzlei erstellt wird, trägt bürger

schaftliches Engagement zur Steigerung der Lebensqualität und zur Identifikation mit dem gesellschaftlichen Umfeld bei.

Damit ist Engagement eine unverzichtbare Stütze unserer Demokratie. Dieses wertvolle Engagement verdient Respekt und Würdigung, sorgt es doch dafür, dass Menschen teilhaben können, sich eben nicht zurückziehen, sondern sich mit Zugewandtheit begegnen.

Freiwilliges Engagement tut auch den engagierten Menschen selbst gut. Menschen, die sich freiwillig engagieren, sind über gemeinschaftliche Tätigkeiten in die Gesellschaft eingebunden. Sie lernen andere Freiwillige kennen, haben Freude an gemeinsamen Aktivitäten und bilden sich im Rahmen ihres Engagements weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wie steht es in Sachsen-Anhalt um das vielfältige Engagement? - Dazu wurden schon einige Ausführungen gemacht. Ich möchte deshalb ergänzen, dass in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion steht, der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die sich engagieren, ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Das freut mich persönlich sehr.

Motive der Menschen, aber auch der Einfluss des gesellschaftlichen Wandels auf das Engagement werden betrachtet. Hier zeigt sich übrigens, dass die Zuwanderung durch Geflüchtete ein enormes Maß an Engagement freisetzen konnte.

Es zeigt sich ebenso die wachsende Bereitschaft, sich im unmittelbaren Lebensumfeld zu engagieren. Eltern engagieren sich für Kinder und Jugendliche, Ortsansässige werden in örtlichen Feuerwehren tätig, jüngere Seniorinnen und Senioren setzen sich für das Wohl Älterer ein. Das größte Interesse besteht an der Mitwirkung in Sportvereinen im eigenen Wohnort.

Die Anfrage informiert über die von der Landesregierung gesetzten Rahmenbedingungen für gelingendes Engagement und zeigt die Elemente der Engagementförderung in zahlreichen Themenfeldern aller Ressorts auf. Ja, es stimmt, Engagementförderung ist ein Querschnittsthema. In nahezu allen Ressorts der Landesregierung werden im Rahmen verschiedener Programme, Richtlinien etc. Maßnahmen des bürgerschaftlichen Engagements gefördert.

In allen Ressorts gibt es Themenfelder, in die freiwillig Tätige integriert werden können. Hierbei denke ich an die Ehrenamtlichen in der Justiz, der Katastrophenhilfe, an die vielen Bereiche kulturellen Engagements oder im Bereich des Umweltschutzes, und nicht zuletzt an diejenigen, die in der Kommunalpolitik in den Gemeinderäten ehrenamtlich die Politik vor Ort mitbestimmen.

Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt auch den Koordinierungs- und Vernetzungsbedarf, der derzeit von der Staatskanzlei wahrgenommen wird. Hier treffen sich die Verantwortlichen für die Förderbereiche in der interministeriellen Arbeitsgruppe „Bürgerschaftliches Engagement“. Hier werden die jährlichen Veranstaltungen zur Würdigung von Engagierten organisiert.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit einem Ausblick auf die künftige Entwicklung beginnt eine Diskussion zur künftigen Bedeutung der Mitwirkungsbereitschaft der Menschen und zu einer neuen Engagementstrategie des Landes. Denn es wird deutlich, dass die Aufnahme einer freiwilligen Tätigkeit von verfügbaren Ressourcen wie Geld, Bildung und Zeit sowie der Einbindung in Netzwerke abhängig ist.

So engagieren sich Schülerinnen und Schüler und Menschen mit hohem Schulabschluss häufiger als Menschen mit mittlerer und niedriger Schulbildung. Jüngere Menschen engagieren sich am häufigsten, wohingegen Menschen ab 65 Jahre am seltensten aktiv sind.

Erwerbstätige engagieren sich häufiger als Rentner und Rentnerinnen oder Arbeitsuchende. Menschen, denen es nach eigener Auffassung finanziell gut geht, engagieren sich mit 50 % fast doppelt so häufig wie Menschen, die ihre finanzielle Lage als sehr schlecht einschätzen.

Deshalb ist eine intensivere Abstimmung notwendig, um beispielsweise die Zugänge von bisher zu wenig angesprochenen Gruppen wie Arbeitslose, ältere Menschen mit Behinderung und Migrantinnen zu verbessern. Zudem ist ein Drittel der Bevölkerung bereit, sich stärker als bislang zu engagieren. Dieses Potenzial wollen wir erschließen.

Eine Engagementstrategie, meine Damen und Herren Abgeordneten, bietet die große Chance, eine stärkere Teilhabe zu eröffnen. Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe zum bürgerschaftlichen Engagement, die von der Staatskanzlei und dem Ministerium für Kultur einberufen wurde, bietet ein passendes Gremium, um die Planung zu konkretisieren und voranzubringen. Auch der gemeinsame Antrag der Regierungsfraktionen dazu bietet uns die Chance, eine wirkliche Strategie aufzubauen.

Denn es nützt überhaupt nichts, sie im stillen Kämmerlein auf einem Ministeriumsschreibtisch zu gestalten. Im Sinne des Koalitionsvertrages brauchen wir einen Schulterschluss mit den vielen Engagierten aus Kommunen, Vereinen, Verbänden, Initiativen, Kirchen und Gewerkschaften. Ich freue mich darauf, mit ihnen zusammen diese Strategie entwickeln zu können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Ministerin, Frau Heiß hat sich zu Wort gemeldet. - Frau Heiß, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Ministerien, Frau Dr. Pähle sagte es ähnlich wie Sie, dass es sehr viele Menschen in vielen Altersbereichen in Sachsen-Anhalt gibt, die sich in Verbänden, Initiativen, Vereinen engagieren.

Wenn man mit ihnen spricht, bekomme ich zumindest oft das Feedback, dass es ein bisschen an Wertschätzung mangelt, dass sie viel ehrenamtliche Arbeit leisten, aber dass gerade die Strukturen nicht so vorhanden sind und dass gerade das Klein-Klein sehr zermürbend ist.

So muss zum Beispiel ein Träger drei Angebote für Toilettenpapier einholen, um das überhaupt gefördert zu bekommen. Oder dass der Fördermittelgeber hineinredet, wenn es um die Anschaffung von Literatur oder neuerdings auch um Schwerpunkte geht.