Protocol of the Session on June 21, 2019

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine Fragen. - Somit steigen wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner wird für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Loth sein. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Frau Präsidenten! Innerhalb von knapp drei Jahrzehnten wurde die innerdeutsche Grenzanlage in ihrer baulichen Struktur und durch die Kontrolle der DDR-Grenztruppen zu einem perfiden, perfekten Überwachungs- und Unterdrückungsinstrument gegenüber der eigenen Bevölkerung ausgebaut.

Die Erinnerungen an die Grenze und ihr perfides Anliegen müssen demnach für nachkommende Generationen erhalten bleiben, damit ein für alle Mal klar ist, wohin Machtmissbrauch führen kann.

Diese Grenze hat nicht nur eine tiefe Narbe in der Landschaft hinterlassen, sondern auch im historischen Gedächtnis eines ganzen Volkes. Sie radierte Ortschaften aus, trennte und entzweite Familien und Freunde.

Angeordnet von der SED, ausgeführt von der Stasi, wurden Menschen systematisch bespitzelt, gemobbt, genötigt, bedroht, eingesperrt und sogar ermordet. Jeder, der diese Diktatur infrage stellte, widersprach, nicht mit dem marxistisch-leninistischen Grundideen übereinstimmte oder gar die brüderliche Freundschaft zur Sowjetunion nicht mittrug, bekam die volle Härte des Partei- und Staatsapparates zu spüren.

17 Millionen Menschen waren einer totalen Kontrolle unterworfen. Auch und vor allem daran ist zu denken, wenn wir eine Erinnerungskultur am Grünen Band für nachfolgende Generationen ausloben wollen.

Im Schutz der Grenzsicherungsanlagen, weitgehendst abgeschirmt von störenden Einflüssen durch tonnenweisen Einsatz von Herbiziden, die alle Pflanzen töteten, entwickelten sich entlang der deutschen Grenzen spezielle Biotope, die von Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum genutzt wurden. Heute sind sie eher in den Roten Listen zu finden als am Grünen Band.

Dass die ehemalige deutsche Grenze ein Refugium für seltene Arten darstellt, ist keine neue Erkenntnis. Die Idee daraus, ein Biotopverbundsystem aufzubauen, nur folgerichtig. Aber worin liegt denn eigentlich das Problem, hier leicht, völlig überhetzt, ein Gesetz durchzuwinken?

Die CDU zitierte in den Diskussionen vorher das Gespenst der Enteignung herbei. Das soll ja jetzt wahrscheinlich gelöst sein. In der Kürze der Zeit,

in der mir der Gesetzentwurf vorliegt, muss ich mir jedoch einmal genauer ansehen, wie ihr das jetzt gelöst habt.

Ansonsten demonstriert Sachsen-Anhalt wieder einmal, warum wir die Rote Laterne haben, wenn es um solche großen Projekte geht.

Sie, werte Herren von der CDU, haben leider die Dinge jahrzehntelang wieder einmal schleifen lassen, die dazu geführt haben, dass die vielen Biotope am Grünen Band heute nur noch Relikte sind.

Letztlich wird auch, wie bei Natura 2000, mit der Brechstange Naturschutz betrieben, Millionen Steuergelder werden dabei wieder investiert, was vorher hätte weniger sein können.

Die vorgeblich geschützten Arten am Grünen Band verkommen in den noch intakten Biotopen, die von Ihnen bisher ignoriert werden, wenn es um kreative Ideen bei der Schaffung von Windkraftvorranggebieten geht. Es ist geradezu ein Sakrileg, dass Artenschutzmaßnahmen, die dringlich erforderlich wären - ich erinnere hier an die Anfragen der AfD zum Erhaltungszustand diverser Tier- und Pflanzenarten in Sachsen-Anhalt -, eben nicht umgesetzt werden.

Eines, werte Frau Ministerin, haben Sie leider noch nicht verstanden: Sie haben vergessen, den Menschen am Grünen Band zu integrieren. Erst vorgestern war am Morgen im MDR-Radio zu hören - ein Bauer brachte es auf den Punkt; ich zitiere das kurz aus meiner Erinnerung -: Die Erinnerungskultur zur Grenze ist wichtig, aber auf meinem Acker hört diese auf. - Das sagt ein Mensch vor Ort.

Aus diesem Grund, Frau Ministerin: Ein Biotopverbund muss nicht schnurgerade verlaufen. Er muss nicht auf 25 m definiert sein, entlang eines zum Teil nicht mehr existierenden Weges, sondern er verbindet Biotope, Schutzgebiete und andere lebenswerte Lebensräume. Dieses Problem hätte schon längst im zuständigen Fachausschuss diskutiert werden können und müssen, wo es zuerst und jetzt sofort hingehört.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die AfD-Fraktion mit dem Aufwand und dem Nutzen der Komponente Artenschutz und seiner generellen Umsetzung innerhalb des Naturmonuments bisher in keiner Weise zufrieden ist. Weiterhin sehen wir - entgegen der CDU -, dass noch viel Klärungsbedarf besteht.

Dennoch ist mir persönlich dieses Anliegen sehr wichtig. Daher bringen wir den Gesetzentwurf bitte schnell in den Ausschuss, sprechen darüber. Sie werden aber, wie immer, befürchte ich, unsere guten Vorschläge ablehnen.

Ich empfehle aber vor allem den Herren der CDU im Ausschuss, unsere Vorschläge wenigstens einmal zu lesen, bevor Sie Ihren Daumen wieder kollektiv senken. Im Grunde finden wir das Gesetz sehr gut.

Ich möchte an der Stelle noch persönlich meinem Referenten danken, der diese Rede mit vielen Fachbegriffen gespickt hat, vom Zentralrat der DDR und so etwas. Die Leute kennen sich noch aus, die älteren von uns, die Leute von damals. Wenn ich das sage, wissen viele noch, worum es geht. Deshalb ist die Erinnerungskultur so wichtig, damit diese Begriffe nicht vergessen werden. Denn das sind Begriffe, mit den wirklich Schindluder getrieben wurde. Das sind Begriffe, die haben uns angegriffen, unser Volk geteilt und kaputtgemacht. Deshalb ist es für mich wirklich auch ein persönliches Anliegen, dass wir uns mit dem Projekt auseinandersetzen und es gut gestalten, die Menschen mitnehmen und dieses Band nicht wieder dazu führt, dass Ärger entstehen kann. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Loth. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Barth. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Bewohner eines ehemaligen Grenzkreises habe ich das Grenzregime noch ganz deutlich vor mir. Ich hatte das Privileg, einen Passierschein zu besitzen, da ich aus dienstlichen Gründen auch bis an die Grenze heran musste, weil wir einen landwirtschaftlichen Betrieb hatten, dem ich als Produktionsleiter vorstand, und dementsprechend privat direkt an der Grenze war.

Deshalb ist das Bild noch in mir. Ich freue mich, dass es auch bei uns noch Rudimente der Grenzanlage gibt, die jetzt nicht so exponiert im Fokus stehen wie zum Beispiel Hötensleben oder die Grenzübergangsstelle Marienborn. Aber es gibt noch Reste, und diese Reste sollten vor Ort erhalten werden. Ich denke hierbei gerade an Böckwitz-Zicherie. Da gibt es auch noch einen Rest der Sperranlagen, der Mauer und der Grenzbefestigung. Ich denke, das alles sollte erhalten werden. Nun bietet sich uns die Möglichkeit, diese Dinge mithilfe des Grünen Bandes für die Zukunft zu erhalten.

Ich möchte im Einzelnen auf die Punkte gar nicht eingehen. Die Frau Ministerin hat in ihrer Rede

zur Geschichte, zum Anlass und zur Sache gesprochen. Deshalb lassen Sie mich ganz kurz unseren Standpunkt als SPD-Fraktion darlegen:

Meine Damen und Herren! Für uns in der Fraktion war es nie eine Frage, dass wir bis zum 30. Jahrestag der friedlichen Revolution dieses Gesetz verabschieden, um der Erinnerungskultur - das ist auch Bestandteil des Grünen Bandes - ein Zeichen zu setzen.

Deshalb freue ich mich, dass wir nach langen, intensiven Beratungen im Rahmen der Koalition jetzt einen Weg gefunden haben, dieses Gesetz bis zu diesem Datum auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, auszugsweise aus einer Stellungnahme des Kuratoriums „Naturmonument und Grünes Band Sachsen-Anhalt“ zu zitieren:

„Wir haben uns mit sehr unterschiedlichen parteipolitischen Hintergründen in den

Dienst der Sache gestellt, weil wir überzeugt sind, dass unter dem Leitgedanken vom Todesstreifen zur Lebenslinie auch in Sachsen-Anhalt ein nachhaltiges Projekt wider des Vergessens entstehen kann.

Wenn unsere Generation der Zeitzeugen das nicht macht, wird das nicht mehr erfolgen. Auf welch positives Echo das Vorhaben stößt und mit wie viel Hoffnung es begleitet wird, haben wir vor Ort erleben können. Endlich, so ein Aspekt der Erwartungen von Betroffenen, eröffnet sich die Chance, dauerhaft ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, dass das Grenzregime der DDR nicht erst 1961 mit der Berliner Mauer, sondern an der Westgrenze bereits im Mai 1952 eingeführt wurde.

Wichtig ist uns der organisatorische Ansatz des Vorhabens anlässlich des 30. Jahrestages der Grenzöffnung, den gesetzlichen Rahmen für einen anschließenden Gestaltungsraum in den Bereichen Ökologie und Erinnerungskultur zu schaffen. Dadurch wird ein lebendiger Prozess ermöglicht, der viele in das nicht zuletzt identitätsstiftende Vorhaben der Koalition einbindet. Dass das ausschließlich auf Freiwilligkeit und bewusstes Mittun, aber auch aus Verantwortung gegenüber den Opfern setzt, stand für uns außer Frage.“

Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich den Kuratoriumsmitgliedern für ihre geleistete Arbeit - und das aus ganzem Herzen - und möchte mit diesem Zitat meine Rede schließen. Es ist alles gesagt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abg. Barth. Auch hierzu sehe ich keine Fragen und keine Wortmeldung. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abg. Herr Lange. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das Grüne Band mit seinem einzigartigen Naturraum zu schützen ist ein Ansinnen, das seit der Grenzöffnung 1989 besteht. Sogar der berühmte Naturkundler Heinz Sielmann hat die Idee eines Nationalparks von der Ostsee bis zum Bayrischen Wald immer wieder ins Gespräch gebracht, denn bereits vor der Wende wusste man, welche einzigartige Tier- und Pflanzenwelt sich im Grenzgebiet entwickelt hat.

„Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“ ist daher das zutreffende Motto. Und die Erinnerung an die deutsche Teilung, an die Teilung Europas aufrechtzuerhalten ist ein wichtiges Ansinnen, das keinen Zweifel zulässt.

Daher sind die Zeugnisse dieser ehemaligen Grenze ebenso schützenswert. Sie sind Erinnerung, aber auch Mahnung, Erinnerung daran, wie es war, als Menschen erschossen wurden, wenn sie ihr Land verlassen wollten, Erinnerung an die Menschenrechtsverletzungen, aber auch Erinnerung an eine friedliche Revolution, die in Deutschland einzigartig ist. Und die Erinnerung an diese Grenze macht den Wert der Freizügigkeit in einem vereinten Europa deutlich. Die Zeugnisse der deutsch-deutschen Grenze sind Mahnung, dass es eine solche tödliche Grenze nie wieder in Europa geben darf,

(Beifall bei der LINKEN)

nicht auf dem Kontinent, nicht aufgrund des Brexits, und das Sterben im Mittelmeer muss aufhören, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt gibt es auch Stimmen, die sagen, dass diese relativ neue Schutzkategorie Naturmonument vielleicht ein bisschen für Verwirrung sorgt; schließlich hätten wir mit dem Nationalpark ja schon eine etablierte Schutzkategorie. Das

stimmt. Die Frage ist absolut berechtigt. Allerdings hat sich Thüringen für das Naturmonument entschieden und einen Flickenteppich sollten wir auch vermeiden.

Die Kombination aus Erinnern und Schützen rechtfertigt auch die Ernennung zum nationalen Naturmonument. Wichtig ist aber, dass der Naturschutz ganz deutlich vorangebracht wird. Da sind die großen Ausnahmetatbestände schon auffällig.

Dass ein solches Schutzprojekt mit der Erinnerung an die deutsche Teilung fast zum Ende der

Koalition geführt hat, ist bezeichnend für deren Zustand. Denn, meine Damen und Herren, Sie haben nicht nur beinahe die 30 Jahre Mauerfall verschlafen, Sie riskieren auch das symbolische Datum für das Grüne Band.

(Zurufe von der CDU)

Allein voran sind es die Unionsagrarlobbyisten, die Panik vor Enteignung und Nutzungseinschränkungen schüren -