Protocol of the Session on June 3, 2016

Bei dem Geistergewerbegebiet vor Bitterfeld und den Ruinen gescheiterter Regionalflughafenprojekte handelt es sich zudem um Mahnmale wirtschaftspolitischer Inkompetenz.

Die Liste der von den Altparteien zu verantwortenden Fehlschläge - das wissen Sie, werte Damen und Herren des Hohen Hauses - ließe sich beliebig verlängern. Bei der Wirtschaftspolitik der Altparteien - das wird sich, diese Prognose sei erlaubt, auch im Falle der gegenwärtig regieren

den Koalition nicht ändern - handelt es sich nicht um eine Willkommenspolitik für dauerhaft ansiedlungswillige Unternehmen, sondern offensichtlich um eine Einladungspolitik für Großunternehmen, die oftmals lediglich temporär nach Sachsen-Anhalt kommen, um GRW-Fördergelder abzugreifen.

Die fleißigen Menschen in unserem schönen Sachsen-Anhalt haben jedoch ein Recht auf eine nachhaltige und vernunftgeleitete Wirtschaftsförderung, die zukunftsfähige, innovative, wirtschaftlich gesunde und ambitionierte Unternehmen als Arbeitgeber nach Sachsen-Anhalt lockt.

Dem noch folgenden Antrag der Linksfraktion stimmen wir insofern zu, als dass wir den Ansatz, die Entscheidungskompetenz der regionalen und kommunalen Ebene zu fördern, begrüßen. Unserer Meinung nach können die Gemeinden vor Ort am besten einschätzen, wie sie im wirtschaftlichen Standortwettbewerb ihre Chancen auf die Ansiedlung von Unternehmen optimieren können.

Ebenfalls begrüßen wir, der Innovations- und Wertschöpfungsintensität als Förderungskriterium mehr Gewicht zu verleihen, wobei wir uns diesbezüglich über die doch recht oberflächliche Ausformulierung der Antragsteller wundern. Schließlich - das wissen wir alle - liegt der Teufel hier letztendlich im Detail.

Überhaupt mutet der Antrag der Linksfraktion vor dem Hintergrund der Entwicklung bei Fricopan eher wie ein Versuch an, Aufmerksamkeit zu erheischen. Es fehlt in dem Antrag jedenfalls in auffälliger Weise die Ausformulierung einer konkreten Gesamtstrategie, durch deren Umsetzung das von den Antragstellern propagierte Ziel einer besser ausgestalteten Wirtschaftsförderung erreicht werden soll. Der Antrag der Linksfraktion zur Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik in Sachsen-Anhalt mag zwar in die richtige Richtung gehen, aber er geht keinesfalls weit genug.

Offensichtlich lädt die GRW-Förderung in Sachsen-Anhalt internationale Großunternehmen wie die Aryzta AG zum Abgreifen der Fördermittel und zu anschließend ungewollter Arbeitsplatzverlagerung ein. Diesem Missbrauch gilt es zukünftig vorzubeugen, um die Vernutzung von Steuergeldern des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt zu verhindern.

Gegenwärtig liegt die GRW-Basisförderung für Großunternehmen bei 5 % und der Höchstfördersatz, der über ein Zuschlagsystem erreicht werden kann, bei 15 %. Der Höchstfördersatz für Großunternehmen soll ab dem 1. Januar 2018 um 5 % reduziert werden.

Aufgrund der sich häufenden missbräuchlichen Verwendung der GRW-Fördergelder fordert die AfD-Fraktion eine Reduzierung des maximalen Fördersatzes für Großunternehmen bereits zum

1. Januar 2017 bzw. eine noch weitreichendere Ausrichtung der GRW-Förderung auf kleine und mittlere Unternehmen.

(Beifall bei der AfD)

In diesem Zusammenhang fordert die AfD als Mittelstandspartei eine Verwendung der bei der Wirtschaftsförderung für Großunternehmen eingesparten GRW-Fördergelder für eine Anhebung der Basis- und Höchstsätze für kleine und mittlere Unternehmen. Die jährlich in Anspruch genommenen GRW-Fördermittel in Sachsen-Anhalt werden ohnehin bereits zu 70 bis 80 % von kleinen und mittleren Unternehmen abgerufen. Die AfD fordert nunmehr, diese Quote per Beschluss auf nahe 100 % zu erhöhen.

Bei mittelständischen Unternehmen ist die Gefahr des GRW-Missbrauchs ohnehin geringer als bei Großunternehmen, da erstere im Regelfall regional und lokal verankert sind und die Gefahr einer Standortverlagerung in ein anderes Land oder Bundesland vergleichsweise gering ist.

In dem Bericht „Mittelstandsoffensive“ des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft steht: GRW „ist ein wichtiges strukturpolitisches Instrument zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und damit für die Schaffung zukunftssicherer Arbeitsplätze.“

An anderer Stelle heißt es in dem Bericht zur GRW-Förderung: „Es werden nur Investitionen gefördert, die neue Dauerarbeitsplätze schaffen.“ Genau das konnte aber im Falle der Aryzta AG und auch in anderen Fällen nicht gewährleistet werden.

Grundsätzlich steht die AfD der Ansiedlung auch von Großunternehmen in Sachsen-Anhalt sehr positiv gegenüber. Ansiedlungsanreize sollten hier jedoch insbesondere durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, beispielsweise durch den Ausbau digitaler Infrastruktur und einer ordentlichen Verkehrsinfrastruktur, geschaffen werden.

Abschließend möchte ich nochmals aus dem zuvor erwähnten Bericht des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums zitieren:

„Ziel der Wirtschaftspolitik des Landes muss daher sein, noch mehr Unternehmen zu motivieren, innovativ zu sein, zu investieren und sich neue, internationale Märkte zu erschließen.“

In diesem Satz und dem Begriff des Motivierens manifestiert sich das Scheitern der Wirtschaftspolitik der schwarz-roten Vorgängerregierung. Ziel einer kohärenten Wirtschaftspolitik ist es nicht, Unternehmen zu motivieren. Das Ziel muss insbesondere in der Schaffung adäquater Rahmenbedingungen als Ansiedlungsanreiz für Unterneh

men und in einer Wirtschaftsförderpolitik bestehen, die nicht zu Missbrauch einlädt.

Wir, die AfD, wollen eine Einladungspolitik insbesondere für kleine und mittlere, aber auch für Großunternehmen mit dauerhaften Ansiedlungsabsichten. Wir wollen eine Willkommenskultur für ansiedlungswillige und redliche Unternehmen. Wir wollen eine Abschottungskultur gegenüber unredlichen Großunternehmen schaffen, denen es nur um temporäre Ansiedlung und die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Wirtschaftsfördergeldern geht.

Kurzum: Wir werden bezüglich des eingebrachten Antrages, Drs. 7/62, mit Enthaltung stimmen. Wir unterstützen jedoch überfraktionell jedwede Initiative zur Etablierung einer Arbeitsgruppe oder besser noch die Einrichtung eines parlamentarischen Ausschusses zur Erarbeitung konkreter Vorschläge für eine Novellierung der aktuellen Wirtschaftsförderpolitik. Ich bin der Meinung, dass wir in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses dieses Thema auch behandeln sollten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Abg. Lieschke. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Meister. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Danke. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der LINKEN bedanken. Die Debatte ist inhaltlich nötig, und sie gehört hierher, hier in dieses Haus. Sie ist nicht zuletzt auch eine Wertschätzung für die vor Ort Betroffenen.

Ich glaube, jedem in diesem Haus ist bewusst, was die Schließung des Fricopan-Werkes in Immekath für die 508 Beschäftigten, die Familien und die Region Altmark bedeutet. Die Entscheidung des Schweizer Backwarenkonzerns Aryzta geht weit über eine Betriebsschließung hinaus. In einer strukturschwachen Region hängt eben an solchen Werken mehr als die Arbeitsplätze der direkt dort Beschäftigten. Von den Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt Klötze, die Umsätze der örtlichen Versorger bis hin zu den steigenden Infrastrukturkosten verschlechtern sich die Rahmenbedingungen.

Deshalb bin ich froh, dass die Landesregierung Anstrengungen unternimmt - der Minister hat dies ausführlich dargestellt -, damit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alternative Beschäftigungen in der Nachfolge zu Fricopan geschaffen werden können. Gerade wenn Unternehmen über die regionale Wirtschaftsförderung mit 13 Millionen €

unterstützt wurden, gibt es auch eine besondere Fürsorgepflicht, dass diese öffentlichen Gelder auf Dauer und nachhaltig gut angelegt sind.

Es hinterlässt einen schalen Beigeschmack, wenn, wie der ehemalige Betriebsratsvorsitzende, Kollege Höppner, berichtet, seit 2014 bestimmte Produkte bei Fricopan ausgelistet und deren Produktion zur Tochterfirma Klemme verlagert worden sei.

Der Aryzta-Sprecher äußerte sich gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 9. Mai 2016: Es wird keine Produktion verlagert. Zugleich räumt er aber ein, dass die Produkte aus Klötze künftig möglichst an anderen Aryzta-Standorten hergestellt werden sollten. Dafür müssten mit den Kunden aber neue Verträge abgeschlossen werden. Das sei keine Verlagerung, sagt er. Diese Einschätzung hat der Firmensprecher exklusiv; denn wenige Monate nach dem Auslaufen der bis 2015 geltenden Bindungsfrist der Fördermittel bei Fricopan wird das Werk geschlossen.

Die weitere Begründung, auf den alten Maschinen könnte nicht mehr entsprechend den Kundenwünschen produziert werden, klingt wenig überzeugend; dies vor allem, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen Wert darauf legt, dass der Standort nicht an ein in der Branche tätiges Unternehmen, also einen Konkurrenten, geht. Welchen Sinn hat eine solche Positionierung, wenn nicht befürchtet würde, dass ein Mitbewerber dort sehr wohl wettbewerbsfähig produzieren könnte?

Auch die Erkenntnis, die Verkehrsanbindung des Standortes sei schlecht, klingt merkwürdig, da seit der ursprünglichen Ansiedlung in die Infrastruktur des Landkreises investiert wurde, sie also noch besser wurde, als sie damals war.

Es ist sehr viel mehr als ein Verdacht, dass ein mit Fördermillionen des Landes Sachsen-Anhalt geförderter Standort bewusst geschlossen wurde, um an anderer Stelle mit weiteren Fördermitteln desselben Landes ein neues Werk aufzubauen. An dieser Stelle setzt meiner Meinung nach eine verständliche Kritik an. Es wird mit der KlemmeGmbH ein zum gleichen Konzern gehörendes zweites Werk in Sachsen-Anhalt gefördert mit einer ähnlichen Angebotspalette.

Da fragt man sich: Ist das bei der Fördermittelgewährung keinem aufgefallen? - Solche Zusammenhänge müssen in der Zukunft deutlicher gemacht werden. Bei der Entscheidung über die Vergabe muss die Abwägung möglich sein, ob die Förderung trotz der drohenden Aufgabe eines anderen Standortes erfolgen soll, ob sie nachhaltig wäre und, wenn ja, unter welchen Bedingungen man solch eine Förderung vornimmt und welche Auflagen man gegebenenfalls machen möchte. Dabei wäre insbesondere auf eine sinn

volle Nachnutzung des es ursprünglichen Standortes abzustellen.

Wir brauchen auch eine ressortübergreifende Datenbank der im Land bearbeiteten Förderanträge. Damit würden Fördermittelempfänger und Umfang der gezahlten Fördergelder transparent gemacht. Ein entsprechendes Vorhaben ist im Koalitionsvertrag enthalten. Dann würde vielleicht auch das Ausreizen von Förderbedingungen frühzeitiger auffallen.

Der Fall macht aber auch deutlich, wie abhängig Sachsen-Anhalt von der Entscheidung einer weit entfernten Unternehmenszentrale ist, die sich eben an ihren Aktienkursen, an den Dingen des Unternehmens orientiert, aber die Verantwortung, die ihr vor Ort für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwächst, nicht ausreichend ausfüllt.

Es gehört auch zur Ehrlichkeit, nicht den Eindruck zu erwecken, geänderte Förderbedingungen, ein Beschluss des Landtags oder das Handeln eines Wirtschaftsministers könnten in jedem Fall verhindern, dass Unternehmen die Rahmenbedingungen bis an die Grenze des juristisch Machbaren ausreizen. Politik kann vieles ermöglichen, aber das politische Handeln hat eben auch seine Grenzen.

Ein weiteres Beispiel für eine ähnliche wie Fricopan gelagerte Situation ist nur wenige Monate her und hat den gleichen Ausgangspunkt. Das wurde von Vorrednern vorhin schon angesprochen. Die Agrofert GmbH hat nach der Übernahme der Lieken AG 2015 eine Umstrukturierung des Unternehmens beschlossen und vier Werke in Deutschland geschlossen, darunter leider auch das Werk in Weißenfels, für das für ein bereits im Jahr 2008 abgeschlossenes Investitionsvorhaben ein GRWZuschuss in Höhe von damals 696 000 € gewährt wurde. Die Zweckbindung für diesen Zuschuss endete bereits im Jahr 2013.

Für die Kapazität der vier geschlossenen Werke soll nun ein Werk in Wittenberg-Piesteritz entstehen. Die Landesregierung hat dafür eine Förderung in Höhe von 11,25 Millionen € gewährt. Ähnlich wie bei Fricopan wurde in Sachsen-Anhalt also ein Werk geschlossen und das neue Werk in Wittenberg mit Fördermillionen neu errichtet.

Der Vorgang war Gegenstand von Anfragen im Landtag. Ich nehme an, die meisten Abgeordneten waren damals froh über den grundsätzlichen Verbleib des Unternehmens in Sachsen-Anhalt. Die Kritik bleibt natürlich, dass Fördermittel auch die Schließung eines Standortes bewirken und bei Fricopan - wir haben es gehört - Fördermittel dazu führen, dass wir insgesamt unter dem Strich weniger Arbeitsplätze haben.

Tatsächlich brauchen wir eine Neujustierung der Fördermittelvergabe. Die Details sind allerdings

durchaus diffizil. Wenn die Fraktion DIE LINKE fordert, die Fördermittelbindung für Dauerarbeitsplätze auf zehn Jahre zu erhöhen, liefe die Bindungsfrist der Investitionsmittel für das Werk in Weißenfels zum Beispiel 2018 aus. Die Schließung des Werkes in Weißenfeld und die Verlagerung der Produktion ist für 2017 geplant, also nur ein Jahr Unterschied. Da kann man schon sehen, ob es in diesem Fall etwas gebracht hätte, wenn man es denn tut.

Die Kehrseite der Medaille: Die Flexibilität der Wirtschaft, die möglicherweise Entscheidungen erfordert, die für uns insgesamt gesamtwirtschaftlich von Bedeutung sind, wird eingeschränkt.

Mir geht es bei dieser Darstellung nicht darum, den Antrag der Fraktion DIE LINKE kleinzureden, sondern darum, die komplexe Situation bei der Wirtschaftsförderung aufzuzeigen, bei der es eben nicht immer nur schwarz und weiß gibt.

Auch meine Fraktion ist der Meinung - um die Überschrift des Antrages aufzunehmen -, ein Umsteuern in der Wirtschaftsförderung ist notwendig. Ziel der Wirtschaftsförderung im GRW-Rahmen ist es, wirtschaftliche Unterschiede im Land auszugleichen und die Ansiedlung und Entwicklung von Unternehmen zu fördern. Die Ergebnisse der bisherigen Wirtschaftsförderung in Sachsen-Anhalt sind - wie bereits beschrieben - nicht unumstritten.

Die vom Wirtschaftsministerium einberufene Projektgruppe hat die wichtige Aufgabe, die Leitlinien der Wirtschaftsförderung neu zu justieren. In diesem Sinne muss auch vom Landtag ein Signal für die Veränderung der Wirtschaftsförderung ausgehen.

Wir wollen sozialversicherungspflichtige, unbefristete und möglichst auf Basis eines Tarifvertrages entlohnte Beschäftigung stärker bei der Fördersumme honorieren. Die betriebliche Mitbestimmung hat in Deutschland eine lange und erfolgreiche Tradition. Sie ist Ausdruck der Sozialpartnerschaft. Deshalb sollten Unternehmen, die beispielsweise die Bildung von Betriebsräten verhindern, von der Landesförderung ausgeschlossen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)