Protocol of the Session on January 31, 2019

Ich vertraue der Statistik des Bundes und des Landes, die genau das - -

(Siegfried Borgwardt, CDU: Die hat die LINKE-Bundestagsfraktion herausgegeben! Ist klar!)

Ich gebe Ihnen die Drucksachennummer, sehen Sie sich das an. Das ist fein säuberlich für jedes einzelne Bundesland aufgelistet. Das waren nämlich die Zahlen, die die Bundesministerin brauchte, um solche Gesetze zu machen. Denn ohne diese Voraussetzungen hätte sie das nicht machen können. Das ist schon mal da.

Und es ist eine Mär, dass alle von diesen 78 % - das habe ich nie behauptet -, eben weil sie niedrig sitzen müssen und weil sie älter sind und nicht mehr wollen, in Teilzeit gehen. Wir haben im KitaBereich bei uns in Sachsen-Anhalt ein Durchschnittsalter von 42 Jahren. Bei den Lehrern liegt es bei 53 Jahren. Und jetzt wollen Sie mir allen Ernstes weismachen, dass alle freiwillig weniger arbeiten gehen wollen?

(Dr. Katja Pähle, SPD: Nicht alle, viele!)

- Dann richtig viele. - Das können sie ja auch machen. Aber 78 %? Die, die jetzt gerade frisch ausgebildet sind,

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Das stimmt doch gar nicht! Mann!)

meinen Sie, dass die alle in Teilzeit gehen wollen? - Dann müssen Sie sich einfach einmal vor Ort anschauen, wie Kita funktioniert, dann wissen Sie auch, warum die alle vorwiegend in Teilzeit gehen.

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Das stimmt einfach nicht!)

Die, die das wollen, können doch gehen. Aber 78 %? Nordrhein-Westfalen hat mehr als 50 % Vollzeitkräfte und da müssten wir auch langsam mal hinkommen.

(Ministerin Petra Grimm-Benne: Die haben auch kürzere Betreuungszeiten! - Siegfried Borgwardt, CDU: Das kann man nicht ver- gleichen! - Dr. Katja Pähle, SPD: Die haben kürzere Betreuungszeiten! - Weitere Zurufe von der CDU und von der SPD)

- Aber ist denn der Beruf attraktiv für ein junges Mädchen? Ist er attraktiv für junge Mädchen, wenn sie fertig werden und in Teilzeit gehen müssen, wenn sie eine Familie aufbauen wollen? Und sie gehen in Teilzeit?

(Zuruf von Dr. Verena Späthe, SPD)

Die Teilzeitgeschichte reduziert sich bei uns von Jahr zu Jahr. Wir sind - ich will jetzt nicht schwindeln - in Magdeburg gerade einmal bei knapp 20 % Vollzeit, aber wir haben auch Landkreise, wo nur noch 11 % der Erzieherinnen in Vollzeit sind. Und das sind keine guten Arbeitsbedingungen, glauben Sie es mir.

Ich danke Frau Hohmann für die Ausführungen. - Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren. Einen Antrag auf Überweisung in einen Ausschuss konnte ich nicht wahrnehmen.

Damit stimmen wir jetzt über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 7/3853 direkt ab. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und zwei fraktionslose Abgeordnete. Stimmenthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit hat der Antrag nicht die Mehrheit des Hauses erhalten.

Wir stimmen jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 7/3893 ab. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das

Kartenzeichen. - Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die AfD und zwei fraktionslose Abgeordnete. Damit hat dieser Alternativantrag die Mehrheit des Hauses erhalten.

Wir kommen nun zum nächsten Tagesordnungspunkt. Wie vereinbart, handeln wir heute noch zwei Tagesordnungspunkte ab.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 17

Beratung

Erstellung einer Dunkelfeldstudie zur Kriminalitätsbelastung in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/3854

Alternativantrag CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/3891

Einbringer ist der Abg. Herr Kohl. Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Um eine effektive Kriminalitätsbekämpfung gewährleisten zu können, ist es erforderlich, aussagekräftige Informationen zur aktuellen Kriminalitätslage und zu einzelnen Kriminalitätsschwerpunkten zu gewinnen. Grundlage ist regelmäßig die polizeiliche Kriminalstatistik, kurz PKS genannt. Die Aussagekraft der PKS wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass in ihr nur das Hellfeld, also die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten bzw. Tatverdächtigen, abgebildet werden.

Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unwesentlicher Teil der begangenen Straftaten der Polizei nicht bekannt wird. Das bezeichnet man als Dunkelfeld. Der Umfang dieses Dunkelfeldes hängt von der Art des Deliktes ab und kann sich aufgrund des Anzeigeverhaltens der Bürger, aufgrund der polizeilichen Kontrolltätigkeit sowie durch Änderungen bei der statistischen Erfassung oder des Strafrechtes im Zeitverlauf auch ändern. Wie das in der Praxis aussieht, werde ich gleich noch ausführen.

Lagebeurteilungen, die lediglich das Hellfeld der polizeilich registrierten Straftaten berücksichtigen, können lückenhaft sein. Insofern sind Dunkelfelduntersuchungen geeignet, das Kriminalitätslagebild in Ergänzung zu vorliegenden Hellfelddaten zu vervollständigen und genauere Informationen über Täter, Opfer und deren Merkmale sowie zum Anzeigeverhalten zu erhalten.

Wie gesagt, die Größe des Hell- sowie des Dunkelfeldes hängt maßgeblich von der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung und vom Personaleinsatz sowie von der Kontrollintensität der Polizeibehörden ab. Verkürzt lässt sich sagen: weniger Polizei - weniger Kriminalität. Das klingt komisch, ist aber so - soweit es das Hellfeld anbelangt.

In persönlichen Gesprächen wird mir von Bürgern auch immer wieder gesagt, dass die Polizei mitunter Stunden braucht, um vor Ort zu erscheinen, weil vorgeblich keine Polizeikräfte vorhanden sei. Auch aus meinem persönlichen Umfeld sind mir derartige Aussagen bekannt. Viele Betroffene sagen, sie rufen die Polizei zukünftig nicht mehr, weil entweder der Schaden zu gering sei oder weil es eben kein Versicherungsfall sei.

Es ist zwar ärgerlich, wenn zum Beispiel ein Keller aufgebrochen wird und drei Päckchen Kaffee gestohlen werden, aber eine Anzeige macht nach Meinung vieler Betroffener keinen Sinn, weil das mitunter mit unnützem Zeitaufwand verbunden ist und die Täter nach Meinung der Betroffenen ohnehin nicht gefasst werden.

Nicht viel besser scheint die Situation zu sein, wenn man sich zur Anzeigenaufnahme zu einem Polizeirevier begibt. Das durfte ich selbst an einem Freitagnachmittag im September 2016 erleben. Nachdem nun schon etliche Reviere in Magdeburg geschlossen wurden, müsste man doch eigentlich davon ausgehen, dass die verbleibenden Reviere personell ausreichend besetzt sind - falsch gedacht.

Zumindest was die Wachen anbelangt, scheint das nicht zuzutreffen. An diesem Tag war die Wache in der Hallischen Straße mit einem Kripobeamten besetzt, der von einem Schutzpolizisten unterstützt wurde, also insgesamt zwei Polizisten. Wohl gemerkt: Das ist nicht die Revierstation in Quetschemombach, sondern die zentrale Polizeiwache der Landeshauptstadt.

(Zustimmung bei der AfD)

Die Wartefläche war mit potenziellen Anzeigenerstattern entsprechend gefüllt. In den knapp zwei Stunden, die ich dort verbrachte, habe ich mindestens drei potenzielle Anzeigenerstatter die Wache verlassen sehen, weil in der Wache zeitweise kein Polizist sichtbar und demzufolge nicht ansprechbar war oder weil der Person die in Aussicht stehende Wartezeit zu lang erschienen. Darunter war eine Familie mit Kleinkindern, augenscheinlich mit Migrationshintergrund, die das Revier unverrichteter Dinge wieder verließ.

Ob diese Personen später eine Anzeige aufgegeben haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es ist davon auszugehen, dass dieses Erlebnis

bei den betroffenen Personen einen ähnlich erzieherischen Effekt haben dürfte wie bei jenen, die zu Hause stundenlang auf die Polizei gewartet haben.

Hinzu kommt, dass sich der bestehende Personalmangel auf die Fallzahlen im Bereich der Kontrollkriminalität auswirkt. Ein geringerer Personaleinsatz beeinflusst entscheidend die polizeiliche Kontrollintensität, was wiederum zu sinkenden Fallzahlen, zum Beispiel bei Schleusungs- oder Drogendelikten, führt.

Die PKS bildet also nicht das wirkliche Kriminalitätsgeschehen im Land ab, sondern erlaubt lediglich eine je nach Deliktart mehr oder weniger starke Annäherung an die Realität. Auch darum lässt die PKS keine Rückschlüsse auf das Sicherheitsgefühl der Bürger zu.

Die Bürger des Landes leiden nicht, wie von manchem ahnungslosen Politiker unterstellt wird, unter hypochondrischen Kriminalitätsängsten, sondern sie nehmen einfach nur ihre Umwelt und das aktuelle Kriminalitätsgeschehen sehr bewusst wahr. Angefangen beim Merkel-Lego auf Weihnachtsmärkten über eine offene Drogenszene bis hin zu Gruppenvergewaltigungen oder den täglichen Messereinzelfällen.

Reaktionen darauf sind zum Beispiel der Trend zur Selbstbewaffnung, was man an der gestiegenen Zahl der kleinen Waffenscheine gut erkennen kann, und das Entwickeln eines Gefahrenvermeidungsverhaltens, also dass man bestimmte Orte gänzlich oder zu bestimmten Uhrzeiten meidet, oder, wie im Fall des „Subway“ in Halle, dass Öffnungszeiten verkürzt werden, damit das Personal halbwegs sicher nach Hause kommt.

(Ulrich Siegmund, AfD: Unfassbar! - Zuruf von Wolfgang Aldag, GRÜNE)

Zunehmend mehr Bürger erkennen, dass sich die Lebensrealität bzw. das schwindende Sicherheitsgefühl nicht in gleichem Maße in der PKS widerspiegelt. Wer also mit Hinweis auf die Zahlen in der Kriminalitätsstatistik herumposaunt, wir würden im sichersten Deutschland aller Zeiten leben und die unwissenden Bürger würden sich die Unsicherheit oder den Sicherheitsverlust nur einbilden,

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

der weiß entweder nicht, wovon er spricht, oder er weiß es und will die Sorgen der Bürger nicht ernst nehmen, die Probleme ignorieren und sie schon gleich gar nicht lösen. Wer auch immer sich so äußert, der sollte zumindest nicht in irgendeiner Art und Weise für Sicherheitspolitik verantwortlich sein.

(Zustimmung bei der AfD)

Erfreulich ist, dass die Landesregierung für dieses Jahr plant, eine Studie zur Ergründung der tatsächlichen Dunkelziffer bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Auftrag zu geben. Dieses Vorhaben wird von der AfD natürlich ausdrücklich begrüßt,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das ist aber lange vor Ihnen erfunden worden!)

zeigen doch Studien aus anderen Bundesländern, dass hier das Dunkelfeld besonders groß ist.

(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Aha!)