Protocol of the Session on February 1, 2019

Insofern sage ich Ihnen Folgendes. Wenn Sie Meinungsfreiheit wollen, dann unterstütze ich Sie, aber dann machen Sie es in Diktion und Duktus so, dass die Würde der anderen nicht infrage gestellt wird und damit die eigene Würde am Ende nicht mehr vorhanden ist. Diese Bitte kann ich Ihnen nur aufschreiben.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von der AfD)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich habe angekündigt, dass keine Nachfragen an den Minister mehr zugelassen werden. - Wir treten nun in die Debatte der Fraktionen ein; und zwar beginnen wir mit Herrn Erben von der SPD-Fraktion. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal strengt die AfD eine Debatte zur politischen Kultur und zur politischen Gewalt an. Sie machen das nicht nur hier im Landtag. Sie machen das in vielen anderen Parlamenten auch. Ich fürchte, auch das wird sich heute wieder als grandioses Eigentor herausstellen.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Eines vorweg: Auch ich verurteile auf das Schärfste den Angriff auf Ihren Bundestagsabgeordneten in Bremen. Ich verurteile es aber auch, wenn aus politischem Kalkül offensichtlich auch dieser Angriff - -

(Alexander Raue, AfD: Da kann es kein Aber geben! - Andreas Steppuhn, SPD: Halt doch mal die Klappe!)

Sehr geehrter Herr Raue,

Herr Raue, genau das ist diese Verschärfung, um die es geht.

lassen Sie dem Abgeordneten erst einmal die Möglichkeit, seinen Redebeitrag zu leisten. Dann können - -

(Daniel Roi, AfD: Die brüllen doch die gan- ze Zeit! Das haben Sie wohl nicht mit- gekriegt! - Andreas Steppuhn, SPD: Nur Rumpöbeln!)

- Ich gehe nicht nur auf Ihre Seite und reagiere, sondern auch auf die anderen Seiten. Sie empfinden das zwar wieder anders, wahrscheinlich weil Sie doch wieder sehr aktiv sind.

(Alexander Raue, AfD: Frau Präsidentin, er will gerade eine Straftat relativieren! Und Sie lassen das zu! - Dr. Katja Pähle, SPD: Hören Sie doch erst einmal zu! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Herr Raue - einen kleinen Moment, meine Damen und Herren - ich ermahne Sie hiermit offiziell, dass Sie diese Äußerung bitte hier lassen sollen. Herr Abg. Raue, das sage ich jetzt nur einmal. Beim nächsten Mal wird es eine andere Konsequenz geben. - Herr Erben.

Ich darf weitermachen. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte meinen Satz zu Ende führen. Es geht auch darum, dass wider besseres Wissen ein solcher Angriff instrumentalisiert wird.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich nenne die Stichworte: Tritte gegen den Kopf und Kantholz. Gewalt darf niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das gilt für Angriffe auf Politiker. Das gilt für Angriffe auf Wahlkreisbüros und auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Zuruf von der CDU)

Das gilt immer und überall. Wer Politiker attackiert, der attackiert auch die Demokratie.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wir erleben gerade ein gesellschaftliches Klima, in dem wir als Politiker alles andere als allein betroffen sind. Ich denke hierbei an Gewalt gegen Zugbegleiter, gegen Polizeibeamte, gegen Rettungssanitäter, gegen Feuerwehrleute. Es geht auch um das Schüren eines Klimas. Herr Raue, Sie haben heute vielleicht schon Zeitung gelesen. Dann werden Sie vielleicht in der „Sächsischen Zeitung“ gelesen haben, dass einer Ihrer Bundestagsabgeordneten dazu auffordert, schwarze Listen von Journalisten anzulegen. Auch das ist eine Berufsgruppe, die zunehmend in den Fokus gerät.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gründe für höhere Gewaltbereitschaft, für fehlende Empathie, für Enthemmungen, die zu solchen Taten führen, sind vielfältig. Es ist sicherlich lohnenswert, sich eingehender damit zu befassen. Aber darum geht es Ihnen doch überhaupt nicht. Ich zitiere Ihre Pressemitteilung:

„Die AfD-Fraktion beantragt daher eine Aktuelle Debatte, um über die Rolle der hiesigen Politakteure zu diskutieren und jedem einzelnen Landtagsabgeordneten auch seine persönliche Verantwortung für eine gewaltfreie Debattenkultur bewusst zu machen.“

Das klingt, veröffentlicht von einer Fraktion, in der ein Mitglied ein anderes anzeigt, weil man angeblich auf der Herrentoilette angegriffen worden ist, schon etwas bizarr. Wie wir im Antrag zur Aktuellen Debatte lesen und eben auch hören konnten, sehen Sie die Verantwortung aber nie bei sich selbst, sondern immer nur bei den anderen.

(Zustimmung bei der SPD)

Auf der Seite der Geschädigten rücken Sie sich in den Mittelpunkt und sehen vermeintlich nur die rein auf die AfD bezogene Gewaltspirale. Wir haben es hierbei aber nicht mit einem Phänomen zu tun, das sich nur auf die AfD bezieht. Exemplarisch sei an die Attentate auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker oder auch auf Andreas Hollstein, CDU-Bürgermeister in Altena, in den Jahren 2015 und 2017 erinnert. Sie fallen mit Ihrem Antrag einfach nur in das typische AfDMuster und versuchen, sich in einer Opferrolle zu stilisieren.

Meine sehr geehrten Kollegen! Meine Herren von der AfD, tun Sie uns und vor allem sich selbst einen Gefallen und hören Sie damit auf, die berechtigte Kritik an Ihrer Partei, einer Partei, die sich in den letzten Jahren immer weiter radikalisiert hat, als Verunglimpfung oder als unberechtigte Angriffe auf eine bürgerliche Partei zu verkaufen.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Anders herum wird nämlich ein Schuh daraus. Statt mäßigend auf den politischen Diskurs einzuwirken, heizen Sie das gesellschaftliche Klima ständig weiter an. Sie sind nicht die Feuerwehr der freien Meinungsäußerung; Sie sind rhetorische Brandstifter,

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

die im Landtag, im Internet und auf Demonstrationen unaufhörlich Öl ins Feuer gießen. Auf eine Entgleisung folgt die nächste. Das hat die AfD in den letzten Jahren immer wieder so betrieben. Sie

haben es ja auf eigenen Antrieb hin schwarz auf weiß bescheinigt bekommen: Noch im letzten Jahr hat Ihre Bundespartei einen der Partei nahestehenden Staatsrechtler mit einem Gutachten beauftragt. Auf der Grundlage dieses Gutachtens sollten Strategien gegen eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz entwickelt werden. Selten hat sich eine Partei selbst so ein Armutszeugnis ausstellen lassen. Vor zwei Wochen war es dann so weit und der Verfassungsschutz selbst attestierte der AfD - ich zitiere - „erste tatsächliche Anhaltspunkte“, die für eine extremistische Bestrebung stehen.

Der Chef Ihrer Landespartei hat sich auch prompt gegenüber der Presse darüber beschwert, dass es um Anschuldigungen gegen die Partei gehe, die ihm nicht bekannt seien. Inzwischen hat sich dieser Zustand geändert und wir alle können schwarz auf weiß nachlesen, wie es die AfD mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält oder, besser gesagt, nicht hält.

Bezeichnenderweise kommt die AfD SachsenAnhalt in dem Bericht sehr prominent vor, von der Fraktion bis zur Mitarbeiterebene. Zwei Personen stehen dabei besonders im Fokus. Der eine, Herr Poggenburg, hat sich nach seinem Abstieg in Partei und Fraktion bereits ins nächste politische Abenteuer gestürzt und kokettiert, wie wir gestern auch wieder sehen konnten, offen mit Nazisymbolik.

(André Poggenburg, fraktionslos: Was falsch ist!)

Der andere sitzt - jetzt gerade nicht - gewöhnlicherweise mitten unter Ihnen und propagiert mit Begrifflichkeiten wie „Deutschland den Deutschen“, „Umvolkung“ oder „die große Remigration“ - eine Sprache des Extremismus.

Das ist kein Wunder, werden doch Verbindungen des Abg. Tillschneider und die weiterer AfD-Akteure ins rechtsextreme Milieu im Verfassungsschutzbericht umfangreich gewürdigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Dame, meine Herren von der AfD, wer sich so äußert oder sich von den Äußerungen der eigenen Abgeordnetenkollegen nicht distanziert, braucht andere nicht über eine Verrohung der politischen Auseinandersetzung zu belehren.

(Zustimmung von Silke Schindler, SPD)

Wir halten fest: Debatten über das rauer werdende gesellschaftliche Klima könnten in der Tat fruchtbar sein, wenn die Abgeordneten der AfD auch nur einen Hauch von Einsicht zeigen würden - Einsicht, dass sie einen maßgeblichen Beitrag zur sprachlichen Verrohung, zur menschlichen Kälte in Politik und Gesellschaft beitragen.

Um am Ende noch auf den Titel der Aktuellen Debatte zu sprechen zu kommen: Ihre Meinungsfreiheit ist in diesem Land sehr wohl gewährleistet.

(André Poggenburg, fraktionslos: Stimmt!)

Und das wissen Sie; denn Sie nutzen sie täglich aus. Wer Politiker bedroht und verletzt, muss unbedingt mit Konsequenzen rechnen; wer sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet, aber auch. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Erben. Es gibt drei Fragen, zwei von Abgeordneten der AfD-Fraktion und eine von einem fraktionslosen Abgeordneten. - Ich werde jetzt, weil wir langsam in Verzug kommen, nur noch zwei Fragen pro Fraktion zulassen. Als Erster hat der Abg. Herr Kirchner das Wort.

Sehr geehrter Herr Erben, ich möchte etwas richtigstellen. Wahrscheinlich sind Sie der Falsche, der jetzt vorn steht, aber zumindest passt die Parteizugehörigkeit zur SPD. Ich habe vorhin vorgelesen, dass der ehemalige Ministerpräsident Herr Kurt Beck an einer Demonstration teilgenommen hat, auf der Folgendes gerufen wurde: ein Baum, ein Strick, ein Nazigenick.

Da frage ich mich, wie Sie das in der Partei, in der Sie Mitglied sind, noch verteidigen wollen. Sie haben uns vorgeworfen, dass wir rhetorische Brandstifter seien und bei der Debatte immer nur die Fehler bei anderen suchten. Ich lese Ihnen jetzt den letzten Satz von mir vor: