Wir haben durch unsere Geschichte lernen müssen: Mahnung ist wichtig und unverzichtbar, aber sie muss münden in praktische Politik, in Annäherung und Entspannung zwischen den Staaten und in Versöhnung und Verständigung zwischen den Völkern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben aber diesen Tag nicht zum Anlass für eine Aktuelle Debatte genommen, weil wir ganz allgemein über die Bedeutung des Weltfriedens sprechen wollen, sondern weil unser Kontinent und seine Nachbarregionen von wachsenden Konflikten herausgefordert werden, und dies auch das Leben der Menschen in Sachsen-Anhalt unmittelbar berührt. Kurz: Es geht darum, dass aktive Friedenspolitik heute wieder dringend gefragt ist.
Drei große Konfliktlinien gibt es, die heute friedensgefährdend sind. Das ist erstens die Unterhöhlung der Europäischen Union durch einen grassierenden Nationalismus in einer wachsenden Zahl von Mitgliedsländern. Die Schaffung der Europäischen Union ist die historische Antwort auf die Jahrhunderte währende, immer wiederkehrende Verwüstung großer Teile des Kontinents durch blutige Kriege zwischen den Nationalstaaten.
Die Einigkeit Europas ist zudem ein wichtiger Stabilitätsanker für die internationale Politik weit über den Kontinent hinaus. Es waren insbesondere Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die den Bezug auf das vereinte Europa von Beginn an im Grundgesetz verankert haben, einschließlich der Möglichkeit zur Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen.
Durch völkerrechtlich bindende Verträge haben sich Deutschland und all seine Nachbarn darauf verpflichtet, dass das gemeinsame Europa eine immer enger werdende Union sein soll.
Der Friedensanker der Europäischen Union wird heute durch viele zentrifugale Kräfte gefährdet, ob das aus engstirnigen Finanzinteressen heraus geschieht wie in Großbritannien oder mit nationalistischem Getöse wie in Ungarn, ob durch das Schüren von Rassismus wie durch die extreme Rechte in Frankreich oder durch Angriffe auf den Rechtsstaat wie in Polen.
Das Projekt Europa gehört seinen Bürgerinnen und Bürgern, die in allen Ländern der EU davon profitieren. Wir müssen gemeinsam dafür einstehen, dass dieses gemeinsame Europa dauerhaft Bestand hat, dass es demokratischer und bürgernäher wird, dass es als Garant für Vielfalt, für sozialen Ausgleich und wirtschaftliche Entwicklung funktioniert.
Die zweite große Herausforderung sind die anhaltenden Spannungen mit Russland. Um es vorweg zu sagen: Niemand von uns will völkerrechtswidrige Übergriffe legitimieren, niemand will Provokationen gegen Nachbarstaaten Russlands hinnehmen, niemand will schweigen, wenn in Russland gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen wird. Aber wir müssen auch einräumen, wir haben dankend angenommen, dass die Sowjetunion im Jahr 1990 mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag die Deutsche Einheit mit ermöglicht hat - eine historische Leistung von nicht zu unterschätzendem Wert.
Als die Sowjetunion und das von ihr dominierte Staatensystem zerfielen, haben sich die Staaten in West- und Mitteleuropa darum gekümmert, alles in die EU zu integrieren, was möglich war. Das war auch eine wichtige und richtige Lösung. Aber um ein System der kollektiven Sicherheit, das ganz Europa und damit auch Russland umfasst, hat sich die deutsche und die europäische Politik seit 1990 nicht gekümmert.
Wir brauchen jetzt eine Politik, die Spannungen abbaut und nicht mehr vermehrt, kein Säbelrasseln, keine Aufrüstung, keine dauerhaft an der russischen Grenze stationierten NATO-Soldaten.
Wir brauchen eine Politik des Dialogs, die gezielt darauf ausgerichtet ist, dass die wirtschaftlichen Sanktionen zurückgenommen werden. Wir brauchen wieder eine Politik, die sich an dem von Egon Bahr formulierten Grundsatz des Wandels durch Annäherung orientiert. Das sind wir dem Frieden in Europa schuldig. Ich bin froh und beeindruckt, wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier diesen Weg verfolgt.
Die dritte große Herausforderung für den Frieden in Europa ist der Krieg selbst, der Krieg, der vor unseren Toren täglich stattfindet, nicht nur in Syrien, obwohl Syrien im Zentrum der Medienaufmerksamkeit steht, sondern auch immer noch im Irak, im Jemen, in Afghanistan, in Libyen, nicht zu vergessen die anhaltende instabile Lage rund um Israel und Palästina.
Opfer dieser Kriege sind zu Hunderttausenden in unser Land gekommen. Uns um sie zu kümmern ist unsere gemeinsame humanitäre Aufgabe.
Der Versuch, die Flüchtlingsbewegung dadurch einzugrenzen, dass die Türkei den großen Teil der Menschen bei sich behält, war bisher erfolgreich. Zurzeit sieht es aber eher so aus, als ob die Türkei Teil des Problems und nicht der Lösung ist.
Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, dass das Postulat, die Fluchtursachen zu bekämpfen, keine politische Floskel sein darf. Deutschland und Europa wären als Vermittler und Friedensstifter schon ein großes Stück glaubhafter, wenn wir nicht mehr zulassen würden, dass unsere Rüstungskonzerne damit ihr Geld verdienen.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat zum Anlass des Weltfriedenstages einen Antrag eingebracht. Ich halte es für gut, ihn zur weiteren Beratung zu überweisen; denn darin sind Punkte formuliert, die man nicht im Rahmen einer Aktuellen Debatte ausdiskutieren kann, zum Beispiel die Frage der kommunalen Mitwirkung bei Konversionsprojekten.
Ich sage aber auch, dass wir in der Frage von internationalen Bundeswehreinsätzen eine andere Auffassung haben als DIE LINKE. Ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass über diese Frage in Ihrer Bundestagsfraktion gerade eine Debatte aufgebrochen ist. Ich bin sehr gespannt, in welche Richtung sie führen wird.
Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend noch einmal auf die Gedenkfunktion des Weltfriedenstages zurückkommen. Der 1. September ist insbesondere auch Anlass, jeder Form von Geschichtsrevisionismus entgegenzutreten. Wer die Ursachen von Kriegen nicht kennt, läuft Gefahr, in den nächsten hineinzulaufen. Wer die historischen Ursachen von Kriegen verklärt und das Ausmaß der begangenen Verbrechen leugnet, der hilft mit, neue Kriege vorzubereiten.
Wir als SPD-Fraktion haben mit Abscheu verfolgt, dass die AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg bewusst und willentlich einen antisemitischen Hetzer in ihren Reihen duldet. Wir beobachten die Annäherung zur Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Wenn sich die AfD in diesem Haus nicht unmissverständlich und geschlossen davon distanziert, braucht sie uns nicht mit Forderungen nach parlamentarischen Gepflogenheiten zu behelligen.
Wer Antisemitismus und Rassismus in seinen Reihen duldet, stellt sich kollektiv außerhalb des demokratischen Spektrums. - Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Hannes Loth, AfD, klatscht in die Hände)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich würde Frau Dr. Pähle gern fragen, was uns ihr T-Shirt zum heutigen Tag des Weltfriedens sagen möchte. Ich kann damit nicht so richtig etwas anfangen.
Die Frage beantworte ich Ihnen gern. In diesem Spruch auf meinem T-Shirt fehlen die Vokale. Es handelt sich um den englischen Ausspruch „Fuck Nazis“. Er soll ausdrücken, dass ich mich eindeutig gegen Nationalsozialisten, wer auch immer sich darunter versteht, wehre und sie als schlecht für unser System halte.
(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Hannes Loth, AfD, und Ulrich Siegmund, AfD, klatschen in die Hände)
Frau Pähle, eine Frage: Sind Sie denn der Meinung, dass das Vokabular „Fuck“ auch dem Anspruch dieses Hohen Hauses Genüge tut oder nicht? Eine ganz grundsätzliche Frage.
Zweite Frage: Sie haben in Ihrer Rede darauf verwiesen, dass wir uns mit einer Gruppierung gemein machen, die vom Verfassungsschutz be
obachtet wird. Nach meinen Informationen - ich will mich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen - gibt es aber auch grüne Abgeordnete, die vom VS beobachtet werden.
Ich frage Sie, Frau Pähle: Nehmen wir einmal an, es wäre so, wie verhalten Sie sich dann in einer Koalition mit den Grünen? Das würde mich interessieren.
Zur ersten Frage: Ich wurde aufgefordert, den Spruch auf meinem T-Shirt laut vorzulesen. Das habe ich hiermit getan. Ansonsten hätte ich das T-Shirt so, wie es jetzt tue, unter meinem Blazer getragen. Jeder, der sich davon angesprochen fühlt, möge das für sich annehmen oder auch nicht. Ich bin von der Präsidentin und auch von Herrn Gallert, der die Sitzung eröffnet hat, nicht aufgefordert worden, das T-Shirt im Plenarsaal nicht zu tragen.
Zur zweiten Frage. Herr Poggenburg, es macht, glaube ich, einen Unterschied, ob man sagt, man wisse, es würden einzelne Mitglieder der Grünen vom Verfassungsschutz beobachtet - ich habe davon keine Kenntnis -
- oder Abgeordnete -, oder ob sich Mitglieder Ihrer Fraktion öffentlich zum Schulterschluss mit einer Gruppierung bekannt haben, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ich glaube, das ist ein Unterschied. Wenn Sie zur Beobachtung von Abgeordneten der Grünen durch den Verfassungsschutz Erkenntnisse haben, würde dies das gesamte Hohe Haus interessieren.
Bevor Herr Poggenburg noch einmal das Wort ergreift - - Frau Dr. Pähle, ich hatte das wohl bemerkt. Ich wollte aber in der Mittagspause mit Ihnen darüber sprechen, dass es eigentlich bei uns im Plenarsaal nicht an der Tagesordnung ist, solche Kleidungsstücke zu tragen. Deswegen bemerke ich das hiermit noch einmal.