Protocol of the Session on February 1, 2019

Es wurde die folgende Reihenfolge vereinbart: DIE LINKE, SPD, AfD, GRÜNE und CDU. Zunächst hat für die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE, der Abg. Herr Henke das Wort. Sie haben das Wort, bitte.

Zunächst eine Vorbemerkung: All jenen von Ihnen, die nicht die Gelegenheit hatten, am Dienstagabend die ZDF-Sendung „Neues aus der Anstalt“ zu sehen, empfehle ich die Nutzung der Mediathek.

(Zustimmung bei der LINKEN - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das stimmt, die war besonders gut!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Übernahme des Dieselnetzes durch Abellio im vergangenen Dezember bereitete Probleme. Betroffen waren viele Pendler. Es entstand eine ernste Lage bei den persönlichen Situationen von Schülern, Auszubildenden, Arbeitnehmern, die ihre Pflichten nicht erfüllen konnten. Auch volkswirtschaftlich entstand ein großer Schaden, und das angesichts des Fachkräfte- und Nachwuchsmangels hier im Lande.

Bei uns im Bördekreis pendeln viele Arbeitnehmer nach Wolfsburg; das ist ein Grund für die vergleichsweise guten Arbeitseinkommen. Für die Beschäftigten aus den großen Weiten der Altmark ist die Nichterreichbarkeit der Arbeitsorte in Niedersachsen mehr als ärgerlich gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es war für viele existenziell.

Nur, meine Damen und Herren, das Schimpfen auf die Abellio-Mitarbeiter trifft die Falschen. Wir müssen die Ursachen klar benennen und

Schlussfolgerungen ziehen, damit Menschen in Sachsen-Anhalt sich wegen Mobilitätsproblemen keine Sorgen um die Zukunft machen müssen.

Daher war es richtig, dass der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr in seiner Januarsitzung dieses Thema aufrief - allerdings war das in einem nichtöffentlichen Sitzungsteil. Die Bahnkunden erwarten eine klare Reaktion der Politik, um die Zustände zu verbessern. Der Hinweis darauf, dass es bei der Übernahme des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes noch viel schlimmer gewesen sei, ist keine Antwort.

(Beifall bei der LINKEN)

Dauerhafte Schienenersatzverkehre und Ersatzfahrpläne wegen fehlender Lokführer dürfen nicht die Perspektive im Lande sein. Wir brauchen mehr.

Zeitgleich mit den Kalamitäten bei Abellio wurden auch Defizite bei der Deutschen Bahn AG erneut offenkundig. Die enorm große Teilnahmebereitschaft beim Warnstreik am 10. Dezember 2018 lässt die schlechte Stimmung der Eisenbahner erkennen, und das zum 25. Jahrestag der Gründung der DB AG, bei der sogenannte Reformen moderne Zeiten einleiten sollten - weg von den Staatsbahnen mit ausreichend Fachpersonal, genügend Netzkapazitäten und Reserven an rollendem Material hin zu wettbewerbenden, renditeträchtigen Privatbahnen, die, wie im Falle der DB, schlank und schnell die Börse erreichen sollten.

Dazu wurde die Bahn von allem für den Fahrbetrieb vermeintlich Entbehrlichen wie Bahnhöfen, Gleisnetzen und angeblichen Redundanzen bei den Mitarbeitern befreit. Das reichte bis zum Eigentümer, dem Bund, der es von einer Berliner Regierungskoaltion zur nächsten Berliner Regierungskoalition als ein ehernes und ehrenvolles Ziel ansah, sich aus seiner Eigentümerverantwortung via Börsengang - sprich: Privatisierung - zu stehlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun schaue ich in die Runde und kann die hiesigen Koalitionspartner, Ihre Parteien, nicht von der Verantwortung an den eingangs beschriebenen Zuständen freisprechen. Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass es ausgerechnet ein als Folge ungezügelter neoliberaler weltweiter Spekulationspolitik ausgelöster Finanzcrash mit anschließender Wirtschafts- und Finanzkrise war, der einen Ausverkauf der Bahn an Börsenspekulanten verhinderte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Am 17. Januar 2019 legte der Bundesrechnungshof zum 25. Jahrestag der Bahnreform einen verheerenden Bericht vor.

Er kritisierte unter anderem die Schaffung eines weltweiten Logistikunternehmens mit 700 Tochterfirmen, tätig in 140 Ländern, von denen 513 ihren Hauptsitz im Ausland haben.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja, das ist so!)

Die Milliardenschulden der DB AG resultieren maßgeblich aus dieser weltweiten Einkaufstour. Außerdem fließen die dort erzielten Gewinne nicht in das Kerngeschäft, in die Verkehrserbringung hierzulande. Der Zweck einer bundeseigenen Bahn wurde in das Gegenteil verkehrt. Dadurch wurde auch eine Immobilienspekulation wie Stuttgart 21 ermöglicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Forderung des Bahnbeauftragten der Bundesregierung, des Staatssekretärs Enak Ferlemann, am letzten Sonntag, höhere Fahrpreise bei der Bahn durchzusetzen, um überfällige Investitionen endlich vorzunehmen und um, wie der Fahrgastverband Pro Bahn auch noch unterstützte, aus ökologischen Gründen den ruinösen Preiswettbewerb zu beenden, vertauscht hierbei wohl absichtlich Ursache und Wirkung. Bahnkunden für die verfehlte Verkehrspolitik zur Kasse zu bitten, ist schlicht ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass eine gewinnorientierte Unternehmensform, die der Aktiengesellschaft, mit den grundgesetzlichen Pflichten vereinbar ist. Gemäß Artikel 87e des Grundgesetzes ist dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen Rechnung zu tragen. Also der Nutzen für alle und nicht der Vorteil von Privatanlegern ist hierbei der Zweck der Bahn.

(Beifall bei der LINKEN)

Diesem wird heute nicht mehr entsprochen. Daher hat meine Fraktion diese Aktuelle Debatte beantragt. Wo sind die Initiativen aus SachsenAnhalt zur Beendigung dieses kannibalisierenden Wettbewerbs zwischen Bahntöchtern und den nicht bundeseigenen Bahnen zulasten der Versorgungssicherheit?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mit Streckenstilllegungen und Lohnkürzungen kann kein Wirtschaftsstandort florieren. Wo bleiben die Proteste und Maßnahmen unseres Wirtschaftsministers? Das EU-Recht zwingt uns nicht in die Privatisierung. Eine staatseigene Bahn mit

definiertem Versorgungsauftrag brauchte keine aufwendigen Ausschreibungsverfahren für Verkehrsleistungen. Was für eine Chance zur Entbürokratisierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Endlich Bahner anstelle BWLer, Marketingexperten und Juristen arbeiten lassen - so muss Zukunft aussehen. Da ich hier nicht von allen Beifall erhalte, noch einmal klar: Wir müssen die ReVerstaatlichung aller Aufgabenträger der Mobilitätssicherung vorbereiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird Zeit brauchen. Diese Debatte kann dafür ein Anfang sein. Aber was geschieht stattdessen? - Der Privatisierungsfehler wird aktuell mit der Etablierung der Infrastrukturgesellschaft Autobahn, der IGA, wiederholt. Hat denn niemand aus dem Bahndebakel gelernt? - Ministerpräsident Haseloff lässt sich feiern, weil er eine Niederlassung in Sachsen-Anhalt erreicht hat.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Wo ist er?)

Er hätte die Privatisierungspläne verhindern müssen. Er hätte sie bekämpfen müssen. Aus Schaden sollte man doch klug werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das ist ja wohl nur bei kleinen Kindern so.

Nein, hier geht es um Rendite, um Anlagemöglichkeiten für wenige auf Kosten aller Verkehrsteilnehmer.

Zurück zur Bahn. Selbst Verkehrsminister Webel kommt nicht umhin, im Entwurf seines ÖPNVPlans Kritik an der Deutschen Bahn zu üben. Er schreibt: Die Streckenertüchtigung der DB Netz dient vorrangig dem Fern- und Ballungsnetz und weniger dem Regionalnetz.

(Minister Thomas Webel: Stimmt doch! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ist so!)

Außerdem zweifelt er gut begründet an, dass langfristig eine hinreichende Instandsetzung gewährleistet ist. Als Schlussfolgerung daraus sollen aber - jetzt kommt der Punkt, in dem wir uns, Herr Minister, nicht einig sind - innovative Betreiberlösungen über Dritte geprüft werden. Also doch wieder irgendwie ein privater Wettbewerb. Das kann nicht die Lösung sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Kollegen der Nasa GmbH können sich nur im Rahmen des von der Politik vorgegebenen Rahmens bewegen. Sie genießen als vom Land für die Ausschreibung und Zuschlagserteilung Beauftragte über die Grenzen hinweg hohes Ansehen. Als

Vertragspartner nutzen sie alle Möglichkeiten, um Abellio und DB zur Erfüllung aller übernommenen Pflichten anzuhalten - durch seriöse Arbeit.

Aber damit unterscheiden sie sich zum Beispiel vom SPD-Kollegen Erben, der leider gerade fehlt, der aufmerksamkeitsheischend und fachfremd plötzlich eine Kündigung des Verkehrsvertrages ins Spiel brachte.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Frank Scheurell, CDU)

Herr Erben, wenn Sie mich hören: Abellio ist kein einzelnes schwarzes Schaf. Nein, Ursache ist die Privatisierungspolitik, die menschenverachtende Politik, die Sie und Ihre Partei seit Jahrzehnten vorantreiben.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU - Ulrich Thomas, CDU: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Mitarbeiter von Abellio leisten ihr Möglichstes, soweit man sie lässt. Es werden nun Lokführer und Zugbegleiter ausgebildet. - Zu spät, wie wir heute sehen.

(Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

Wenn sie ihren Dienst beginnen, werden sie auch nach Tarif bezahlt, ja. Nur ist die Ersteingruppierung jener, die einen zehnmonatigen Kurzlehrgang zur Lokführerausbildung zur Qualifikation nachweisen, schlechter als bei den konventionell Ausgebildeten. Betriebszugehörigkeitszeiten wären auch zu nennen. Letztlich zahlen sie also für den sogenannten freien Wettbewerb mit schlechterer Qualität. Auf ihrem Rücken sollen Gewinne eingefahren werden. Das gehört geändert.